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Die Geschichte des Neoliberalismus begleitet die Menschheit nun schon seit es geldbasierte Wirtschaftssysteme gibt und ist in seinem Wesenskern nichts anderes, als die Anwendung des Jäger- und Sammlerdenkens, auf eben diese geldbasierten Wirtschaftssysteme. Das Ergebnis dieser Anwendung ist, zumindest als oberflächliches Symptom, als die Freiheit der Reichen und Erfolgreichen bekannt. In diesem Buch gehe ich einen Schritt tiefer hinein in den Wesenskern des Neoliberalismus und zeige auf, aus welchen psychischen und sozialen Faktoren er überhaupt erst entsteht. Dabei macht dieses Buch eine große Reise durch die Themen Arbeitslosigkeit, Armut, Psychologie, Soziologie und Wirtschaft. Die letzten beiden Kapitel des Buches zeigen dann Lösungsvorschläge und Umsetzungsvorschläge für die bekannten problematischen Symptome des Neoliberalismus auf.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Falsche Narrative – Neoliberalismus
Radikalität ist die Fähigkeit,
bestehende gesellschaftliche Extremismen,
falsche Narrative und anerkannten Aberglauben
grundlegend zu hinterfragen,
alternative und besser aufgeklärte Verhältnisse
auszuarbeiten und der Gesellschaft im Diskurs zur
Verfügung zu stellen.
- Andre Klein -
Andre Klein
Falsche Narrative
Neoliberalismus
Eine Buch für alle,
die ihre sozialpolitischen
und wirtschaftlichen Analysen
tiefer ausgestalten wollen.
Mit großem Dank an alle Menschen, die mich bisher in meinem Leben auf gute und schlechte Weise begleitet haben und mir so die Möglichkeit zur persönlichen Entwicklung und zum Erkenntnisgewinn gegeben haben.
Impressum
Andre Klein
Hauptstr. 5a
21646 Halvesbostel
Erstauflage 2024
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig.
Copyright © 2024 Andre Klein
Inhalt
Kleines Vorwort
Kapitel I – Arbeitslosigkeit
Einstieg
Wie groß ist die Arbeitslosigkeit?
Das Grundproblem der Arbeitslosenquote
Berichterstattung und Informationsvermittlung
Wahrnehmungslücke schließen
Konstruktion der neuen Kennziffer
Zwischenfazit
Ist das normal?
Statistiken
Bevölkerung und Arbeitsvolumen (1849 - 2023)
Erwerbspersonenpotenzial (1849 – 2023)
Gesetzlicher Mindesturlaub (1949 - 2023)
Vollzeitdefinitionen (1949 - 2023)
Erwerbslosenpotenzial (1949 - 2023)
Erwerbslose - Offiziell (1949 – 2023)
Arbeitslosenquote – Offiziell (1949 bis 2023)
Fehlende Vollzeitstellenäquivalente (1949 bis 2023)
Äquivalenzarbeitslosenquote (1949 bis 2023)
Gegenüberstellung offizielle / neue Kennziffern
Gegenüberstellung Erwerbslose (1949 - 2023)
Gegenüberstellung Arbeitslosenquote (1949 – 2023)
Export von Arbeitslosigkeit / Exportüberschuss
Zwischenfazit
Fachkräftemangel
Wer hat noch Vollzeitstellen?
Ausbildungsmarkt
Kapitel II – Das Jäger- und Sammlerdenken
Die psychische Komponente
Einleitung
Ableitung / Selbstbild
Projektion der Bildung und Intelligenz
Projektion der Ästhetik
Projektion des Fleißes
Projektion der Sympathie
Projektion der Eloquenz
Projektion der Zielorientierung
Projektion der Konstruktivität
Fazit
Psychische Selbstausbeutung / Selbstzerstörung
Ausdruck der Projektionen, Arbeitsmantras
Die soziale Komponente
Der Wille zur Jagd
Arbeitsanreize
Lohnabstandsgebot
Abbau von Bürokratie
Senkung von Unternehmenssteuern
Fairness / Gerechtigkeit
Anerkennung
Soziale Selbstausbeutung / Selbstzerstörung
Survivalshows
Kapitel III – Das geldbasierte Wirtschaftssystem
Wie funktioniert Wirtschaft?
Unternehmen
Konsum
Kaufkraft
Arbeitsplätze bringen Geld
Realwirtschaft
Anlagekaufkraft
Geldanlagen
Zinsen / Renditen / Dividenden
Wo kommt das Geld her?
Finanzwirtschaftskreislauf
Banken
Zirkulationsveränderungen
Inflation
Deflation
Bruttoinlandsprodukt
Wirtschaftswachstum
Rezession
Staat und Steuern
ALGII / Arbeitslosenversicherung
Arbeitslosigkeit
Schuldenbremse
Investitionen
Abschluss
Kapitel IV - Neoliberalismus
Sanktionen / Leistungen kürzen im Hartz4-System
Psychische Komponente
Neoliberales Menschenbild
Bildung für Arbeitslose
Sympathisches Verhalten von Arbeitslosen
Zielorientierung für Arbeitslose
Konstruktivität für Arbeitslose
Soziale Komponente
Trickle-Down-Effekt, Verehrung der Reichen
Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche
Niedriglohnsektor / Agenda 2010 / Leistungsbilanz
Das Selbstbild der Reichen und Erfolgreichen
Neoliberaler Extremismus
Kapitel V – Reparatur des Arbeitsmarktes
1. Arbeitslose richtig zählen
2. Regional flexibles Arbeitslosengeld
Regionale Rangliste
Höhe des neuen Arbeitslosengeldes
Entweder-Oder-Leistung
Auswirkungen
3. Maximalvermögen pro Kopf
Rückblick Vermögenssteuer
Zulässigkeit eines Maximalvermögens
Höhe des Maximalvermögens
Finanzierung / Treuhand
Kapitalflucht
Intervalle
Ausländisches Vermögen in Deutschland
Wirtschaftswachstum und die EZB
Kapitel VI – Politische Umsetzung
Radikalisierung
Komplexitätsreduktion
Mindestlohn
Höhere Löhne / Gewerkschaften
Automatisierung / Digitalisierung
Wohnungsmarkt / Mietpreisbremse
Wertzuwächse von Immobilien
Bedingungsloses Grundeinkommen
Kunstschätze / Museen Maximalvermögen
Rentenarmut
Rente / Produktivität
Aktienrente
Aussenhandelsbilanz / Export von Arbeitslosigkeit
Kinderarmut / Kindergeld
Fazit und Abschluss
Neoliberalismus ist der Versuch, das Jäger- und Sammlerdenken,
welches uns von Geburt an genetisch in die Wiege gelegt worden ist,
auf ein geldbasiertes Wirtschaftssystem anzuwenden.
Etwas, was wir bereits seit Jahrtausenden tun
und damit seit Jahrtausenden scheitern.
Wenn ihr also wissen wollt, warum die Geschichtsbücher so aussehen, wie sie aussehen, dann ist dieses Buch genau richtig für euch. Um sich diesem banalen, aber dennoch komplexen Thema verständlich nähern zu können, ist dieses Buch in mehrere Kapitel unterteilt, die sich auf unseren wirtschaftlichen und politischen Alltag beziehen. Dabei geht es mir darum, die ein oder andere Debatte zu ökonomischen Themen wie Arbeitslosigkeit und Armut erklärbar zu machen, in der Hoffnung, dass wir endlich zu konstruktiven Veränderungen fähig sind, wenn wir denn nur aufgeklärt genug sind. Zur besseren Lesbarkeit, werde ich so weit wie möglich auf Fachbegriffe verzichten.
Um den Wesenskern des Neoliberalismus verstehen zu können, muss man sich mit den Problemen unseres Wirtschaftssystems auseinander setzen. Überall dort, wo es ächzt und knarrt in einer Gesellschaft, werden wir fündig. Drängende Symptome sind verbreitete Arbeitslosigkeit und Armut; sogar bis hinein ins Rentenalter trotz jahrzehntelanger Arbeit. Die Themen Arbeitslosigkeit und Armut sind daher der perfekte Einstiegspunkt, um sich mit dem Neoliberalismus auseinanderzusetzen. Denn, gäbe es diese Symptome nicht, gäbe es auch nicht dieses Buch.
Mit dieser Feststellung gehen wir auch gleich in die Vollen und stellen uns zu aller erst einmal die Frage, wie hoch das Ausmaß der Arbeitslosigkeit, hier in Deutschland, überhaupt ist. Diese Fragestellung ist wichtig, da wir nicht nur einfach ein Problem benennen wollen, sondern auch das reale Ausmaß des Problems kennen wollen, bevor wir uns vielleicht mit Nichtigkeiten beschäftigen und unsere Zeit verschwenden.
Zusätzlich dazu ist es auch, aus meiner Sicht, erstrebenswert sich mit den Reaktionen und Denkmustern hinter der Arbeitslosigkeit und gegenüber Arbeitslosen zu beschäftigen. Denn von einer wohlwollenden Einstellung gegenüber Arbeitslosen bis hin zur geduldeten Volksverhetzung haben wir alles an Kommentaren dabei. Im Sinne der Analyse geht es mir nicht darum, hier irgendwelche geäußerten Meinungen zu bewerten, sondern mir geht es darum, aufzuzeigen, warum Menschen bestimmte Meinungen haben. Denn, auch wenn man es nicht glauben mag, sind alle Meinungen, in Bezug auf Arbeitslosigkeit, ableitbar, durch die zu Grunde liegenden Denkprozesse.
Stellen wir uns also die erste wichtige Frage:
Die Arbeitslosigkeit wird einmal als Zahl der Arbeitslosen dargestellt und einmal als sogenannte Arbeitslosenquote. Die Zahl der Arbeitslosen betrug im Jahr 2023 durchschnittlich knapp 2,61 Millionen bei einer Arbeitslosenquote von 5,41%. Dies, wohlgemerkt, ist die Größenordnung der offiziellen Darstellung.
In den sozialen Netzwerken wurde in den letzten Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass bei der Anzahl der Arbeitslosen getrickst wurde und wird und es weitaus mehr Arbeitslose gibt, als angegeben wurde. Dies wurde immer wieder in kleinen Grafiken gepostet und geteilt. Hier ein willkürliches Beispiel für das Jahr 2021 von der Partei „DIE LINKE“:
Das Grundproblem der Arbeitslosenquote besteht darin, dass sie nur individuelle Arbeitslosigkeit misst, aber keine strukturelle Arbeitslosigkeit. Dieser Umstand war bis zum Anfang der 1970er Jahre in der BRD auch kein Problem und ich möchte ihn einmal grafisch darstellen. Dazu zuerst eine Legende zur Symbolerklärung:
Darstellung verschiedenster beispielhafter Arbeitslosenquoten:
Die Problematik der Arbeitslosenquote beginnt aber in dem Moment, in dem Teilzeitstellen ins System kommen. Denn dann liefert die Arbeitslosenquote fehlerhafte Werte zur Arbeitslosigkeit. Dazu schauen wir uns einmal das Beispiel aus der vorherigen Grafik mit der Arbeitslosenquote von 50% an und verteilen die Arbeit und Arbeitslosigkeit auf alle Köpfe:
Die Menge an Arbeit (Arbeitsvolumen) und die Menge an Arbeitslosigkeit (Arbeitslosigkeitsvolumen) hat sich im Gesamtsystem nicht verändert und ist gleichgeblieben. Dennoch liefert die Arbeitslosenquote nun 0% statt 50%. In der individuellen Betrachtung der Arbeitslosigkeit ist dies auch logisch und folgerichtig, da jedes Individuum ja arbeitend ist und eben nicht arbeitslos. Strukturell betrachtet ist aber die im System vorhandene Gesamtarbeitslosigkeit nun individuell auch unsichtbar geworden. Es gibt zwar keine Arbeitslosen mehr, aber dafür gibt es immer noch Arbeitslosigkeit. Denn, um es vielleicht noch mal bewusst zu machen: Einen Teilzeitarbeitsplatz zu haben, bedeutet auch, dass man halbtags arbeitslos ist, sofern der Wunsch nach Vollzeit vorhanden ist.
Dieser Problematik der Arbeitslosenquote wird politisch mit der Ermittlung der „Unterbeschäftigung“ versucht beizukommen. Für die Unterbeschäftigung werden z.B. Teilzeitbeschäftigte und Minijobber gezählt und als eigener statistischer Wert angegeben. Die gesamte Arbeitsmarktstatistik teilt sich daher grob in die Anzahl der Arbeitenden, die Anzahl der Arbeitslosen, die Unterbeschäftigung und die „stille Reserve“ ein. Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht regelmäßig dementsprechende Statistiken und darauf aufbauend auch entsprechende Prognosen.
Wenn man sich die öffentliche Berichterstattung anschaut (Zeitung, Fernsehen, Internet), so ist durchweg zu sehen, dass, wenn über die Arbeitslosigkeit berichtet wird, in fast allen Fällen nur die derzeitige Arbeitslosenquote und die Anzahl der offiziellen Arbeitslosen genannt wird. Zusätzlich dazu evtl. dann noch die Veränderungen zum Vorjahr, zur Vorsaison oder zum Vormonat. Und das war es. Das Thema Unterbeschäftigung und stille Reserve ist fast nie tatsächlich Teil der Berichterstattung. Dies führt zu einer Wahrnehmungslücke:
Im Grunde genommen kann man sich die Wahrnehmung der Arbeitslosigkeit wie die Sichtung eines Eisberges vorstellen. Über die Spitze wird berichtet und das, was unter Wasser ist, ist unsichtbar.
Wirkung auf Politik
Da politisch Verantwortliche, wie alle anderen Menschen auch, ihre Erstinformationen unseren Medien entnehmen, unterliegen sie auch dieser Wahrnehmungslücke. Fragt man Politiker, wie es mit der Arbeitslosigkeit aussieht, können sie, zumindest grob, die Arbeitslosenquote und die Anzahl der Arbeitslosen nennen. Fragt man allerdings nach tiefer greifenden Informationen bezüglich Unterbeschäftigung, so können meistens nur diejenigen Politiker eine differenzierte Datenlage darstellen, die sich tatsächlich mit den größeren Statistiken der Bundesagentur für Arbeit auseinander gesetzt haben. Und das ist, so muss man es ehrlich sagen, nur bei einem kleineren Teil der Politiker der Fall. Jeder hat da so seine Spezialgebiete bzw. Interessensgebiete, um die er sich hauptsächlich kümmert. Im politischen Alltag führt dies dazu, dass die meisten Politiker nur die Arbeitslosenquote als Hauptinformation zu Grunde legen und dementsprechend handeln bzw. nicht handeln. Den Unterschied in der Handlungsaffinität von Politikern beim Thema Arbeitslosigkeit lässt sich aufzeigen, wenn man beispielhaft eine berichtete Arbeitslosenquote von 5% einer beispielhaften strukturellen Arbeitslosenquote von 30% gegenüberstellt, bei der die Unterbeschäftigung mit in die Informationen aufgenommen wurde.
Bei 5% nimmt man die Arbeitslosigkeit zur Kenntnis, beschließt einige kleinere Maßnahmen und kümmert sich nicht weiter darum. Sind es allerdings 30%, ist die politische Aufmerksamkeit deutlich größer und das Thema der Arbeitslosigkeit steigt auf der politischen Agenda deutlich nach oben. Was, auch dies muss man ehrlich sagen, nicht unbedingt dazu führt, dass das Thema dann auch korrekt behandelt wird von der Politik.
Wirkung auf die allgemeine Bevölkerung
Wenn die Wahrnehmungslücke im Kontext der Unterbeschäftigung in der Berichterstattung vorhanden ist, wird die Arbeitslosigkeit nicht als ein Phänomen der Masse betrachtet, sondern als ein individuelles Phänomen. Auch hier hilft der beispielhafte Vergleich zwischen 5% Arbeitslosenquote und einer 30% strukturellen Arbeitslosenquote weiter. Bei 5% nehmen die Bürger diese Zahl zwar wahr, stellen aber auch nur vereinzelt Forderungen Richtung Politik (aber auch an der Wahlurne) dieses Problem anzugehen. Wäre den Bürgern dagegen bewusst, dass eine strukturelle Arbeitslosenquote von 30% vorliegt, wäre die Aufmerksamkeit deutlich höher und die Forderungen, etwas dagegen zu tun, wären deutlich ausgeprägter.
Wirkung auf Unternehmer / Arbeitgeber
Einfach zusammengefasst: „Uns gehen die Arbeitslosen aus, daher brauchen wir neue Arbeitskräfte aus dem Ausland“. Auch diese Position beruht auf einer zu geringen Wahrnehmung der Arbeitslosigkeit. Kommt die Politik diesen Forderungen nach und existiert beispielhaft bereits eine strukturelle Arbeitslosenquote von 30% ist die Katastrophe auf dem Arbeitsmarkt bereits vorprogrammiert.
Wirkung auf Arbeitslose und Unterbeschäftigte
Bei einer beispielhaften strukturellen Arbeitslosenquote von 30% würde diese Personengruppe die tatsächliche Arbeitslosigkeit in ihrem Alltag sehr wohl wahrnehmen und deren Unzufriedenheit steigern, da man ständig in beruflicher Unsicherheit lebt und sich von Teilzeit- und Minijob zum nächsten hangelt. Durch die öffentliche Berichterstattung und die Wahrnehmungslücke entsteht aber bei vielen der Eindruck, dass ihre tatsächliche Realität nur eine gefühlte Realität ist und es irgendwie ein Wahrnehmungsproblem bei ihnen selbst geben muss, obwohl sie recht haben. Man würde von einer diffusen Emotionslage sprechen, bei der keiner weiß, was los ist. Und das allein auf Grund einer Wahrnehmungslücke.
Die Arbeitslosigkeit wird auf Grund dieser Wahrnehmungslücke deutlich unterschätzt und wird daher politisch zu wenig bearbeitet! Die Ursache dafür ist auf der einen Seite der individuelle Ansatz der Arbeitslosigkeit durch die Arbeitslosenquote und auf der anderen Seite die mediale Berichterstattung über die Arbeitslosigkeit selbst.
Wir müssen den Medien und der Politik daher die Arbeitslosenquote wegnehmen, sie also verbannen und eine neue Kennzahl zur Arbeitslosigkeit einführen, die die Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung zu einer Zahl zusammenführt. Ist so eine Kennzahl vorhanden, können die Medien nicht mehr an dieser Zahl vorbei berichten und die Wahrnehmungslücke wird geschlossen. Das ganze muss in einen Kontext der Qualitätssicherung politischer Kennziffern eingebettet werden.
Da die neue Kennziffer auch Teilzeitarbeitslosigkeit bzw. Unterbeschäftigung erfassen soll, muss sie über das sogenannten Arbeitsvolumen berechnet werden. Das Arbeitsvolumen umfasst die Anzahl der pro Jahr tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden in Deutschland. Im Jahr 2023 waren das 61,76 Milliarden Stunden, die alle arbeitenden Menschen zusammen gearbeitet haben. Der Wesenskern der neuen Kennziffer basiert auf folgender Fragestellung:
Wie viele Arbeitsstunden pro Jahr bräuchten wir,
damit wir Vollbeschäftigung haben und
wie weit sind wir davon entfernt?
Diese Entfernung zur Vollbeschäftigung können wir in fehlenden Arbeitsstunden und damit in fehlenden Vollzeitstellenäquivalenten ausdrücken und haben damit eine akurate Kennziffer, um Arbeitslosigkeit auszudrücken.
Da wir bereits verschiedenste Statistiken rund um den Arbeitsmarkt erfassen, können wir uns hier tatsächlich in ein gemachtes Nest setzen und es ergibt sich folgende Ausgangsformel für die neue Kennziffer:
Erwerbspersonenpotenzial
x
38,5h/Woche
(„Vollzeitstelle“)
x
48 Wochen/Jahr
(52 Wochen/Jahr – 20 Tage gesetzlicher Mindesturlaub/Jahr(4 Wochen))
Vollbeschäftigungsarbeitsvolumen
Das ganze mit den ersten echten Daten von 2023:
48,2 Millionen
x
38,5h/Woche
x
48 Wochen/Jahr
89,074 Milliarden Arbeitsstunden/Jahr
Wenn also jeder arbeitsfähige Mensch in Deutschland eine Vollzeitstelle gehabt hätte, hätten wir ein jährliches Arbeitsvolumen von 89,074 Milliarden Arbeitsstunden gehabt. Nun müssen wir von diesem Ergebnis noch diejenigen abziehen, die ja gar nicht Vollzeit gearbeitet hätten, weil eher Teilzeit und Minijobs gewünscht waren. An dieser Stelle müsste man eigentlich ein statistisches Panel erzeugen, welches auf einer repräsentativen Umfrage beruht. Man sollte die Leute also einfach fragen, wie viele Stunden sie pro Woche arbeiten wollen. Dann könnte man exakt sagen, wie viele Menschen keine Vollzeit wollen. Solche Umfragen sind aber ein wenig schwierig, weil wir bei unseren Antworten immer diejenigen sein wollen, die selbstverständlich sogar 200 Stunden Arbeit pro Woche in Kauf nehmen würden, weil ja alle anderen faul sind. Die Ergebnisse so einer repräsentativen Umfrage wären also ziemlich verzerrt.
Ich kann, aus Mangel an diesem Panel, selbst nur eine grobe Schätzung vornehmen, wie viele Menschen nicht Vollzeit bzw. überhaupt nicht arbeiten wollen.
Dazu berufe ich mich auf 2 Vorträge, die ich irgendwann mal gesehen habe und leider nicht wiederfinde, in denen von Zahlen zwischen 2 bis 6 Millionen gesprochen wurde, die nicht Vollzeit arbeiten wollen bzw. zu Hause bleiben wollen. Dies waren meistens Eltern von Kindern und Menschen, die Familienangehörige pflegen. Ich nehme für meine Schätzung einfach die goldene Mitte zwischen 2 und 6 Millionen und unterstelle, dass 4 Millionen Menschen nur halbtags arbeiten wollen. Die einen ein bischen mehr, die anderen ein bischen weniger.
Wenn ich im Sinne einer Plausibilitätsprüfung, diese Zahl gegenprüfe, kann ich mir die Anzahl der Familien mit Kindern unter 18 Jahren anschauen, die laut der Bundeszentrale für politische Bildung im Jahr 2019 8,2 Millionen betrug. Für das Jahr 2022, auch wenn es ein anderes Jahr ist, wird eine Erwerbstätigenquote bei Müttern von knapp 69% angegeben. 31% der Mütter sind also nicht erwerbstätig. 31% von 8,2 Millionen Familien mit Kindern sind 2,542 Millionen Elternteile (meistens Frauen), die zu Hause bleiben. Das wäre zumindest schon mal in der Nähe der geschätzten goldenen Mitte. Dazu kommen dann die Frauen, die derzeit Teilzeit arbeiten, bei denen aber unbekannt ist, ob sie Vollzeit arbeiten würden, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten. Dazu wäre das Panel notwendig. Zusätzlich zu den Überlegungen mit den Familien, müsste man sich auch über Personen Gedanken machen, die Familienangehörige pflegen. Als kleine Anmerkung noch: Studenten müssen beim Herausrechnen nicht beachtet werden, da sie nicht Teil des Erwerbspersonenpotenzials sind. Für meine Berechnungen benutze ich, da ich dies für plausibel halte, den Wert von 4 Millionen Menschen, die nur halbtags arbeiten wollen. Damit müssen wir vom Gesamtarbeitsvolumen, welches wir bei Vollbeschäftigung hätten, noch 4 Millionen x 19,25h/Woche x 48Wochen/Jahr abziehen. Diese Personengruppe würde ich tatsächlich als Erwerbslosenpotenzial bezeichnen.
Dazu zuerst noch die erweiterte Formel:
Erwerbspersonenpotenzial
x
38,5h/Woche
(„Vollzeitstelle“)
x
48 Wochen/Jahr
(52 Wochen/Jahr – 20 Tage gesetzlicher Mindesturlaub/Jahr(4 Wochen))
(Brutto-)Vollbeschäftigungsarbeitsvolumen
-
(Erwerbslosenpotenzial x 19,25h/Woche x 48 Wochen/Jahr)
Vollbeschäftigungsarbeitsvolumen
Mit den realen Daten aus 2023:
48,2 Millionen
x
38,5h/Woche
x
48 Wochen/Jahr
89,074 Milliarden Arbeitsstunden/Jahr
-
(4 Millionen x 19,25h/Woche x 48 Wochen)
85,378 Milliarden Arbeitsstunden/Jahr
Wenn man die Arbeitsstunden für das Erwerbslosenpotenzial abzieht, ist das Vollzeitarbeitsvolumen logischerweise geringer, aber es macht den "Kohl jetzt auch nicht fett". Nun können wir uns das tatsächlich geleistete Arbeitsvolumen für 2023 anschauen. Dies beträgt 61,760 Milliarden Arbeitsstunden. Daraus können wir jetzt die Differenz ziehen und damit die Frage beantworten, wie viele Arbeitsstunden pro Jahr uns denn zur Vollbeschäftigung fehlen.
85,378 Milliarden Arbeitsstunden/Jahr
-
61,760 Milliarden Arbeitsstunden/Jahr
23,618 Milliarden Arbeitsstunden/Jahr
(fehlen zur Vollbeschäftigung)
Aus diesen fehlenden Arbeitsstunden können wir nun direkt eine Äquivalenzarbeitslosenquote bilden. 23,618 Milliarden Arbeitsstunden von 85,378 Milliarden Arbeitsstunden sind 27,663%. Die Äquivalenzarbeitslosenquote beträgt also 27,663% für das Jahr 2023. Wir haben damit also die Unterbeschäftigung in die derzeitige Arbeitslosenquote integriert.
Die offiziell gemeldete Arbeitslosenquote für das Jahr 2023 betrug 5,7%. Damit können wir auch ausrechnen, wie viel Arbeitslosigkeit sich prozentual in der Unterbeschäftigung verbirgt. Denn die Arbeitslosenzahl und Arbeitslosenquote umfasst nur 20,6% der Arbeitslosigkeit (5,7% von 27,663%). Dementsprechend entfallen 79,4% der Arbeitslosigkeit auf die Unterbeschäftigung. (Und verweilen dort unsichtbar auf Grund der Wahrnehmungslücke!)
Zusätzlich dazu können wir neben der Äquivalenzarbeitslosenquote auch noch die Anzahl der Äquivalenzvollzeitstellen ausrechnen, die wir zur Vollbeschäftigung benötigen würden:
23,618Milliarden fehlende Arbeitsstunden/Jahr
:
38,5h/Woche
:
48 Wochen/Jahr
12,78 Millionen Vollzeitstellenäquivalente
(fehlend zur Vollbeschäftigung)
Also nichts mit nur 2,6 Millionen Arbeitslosen plus 1 Million stiller Reserve.