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Goethes 'Faust' ist das Menschheitsdrama par excellence: Die ungeheuerliche Suche nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält, führt auch den Gelehrtesten an die Grenzen des Verstandes. In 'Der Tragödie zweitem Teil' (1832), den Goethe kurz vor seinem Tod fertigstellte, verdichtet sich diese Suche zum Streben nach dem universellen, unverbrüchlichen Bündnis von Leben und Kunst. Besonders die Sprachgewalt und grandiose Motivfülle des zweiten Teils machen den 'Faust' zum Paradestück aller großen Literatur, indem er, wie Goethe selbst es sich wünschte, 'ein offenbares Rätsel bleibt, die Menschen fort und fort ergötzt und ihnen zu schaffen macht'.
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Seitenzahl: 332
Johann Wolfgang von Goethe
Faust II
Der Tragödie zweiter Teilin fünf Akten
»Faust II« erschien erstmals vollständig im Druck postum 1832 bei Cotta in Stuttgart. Diese Ausgabe folgt der Edition Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Band 3: Dramatische Dichtungen. Band 1: Faust I und II. 7. Auflage. Hamburg: Wegner 1965. Der Text wurde unter Wahrung von Interpunktion, Lautstand und grammatischen Eigenheiten den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2010 Anaconda Verlag GmbH, Köln
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-86647-562-5
eISBN 978-3-7306-9015-4
www.anacondaverlag.de
FAUSTauf blumigen Rasen gebettet, ermüdet, unruhig,Schlaf suchend. Dämmerung.
GEISTERKREISschwebend bewegt, anmutige kleine Gestalten.
ARIEL
.
Gesang, von Äolsharfen begleitet
.
Wenn der Blüten Frühlingsregen
Über alle schwebend sinkt,
Wenn der Felder grüner Segen
4615
Allen Erdgebornen blinkt,
Kleiner Elfen Geistergröße
Eilet, wo sie helfen kann,
Ob er heilig, ob er böse,
Jammert sie der Unglücksmann.
4620
Die ihr dies Haupt umschwebt im luft’gen Kreise,
Erzeigt euch hier nach edler Elfen Weise,
Besänftiget des Herzens grimmen Strauß,
Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile,
Sein Innres reinigt von erlebtem Graus.
4625
Vier
sind die Pausen nächtiger Weile,
Nun ohne Säumen füllt sie freundlich aus.
Erst senkt sein Haupt aufs kühle Polster nieder,
Dann badet ihn im Tau aus Lethes Flut;
Gelenk sind bald die krampferstarrten Glieder,
4630
Wenn er gestärkt dem Tag entgegenruht;
Vollbringt der Elfen schönste Pflicht,
Gebt ihn zurück dem heiligen Licht.
CHOR
.
Einzeln, zu zweien und vielen, abwechselnd und gesamt
.
Wenn sich lau die Lüfte füllen
Um den grünumschränkten Plan,
4635
Süße Düfte, Nebelhüllen
Senkt die Dämmerung heran.
Lispelt leise süßen Frieden,
Wiegt das Herz in Kindesruh;
Und den Augen dieses Müden
4640
Schließt des Tages Pforte zu.
Nacht ist schon hereingesunken,
Schließt sich heilig Stern an Stern,
Große Lichter, kleine Funken
Glitzern nah und glänzen fern;
4645
Glitzern hier im See sich spiegelnd,
Glänzen droben klarer Nacht,
Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd
Herrscht des Mondes volle Pracht.
Schon verloschen sind die Stunden,
4650
Hingeschwunden Schmerz und Glück;
Fühl es vor! Du wirst gesunden;
Traue neuem Tagesblick.
Täler grünen, Hügel schwellen,
Buschen sich zu Schattenruh;
4655
Und in schwanken Silberwellen
Wogt die Saat der Ernte zu.
Wunsch um Wünsche zu erlangen,
Schaue nach dem Glanze dort!
Leise bist du nur umfangen,
4660
Schlaf ist Schale, wirf sie fort!
Säume nicht, dich zu erdreisten,
Wenn die Menge zaudernd schweift;
Alles kann der Edle leisten,
Der versteht und rasch ergreift.
4665
Ungeheures Getöse verkündet das Herannahen der Sonne
.
ARIEL
.
Horchet! horcht dem Sturm der Horen!
Tönend wird für Geistesohren
Schon der neue Tag geboren.
Felsentore knarren rasselnd,
Phöbus’ Räder rollen prasselnd,
4670
Welch Getöse bringt das Licht!
Es trommetet, es posaunet,
Auge blinzt und Ohr erstaunet,
Unerhörtes hört sich nicht.
Schlüpfet zu den Blumenkronen,
4675
Tiefer, tiefer, still zu wohnen,
In die Felsen, unters Laub;
Trifft es euch, so seid ihr taub.
FAUST
. Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig,
Ätherische Dämmerung milde zu begrüßen;
4680
Du, Erde, warst auch diese Nacht beständig
Und atmest neu erquickt zu meinen Füßen,
Beginnest schon, mit Lust mich zu umgeben,
Du regst und rührst ein kräftiges Beschließen,
Zum höchsten Dasein immerfort zu streben. –
4685
In Dämmerschein liegt schon die Welt erschlossen,
Der Wald ertönt von tausendstimmigem Leben,
Tal aus, Tal ein ist Nebelstreif ergossen,
Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen,
Und Zweig und Äste, frisch erquickt, entsprossen
4690
Dem duft’gen Abgrund, wo versenkt sie schliefen;
Auch Farb’ an Farbe klärt sich los vom Grunde,
Wo Blum’ und Blatt von Zitterperle triefen –
Ein Paradies wird um mich her die Runde.
Hinaufgeschaut! – Der Berge Gipfelriesen
4695
Verkünden schon die feierlichste Stunde;
Sie dürfen früh des ewigen Lichts genießen,
Das später sich zu uns hernieder wendet.
Jetzt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen
Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet,
4700
Und stufenweis herab ist es gelungen; –
Sie tritt hervor! – und leider schon geblendet,
Kehr’ ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen.
So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen
Dem höchsten Wunsch sich traulich zugerungen,
4705
Erfüllungspforten findet flügeloffen;
Nun aber bricht aus jenen ewigen Gründen
Ein Flammenübermaß, wir stehn betroffen;
Des Lebens Fackel wollten wir entzünden,
Ein Feuermeer umschlingt uns, welch ein Feuer!
4710
Ist’s Lieb’? ist’s Hass? die glühend uns umwinden,
Mit Schmerz und Freuden wechselnd ungeheuer,
Sodass wir wieder nach der Erde blicken,
Zu bergen uns in jugendlichstem Schleier.
So bleibe denn die Sonne mir im Rücken!
4715
Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend,
Ihn schau’ ich an mit wachsendem Entzücken.
Von Sturz zu Sturzen wälzt er jetzt in Tausend,
Dann Abertausend Strömen sich ergießend,
Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend.
4720
Allein wie herrlich, diesem Sturm ersprießend,
Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer,
Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,
Umher verbreitend duftig kühle Schauer.
Der
spiegelt ab das menschliche Bestreben.
4725
Ihm sinne nach, und du begreifst genauer:
Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.
Staatsrat in Erwartung des Kaisers.Trompeten.
HOFGESINDEaller Art, prächtig gekleidet, tritt vor.
DerKAISERgelangt auf den Thron, zu seinerRechten derASTROLOG.
KAISER
. Ich grüße die Getreuen, Lieben,
Versammelt aus der Näh’ und Weite; –
Den Weisen seh’ ich mir zur Seite,
4730
Allein wo ist der Narr geblieben?
JUNKER
. Gleich hinter deiner Mantelschleppe
Stürzt’ er zusammen auf der Treppe,
Man trug hinweg das Fettgewicht,
Tot oder trunken? weiß man nicht.
4735
ZWEITER JUNKER
. Sogleich mit wunderbarer Schnelle
Drängt sich ein andrer an die Stelle.
Gar köstlich ist er aufgeputzt,
Doch fratzenhaft, dass jeder stutzt;
Die Wache hält ihm an der Schwelle
4740
Kreuzweis die Hellebarden vor –
Da ist er doch, der kühne Tor!
MEPHISTOPHELES
am Throne knieend
.
Was ist verwünscht und stets willkommen?
Was ist ersehnt und stets verjagt?
Was immerfort in Schutz genommen?
4745
Was hart gescholten und verklagt?
Wen darfst du nicht herbeiberufen?
Wen höret jeder gern genannt?
Was naht sich deines Thrones Stufen?
Was hat sich selbst hinweggebannt?
4750
KAISER
. Für diesmal spare deine Worte!
Hier sind die Rätsel nicht am Orte,
Das ist die Sache dieser Herrn. –
Da löse du! das hört’ ich gern.
Mein alter Narr ging, fürcht’ ich, weit ins Weite;
4755
Nimm seinen Platz und komm an meine Seite.
MEPHISTOPHELES
steigt hinauf und stellt sich zur Linken
.
GEMURMEL DER MENGE
. Ein neuer Narr – Zu neuer Pein –
Wo kommt er her? – Wie kam er ein? –
Der alte fiel – Der hat vertan –
Es war ein Fass – Nun ist’s ein Span –
4760
KAISER
. Und also, ihr Getreuen, Lieben,
Willkommen aus der Näh’ und Ferne!
Ihr sammelt euch mit günstigem Sterne,
Da droben ist uns Glück und Heil geschrieben.
Doch sagt, warum in diesen Tagen,
4765
Wo wir der Sorgen uns entschlagen,
Schönbärte mummenschänzlich tragen
Und Heitres nur genießen wollten,
Warum wir uns ratschlagend quälen sollten?
Doch weil ihr meint, es ging’ nicht anders an,
4770
Geschehen ist’s, so sei’s getan.
KANZLER
. Die höchste Tugend, wie ein Heiligenschein,
Umgibt des Kaisers Haupt; nur er allein
Vermag sie gültig auszuüben:
Gerechtigkeit! – Was alle Menschen lieben,
4775
Was alle fordern, wünschen, schwer entbehren,
Es liegt an ihm, dem Volk es zu gewähren.
Doch ach! Was hilft dem Menschengeist Verstand,
Dem Herzen Güte, Willigkeit der Hand,
Wenn’s fieberhaft durchaus im Staate wütet
4780
Und Übel sich in Übeln überbrütet?
Wer schaut hinab von diesem hohen Raum
Ins weite Reich, ihm scheint’s ein schwerer Traum,
Wo Missgestalt in Missgestalten schaltet,
Das Ungesetz gesetzlich überwaltet
4785
Und eine Welt des Irrtums sich entfaltet.
Der raubt sich Herden, der ein Weib,
Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare,
Berühmt sich dessen manche Jahre
Mit heiler Haut, mit unverletztem Leib.
4790
Jetzt drängen Kläger sich zur Halle,
Der Richter prunkt auf hohem Pfühl,
Indessen wogt in grimmigem Schwalle
Des Aufruhrs wachsendes Gewühl.
Der darf auf Schand’ und Frevel pochen,
4795
Der auf Mitschuldigste sich stützt,
Und:
Schuldig
! hörst du ausgesprochen,
Wo Unschuld nur sich selber schützt.
So will sich alle Welt zerstückeln,
Vernichtigen, was sich gebührt;
4800
Wie soll sich da der Sinn entwickeln,
Der einzig uns zum Rechten führt?
Zuletzt ein wohlgesinnter Mann
Neigt sich dem Schmeichler, dem Bestecher,
Ein Richter, der nicht strafen kann,
4805
Gesellt sich endlich zum Verbrecher.
Ich malte schwarz, doch dichtem Flor
Zög’ ich dem Bilde lieber vor.
Pause
.
Entschlüsse sind nicht zu vermeiden;
Wenn alle schädigen, alle leiden,
4810
Geht selbst die Majestät zu Raub.
HEERMEISTER
. Wie tobt’s in diesen wilden Tagen!
Ein jeder schlägt und wird erschlagen,
Und fürs Kommando bleibt man taub.
Der Bürger hinter seinen Mauern,
4815
Der Ritter auf dem Felsennest
Verschwuren sich, uns auszudauern,
Und halten ihre Kräfte fest.
Der Mietsoldat wird ungeduldig,
Mit Ungestüm verlangt er seinen Lohn,
4820
Und wären wir ihm nichts mehr schuldig,
Er liefe ganz und gar davon.
Verbiete wer, was alle wollten,
Der hat ins Wespennest gestört;
Das Reich, das sie beschützen sollten,
4825
Es liegt geplündert und verheert.
Man lässt ihr Toben wütend hausen,
Schon ist die halbe Welt vertan;
Es sind noch Könige da draußen,
Doch keiner denkt, es ging’ ihn irgend an.
4830
SCHATZMEISTER
.
Wer wird auf Bundsgenossen pochen!
Subsidien, die man uns versprochen,
Wie Röhrenwasser bleiben aus.
Auch, Herr, in deinen – weiten Staaten
An wen ist der Besitz geraten?
4835
Wohin man kommt, da hält ein Neuer Haus,
Und unabhängig will er leben,
Zusehen muss man, wie er’s treibt;
Wir haben so viel Rechte hingegeben,
Dass uns auf nichts ein Recht mehr übrig bleibt.
4840
Auch auf Parteien, wie sie heißen,
Ist heutzutage kein Verlass;
Sie mögen schelten oder preisen,
Gleichgültig wurden Lieb’ und Hass.
Die Ghibellinen wie die Guelfen
4845
Verbergen sich, um auszuruhn;
Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
Ein jeder hat für sich zu tun.
Die Goldespforten sind verrammelt,
Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt,
4850
Und unsre Kassen bleiben leer.
MARSCHALK
. Welch Unheil muss auch ich erfahren!
Wir wollen alle Tage sparen
Und brauchen alle Tage mehr,
Und täglich wächst mir neue Pein.
4855
Den Köchen tut kein Mangel wehe;
Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe,
Welschhühner, Hühner, Gäns’ und Enten,
Die Deputate, sichre Renten,
Sie gehen noch so ziemlich ein.
4860
Jedoch am Ende fehlt’s an Wein.
Wenn sonst im Keller Fass an Fass sich häufte,
Der besten Berg’ und Jahresläufte,
So schlürft unendliches Gesäufte
Der edlen Herrn den letzten Tropfen aus.
4865
Der Stadtrat muss sein Lager auch verzapfen,
Man greift zu Humpen, greift zu Napfen,
Und unterm Tische liegt der Schmaus.
Nun soll ich zahlen, alle lohnen;
Der Jude wird mich nicht verschonen,
4870
Der schafft Antizipationen,
Die speisen Jahr um Jahr voraus.
Die Schweine kommen nicht zu Fette,
Verpfändet ist der Pfühl im Bette,
Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot.
4875
KAISER
nach einigem Nachdenken zu
MEPHISTOPHELES
.
Sag, weißt du Narr nicht auch noch eine Not?
MEPHISTOPHELES
.
Ich? Keineswegs. Den Glanz umher zu schauen,
Dich und die Deinen! – Mangelte Vertrauen,
Wo Majestät unweigerlich gebeut,
Bereite Macht Feindseliges zerstreut?
4880
Wo guter Wille, kräftig durch Verstand,
Und Tätigkeit, vielfältige, zur Hand?
Was könnte da zum Unheil sich vereinen,
Zur Finsternis, wo solche Sterne scheinen?
GEMURMEL
. Das ist ein Schalk – Der’s wohl versteht –
4885
Er lügt sich ein – So lang’ es geht –
Ich weiß schon – Was dahinter steckt –
Und was denn weiter? – Ein Projekt –
MEPH
. Wo fehlt’s nicht irgendwo auf dieser Welt?
Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld.
4890
Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;
Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.
In Bergesadern, Mauergründen
Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden,
Und fragt ihr mich, wer es zutage schafft:
4895
Begabten Manns Natur- und Geisteskraft.
KANZLER
.
Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen.
Deshalb verbrennt man Atheisten,
Weil solche Reden höchst gefährlich sind.
Natur ist Sünde, Geist ist Teufel,
4900
Sie hegen zwischen sich den Zweifel,
Ihr missgestaltet Zwitterkind.
Uns nicht so! – Kaisers alten Landen
Sind zwei Geschlechter nur entstanden,
Sie stützen würdig seinen Thron:
4905
Die Heiligen sind es und die Ritter;
Sie stehen jedem Ungewitter
Und nehmen Kirch’ und Staat zum Lohn.
Dem Pöbelsinn verworrner Geister
Entwickelt sich ein Widerstand:
4910
Die Ketzer sind’s! die Hexenmeister!
Und sie verderben Stadt und Land.
Die willst du nun mit frechen Scherzen
In diese hohen Kreise schwärzen;
Ihr hegt euch an verderbtem Herzen,
4915
Dem Narren sind sie nah verwandt.
MEPHISTOPHELES
. Daran erkenn’ ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern,
Was ihr nicht fasst, das fehlt euch ganz und gar,
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr,
4920
Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht,
Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht.
KAISER
. Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt,
Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt?
Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;
4925
Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff es denn.
MEPH
. Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr;
Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;
Es liegt schon da, doch um es zu erlangen,
Das ist die Kunst, wer weiß es anzufangen?
4930
Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften,
Wo Menschenfluten Land und Volk ersäuften,
Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte,
Sein Liebstes da- und dortwohin versteckte.
So war’s von je in mächtiger Römer Zeit,
4935
Und so fortan, bis gestern, ja bis heut.
Das alles liegt im Boden still begraben,
Der Boden ist des Kaisers, der soll’s haben.
SCHATZMEISTER
. Für einen Narren spricht er gar nicht schlecht,
Das ist fürwahr des alten Kaisers Recht.
4940
KANZLER
. Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen:
Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen.
MARSCHALK
. Schafft’ er uns nur zu Hofwillkommne Gaben,
Ich wollte gern ein bisschen Unrecht haben.
HEERMEISTER
. Der Narr ist klug, verspricht, was jedem
4945
frommt;
Fragt der Soldat doch nicht, woher es kommt.
MEPH
. Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen,
Hier steht ein Mann! da, fragt den Astrologen!
In Kreis’ um Kreise kennt er Stund’ und Haus;
So sage denn: wie sieht’s am Himmel aus?
4950
GEMURMEL
. Zwei Schelme sind’s – Verstehn sich schon –
Narr und Fantast – So nah dem Thron –
Ein matt gesungen – Alt Gedicht –
Der Tor bläst ein – Der Weise spricht –
ATSROLOG
spricht, Mephistopheles bläst ein
.
Die Sonne selbst, sie ist ein lautres Gold,
4955
Merkur, der Bote, dient um Gunst und Sold,
Frau Venus hat’s euch allen angetan,
So früh als spat blickt sie euch lieblich an;
Die keusche Luna launet grillenhaft;
Mars, trifft er nicht, so dräut euch seine Kraft.
4960
Und Jupiter bleibt doch der schönste Schein,
Saturn ist groß, dem Auge fern und klein.
Ihn als Metall verehren wir nicht sehr,
An Wert gering, doch im Gewichte schwer.
Ja! wenn zu Sol sich Luna fein gesellt,
4965
Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt;
Das Übrige ist alles zu erlangen:
Paläste, Gärten, Brüstlein, rote Wangen,
Das alles schafft der hochgelahrte Mann,
Der das vermag, was unser keiner kann.
4970
KAISER
. Ich höre doppelt, was er spricht,
Und dennoch überzeugt’s mich nicht.
GEMURMEL
. Was soll uns das? – Gedroschner Spaß –
Kalenderei – Chymisterei –
Das hört’ ich oft – Und falsch gehofft –
4975
Und kommt er auch – So ist’s ein Gauch –
MEPHISTOPHELES
. Da stehen sie umher und staunen,
Vertrauen nicht dem hohen Fund,
Der eine faselt von Alraunen,
Der andre von dem schwarzen Hund.
4980
Was soll es, dass der eine witzelt,
Ein andrer Zauberei verklagt,
Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt,
Wenn ihm der sichre Schritt versagt.
Ihr alle fühlt geheimes Wirken
4985
Der ewig waltenden Natur,
Und aus den untersten Bezirken
Schmiegt sich herauf lebend’ge Spur.
Wenn es in allen Gliedern zwackt,
Wenn es unheimlich wird am Platz,
4990
Nur gleich entschlossen grabt und hackt,
Da liegt der Spielmann, liegt der Schatz!
GEMURMEL
. Mir liegt’s im Fuß wie Bleigewicht –
Mir krampft’s im Arme – Das ist Gicht –
Mir krabbelt’s an der großen Zeh’ –
4995
Mir tut der ganze Rücken weh –
Nach solchen Zeichen wäre hier
Das allerreichste Schatzrevier.
KAISER
. Nur eilig! du entschlüpfst nicht wieder,
Erprobe deine Lügenschäume
5000
Und zeig uns gleich die edlen Räume.
Ich lege Schwert und Zepter nieder
Und will mit eignen hohen Händen,
Wenn du nicht lügst, das Werk vollenden,
Dich, wenn du lügst, zur Hölle senden!
5005
MEPH
. Den Weg dahin wüsst’ allenfalls zu finden –
Doch kann ich nicht genug verkünden,
Was überall besitzlos harrend liegt.
Der Bauer, der die Furche pflügt,
Hebt einen Goldtopf mit der Scholle,
5010
Salpeter hofft er von der Leimenwand
Und findet golden-goldne Rolle
Erschreckt, erfreut in kümmerlicher Hand.
Was für Gewölbe sind zu sprengen,
In welchen Klüften, welchen Gängen
5015
Muss sich der Schatzbewusste drängen,
Zur Nachbarschaft der Unterwelt!
In weiten, altverwahrten Kellern
Von goldnen Humpen, Schüsseln, Tellern
Sieht er sich Reihen aufgestellt;
5020
Pokale stehen aus Rubinen,
Und will er deren sich bedienen,
Daneben liegt uraltes Nass.
Doch – werdet ihr dem Kundigen glauben –
Verfault ist längst das Holz der Dauben,
5025
Der Weinstein schuf dem Wein ein Fass.
Essenzen solcher edlen Weine,
Gold und Juwelen nicht alleine
Umhüllen sich mit Nacht und Graus.
Der Weise forscht hier unverdrossen;
5030
Am Tag erkennen, das sind Possen,
Im Finstern sind Mysterien zu Haus.
KAISER
. Die lass’ ich dir! Was will das Düstre frommen?
Hat etwas Wert, es muss zu Tage kommen.
Wer kennt den Schelm in tiefer Nacht genau?
5035
Schwarz sind die Kühe, so die Katzen grau.
Die Töpfe drunten, voll von Goldgewicht –
Zieh deinen Pflug und ackre sie ans Licht.
MEPHISTOPHELES
. Nimm Hack’ und Spaten, grabe selber,
Die Bauernarbeit macht dich groß,
5040
Und eine Herde goldner Kälber,
Sie reißen sich vom Boden los.
Dann ohne Zaudern, mit Entzücken
Kannst du dich selbst, wirst die Geliebte schmücken;
Ein leuchtend Farb- und Glanzgestein erhöht
5045
Die Schönheit wie die Majestät.
KAISER
. Nur gleich, nur gleich! Wie lange soll es währen!
ASTROLOG
wie oben
. Herr, mäßige solch dringendes Begehren,
Lass erst vorbei das bunte Freudenspiel;
Zerstreutes Wesen führt uns nicht zum Ziel.
5050
Erst müssen wir in Fassung uns versühnen,
Das Untre durch das Obere verdienen.
Wer Gutes will, der sei erst gut;
Wer Freude will, besänftige sein Blut;
Wer Wein verlangt, der keltre reife Trauben;
5055
Wer Wunder hofft, der stärke seinen Glauben.
KAISER
. So sei die Zeit in Fröhlichkeit vertan!
Und ganz erwünscht kommt Aschermittwoch an.
Indessen feiern wir, auf jeden Fall,
Nur lustiger das wilde Karneval.
5060
Trompeten. Exeunt.
MEPHISTOPHELES
. Wie sich Verdienst und Glück verketten,
Das fällt den Toren niemals ein;
Wenn sie den Stein der Weisen hätten,
Der Weise mangelte dem Stein.
verziert und aufgeputzt zur Mummenschanz
HEROLD
. Denkt nicht, ihr seid in deutschen Grenzen
5065
Von Teufels-, Narren- und Totentänzen;
Ein heitres Fest erwartet euch.
Der Herr, auf seinen Römerzügen,
Hat, sich zu Nutz, euch zum Vergnügen,
Die hohen Alpen überstiegen,
5070
Gewonnen sich ein heitres Reich.
Der Kaiser, er, an heiligen Sohlen
Erbat sich erst das Recht zur Macht,
Und als er ging, die Krone sich zu holen,
Hat er uns auch die Kappe mitgebracht.
5075
Nun sind wir alle neugeboren;
Ein jeder weltgewandte Mann
Zieht sie behaglich über Kopf und Ohren;
Sie ähnelt ihn verrückten Toren,
Er ist darunter weise, wie er kann.
5080
Ich sehe schon, wie sie sich scharen,
Sich schwankend sondern, traulich paaren;
Zudringlich schließt sich Chor an Chor.
Herein, hinaus, nur unverdrossen;
Es bleibt doch endlich nach wie vor
5085
Mit ihren hunderttausend Possen
Die Welt ein einzig großer Tor.
GÄRTNERINNEN
.
Gesang, begleitet von Mandolinen
.
Euren Beifall zu gewinnen,
Schmückten wir uns diese Nacht,
Junge Florentinerinnen
5090
Folgten deutschen Hofes Pracht;
Tragen wir in braunen Locken
Mancher heitern Blume Zier;
Seidenfäden, Seidenflocken
Spielen ihre Rolle hier.
5095
Denn wir halten es verdienstlich,
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!