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Die bunte Vielfalt des Lebens von Menschen wie du und ich oder ganz anderen, fantasievoll bis skurril, nachdenklich bis abgründig, liebevoll ironisch bis vergnüglich leicht; dargestellt und beschrieben in Gedichten, Poetry-Slam-Texten und Kurzgeschichten; bestens geeignet zum Vorlesen und Verschenken, auf alle Fälle jedoch zum Selbstgenießen.
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Seitenzahl: 153
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Vorwort
Die Macht der Worte
Begegnungen
Komm in dieses Leben
Begegnung
Erste Liebe...
Augenblicke …
Reisebekanntschaften
Abend- stimmung
Abendstimmung (1)
Abendstimmung (2)
Abendstimmung (3)
Krisen und Lebensfragen
ungläubig
Ent-Täuschung
Trennung
Sehnsucht
Wer bist du wo?
Gefangen
Schlüsselerlebnis
Gottverlassen
Das Lieblingstier
Der Spiegel
Und raus bist du
Ohne dich...
Unruhige Zeiten
Es ist
Jahreszeiten (des Lebens)
Anfang
Wachsen und Werden
Frühlingstraum
Frühling
Unverhofft … (1)
Unverhofft … (2)
Streuobstwiese
Unverhofft … (3)
Unverhofft … (4)
Winterfreude
Müde...
Kann jedem passieren
Chickenwings mit Birne und Muffins
Schneller...
„Vorhängnisvoll“
Geschenkt!
Über den Wolken
Seltenes und Seltsames
Alles Gemüse oder was?
Staatssache
Die neuen Bremer Stadtmusikanten
Das Tier
Funkie und die Münze
Wie die Elster eine Demonstration beendete...
Die Katze
Blau...
Blauklau oder: Das verschwundene Manuskript
Tierisch
Der Frosch
Der Maulwurf
Hase und Hund
Das Ferkel
Heute Nacht ist was los!
Das Menschliche an uns Menschen ist es, was mich interessiert, die kleinen Fehler, die mehr und auch die weniger liebenswerten Eigenheiten, alles eben, was uns einzigartig und besonders macht. Immer handeln meine Texte und Gedichte von Menschen, auch wenn sie sich zwischendurch mal hinter anderen Lebewesen oder Dingen verbergen.
Einiges habe ich für Poetry-Slams oder Lesungen geschrieben. Beim Aussuchen und Zusammenstellen der Texte für dieses Buch ist mir dann aufgefallen, was für ein deutlicher Unterschied besteht zwischen Lese- und Vorlesetexten. Manches will einfach laut gelesen werden, anderes leise, innerlich. Man sehe mir nach, dass ich die entsprechenden Geschichten und Gedichte zugunsten ihrer ursprünglichen Absicht nicht umgeschrieben habe.
Neben dem Schreiben ist Malen und Zeichnen meine Leidenschaft. Keine Frage – das Illustrieren dieses Buches war mir eine besondere Freude. Meine Malfreundin Bettina wusste sofort, welches meiner Bilder – vor Jahren gemalt – sich ideal als Cover eignen würde. Und sie hatte recht. Danke, Bettina.
Als technisch nicht ganz so hochbegabter Mensch habe ich Olivers und Martins Unterstützung gerne angenommen. Besonders Martin half mir mit großer Geduld und Ruhe über alle Hürden und ist mir immer wieder ein aufmerksamer Zuhörer.
Danke auch an Wiebke, die mein Werk mit wachsamen und kritischen Augen betrachtete und den Finger auf die jeweils richtige Stelle legte.
So wie das Coverbild sind auch meine Texte und Gedichte vielfältig und bunt: mal hell, fröhlich und klar, mal dunkler, nachdenklicher und geheimnisvoller.
Grundsätzliches Vertrauen in das Leben und unverbesserlicher Optimismus lässt aber am Ende immer alles gut ausgehen – oder etwa doch nicht?
Finden Sie es heraus! – Viel Vergnügen dabei!
Ich schreibe - wieder einmal.
Ich kann's wohl nicht lassen,
in Worte zu fassen,
was mir behagt und was mir zur Qual,
sei es zum Lieben oder zum Hassen.
Möchte mitteilsam sein
und auch wieder nicht,
schreibe mal Text und auch mal Gedicht
aus mir heraus und in mich hinein,
im Dunkeln und auch im Licht.
Ein Wort, ein Satz, fällt in mich hinein,
ungefragt, plötzlich, ist einfach da,
fordert mit Vehemenz mein Ja,
lässt mich nicht mehr allein,
ist ebenso fremd wie mir nah.
Drängt sich fordernd in meinen Kopf.
Ich weiß nicht, was draus entsteht,
ob ich versage, oder ob etwas geht,
ob es mich packt bei meinem Schopf
oder ob’s mit dem Wind verweht.
Ob's mich berührt
und mich mit Freuden
erfüllt oder mit Leiden
umhüllt, mich gar verführt -
ich kann's nicht vermeiden.
Schau staunend zu
wie sich Wort an Wort schmiegt
und sich zu Satz und zu Sätzen fügt
und wie im Nu
ein geschrieb‘ner Gedanke vor mir liegt.
Der Worte unsichtbare Macht
ist es, die mich treibt.
Und meine Hand, sie schreibt
und schreibt und etwas in mir lacht -
bis nichts mehr übrig bleibt,
bis es ruhig wird in Kopf und Herz.
Der Tanz der Gedanken wird leise.
Verklingend in zarter Weise
vermischen sich dann Scherz und Schmerz,
und geh'n auf Vergessensreise.
Die Macht der Worte winkt mir zu,
und ruft noch: tschüss, bis dann!
Ich wink‘ zurück, weil ich sonst nichts kann
und weiß in aller Ruh':
schon bald bin ich wieder dran.
(für Paula)
Komm in dieses Leben; du hast dich
dafür ins Zeug gelegt und ich
bin so stolz auf dich,
und ich freue mich.
So unfassbar ist das
Wunder deiner Existenz, was
mich betört so unerhört.
Kann's dir gar nicht sagen,
muss mich selber fragen,
was mir die Augen füllt. Das
ist auch nicht gespielt, was
soll ich zu dir sagen?
Du musst es selber wagen.
So klein wie du jetzt bist
wirst du bald nicht mehr sein, siehst
immer mehr und wirst
sehen lernen,
verstehen, gehen, leben lernen,
lieben lernen,
geben, fordern, verzeihen lernen.
Vertraue in das Leben,
es wird sie immer geben,
die starke Hand, die
dich schützt und lenkt wie
es richtig ist für dich und
frag nach dem Grund.
Liebe ist der stärkste Bund.
Dass du vertrauen kannst,
drauf bauen kannst,
dass du dich selber liebst,
Liebe weiter gibst,
dass du Probleme löst,
nicht den Tag verdöst,
dass du ins Leben lachst,
die Welt besser machst,
all deine Träume lebst,
auch mal über'm Boden schwebst...
Das und noch viel mehr
wünsch' ich dir so sehr
Komm in dieses Leben!
Es wird dir Vieles geben.
(für Paula und Theo)
Sie ist ganz vorsichtig,
die große Hand;
unbeholfen und tapsig, ungeschickt, aber
überaus vorsichtig.
Eine leichte Berührung,
zart, fast schon zärtlich.
Grobe feste Haut auf
feiner, ganz weicher Haut.
Große Finger
nehmen mit jeder Nervenfaser
die Zerbrechlichkeit wahr, werden
weich und geschickt.
Winzige Fingerchen
öffnen sich, tiefe Fältchen
auf der Handinnenseite,
feinste Fingergliederchen,
am Ende geschützt durch
Nägelchen, ganz fein,
kaum sichtbar.
Großer Finger
tastet sich vorsichtig vor, findet
Platz in der kleinen Hand.
Erstaunlich fest
ist der Griff,
verursacht ganze Ströme
von Empfindungen.
Da fließt etwas
durch den großen Finger in
die große Hand, durch
den großen Arm in
den großen Körper und in
das große Herz; macht
es weich, berührt
eine Saite, deren Klingen die
Augen feucht werden lässt, den
Blick in Tränen der (Be-)Rührung
ertränkt.
„Halt dich an mir fest“, sagt
der große Finger zur
winzigen Hand, „ich bin da.“
Weit öffnet sich
die kleine Hand, um sich
sofort wieder um
den großen Finger zu schließen.
Ja,
die beiden verstehen sich.
Schon möglich,
dass etwas Großes, etwas Großartiges,
unfassbar Schönes in
diesem kleinen Augenblick beginnt...
(für Theo)
Du schaust mich an mit deinen
unglaublichen Augen. -
Offen und geradeaus sind sie
auf mich gerichtet,
unergründlich dein Blick. - Ich
geb‘ ihn zurück.-
kann spüren, wie das
tiefdunkle Blau
mich durchdringt und sich in
mir
ausbreitet. Es macht mich
unruhig; ich trau
meinen Knien nicht mehr. Sie
sind auf einmal so weich...
Was möchtest du mir sagen?
Was soll ich aus diesen Augen
lesen?
Vielleicht: „Wo bist du bis jetzt gewesen?“
Was möchtest du wissen?
Durchschaust du mich?
Was habe ich zu verbergen?
Was an mir fasziniert dich?
Mir wird ganz schwindelig.
Willenlos
halte ich deinem Blick stand
und lasse zu, dass
du mich weiter wortlos
ansiehst.
Die Zeit wird groß,
als gäbe es für diese
Sekunden
(sind es nicht schon Minuten
oder gar Stunden?)
nichts, was wichtiger wäre und
dich ablenken könnte.
Meine Gedanken im Kopf
setzen zur Karussellfahrt an.
Ich sehe das Lächeln,
dein Lächeln, das feine,
kein großes, breites Grinsen,
auch kein Lachen, nein,
eher unauffällig, ganz zart und
klein...
Du strahlst unendliche
Freundlichkeit aus.
Ich spüre, dass mich eine
Welle wohliger Wärme
durchströmt, kann gerade
noch verhindern, dass sich
meine Gefühle als Tränen
selbstständig machen,
möchte dich bloß im Arm
halten, endlos
und das Zusammensein
genießen. Ganz groß
wird der Wunsch, alles zu tun,
damit es dir
gut geht.
Es ist eine zarte und doch
unbezwingbare Macht, mit der
du deine Welt um dich herum
so vollkommen
beherrschst!
Und dabei bist du -
erst sechs kurze Wochen
bei uns,
kleiner Theo!
Augenblicke, Blicke aus Augen,
die sonst nicht zur Erinnerung taugen,
plötzlich alles vergessen für Sekunden,
zwei suchende Seelen tief verbunden,
verzehrend, innig und sinnlich zugleich,
nackt und verletzlich und unsagbar reich,
tief getaucht ins Meer der Gefühle
und hoch auf Schwingen aus luftiger Kühle,
sekundenlange Ewigkeit,
alles möglich, zu allem bereit …
Doch …
zweimal zwei Füße streben fort,
jedes Paar an einen anderen Ort.
Aufs Neue zerrissen die suchenden Seelen,
und weiter wird sie die Sehnsucht quälen
nach dem passenden Gegenstück.
Vielleicht …
bis zum nächsten Augenblick?
Habe eine Busreise gebucht, für mich allein.
Ich finde Busfahren ätzend langweilig und ich fahre nicht gern allein.
Die Reise geht in ein kaltes, nasses Land.
Ich meide Kälte und Nässe, wenn irgendwie möglich. Vor allem, wenn sie gemeinsam auftreten.
Meine Freunde haben mir abgeraten.
Ich habe keine Ahnung, warum ich mir das antue.
Vielleicht aus Trotz, nach dem Motto: jetzt erst recht?
Bin gespannt auf die Leute. Hoffentlich schnarcht keiner. Wir werden nämlich die Nächte gemeinsam in einem Schlafanhänger verbringen, jeder natürlich in seiner eigenen Koje… Camping-Atmosphäre.
Als ich mit den anderen aus der Gruppe im Flieger nach Helsinki sitze, von wo aus die Busreise beginnen soll, weiß ich immer noch nicht, warum ich mir das antue, kann jetzt aber nicht mehr zurück.
Vorsichtiges Schielen nach links und rechts. - Die kenne ich alle nicht!
Bekomme einen festen Busplatz. Und einen festen Sitznachbarn.
Der ist 80 und schwerhörig. Sagt er mir und beugt sich ganz dicht an mein Ohr. Der Mann ist 80 und schwerhörig, sage ich mir. Schwerhörig, sonst nichts.
Der schwerhörige 80-Jährige bleibt sehr anhänglich. Besonders, wenn er in seinem Sitz eingeschlafen ist. Extrem entspannt; lässt sich immer weiter auf meine Seite sinken. Ich will seinen Kopf nicht auf meinem Schoß haben. Schiebe ihn zurück. Kriege einen unschuldig-vorwurfsvollen Dackelblick, einen tiefen Seufzer, und schon entschwindet er wieder nach Schlummerland.
Aus nicht nachvollziehbaren Gründen ist er dann plötzlich wach, boxt mich begeistert in Oberarm und Rippen, um mich mit einer ausladenden Geste auf die Schönheit des Landes aufmerksam zu machen. – Alter! – Wer schläft hier seit fast zwei Stunden?!
Nimmt nach dem Frühstück nichts mehr zu sich; sagt, dass er sich nicht so belasten will. Der Mann ist groß und dünn. Die Hosen schlabbern um seine Beine. Das macht mich besorgt. Habe Angst, dass der Mann krank ist… bis ich ihn dabei erwische, wie er sich während einer Pipipause hinter dem Lebensmittelgeschäft ein großes Eis einverleibt. Hat noch ein weiteres in der Hand.
Biete ihm einmal von meiner Nussmischung an. Aus Anstand. Drei Haselnüsse lässt er drin. Aus Anstand.
Ich glaube nicht, dass wir Freunde werden.
Weiter vorn links sitzt eine dicke Frau. Sie heißt Inge und ist Diabetikerin.
Kann keine gesüßte Cola trinken, sagt sie, nur Lightgetränke, sagt sie. Kriegt täglich zwei Liter von dem Zeug runter!
Eigentlich ist Inge ganz lustig. Aber nicht im Bus. Da schläft sie.
Keine Ahnung, warum sie dabei ein Kissen umarmt. Sobald sie ihre Augen schließt, bewegt sie sich keinen Millimeter mehr.
Einmal steht eine Elchkuh mit ihrem Kalb auf der Straße. Rita, die Busfahrerin, muss heftig bremsen. Jetzt weiß ich auch, warum Inge nie ohne Kissen im Bus sitzt. Eine Minute später ist sie wieder eingeschlafen. Abends auf dem Campingplatz schwärmt sie endlos davon, wie schön die Fahrt war.
Ganz hinten sitzt Asme. Sie stammt aus Mexiko, ist Professorin für irgendwas.
Hat in Fankreich studiert. Wohnt in einem kleinen Nest in Hessen. Sie sagt, ihr Mann habe sich kurz vor seinem Tod von ihr getrennt. Sie sagt, dass wir hier minderwertiges Essen bekommen, hat das ihrem Anwalt erzählt. Später löffelt sie aus einer Tupper-Dose. Sieht aus wie Reis und Rouladen von gestern Abend...
Den Reiseleiter nennt sie einen Sklaventreiber.
Am dritten Tag behauptet sie, jemand habe ihre schwarze Unterhose geklaut.
Sie sagt, dass sie Pickel und Schnupfen bekommt, wenn Harald seine Brille mit einem Stofftaschentuch putzt. Um 17:00 Uhr ist sie begeistert, dass sie den Mond am Himmel sieht. Hat sie noch nie. Kann ja sein, denke ich. Kannst du auch zu Hause sehen, sage ich zu ihr. Sie wird stinksauer und fragt, ob ich tatsächlich nicht wüsste, dass es so etwas in Deutschland nicht gäbe.
In welchem Fachbereich hat sie noch gleich promoviert?
Die beiden Freundinnen aus Tirol in der Sitzreihe neben uns haben sich Tücher vor die Nasen gelegt und verdrehen die Augen.
Aha, Dieter hat wieder einmal seine Schuhe ausgezogen…
Die Tirolerinnen schreiben alles mit. Sie sind von allem begeistert, nur nicht von Dieters Socken. Sie haben ihre gesamte Picknick-Ausrüstung dabei.
Wusste gar nicht, dass man so viel lachen, so viel essen und so viel Müll machen kann! Essen ist der Sex des Alters, fällt mir ein.
Die beiden sind mit Sicherheit 65 plus.
Etwa alle zwei Stunden ist Pause.
Inge gibt einen erschrockenen Schnarchton von sich, reißt die Augen auf und ruft: „Wo? Wo?“ Alles drängelt mit dem Fotoapparat nach draußen.
Entweder pinkeln oder fotografieren – oder beides.
Das geht. Zumindest bei den Männern. Die Frauen stehen Schlange vor der Tür zum Örtchen.
Nein, ich muss nicht! Ich muss nicht müssen müssen, wenn andere müssen! Aber auch ich lerne noch.
Die nächsten vier Stunden gibt es weit und breit keine Toiletten...
Einmal mache ich ein Bild von einer Pflanze.
Habe ich vorher noch nie gesehen, die Pflanze. War ein Fehler, das Bildmachen.
Seither werde ich bei jedem Halt von Hildegard und Horst in Pflanzenkunde unterrichtet. Wollen mir anscheinend ihr gesamtes Wissen vererben.
Das kann noch dauern!
Bekomme eine Einladung in die Eiffel. 14 000 Quadratmeter, Selbstversorger.
„Da können wir dir in Ruhe alles zeigen“, sagt Hildegard. Horst nickt begeistert.
Ich glaube nicht, dass ich in der nächsten Zeit einen Besuch in der Eiffel machen werde.
Einmal ruft jemand: „Ein Elch!!“
Das ist lustig, weil alle ganz aufgeregt durch den fahrenden Bus laufen, um das erste Elchbild zu schießen.
Die Busfahrerin sorgt sich um die Sicherheit ihrer Fahrgäste und hält lieber an. Es gibt aber keinen Elch. Die Mitreisenden sind sauer. Inge reißt beleidigt eine Packung Schokokekse auf - Light-Schokokekse?
Es kommt nie heraus, wer „ein Elch!!“ gerufen hat.
Wir fahren einen steilen Pass hinauf. Unzählige Haarnadelkurven, enge Straße.
Rita, die Busfahrerin, bleibt cool. Hupt vor jeder Kurve. Ich schaue rechts aus dem Fenster. Der Fjord unter uns ist beängstigend klein geworden.
Dieter beugt sich ungefragt über mich, um aus dem Fenster zu schauen. „Du hast keinen Fensterplatz gebucht!“ protestiere ich.
Er wird blass und guckt komisch.
Ich überlege, ob ich mich entschuldigen soll. Er reißt mir die Nüsschentüte aus der Hand und gibt sein Frühstück zu meinen Nüsschen. Dann hält er die Tüte bis zum Gipfel in den Händen.
Und die Tirolerinnen haben schon wieder ihre Tücher vor der Nase.
Dann ist da noch Lothar, ein kleines Fass auf zwei Beinen.
Lieblingsbrotaufstrich: fingerdick Butter und löffelweise Marmelade. Lieblingsklamotten: kurze Hose aus Jeansstoff, selbst am Nordkap, bis unter die Brust hochgezogen, Hosenträger, Kurzarmhemd, gestrickte Socken, Wandersandalen. Nie ohne Fotoapparat, auch nicht beim Pinkeln. Hört spontan auf, gemütlich zu sein, wenn man Sachsen als seine Heimat vermutet.
„Düringen, voschdehschde? Düringen!“
Lothar nimmt abends eine Schlaftablette. „Domitsch bässr schlafn gann...“ sagt er. Er schläft sehr laut. Wenn er besser schläft, schlafen die anderen schlechter, auch mit Ohrenstöpseln.
Und ich weiß jetzt, wie sich Mordgedanken anfühlen.
Hinter mir sitzt Matthias – Matthias, wie er sagt, der bärtige Berner. Sein Dialekt ist besser als Autogenes Training.
Buspanne auf der Autobahn.
Asme bekommt große Augen, japst und will partout aussteigen. Schreit irgendetwas von Sabotage, trommelt an die Tür, wird rausgelassen; rennt bei 33 Wärmegraden die Böschung hoch und verschwindet im Wald.
Die Tirolerinnen nutzen die Pause für ein ausgiebiges Picknick.
Matthias lehnt sich gelassen zurück und schließt die Augen.
Dieter zieht seine Schuhe an. Drängelt sich vor zur Busfahrerin, will unbedingt helfen.
Inge jammert; ihre zweite Limo light ist alle.
Der Reiseleiter hat einen Abschleppwagen und einen Ersatzbus organisiert.
Wir sitzen an der Böschung auf unseren Koffern, warten und schwitzen.
Der Monteur hat zu tun, bis der Bus abschlepp bereit ist.
Lothar schimpft über dessen Unfähigkeit, kommt dabei so richtig in Fahrt, fotografiert jeden Handgriff. Schleppt sich anschließend in den Schatten, sagt lange Zeit nichts mehr, ist ziemlich blass um die Nase.
Asme taucht wieder auf, als der Ersatzbus da ist. Hat pausenlos mit ihrem Anwalt telefoniert. Macht jetzt ein geheimnisvolles Gesicht.
Später, wieder zu Hause, fragt meine Tochter, ob ich nette Leute kennengelernt habe. „Ja“ sage ich, „nur nette Leute. Hab sie richtig liebgewonnen.“
„Du, ich soll etwas schreiben über Abendstimmung, aber irgendwie fällt mir gar nichts ein“, jammerte ich, als Alex müde, aber gut gelaunt nach Hause kam.
Im Gegensatz zu ihm, war ich mit meiner Laune am Boden, ganz am Boden, ja, ich hatte mindestens so etwas wie heftige Selbstzweifel und Versagensängste. Schon seit einer Woche hatte ich nichts zu Papier gebracht, war nicht imstande gewesen, die Gedankensplitter einzufangen und wie ein Puzzle zusammenzufügen oder zumindest ein ansehnliches Mosaik daraus zu machen. Nichts passte zusammen. Ich fand keinen Anfang, keinen Höhepunkt und erst recht kein aufschlussreiches Ende.
Dabei war der Auftrag denkbar einfach. Ich sollte schlicht und ergreifend etwas zum Thema Abendstimmung schreiben, irgendetwas, ohne weitere Vorgaben, ganz nach meinen eigenen Vorstellungen. Alles wäre richtig. Man vertraute mir.
Und ich saß da – seit Tagen – und hatte nicht eine einzige zündende Idee!
Mein Rechner glotzte mich mit einem leeren viereckigen weißen Auge an. Meine Finger berührten die Tastatur. Ja, aber es erschien nicht ein einziger schwarzer Buchstabe, kein lesbares Zeichen! Entweder erschien mir alles kitschig oder absurd und unpassend.
So klagte ich an diesem Abend Alex mein Leid.
Das war gegen meine Gewohnheit, denn Alex hatte weder beruflich, noch privat irgendwelche Ambitionen, ohne äußeren Zwang Texte zu erstellen. Aber er las gerne, und am liebsten historische Romane oder Biografien von Menschen mit einem eindrucksvollen Leben. Aber das war's dann auch. Wie also hätte er mir helfen können?
Jetzt aber war er da, und meine Stimmung war an einem Punkt, wo es nur zwei Möglichkeiten gab: entweder meine Not mit irgendjemandem zu teilen oder in meinen Selbstzweifeln zu ertrinken. „Ich kann machen was ich will: es kommt einfach nichts Schreibbares in meinem Kopf vor!“ klagte ich nochmal.