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Die Sammlung von Zitaten aus Goethes Werken will in erster Linie ein Hilfsmittel sein, ein Nachschlagewerk, dessen man sich bei Bedarf bedient und dessen höchste Leistung darin besteht, dass es den Benutzer zum Lesen verführt
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Seitenzahl: 730
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J.W.Goethe – Gedanken und Aussprüche
GOETHE
Gedanken und Aussprüche 3000 Zitate
Ausgewählt von Helmut Holtzhauer und Irmgard Möller
Bearbeitet und herausgegeben von Martin Holtzhauer
Umschlag unter Verwendung des Avers der Goldenen Goethe-Medaille der Goethe-Gesellschaft in Weimar für Helmut Holtzhauer
© Martin Holtzhauer 2022
ISBN Softcover:
978-3-347-73360-2
ISBN Hardcover:
978-3-347-73361-9
ISBN E-Book:
978-3-347-73362-6
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice“, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Inhalt
Vorwort
Kurzfassung der Werktitel
Zitate
Nachbemerkung
Index
Vorwort
Seit anderthalb Jahrhunderten lösen die Versuche, das Phänomen Goethe umfassend und wahrheitsgemäß darzustellen, einander ab. Den Wandel des auf diese Weise entstehenden Bildes scheint das Goethewort bestätigen zu wollen: „Das Wahre ist eine Fackel, aber eine ungeheure; deswegen suchen wir alle nur blinzelnd so daran vorbeizukommen, in Furcht sogar, uns zu verbrennen“. Nicht geringer sind die Anstrengungen, das Wesen des Dichters und seines Werks gleichsam durch eine Formel auszudrücken oder die Versuche, die vielfältigen Äußerungen und Verhaltensweisen Goethes auf einen Nenner zu bringen. Vom gereimten Knecht und Jugendverderber bis zum Olympier reicht die Skala, und je mehr die Charakterisierung ins Enge gezogen wird, um so einseitiger oder nichtssagender wird sie. Es ist nicht möglich, die Universalität des Dichters, Naturforschers, Kunsttheoretikers, Politikers und Philosophen, die Evolution seiner Ansichten und sein Verhältnis zu einer geschichtlichen Entwicklung, an der er mehr als sechzig Jahre lang handelnd und reflektierend teilnahm, in wenige Worte zu fassen. Am allerwenigsten kann Goethe auf eine einzelne seiner Äußerungen festgelegt werden. Es lassen sich ebensogut für konservative Ansichten Zeugnisse beibringen wie für progressive. Wer zur Bekräftigung der einen sich auf Goethes Aussprüche stützen will, findet genügend Belege, und wer eine entgegengesetzte Meinung vertritt, braucht um Zitate nicht verlegen zu sein.
So ist rasch die Frage gestellt, ob Goethe vielleicht eine proteusartige Natur sei, die an keiner Stelle wirklich zu fassen ist und fortgesetzt sich wandelnd, jeden Versuch einer Wesensbestimmung spotte, so dass die Quintessenz seiner Erfahrungen und seiner Reflektionen nicht darstellbar ist. Es hat Meinungen dieser Art gegeben, und sie tauchen auch heutzutage immer wieder auf. Bei näherem Zusehen stellt sich jedoch heraus, dass sich hinter einer derartigen Auffassung eher die Unfähigkeit verbirgt, die vielseitige und vielgestaltige Kunst- und Wissenschaftswelt sowie das praktische Verhalten des Dichters in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Die Methode, sich Goethe nur von einer Seite aus, etwa der des Nur-Literatur- oder des Nur-Kunstwissenschaftlers, Nur-Naturwissenschaftlers usw. zu nähern, ist im Grunde genommen das Eingeständnis, der Universalität des Dichters nicht folgen zu können. Vielleicht liegen die Ursachen im Ungewohnten des dialektischen Denkens, das vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellt, oder aber in den tatsächlichen Widersprüchen zur Realität, denen auch Goethe nicht entging. Den ersten Streich spielt jedoch dem Urteilenden gewöhnlich die Neigung, die antike Heiterkeit Goethes, seine Verstandesklarheit, Weltzugewandtheit und sein Trotzalledem eines historischen Optimismus als Widerspruch zu den historischen oder gegenwärtigen Lebensverhältnissen zu sehen. Über das Leben zu urteilen „wie es auch sei, es ist gut“, zeigt ein Maß an Lebens- und Weltfreundlichkeit, das schwer zu verstehen ist, weil es doch aus der Erfahrung eines Dichters stammt, der von sich selbst sagt: „Dieser ist ein Mensch gewesen, / Und das heißt ein Kämpfer sein.“ Aber gerade in diesem Trotzalledem erweist sich die großartige Erkenntnis eines Menschen, dem nichts Menschliches fremd geblieben ist und erst dadurch kann sie zur Maxime für ein positives und damit richtiges Verhältnis zur Welt und zum Menschen werden.
Die Eigentümlichkeit Goethes auf eine Formel zu bringen, ist also nicht möglich. So können nur die Darlegung der Vielfalt und ihre kritische Untersuchung das zutreffende Bild geben. Nur in der Gesamtheit seiner Äußerungen ist Goethes Wesen wirklich zu entdecken und können Tendenzen, können charakteristische Merkmale herausgeschält werden. Allerdings sind diese Äußerungen nur im Zusammenhang mit den Bedingungen seines Lebens zu verstehen. „Ein jeder, nur zehn Jahre früher oder später geboren, dürfte, was seine eigene Bildung und die Wirkung nach außen betrifft, ein ganz anderer geworden sein“, heißt es im Vorwort zu „Dichtung und Wahrheit“. Und im gleichen Zusammenhang spricht Goethe von den inneren Regungen, den äußeren Einflüssen, von den theoretisch und praktisch von ihm betretenen Stufen, die es gälte, der Reihe nach darzustellen. Für Goethe, wie für jeden Menschen, wäre die Fixierung seiner Ansichten auf einen bestimmten Punkt seiner Entwicklung ein Verstoß gegen seine tiefste Erkenntnis, nämlich, dass alles im Flusse sei. „Ach, und in demselben Flusse / Schwimmst du nicht zum zweitenmal“. Entwicklung, Bildung und Umbildung, Metamorphose heißt einer der Leitbegriffe, mit dem er der Natur, dem Menschen und sieh selbst beizukommen trachtet. Entwicklung bedeutet für ihn nun nicht etwa Gradlinigkeit, fortgesetzter Aufstieg vom Niederen zum Höheren, nur Vorwärtsbewegung, sondern sie schließt Rückschritt, Umbiegen, Absinken und Absterben und wieder Neubeginnen ein. „Und so lang du das nicht hast, / dieses Stirb und Werde! / Bist du nur ein trüber Gast / Auf der dunkle Erde“. Aus dieser Auffassung von Entwicklung und aus dem Lebensprozess selbst resultieren die zahllosen Sentenzen, die, werden sie aus dem Zusammenhang gerissen und aneinandergereiht, den Eindruck unlösbarer Widersprüche machen.
Wer aber, wie Goethe, sich derart den Begriff der Entwicklung, der Herausbildung des einen aus dem anderen zu eigen und zur Grundanschauung seines Lebens gemacht hat, der muss ein Mann des Fortschritts sein, denn ohne Fortschreiten gibt es keine Entwicklung, bestenfalls einen Kreislauf. Für Goethe ist Entwicklung ein dialektischer Prozess. Hatte er seinen Entwicklungsgedanken in erster Linie aus seiner Beobachtung der Natur abgeleitet, so fand er ihn in der menschlichen Gesellschaft bestätigt. In der Notwendigkeit sah er die konsequente Triebkraft, die die Menschheit zwang, ihre einmal erreichten Positionen zu verlassen und sich neue Aufgaben zu stellen. Besonders deutlich wurde ihm dies angesichts des ihn wie ein gewaltiges Naturereignis berührenden Umschwungs aller Verhältnisse im revolutionären Frankreich der Jahre 1789 bis 1794. Er sah in der Revolution die „Folge einer großen Notwendigkeit“. Und wenn er nicht in den Chor der für die Revolution Entflammten (und dann sich bald enttäuscht Abwendenden) einstimmte, dann deshalb, weil er die objektiven Voraussetzungen für eine revolutionäre Umwälzung zu gut verstand, um sie im Deutschland seiner Zelt für möglich zu halten: „Und wiederum ist für eine Nation nur das gut, was aus ihrem eigenen Kern und ihrem eigenen allgemeinen Bedürfnis hervorgegangen, ohne Nachäffung einer andern; denn was dem einen Volk auf einer gewissen Altersstufe eine wohltätige Nahrung sein kann, erweist sich vielleicht für ein anderes als Gift“. Goethe, den die Evolution in Natur, Menschheit und Individuum faszinierte, hatte durchaus Verständnis für ihren Sonderfall: die Revolution, hatte er doch nach seinen eigenen Worten sie auf seinem ureigensten Gebiete, der Literatur, in den siebziger und achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts heraufführen helfen.
Wie entschieden sich Goethe als Glied einer Kette, soweit es den geschichtlichen Prozess, als soziales Wesen, soweit es sein Verhältnis zur Gesellschaft betraf, betrachtete, zeigen nicht nur sein praktisches Handeln, sondern auch die Hinweise, er stünde auf den Schultern seiner Vordermänner, oder: im Grunde seien wir alle kollektive Wesen. „Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selbst kein Ganzes / Werden, so schließ an ein Ganzes dich an“.
In eine Zeit hineingeboren, die sich gewöhnt hatte, Thron und Altar als etwas von Ewigkeit zu Ewigkeit Festgefügtes zu betrachten und diese Unveränderlichkeit in ihrem Glaubensbekenntnis verankert sah, hatte sich der Dichter von Jugend an der Aufklärungsbewegung zugewandt. Die gewaltige, alles Althergebrachte anzweifelnde geistige Bewegung, die als Aufklärung nach und nach ganz Europa erfasste, trat in jedem Lande in verschiedener Gestalt und zu verschiedener Zeit in Erscheinung. In Deutschland wurde, in Zusammenhang mit der Wiederentdeckung der Kunst des griechischen Altertums, der Mensch nicht nur als Maß aller Dinge, sondern als der den Menschen am meisten interessierende Gegenstand in den Mittelpunkt der Betrachtungen und der künstlerischen Tätigkeit gestellt. Humanismus und Realismus sind Hauptmerkmale des Denkens und Schaffens der Zeit. Wie kann es angesichts dieser Tendenz Zweifel daran geben, dass mit der Hinwendung zur Menschen, mit der Lehre, dass der Mensch um seiner selbst willen da sei, eine ebenso deutliche Abwendung von einer Auffassung Hand in Hand ging, nach der der Mensch um Gottes willen auf Erden sei, dass diese Welt ein Jammertal und bloßes Durchgangsland wäre und die Menschheit sich Gott und der Obrigkeit zu unterwerfen habe? „Ach, ihr Götter! große Götter: / In dem weiten Himmel droben! / Gäbet ihr uns auf der Erde/ Festen Sinn und guten Mut - /O wir ließen euch, ihr Guten, / Euren weiten Himmel droben!“ Und vorher, entschieden und herausfordernd: „Hast du die Schmerzen gelindert/ Je des Beladenen? / Hast Du die Tränen gestillet / Je des Geängstigten?“ Die Natur, die ewig Schaffende, sei der geträumte Gott. Kinder und Bettler, hoffnungsvolle Toren allein, nährten Gottes Majestät.
Die eindeutige Distanzierung von über- und außernatürlichen Kräften, des Menschen Selbstbesinnung und Selbstbewusstsein, traten bei keinem Dichter der Zeit so ausgeprägt hervor wie bei Goethe: „Feiger Gedanken / Bängliches schwanken, / Weibisches Zagen /Ängstliches Klagen / Wendet kein Elend, / Macht dich nicht frei. / Allen Gewalten / Zum Trutz sich erhalten, / Nimmer sich beugen. / Kräftig sich zeigen, / Rufet die Arme / Der Götter herbei“.
Goethes Denken war lange Zeit hindurch von Spinoza geprägt, und vor der Begegnung mit dem Werk dieses Denkers war er tief in die Frömmigkeit des Pietismus getaucht. Die Bilderwelt der Bibel war ihm allgegenwärtig und bereicherte sein poetisches Zeughaus. Wie sollte sich da in seine Dichtung und in seine Betrachtungen nicht der Anschein einer Religiosität einschieben? Ein Widerspruch mehr bei Goethe? In seinem Weltbild lösen sie sich auf. Was bleibt, ist der Widerspruch zwischen seinem und einer darüber hinaus gelangenden Zeit, die sich in diesem Falle als der auf den wissenschaftlichen Sozialismus gegründete Atheismus erweist.
Natur und Kunst, die Erkenntnis ihrer Gesetze und deren Anwendung sind die beiden Pole, um die Goethes Denken kreist. Der Mensch ist ihr Vermittler. Er entreißt Natur und Kunst ihre Geheimnisse und tritt als Schöpfer, als „kleiner Gott der Welt“, auf.
Dieser Schöpfer, nach der Ansicht Goethes und seiner Zeit vorzüglich der Künstler, tritt nun aber nicht willkürlich auf. Er ist an die Wirklichkeit gebunden, in der er lebt. „Die ungeheuren Bewegungen des allgemeinen politischen Weltlaufs, die auf mich, wie auf die ganze Masse der Gleichzeitigen, den größten Einfluss gehabt, mussten vorzüglich beachtet werden. Denn dieses scheint die Hauptaufgabe … zu sein, den Menschen in seinen Verhältnissen darzustellen und zu zeigen, inwiefern ihm das Ganze widerstrebt, inwiefern es ihn begünstigt, wie er sich eine Welt- und Menschenansicht daraus gebildet und wie er sie, wenn er Künstler, Dichter, Schriftsteller ist, wieder nach außen abspiegelt“. Dieser Realismus, die gesamte Kunstanschauung Goethes, äußert sich nicht nur in seiner Praxis, sondern ebenso in seinem gesamten theoretischen Werk. Die Wirklichkeit - Natur, Technik, Gesellschaft, Nation, Volk, Erbe, Kunst und Wissenschaft seiner Zeit - war ihm Quelle des Schöpferischen. „Eine bedeutende Schrift ist, wie eine bedeutende Rede, nur Folge des Lebens“.
So ist es nur zu verständlich, dass die Gedanken über Mensch, Natur und Kunst unter allen Aussprüchen den größten Raum einnehmen. Sie finden sich in seiner Dichtung, in den Tagebucheintragungen, in Briefen, autobiographischen und wissenschaftlichen Schriften. „Goldene Äpfel auf silbernen Schalen“ sind seine Aussprüche einmal genannt worden. Goethe hat sie verschwenderisch dargeboten, und zwar nicht nur im Alter, wo Lebensweisheit und Lebenserfahrung dies nahelegen, sondern bereits von früher Jugend an; es sind allgemeingültige Ergebnisse seines Denkens, die er sprachlich in die gedrängteste Form bringt.
Aussprüche dieser Art, Maximen und Reflexionen, Weisheit und sprachliche Schönheit, denn auch darauf beruht ihre Wirkung, gehören zum deutschen Sprachschatz. Manchmal ist man sich bei ihrem Gebrauch der Herkunft nicht einmal bewusst, und wenn, dann nicht des Zusammenhangs, aus dem sie zu neuer Selbständigkeit herausgelöst wurden. In der Umgangssprache, mehr noch in der öffentlichen Rede, drängt sich oft ein Goethewort auf die Lippen, ein ander Mal wird es als willkommene Hilfe für die Präzisierung oder auch die poetische Umschreibung eines Gedankens gesucht.
Nun ist der Liebhaber von Goethes Werken, und im Grunde genommen jeder Wissensdurstige, dem ein Goethe-Wort zu Ohren kommt, häufig in der Verlegenheit, nicht zu wissen, an welcher Stelle von Goethes Werk das genannte Zitat zu finden ist, in welchen Zusammenhang es gehört und zu welcher Zeit es seinen Weg in die Welt angetreten hat. Ebenso oft fehlt es bei einem gehörten oder ihm selbst einfallenden Zitat an der Gewissheit des Wortlauts oder der Quelle. So wird ihm die Möglichkeit, Text und Herkunft nachprüfen zu können, stets willkommen sein. Diese Wünsche soll die vorliegende Sammlung von Zitaten erfüllen.
Aber auch in den Fällen, wo der Weg zu Goethes Denken umgekehrt ist, wo der Benutzer der Sammlung sich fragt, was wohl Goethe zu diesem oder jenem Problem geäußert haben mag, wird ihm, ausgehend vom Ordnungswort, das weitere Eindringen wesentlich erleichtert. Und in dem Falle, wo kein besonderer Anlass vorliegt, wird ein Blättern in dem alphabetischen Verzeichnis den Leser bald von Wort zu Wort und damit von Gegenstand zu Gegenstand führen und ihn das Universum von Goethes Gedankenwelt inne werden lassen, vielleicht die Lust zum Lesen der Werke erneut wecken.
Aus den rund dreitausend Zitaten, die aus Versen und Prosa, aus wissenschaftlichen Abhandlungen, Sprüchen und Briefen ausgewählt wurden, setzt sich, nicht vollständig zwar, aber doch geschlossen, das Bild des Denkers Goethe zusammen. Ob er sich mit Dichtung und Malerei, Bildhauerkunst oder Tanz, Architektur, Musik oder Gartenkunst beschäftigt, ein treffendes Aperçu stand ihm jederzeit zu Gebote und fand Eingang in seine Schriften. In nicht geringerem Maße trifft dies für Leben und Lebensfragen in allen Situationen zu. Der Politiker, in dessen Blickfeld private Freuden und Leiden ebenso wie die öffentlichen Angelegenheiten gehören, fasst das Geleistete und Gedachte oft in wenigen Versen oder knappen Aussprüchen zusammen und sein Urteil über einzelne Fälle wie über weltpolitische Ereignisse ab. Der Naturwissenschaftler gelangt über Beobachtung und Experiment zu überschauenden Einsichten in Natur und Menschenleben. Dies alles ist zumeist in den Glanz von Goethes Sprachkunst getaucht, so dass allein daher schon die bekanntesten Aussprüche ihre Treffsicherheit beziehen.
Natürlich kann die vorliegende Auswahl, kann überhaupt keine Auswahl und keine Darstellung die Lektüre von Goethes Werk und seinen Lebenszeugnissen ersetzen. Das vollständige und historisch wahre Bild Goethes ist nur aus dem gesamten. Werk, seiner Entstehung und Wechselwirkung mit seiner Zeit zu gewinnen. Die Sammlung will demnach in erster Linie ein Hilfsmittel sein, ein Nachschlagewerk, dessen man sich bei Bedarf bedient und dessen höchste Leistung darin besteht, dass es den Benutzer zum Lesen verführt. Dennoch kann schon ein absichtsloser Blick in diese Sammlung zu überraschenden Einsichten in die universelle Gedankenwelt Goethes, in seine humanistischen Anschauungen und in seine realistische Methode führen. Auf jeden Fall wird die Entdeckung neugierig auf den textlichen Zusammenhang machen und anregen, das Werk, aus dem das Zitat im allgemeinen stammt, kennenzulernen. Aus diesem Grunde sind jedem Zitat zwei Angaben beigegeben: Die eine nennt die Quelle, die in jeder beliebigen Ausgabe aufgesucht werden kann, und die andere nennt die Belegstelle nach der Goethe-Ausgabe in der „Bibliothek Deutscher Klassiker“, die in der DDR am meisten verbreitete der derzeitigen volkstümlichen Ausgaben. Aus dieser zwölfbändigen Ausgabe und den drei Bänden der Briefe in der „BDK“ ist die Auswahl auch getroffen worden. Damit dürfte eine hinreichend breite Grundlage gegeben sein. Da auch diese Ausgabe bereits eine Auswahl aus der „lebendigen und in unserer Zeit weiterwirkenden Literatur“ darstellt, wurde eine weitere Einschränkung, außer der, die durch die Handlichkeit des Bandes gefordert wird, überflüssig. Im Rahmen des für die Gegenwart besonders wichtig und produktiv Erscheinenden ist versucht worden, die Gedankenwelt Goethes in ihrer ganzen Breite und Vielgestaltigkeit wiederzugeben. Natürlich bleiben immer noch Wünsche offen, doch das gilt selbst für umfangreichere Publikationen dieser Art.
Da es vor allem darauf ankommt, die Welt- und Menschenansicht Goethes deutlich hervortreten zu lassen, ist der Kontext der Zitate in manchen Fällen etwas umfangreicher gehalten als sonst bei derartigen Werken üblich. Umgekehrt ist darauf verzichtet worden, dem geflügelten Wort eine Vorrangstellung zu geben, da dies dem Ziel, auch auf diese Weise einen Beitrag zu einem neuen Goethebild zu liefern, zuwiderlaufen würde.
Die Anordnung der Zitate erfolgt alphabetisch, und zwar nach dem Wort, das den geistigen Mittelpunkt der zitierten Passage bildet. Schwierig ist dies nun, wenn sich mehrere tragende Begriffe anbieten. Um das Zitat nun nicht unter anderen Stichworten wiederholen zu müssen, ist der Sammlung ein Stichwortregister beigegeben worden, in das diese anderen wichtigen Bedeutungsträger aufgenommen wurden. Auf diese Weise können, wenn die Erinnerung an einem anderen als dem hier gewählten Ordnungswort haftet, der Wortlaut des Zitats und damit auch seine Herkunft aufgefunden werden. Obwohl in zahlreichen Fällen unter dem gleichen Ordnungswort mehrere Zitate aufgeführt sind, wie z.B. „Mensch“, so ist dennoch auf eine Untergliederung verzichtet worden. Selbst die 65 Zitate, die unter „Mensch“ aufgeführt sind, können noch leicht überflogen werden; ihre Durchsicht dürfte nicht größere Schwierigkeiten bieten als eine Gliederung nach Sachzusammenhängen, bei der wiederum zweifelhaft sein kann, was jeweils in den betreffenden Zusammenhang gehört. Die Reihenfolge ist in diesem und ähnlichen Fällen das Alphabet des ersten zitierten Wortes.
Orthographie und Interpunktion wurden der erwähnten Ausgabe von Goethes Werken entnommen; sie sind durchweg dem heutigen Gebrauch bei Wahrung des Lautstandes angeglichen.
Die Herausgeber hoffen, dass diese Sammlung von Zitaten, wenn sie schon bei weitem nicht alle Wünsche, so doch den einen erfüllen kann, den Goethe mit verwandten Produktionen verknüpfte: „Eine Sammlung von Anekdoten und Maximen ist für den Weltmann der größte Schatz, wenn er die ersteren an schicklichem Ort einzustreuen, der letzteren im treffenden Falle sich zu erinnern weiß“.
Weimar, im Mai 1972Helmut Holtzhauer
Zitate
Abenteuer. Wenn wir ja im Sittlichen, durch Glauben an Gott, Tugend und Unsterblichkeit uns in eine obere Region erheben und an das erste Wesen uns annähern sollen, so dürft‘ es wohl im Intellektuellen derselbe Fall sein, dass wir uns durch das Anschauen einer immer schaffenden Natur zur geistigen Teilnahme an ihren Produktionen würdigt machten. Hatte ich doch erst unbewusst und aus innerem Trieb auf jenes Urbildliche, Typische rastlos gedrungen, so konnte mich nun mehr nichts weiter verhindern, das „Abenteuer der Vernunft“, wie es der Alte von Königsberg1 selbst nennt, mutig zu bestehen.
Anschauende Urteilskraft (Philosophische Schriften)12,34
abenteuerlich. Die Zeit ist vorüber, wo man abenteuerlich in die weite Welt rannte; durch die Bemühungen wissenschaftlicher, weislich beschreibender, künstlerisch nachbildender Weltumreiser sind wir überall bekannt genug, dass wir ungefähr wissen, was zu erwarten sei.
Wanderjahre III,97,379
Aberglaube. Der Aberglaube gehört zum Wesen des Menschen und flüchtet sich, wenn man ihn ganz und gar zu verdrängen denkt, in die wunderlichsten Ecken und Winkel, von wo er auf einmal, wenn er einigermaßen sicher zu sein glaubt, wieder hervortritt.
Maximen7,512
Der Aberglaube, so wie manches andere Wähnen, verliert sehr leicht an seiner Gewalt, wenn er, statt unserer Eitelkeit zu schmeicheln, ihr in den Weg tritt und diesem zarten Wesen eine böse Stunde machen will. Wir sehen alsdann recht gut, dass wir ihn loswerden können, sobald wir wollen. Wir entsagen ihm umso leichter, je mehr alles, was wir ihm entziehen, zu unserem Vorteil gereicht.
DuW III 119,22
Nun begegnet mir noch gar der Aberglaube, der mir als das Schädlichste, was bei den Menschen einkehren kann, verhasst bleibt.
Wahlverwandtschaften I/185,292
Abgeschiedenes. Ein geliebtes Abgeschiedenes umarme ich weit eher und inniger im Grabhügel als im Denkmal.
Wahlverwandtschaften II,15,298
Abglanz. Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.
Faust II, Anmutige Gegend, V47274,292
abhängen von. Am Ende hängen wir doch ab / Von Kreaturen, die wir machten.
Faust II, Laboratorium, V7003-70044,365
Abhängigkeit. Freiwillige Abhängigkeit ist der schönste Zustand, und wie wäre der möglich ohne Liebe.
Wahlverwandtschaften II,5 (Aus Ottiliens Tagebuch)5,335
abhärten. Sie2 härtet vielmehr, Gott sei Dank, ihre echten Kinder gegen die Schmerzen und Übel ab, die sie ihnen unablässig bereitet, so dass wir den den glücklichsten Menschen nennen können, der der stärkste wäre, es von sich zu weisen und ihm zum Trutz den Gang seines Willens zu gehen.
Die schönen Künste. (Schriften zu Kunst und Literatur)11,33
ableiten. Ich … fand, dass mein ganzes Verfahren auf dem Ableiten beruhe. Ich raste nicht, bis ich einen prägnanten Punkt finde, von dem sich vieles ableiten lässt, oder vielmehr der viele freiwillig aus sich hervorbringt und mir entgegenträgt, da ich denn im Bemühen und Empfangen vorsichtig und treu zu Werke gehe.
Bedeutende Fördernis durch ein einziges geistreiches Wort (Philosophische Schriften)12,45
abmüden. Alles, was wir treiben und tun, ist ein Abmüden. Wohl dem, der nicht müde wird!
Maximen7,468
Absicht. In den Werken des Menschen wie in denen der Natur sind eigentlich die Absichten vorzüglich der Aufmerksamkeit wert.
Maximen7,475
Nicht jede Absicht ist offenbar, und manches Mannes Absicht ist zu missdeuten.
Egmont IV, Der Culenburgische Palast3,353
So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt.
Tasso II,13,479
Abstrakte, das. Alles Abstrakte wird durch Anwendung dem Menschenverstand genähert, und so gelangt der Menschenverstand durch handeln und beobachten zu Abstraktion.
Maximen7,510
Man tut nicht wohl, sich allzu lange im Abstrakten aufzuhalten.
Maximen7,569
abstumpfen. Der Mensch ist geneigt, sich mit dem Gemeinsten abzugeben. Geist und Sinne stumpfen sich so leicht gegen die Eindrücke des Schönen und Vollkommenen ab, dass man die Fähigkeit, es zu empfinden, bei sich auf alle Weise erhalten sollte. Denn einen solchen Genuss zu genießen ist Ursache, dass viele Menschen schon am Albernen und Abgeschmackten, wenn es nur neu ist, Vergnügen finden.
Lehrjahre V,16,294
Absurde, das. Das Absurde, mit Geschmack dargestellt, erregt Widerwillen und Bewunderung.
Maximen7,519
Denn bei der größten Wahrheitsliebe kommt derjenige, der vom Absurden Rechenschaft geben soll, immer ins Gedränge: er will einen Begriff davon überliefern, und so macht er es schon zu etwas, da es eigentlich ein Nichts ist, welches für etwas gehalten sein will.
Ital. Reise II (9. April 1787)10,253
Abwechslung. Abwechslung ohne Zerstreuung wäre für Lehre und Leben der schönste Wahlspruch, wenn dieses löbliche Gleichgewicht nur so leicht zu erhalten wäre!
Wahlverwandtschaften II,75,347
Adam. Hans Adam war ein Erdenkloß, / Den Gott zum Menschen machte, / Doch brachte er aus der Mutter Schoß / Noch vieles Ungeschlachte.
Divan, Buch des Sängers (Erschaffen und beleben)2,15
Adel. Man leugnete stets, und man leugnet mit Recht, / Dass je sich der Adel erlerne.
Ballade1,369
Administration. Denn ich sage immer, wer sich mit der Administration abgibt, ohne regierender Herr zu sein, der muss entweder ein Philister oder ein Schelm oder ein Narr sein.
An Charlotte v. Stein3, 9. Juli 1786B1,243
Affen. Wie man es über das Herz bringen kann, die garstigen Affen so sorgfältig abzubilden. Man erniedrigt sich schon, wenn man sie nur als Tier betrachtet. Man wird aber wirklich bösartiger, wenn man dem Reize folgt, bekannte Menschen unter dieser Maske aufzusuchen.
Wahlverwandtschaften II,7 (Aus Ottiliens Tagebuch)5,354
Ahnung. Wer fühlt nicht einiges Behagen beim Eintreffen einer Ahnung, selbst einer traurigen? Alle Vorgefühle, wenn sie durch das Ereignis bestätigt werden, geben dem Menschen einen höheren Begriff von sich selbst, es sei nun, dass er sich so zartfühlend glauben kann, um einen Bezug in die Ferne zu tasten, oder so scharfsinnig, um notwendige, aber doch ungewisse Verknüpfungen gewahr zu werden.
DuW III,119,13
Akademie. Jede der deutschen Akademien hat eine besondere Gestalt: denn weil in unserem Vaterlande keine allgemeine Bildung durchdringen kann, so beharrt jeder Ort auf seine Art und Weise und treibt seine charakteristischen Eigenheiten bis aufs letzte. Eben dieses gilt von den Akademien.
DuW II,68,269
akademisch. Das akademische Leben, wenn wir uns auch bei demselben des eigentlichen Fleißes nicht zu rühmen haben, gewährt doch in jeder Art von Ausbildung unendliche Vorteile, weil wir stets von Menschen umgeben sind, welche die Wissenschaft besitzen oder suchen.
DuW II,98,382
Akten. Die Geschäftsleute bedenken nicht, dass Akten, vom lateinischen acta hergeleitet, so viel heißt als Getanes, und dass also darin keineswegs eingeheftet werden dürfe, was man tun werde oder wolle.
An Karl Friedrich Zelter4, 28. Febr. 1811B2,205
All. In deinem Nichts hoff ich das All zu finden.
Faust II, Finstere Galerie, V62564,340
Was bin ich denn gegen das All?
Wanderjahre I,107,124
Wie alles sich zum Ganzen webt, / Eins indem andern wirkt und lebt! / Wie Himmelskräfte auf und niedersteigen / Und sich die goldnen Eimer reichen! / Mit segenduftenden Schwingen / Vom Himmel durch die Erde dringen, / Harmonisch all das All durchdringen!
Faust I, Nacht, V447-4534,155
Allegorie. Die Allegorie verwandelt die Erscheinung in einen Begriff, den Begriff in ein Bild, doch so, dass der Begriff im Bilde immer noch begrenzt und vollständig zu halten und zu haben und an demselben auszusprechen sei.
Maximen7,522
Allgemeine, das. Das Allgemeine und Besondere fallen zusammen: das Besondere ist das Allgemeine, unter verschiedenen Bedingungen erscheinend.
Maximen7,482
Ich habe mich solange ums Allgemeine bemüht, bis ich einsehen lernte, was vorzügliche Menschen im Besonderen leisten.
Maximen7,514
Was ist das Allgemeine? / Der einzelne Fall. / Was ist das Besondere? / Millionen Fälle.
Maximen7,482
Alltäglichkeit. Und dann ist es ein widerwärtiges Gefühl, aus dem Enthusiasmus einer reinen Wiedererkennung, aus der Überzeugung dankbaren Erinnerns, der Anerkennung einer wunderbaren Lebensfolge, und was alles Warmes und Schönes dabei in uns entwickelt werden mag, auf einmal zu der schroffen Wirklichkeit einer zerstreuten Alltäglichkeit zurückgeführt zu werden.
Wanderjahre III,137,416
Allumfasser. Wer darf ihn nennen? / Und wer bekennen: / Ich glaub ihn? Wer empfinden / Und sich unterwinden / Zu sagen: ich glaub ihn nicht? / Der Allumfasser, / Der Allerhalter, / Fasst und erhält er nicht / Dich, mich, sich selbst?
Faust I, Marthens Garten4,250
alt. Alt wird man wohl, wer aber klug?
Faust II, Klassische Walpurgisnacht - Am obern Peneios V7712 4,386
Man darf alt werden, um milder zu sein. Ich sehe keinen Fehler begehen, den ich nicht auch begangen hätte.
Maximen7,514
Wenn man älter wird, muss man mit Bewusstsein auf einer gewissen Stufe stehenbleiben.
Maximen7,500
Alte, der. Der Alte verliert eines der größten Menschenrechte: er wird nicht mehr von seinesgleichen beurteilt.
Maximen7,471
Wenn der Jüngere fehlt, so verbindet er sich deshalb zu büßen und, wenn er tüchtig ist, den Fehler wieder gutzumachen. Der Ältere fürchtet, die Folge seines Irrtums seinen Nachfolgern zu überliefern, deren Vorwürfe er sich, als ein lang Erfahrener, schon selbst artikulieren kann.
An Christian Gottlob v. Voigt5, 27. Febr. 1816B2,390
Alten, die. Die Brosamen von den reichen Tischen der Alten6 sind es doch eigentlich, wovon ich lebe.
An Christoph Ludwig Friedrich Schultz7, 7. Mai 1823B3,110
Man schont die Alten, wie man die Kinder schont.
Maximen7,471
Alter, das. Das Alter ist ein höflich‘ Mann; / Einmal übers andre klopft er an; / Aber nun sagt niemand: „Herein!“ / Und vor der Türe will er nicht sein. / Da klinkt er auf, tritt ein so schnell, / Und nun heißt’s, / Er sei ein grober Gesell.
Das Alter1,377
Das Alter kann kein größeres Glück empfinden, als dass es sich in die Jugend hineingewachsen fühlt und mit ihr nun fortwächst.
An Carl Gustav Carus8, 23. März 1818B2,4654
Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht, / Es findet uns nur noch als wahre Kinder.
Faust, Vorspiel auf dem Theater, V212-2134,147
Das Alter muss doch einen Vorzug haben, / Dass, wenn es auch dem Irrtum nicht entgeht, / Es doch sich auf der Stelle fassen kann.
Tasso III,43,514
Gewohnt, an mich selbst zu denken und mich zu prüfen, fühle ich mich von den Banden höheren Alters befangen. Denn nicht allein körperliche Kühnheit will dem Alter selten geziemen, auch geistige Kühnheit steht ihm nicht wohl.
An Christian Gottlob v. Voigt, 27. Febr. 1816B2,390
Wer in einem gewissen Alter frühere Jugendwünsche und Hoffnungen realisieren will, betrügt sich immer, denn jedes Jahrzehnt des Menschen hat sein eigenes Glück, seine eigenen Hoffnungen und Ansichten.
Wahlverwandtschaften II,125,389
Gewiss, das Alter ist ein kaltes Fieber / Im Frost von grillenhafter Not.
Faust II, Hochgewölbtes gotisches Zimmer, V67854,357
Man sagt vom Alter, es sei geschwätzig, aber ich dächte doch, es dürfte gesprächig sein. Man hat sich viel zu sagen und sagt’s auch wohl kühnlich, was man früher weislich dahingehen ließ.
An Heinrich Gustav Hotho9, 19. April 1830B3,376
Soll dich das Alter nicht verneinen, / So musst du es gut mit andern meinen; / Mußt viele fördern, manchem nützen, / Das wir dich vor Vernichtung beschützen.
Beschilderter Arm2,194
Und das Alter wie die Jugend / Und der Fehler wie die Tugend / Nimmt sich gut in Liedern aus.
An die Günstigen1,288
Was man in der Jugend wünscht, hat man im Alter die Fülle.
DuW II Motto8,231
Zeige man doch dem Jüngling des edel reifenden Alters / Wert und dem Alter die Jugend, dass beide des ewigen Kreises / Sich erfreuen und so sich Leben im Leben vollende!
Hermann und Dorothea, Urania2,430
Altertum. Denn wenn wir uns dem Altertum gegenüberstellen und es ernstlich in der Absicht anschauen, uns daran zu bilden, so gewinnen wir die Empfindung, als ob wir erst eigentlich zu Menschen würden.
Maximen7,486
Altvordere. Wir anderen Nachpoeten müssen unserer Altvorderen, Homers, Hesiods u.a.m. Verlassenschaft als urkanonische Bücher verehren. Als vom heiligen Geist Eingegebenen beugen wir uns vor ihnen und unterstehen uns nicht zu fragen: woher, noch wohin.
An Georg Friedrich Creuzer10, 1. Okt. 1817B2,443
Amerika. Amerika, du hast es besser, / Als unser Kontinent, das alte, / Hast keine verfallnen Schlösser / Und keine Basalte. / Dich stört nicht im Innern / Zu lebendiger Zeit / Unnützes Erinnern / Und vergeblicher Streit.
Den Vereinigten Staaten2,187
Amerikanerin. Amerikanerin nennst du das Töchterchen, alter Phantaste, / Glücklicher! Hast du sie nicht hier in Europa gemacht?
Amerikanerin (Epigramme)1,192
Amor. Amor bleibt ein Schalk, und wer ihm vertraut, ist betrogen!
Römische Elegien XIII1,157
Vielfach wirken die Pfeile des Amor: einige ritzen, / Und vom schleichenden Gift kranket auf Jahre das Herz. / Aber mächtig befiedert, mit frisch geschliffener Schärfe, / Dringen die andern ins Mark, zünden behende das Blut.
Römische Elegien III1,150
Amphitheater. Doch nur in der frühesten Zeit tat es seine ganze Wirkung, da das Volk noch mehr Volk war, als es jetzt ist. Denn eigentlich ist so ein Amphitheater recht gemacht, dem Volk mit sich selbst zu imponieren, das Volk mit sich selbst zum Besten zu haben.
Ital. Reise I (16. Sept. 1786)10,40
Analogie. Jedes Existierende ist ein Analogon alles Existierenden. Daher erscheint uns das Dasein immer zu gleicher Zeit gesondert und verknüpft.
Maximen7,481
Mitteilung durch Analogien halt ich für so nützlich als angenehm: der analoge Fall will sich nicht aufdringen, nichts beweisen. Er stellt sich einem anderen entgegen, ohne sich mit ihm zu verbinden. Mehrere analoge Fälle vereinigen sich nicht zu geschlossenen Reihen, sie sind wie gute Gesellschaft, die immer mehr anregt als gibt.
Maximen7,506
Nach Analogien denken ist nicht zu schelten. Die Analogie hat den Vorteil, dass sie nicht abschließt und eigentlich nichts Letztes will; dagegen die Induktion verderblich, die einen vorgesetzten Zweck im Auge trägt und, auf dasselbe losarbeitend, Falsches und Wahres mit sich fortreißt.
Maximen7,510
anarchisch. Denn gerade in solchen anarchischen Zeiten tritt der tüchtige Mann am festesten auf, und der das Gute will, findet sich recht an seinem Platze.
DuW III,129,92
Anatomie. Die vergleichende Anatomie hat einen allgemeinen Begriff über organische Naturen verbreitet. Sie führt uns von Gestalt zu Gestalten, und indem wir nah oder fern verwandte Naturen betrachten, erheben wir uns über alle, um ihre Eigenschaften in einem idealen Bilde zu erblicken.
Einleitung in die Propyläen (Schriften zu Kunst und Literatur) 11,86
anbinden. Es ist wunderbar: ein Mensch, der sich über so vieles hinaussetzt, wird doch an einer Ecke mit Zwirnsfäden angebunden.
Clavigo II,13,244
ändern. Denn nichts zu ändern hat für sich der Knecht Gewalt.
Faust II, Vor dem Palaste des Menelas, V85594,413
anders machen. Wer’s nicht besser machen kann, machts’s wenigstens anders.
Maximen7,526
Anekdote. Eine Sammlung von Anekdoten und Maximen ist für den Weltmann der größte Schatz, wenn er die ersten an schicklichen Orten ins Gespräch einzustreuen, der letzten im treffenden Falle sich zu erinnern weiß.
Maximen7,463
Anerkennen, das. Denn es ist kein Anerkennen. / Weder vieler, noch des einen, / Wenn es nicht am Tage fordert, / Wo man selbst was möchte scheinen.
Divan, Buch des Unmuts (Und wer franzet oder britet)2,55
Anfang. Aller Anfang ist heiter, die Schwelle ist der Platz der Erwartung.
Lehrjahre VII,96,519
Aller Anfang ist schwer, und die letzten Stufen werden am schwersten und seltensten erstiegen.
Wanderjahre I,47,38
Aller Anfang ist schwer, am schwersten der Anfang der Wirtschaft.
Hermann und Dorothea. Terpsichore
anfangen. Das Jahrhundert ist vorgerückt, jeder einzelne aber fängt doch von vorne an.
Maximen7,557
angehören. Was einem angehört, wird man nicht los, und wenn man es wegwürfe.
Maximen7,485
Was euch nicht angehört / Müsst ihr meiden, / Was euch das Innre stört, / Dürft ihr nicht leiden! / Dringt es gewaltig ein, / Müssen wir tüchtig sein. / Liebe nur Liebende / Führet herein!
Faust II, Grablegung, V11745-117524,514
Anlage. Jede Anlage ist wichtig, und sie muss entwickelt werden. Wenn einer nur das Schöne, der andere nur das Nützliche befördert, so machen beide zusammen erst einen Menschen aus. … In jeder Anlage liegt allein die Kraft, sich zu vollenden. Das verstehen so wenige Menschen, die doch lehren und wirken wollen.
Lehrjahre VIII,56,578
Wenn die menschlichen Anlagen im Ganzen eine entschiedene Richtung haben, so wird es doch dem größten und erfahrensten Kenner schwer sein, sie mit Zuverlässigkeit voraus zu verkünden, doch kann man hinterdrein wohl bemerken, was auf Künftiges hingedeutet hat.
DuW I,28,78
anmaßlich. Anmaßlich finde ich, dass zur schlechtesten Frist / Man etwas sein will, wo man nichts mehr ist.
Faust II, Hochgewölbtes gotisches Zimmer, V6774-67754,357
Anmaßung. Was die Franzosen tornure nennen, ist eine zur Anmut gemilderte Anmaßung. Man sieht daraus, dass die Deutschen keine tornure haben können. Ihre Anmaßung ist hart und herb, ihre Anmut mild und demütig, das eine schließt das andere aus und sind nicht zu verbinden.
Maximen7,548
Anmut. Aber wenn die Anmut einer herrlichen Gegend uns lindernd umgibt, wenn die Milde gefühlvoller Freunde auf uns einwirkt, so kommt Eigenes über Geist und Sinn, das uns Vergangenes, Abwesendes traumartig zurückruft und das Gegenwärtige, als wäre es nur Erscheinung, geistermäßig entfernt.
Wanderjahre II,77,244
Anmut bringen wir ins Leben; / Leget Anmut ins Empfangen! / Lieblich ist’s, den Wunsch erlangen. / Und in stiller Tage Schranken / Höchst anmutig sei das Danken.
Faust II, Weitläufiger Saal, V5299-53004,311
Willst du schon zierlich erscheinen und bist nicht sicher? / Vergebens: / Nur aus vollendeter Kraft blickt die Anmut hervor.
Vier Jahreszeiten. Winter 931,260
anregen. Der eine, der sein Ohr mit vollen, anmutig geregelten Tönen gefüllt, Geist und Seele dadurch angeregt wünscht, dankt er mir’s, wenn ich ihm das trefflichste Gemälde vor Augen stelle?
Wanderjahre I,77,86
Anregung. Freilich erfahren wir erst im Alter, was uns in der Jugend begegnete. Wir lernen und begreifen ein für allemal nichts: Alles, was auf uns wirkt, ist nur Anregung und, Gott sei Dank! wenn sich nur etwas regt und klingt.
An Karl Friedrich Zelter, 7. Nov. 1816B2,416
Anschauen, das. Da bei meinen physikalischen und naturhistorischen Arbeiten alles darauf ankommt, dass ich das sinnliche Anschauen von der Meinung, insofern es möglich ist, reinige und sondere, so ist mir jede Belehrung sehr willkommen, die zunächst hierauf deutet, umso mehr als das Anschauen, insofern es diesen Namen verdient (denn es ist von dem Ansehen, wie billig, sehr zu unterscheiden), selbst wieder subjektiv und manchen Gefahren unterworfen ist.
An Wilhelm v. Humboldt11, 3. Dez. 1795B1,376
Das lebhafte poetische Anschauen eines beschränkten Zustandes erhebt ein Einzelnes zum zwar begrenzten, doch unumschränkten All, so dass wir im kleinen Raume die ganze Welt zu sehen glauben.
Des Knaben Wunderhorn11.329
Gewöhnliches Anschauen, richtige Ansicht der irdischen Dinge, ist ein Erbteil des allgemeinen Menschenverstandes, reines Anschauen des Äußeren und Inneren ist sehr selten. Es äußert sich jenes im praktischen Sinn, im unmittelbaren Handeln; dieses symbolisch, vorzüglich durch Mathematik, in Zahlen und Formeln, durch Rede, uranfänglich, tropisch, als Poesie des Genies, als Sprichwörtlichkeit des Menschenverstandes.
Maximen72478
Man habe auch tausendmal von einem Gegenstande gehört, das Eigentümliche desselben spricht nur zu uns aus dem unmittelbaren Anschauen.
Ital. Reise II (20. März 1787)10.225
Überhaupt ist jedes gemeinsame Anschauen von größter Wirksamkeit: denn indem ein poetisches Werk für viele geschrieben ist, gehören auch mehrere dazu, um es zu empfangen. Da es viele Seiten hat, sollte es auch jederzeit vielseitig angesehen werden.
An Karl Ludwig v. Knebel12, 14. Nov. 1827B3,265
Es ist eine schlimme Sache, die doch manchem Beobachter begegnet, mit einer Anschauung sogleich eine Folgerung zu verknüpfen und beide für gleichgeltend zu achten.
Maximen7,564
Ansichten. Die Ansichten der Menschen [sind] viel zu mannigfaltig, als dass sie, selbst durch die vernünftigsten Vorstellungen, auf einen Punkt versammelt werden können.
Wahlverwandtschaften I,35,191
Mit den Ansichten, wenn sie aus der Welt verschwinden, gehen oft die Gegenstände selbst verloren. Kann man doch in höherem Sinne sagen, dass die Ansicht der Gegenstand sei.
Maximen7,571
Anteil. Wo der Anteil sich verliert, verliert sich auch das Gedächtnis.
Maximen7,463
Antike. Mancher hat nach der Antike studiert und sich ihr Wesen nicht ganz zugeeignet: ist er darum scheltenswert?
Maximen7,539
Man denke sich das Große der Alten, vorzüglich der Sokratischen Schule, dass sie Quelle und Richtschnur alles Lebens und Tuns vor Augen stellt, nichts zu leerer Spekulation, sondern zu Leben und Tat auffordert.
Maximen7,486
Antwort. Eine richtige Antwort ist wie ein lieblicher Kuss.
Maximen7,494
anwenden. Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden, es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.
Maximen7,487
Anziehen, das. Dieses Anziehen und Abstoßen haben zwar alle Menschen ihrer Natur nach, einige mehr, andere weniger, einige in langsameren, andere in schnelleren Pulsen. Wenige können ihre Eigenheiten hierin wirklich bezwingen, viele zum Schein.
DuW II,108,428
Aperçu. Ein bedeutendes Faktum, ein geniales Aperçu beschäftigt eine sehr große Anzahl Menschen, erst nur um es zu kennen, dann um es zu erkennen, dann es zu bearbeiten und weiterzuführen.
Maximen7,487
Ein entschiedenes Aperçu ist wie eine inokulierte Krankheit anzusehen: man wird sie nicht los, bis sie durchgekämpft ist.
Konfessionen des Verfassers (Farbenlehre)12,390
Apfel. Jenes Apfels / Leichtsinnig augenblicklicher Genuss / Hat aller Welt unendlich Weh verschuldet.
Die natürliche Tochter IV,24,66
Arbeit. Arbeit macht den Gesellen.
Maximen7,455
Findet man mich aber freudig bei der Arbeit, unermüdet in meiner Pflicht, dann kann ich die Blicke eines jeden aushalten, weil ich göttlichen nicht zu scheuen brauche.
Wahlverwandtschaften II,155,408
Man soll nur seine Arbeiten so gut und so mannigfaltig machen als man kann, damit sich jeder etwas auslese und auf seine Weise daran teilnehme.
An Friedrich Schiller13, 6. Jan. 1789B1,478
So eine Arbeit wird eigentlich nie fertig, man muss sie für fertig erklären, wenn man nach Zeit und Umständen das möglichste getan hat.
Ital. Reise II (16. März 1787)10,218
Tages Arbeit, abends Gäste! / Saure Wochen, frohe Feste ! / sei dein künftig Zauberwort.
Der Schatzgäber1,228
arbeiten. Ein Mensch, der um anderer willen, ohne dass es seine eigene Leidenschaft, sein eigenes Bedürfnis ist, sich um Geld oder Ehre oder sonstwas abarbeitet, ist immer ein Tor.
Werther I (20. Julius)3,42
Architektur. Scheint es doch, als wäre die Architektur nur da, um uns zu überzeugen, dass durch mehrere Menschen in einer Folge von Zeit nichts zu leisten ist und dass in den Künsten und Taten nur dasjenige zustande kommt, was, wie Minerva, erwachsen und gerüstet aus des Erfinders Haupt hervorspringt.
DuW III,149,193
Aristoteles. Einen wundersamen Anblick geben des Aristoteles Fragmente des Traktats über Dichtkunst. Wenn man das Theater in- und auswendig kennt wie unsereiner, der einen bedeutenden Teil des Lebens auf diese Kunst verwendet und selbst viel darin gearbeitet hat, so sieht man erst, dass man sich vor allen Dingen mit der philosophischen Denkart des Mannes bekanntmachen müsste, um zu begreifen, wie er diese Kunsterscheinung angesehen habe. Außerdem verwirrt unser Studium nur, wie denn die moderne Poetik das Alleräußerlichste seiner Lehre nur zu ihrem Verderben anwendet und angewendet hat.
Maximen7,528
Weder die Schärfe des Aristoteles noch die Fülle des Plato fruchteten bei mir im mindesten. Zu den Stoikern hingegen hatte ich schon früher einige Neigung gefasst und schaffte nun den Epiktet herbei, den ich mit vieler Teilnahme studierte.
DuW II,68,238
Armut. Armut ist die größte Plage, / Reichtum ist das höchste Gut.
Der Schatzgräber1,227
Armut selbst macht stolz, die unverdiente.
Hermann und Dorothea, Klio2,416
In dieser Armut welche Fülle! / In diesem Kerker welche Seligkeit!
Faust I, Abend V2693-26944,225
Arzt. Den Arzt, der jede Pflanze nennt, / Die Wurzeln bis ins Tiefste kennt, / Dem Kranken Heil, dem Wunden Lindrung schafft, / Umarm ich hier in Geist- und Körperkraft.
Faust II, Klassische Walpurgisnacht - Am untern Peneios V7345-73484.376
Jeder Arzt, er mag mit Heilmitteln oder mit der Hand zu Werke gehen, ist nicht ohne die genaue Kenntnis der äußeren und innern Glieder der Menschen. Und es reicht keineswegs hin, auf Schulen flüchtige Kenntnis hievon genommen, sich von Gestalt, Lage, Zusammenhang der mannigfaltigsten Teile des unerforschlichen Organismus einen oberflächlichen Begriff gemacht zu haben. Täglich soll der Arzt, dem es Ernst ist, in der Wiederholung dieses Wissens, dieses Anschauens sich zu üben, sich den Zusammenhang dieses lebendigen Wunders immer vor Geist und Auge zu erneuern alle Gelegenheit suchen.
Wanderjahre III,37,318
Verschone nicht den Kranken, lieber Arzt! / Reich ihm das Mittel, denke nicht daran, / Ob’s bitter sei.
Tasso IV,23,521
Atem. Im Atemholen sind zweierlei Gnaden: / Die Luft einziehen, sich ihrer entladen. / Jenes bedrängt, dieses erfrischt, / So wunderbar ist das Leben gemischt. / Du danke Gott, wenn er dich presst, / Und dank ihm, wenn er dich wieder entlässt.
Divan, Buch des Sängers (Talismane)2,12
aufbauen. Narre! Wenn es brennt, so lösche. / Hat’s gebrannt, bau wieder auf!
Rechenschaft1,345
Sie sollen in kurzem erfahren, dass aufbauen mehr belehrt als einreißen, verbinden mehr als trennen, Totes beleben mehr als das Getötete noch weiter töten.
Wanderjahre III,37,313
Auferstehung. Sie feiern die Auferstehung des Herrn, / Denn sie sind selber auferstanden: / Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, / Aus Handwerks- und Gewerbebanden, / Aus dem Druck von Giebeln und Dächern, / Aus der Straße quetschender Enge, / Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht / Sind sie alle ans Licht gebracht.
Faust I, Vor dem Tore, V921-929
aufklären. Am Ende kann doch nur ein jeder in seinem eigenen Sinne aufgeklärt werden.
Einwirkung der neuern Philosophie (Philosophische Schriften) 12,30
Es ist eine schauderhafte Empfindung, wenn ein edler Mensch mit Bewusstsein auf dem Punkte steht, wo er über sich selbst aufgeklärt werden soll.
Lehrjahre VIII,26,528
Aufklärung. Denn der erste Grad einer wahren Aufklärung ist, wenn der Mensch über seinen Zustand nachzudenken und ihn dabei wünschenswert zu finden gewöhnt wird.
Lyrische Gedichte (Schriften zu Kunst und Literatur)11,297
Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit ist das Leben!
Wanderjahre I,67,68
Denn das ist eben die Eigenschaft der Aufmerksamkeit, dass sie im Augenblick das Nichts zu Allem macht.
Wanderjahre I,27,25
Gegen Höhere und Ältere ist es14 Schuldigkeit, gegen deinesgleichen Artigkeit, gegen Jüngere und Niedere zeigt man sich dadurch menschlich und gut. Nur will es einem Frauenzimmer nicht wohl geziemen, sich Männern auf diese Weise ergeben und dienstbar zu bezeigen.
Wahlverwandtschaften I,65,215
aufopfern. Im Ganzen können wir vielleicht aufopfern, aber uns im Einzelnen herzugeben ist eine Forderung, der wir selten gewachsen sind.
Wahlverwandtschaften I,25,181
Indem ich mich aufopfre, kann ich fordern.
Wahlverwandtschaften I,165.279
Aufopferung. Ohne Aufopferung lässt sich keine Freundschaft denken.
Lehrjahre VIII,46,559
Selten sind unsere Aufopferungen tätig, wir tun gleich Verzicht auf das, was wir weggeben.
Lehrjahre VII,36,452
aufrichtig. Aufrichtig zu sein, kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht.
Maximen7,514
Aufschluss. Nichts gibt uns mehr Aufschluss über uns selbst, als wenn wir das, was uns vor einigen Jahren von uns ausgegangen ist, wieder vor uns sehen, so dass wir uns selbst nunmehr als Gegenstand betrachten können.
DuW II,88,366
Aufwand. Gewiss, wir machen viel zu viel vorarbeitenden Aufwand aufs Leben. Anstatt dass wir gleich anfingen, uns in einem mäßigen Zustand behaglich zu finden, so gehen wir immer mehr ins Breite, um es uns immer unbequemer zu machen.
Wahlverwandtschaften II,105,371
Auge. Das Auge bevorteilt gar leicht das Ohr und lockt den Geist von innen nach außen.
Wanderjahre II,87,263
Das Auge mag wohl der klarste Sinn genannt werden, durch den die leichteste Überlieferung möglich ist. Aber der innere Sinn ist noch klarer, und zu ihm gelangt die höchste und schnellste Überlieferung durchs Wort; denn dieses ist eigentlich fruchtbringend, wenn das, was wir durchs Auge auffassen, an und für sich fremd und keineswegs so tiefwirkend vor uns steht.
Shakespeare und kein Ende I, Shakespeare als Dichter überhaupt (Schriften zu Kunst und Literatur)11,349
Das Auge war vor allen anderen das Organ, womit ich die Welt fasste.
DuW II,68,240
Es ist offenbar, dass sich das Auge nach den Gegenständen bildet, die es von Jugend auf erblickt.
Ital. Reise I (8. Okt. 1786)10,89
Ihr glücklichen Augen, / Was ihr je gesehn, / Es sei, wie es solle, / Es war doch so schön!
Faust II, Tiefe Nacht V11300-113034,500
Und was sich zwischen beide15 stellt? / Dein Auge so wie die Körperwelt.
Gott, Gemüt und Welt1,374
Schaut mit den Augen des Geistes hinan! In euch lebe die bildende Kraft, die das Schönste, das Höchste hinauf, über die Sterne des Lebens trägt.
Lehrjahre VIII,86,602
Augenblick. Den letzten, schlechten, leeren Augenblick, / Der Arme wünscht ihn festzuhalten.
Faust II, Großer Vorhof des Palastes V11589-115904,509
Der Augenblick nur entscheidet / Über das Leben des Menschen und über sein ganzes Geschicke; / Denn nach langer Beratung ist doch ein jeder Entschluss nur / Werk des Moments, es ergreift doch nur der Verständ’ge das Rechte.
Hermann und Dorothea, Polyhymnia2,403
Doch der den Augenblick ergreift, / Das ist der rechte Mann.
Faust I, Studierzimmer V2017-20184,202
Drum tu wie ich und schaue, froh verständig, / Dem Augenblick ins Auge! Kein Verschieben! / Begegne ihm schnell, wohlwollend wie lebendig, / Im Handeln sei’s, zur Freude sei’s dem Lieben.
Elegie (Trilogie der Leidenschaft)2,179
Ein junger, muntrer Fürst mag seinen Tag vergeuden, / Die Jahre lehren ihn des Augenblicks Bedeuten.
Faust II, Des Gegenkaisers Zelt V10869-108704,486
Was glänzt, ist für den Augenblick geboren.
Faust, Vorspiel auf dem Theater V734,143
Wenn jeder Augenblick mich durchschauert, / Was soll ich fragen, wie lang es gedauert.
Divan, Buch des Paradieses (Anklang)2,127
Wer nicht im Augenblicke hilft, scheint mir nie zu helfen, wer nicht im Augenblick Rat gibt, nie zu raten.
Lehrjahre VIII,36,552
Werd‘ ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehen!
Faust I, Studierzimmer V1699-17024,193
Zum Augenblicke dürft ich sagen: / Verweile doch, du bist so schön! / Es kann die Spur von meinen Erdentagen / Nicht in Äonen untergehn.
Faust II, Großer Vorhof des Palastes V11581-115844,509
ausbilden. Denn was sogar die Frauen an uns ungebildet zurücklassen, das bilden die Kinder aus, wenn wir uns mit ihnen abgeben.
Lehrjahre VII,77,490
Von dem geringsten tierischen Handwerkstriebe bis zur höchsten Ausübung der geistigen Kunst, vom Lallen und Jauchzen des Kindes bis zur trefflichsten Äußerung des Redners und Sängers, vom ersten Balgen des Knaben bis zu den ungeheuren Anstalten, wodurch Länder erhalten und erobert werden, vom leichtesten Wohlwollen und der flüchtigsten Liebe bis zur heftigsten Leidenschaft und zum ernstesten Bunde, von dem reinsten Gefühl der sinnlichen Gegenwart bis zu den leisesten Ahnungen und Hoffnungen der entferntesten geistigen Zukunft, alles das und weit mehr liegt im Menschen und muss ausgebildet werden, aber nicht in einem, sondern in vielen.
Lehrjahre VIII,57,578
Ausbildung. Eine allgemeine Ausbildung dringt uns jetzt die Welt ohnehin auf, wir brauchen uns deshalb darum nicht weiter zu bemühen: das Besondre müssen wir uns zueignen.
Maximen7,408
Nicht leicht ist ein Mensch glücklich genug, für seine höhere Ausbildung von ganz uneigennützigen Gönnern die Hilfsmittel zu erlangen. Selbst wer das Beste zu wollen glaubt, kann nur das befördern, was er liebt und kennt, oder eher, was ihm nutzt.
Winckelmann, Literarisches Metier (Schriften zu Kunst und Literatur)11,277
Ausdehnung. Wir Menschen sind auf Ausdehnung und Bewegung angewiesen; diese beiden allgemeinen Formen sind es, in welchen sich alle übrigen Formen, besonders die sinnlichen, offenbaren.
Maximen7,485
Ausdruck. Eigentümlichkeit des Ausdrucks ist Anfang und Ende aller Kunst.
Maximen7,525
ausharren. Aber was der Mensch täglich treibt, lässt er sich, wenn er Geschick dazu hat, gefallen, sollte er auch nicht gerade sehen, dass etwas dabei herauskommt. Der Deutsche besonders ist von einer solchen ausharrenden Sinnesart.
DuW III,129,92
Äußere, das. Unter vielen Dingen, die man von jeher versucht hat, um dem Äußeren einige Nahrung zu geben, das oft viel früher als das Innere abnimmt, gibt es wirklich unschätzbare, einfache sowohl als zusammengesetzte Mittel.
Wanderjahre II,37,181
Wie müssten wir verzweifeln, das Äußere so kalt, so leblos zu erblicken, wenn nicht in unserem Innern sich etwas entwickelte, das auf eine ganz andere Weise die Natur verherrlicht, indem es uns selbst in ihr zu verschönen eine schöpferische Kraft erweist.
Wanderjahre II,117,286
außerordentliche Menschen. Ich habe in meinem Maße begreifen lernen, wie man alle außerordentlichen Menschen, die etwas Großes, etwas unmöglich Scheinendes wirkten, von jeher für Trunkene und Wahnsinnige ausschreien musste.
Werther I (Am 12. August)5,49
aussprechen. Man tut immer besser, dass man sich grad ausspricht, wie man denkt, ohne viel beweisen zu wollen; denn alle Beweise, die wir vorbringen, sind doch nur Variationen unserer Meinungen, und die Widriggesinntesten hören weder auf das eine noch auf das andere.
Maximen7,481
Was man mündlich ausspricht, muss der Gegenwart, dem Augenblick gewidmet sein; was man schreibt, widme man der Ferne, der Folge.
Maximen7,495
Vielleicht hätte man viel mehr Dank und Vorteil vom Leben, wenn man sich wechselweise gerade heraus spräche, was man voneinander erwartet.
Ital. Reise II (3. Juni 1787)10.365
auszeichnen. Es bringt uns nichts näher dem Wahnsinn, als wenn wir uns vor anderen auszeichnen, und nichts erhält so sehr den gemeinen Verstand, als im allgemeinen Sinne mit vielen Menschen zu leben.
Lehrjahre V,166,361
ausziehen. Wir richten uns immer häuslich ein, um wieder auszuziehen, und wenn wir es nicht mit Willen und Willkür tun, so wirken Verhältnisse, Leidenschaften, Zufälle, Notwendigkeit und was nicht alles.
Wahlverwandtschaften II,105,371
Autor. Autoren und Publikum [sind] durch eine ungeheure Kluft getrennt, wovon sie zu ihrem Glück beiderseits keinen Begriff haben.
DuW III,135,160
Beide16 erschienen, wie man es nehmen wollte, als Patrone und als Klienten. Jene, die neben ihrem Talent gewöhnlich als höchst sittliche Menschen vom Publikum betrachtet und verehrt werden, hatten einen geistigen Rang und fühlten sich durch das Glück der Arbeit belohnt; diese begnügen sich gern mit der zweiten Stelle und genossen eines ansehnlichen Vorteils.
DuW III,129,80
Dem Autor … muss daran gelegen sein zu erfahren, dass ihm seine Absichten nicht missglückt, sondern vielmehr die geistigen Bolzen und Pfeile dahin gereicht und da getroffen, wohin er sie gerichtet und beabsichtigt.
An Johann Friedrich Rochlitz17, 2. Sept. 1829B3,345
Die größte Achtung, die ein Autor für sein Publikum haben kann, ist, dass er niemals bringt, was man erwartet, sondern was er selbst auf der jedesmaligen Stufe eigner und fremder Bildung für recht und nützlich hält.
Maximen7,522
Die Intentionen des Autors liegen uns nicht so nahe als unser Vergnügen, und wir verlangen einen Reiz, der uns homogen ist.
Lehrjahre V,66,325
Die originalsten Autoren der neuesten Zeit sind es nicht deswegen, weil sie etwas Neues hervorbringen, sondern allein, weil sie fähig sind, dergleichen Dinge zu sagen, als wenn sie vorher niemals wären gesagt gewesen.
Maximen7,520
Indessen wird man mir gestehen, dass ein Autor, der in der Lage ist, seine neuesten Werke nicht vortragen oder darüber reden zu dürfen, sich so peinlich fühlen muss wie ein Komponist, der seine neuesten Melodien zu wiederholen sich gehindert fühlte.
Kampagne in Frankreich, Pempelfort, November 179210,500
Jeder Autor muss wissen, was er seiner Nation unter gewissen Umständen und Bedingungen mitteilen kann.
An François Jean Philibert Aubert de Vitry18, 29. März 1824 B3,147
Mag ein Autor bevorworten, so viel er will, das Publikum wird immer fortfahren, die Forderungen an ihn zu machen, die er schon abzulehnen suchte.
DuW III,139,160
Sie wollen, der Autor solle nicht persönlich rügen, wenn etwas gegen sein Werk geschieht. Bei ästhetischen Produktionen gebe ich es zu, und habe es meist so gehalten. Man verlangt von ihnen augenblicklichen Nutzen und kann ruhig zusehen, wie sie sich selbst Weg machen und wirken, früh oder spät. Bei wissenschaftlichen Dingen ist es ein andres. Die Wissenschaft erhält ihren Wert, indem sie nützt, die Menschen lehrt, wie man lange verborgene, verkannte, ans Licht gezogene, neuentdeckte Vorteile zu unübersehbarem Gebrauch anwenden könne. Das falsche Wissen dagegen hindert die Anwendung, ja verkehrt sie; dawider soll und muss man sich erklären.
An Josef Stanislaus Zauper19, 7. Sept. 1821B3,66
Und der Autor ist mir der Liebste, in dem ich meine Welt wiederfinde, bei der es zugeht wie um mich, und dessen Geschichte mir doch so interessant und herzlich wird als mein eigen häuslich Leben.
Werther I (Am 30. Mai)5,24
Wenn einem Autor ein Lexikon nachkommen kann, so taugt er nichts.
Maximen7,529
Autorität. Autorität, dass nämlich etwas schon einmal geschehen, gesagt oder entschieden worden sei, hat großen Wert; aber nur der Pedant fordert überall Autorität.
Maximen7,480
Nach unserem Rat bleibe jeder auf dem eingeschlagenen Wege und lasse sich ja nicht durch Autorität imponieren, durch allgemeine Übereinstimmung bedrängen und durch Mode hinreißen.
Maximen7,557
Bach. Der Bach ist mit dem Müller befreundet, dem er nützt, und er stürzt gern über die Räder; was hilft es ihm, gleichgültig durchs Tal hinzuschleichen?
Maximen7,478
Bär. Bären und Wölfe verderben das Land, es kümmert sie wenig, / Wessen Haus die Flamme verzehrt.
Reinecke Fuchs, 9. Gesang2,332
barmherzig. Hoch ist der Doppelgewinn zu schätzen: / Barmherzig sein und sich zugleich ergetzen.
Faust II, Klassische Walpurgisnacht - Felsbuchten des ägäischen Meeres V8402-84034,408
Barometer. Merkwürdig ist es aber, dass gerade die wichtigste Bestimmung der atmosphärischen Zustände von dem Tagesmenschen am allerwenigsten bemerkt wird; denn es gehört eine kränkliche Natur dazu, um gewahr zu werden, es gehört schon eine höhere Bildung dazu, um zu beobachten diejenige atmosphärische Veränderung, die uns das Barometer anzeigt.
Versuch einer Witterungslehre, Einleitendes und Allgemeines (Schriftenszur Meteorologie)12,193
Bass. Wenn das Gewölbe widerschallt, / Fühlt man erst recht des Basses Grundgewalt.
Faust I, Auerbachs Keller V2085-20864,204
bauen. Denn der Bauende soll nicht herumtasten und versuchen; was stehenbleiben soll, muss recht stehen und, wo nicht für die Ewigkeit, doch für geraume Zeit genügen.
Wanderjahre II,87,263
Bauer. Dagegen die Bauern in der Schenke / Prügeln sich gleich mit den Beinen der Bänke. / Der Amtmann schnell das Übel stillt, / Weil er nicht für ihresgleichen gilt.
Gott, Gemüt und Welt1,374
Der Teil, der den Acker baute, sich der Erde verschrieb, Wohnungen und Scheuern aufführte, um das Erworbene zu erhalten, konnte sich schon etwas dünken, weil sein Zustand Dauer und Sicherheit versprach.
DuW I,4(,144
Baukunst. Die Baukunst steigt wie ein alter Geist aus dem Grabe hervor, sie heißt mich ihre Lehren wie die Regeln einer ausgestorbenen Sprache studieren, nicht um sie auszuüben oder mich in ihr lebendig zu erfreuen, sondern um die ehrwürdige, für ewig abgeschiedene Existenz der vergangenen Zeitalter in einem stillen Gemüte zu verehren.
Ital. Reise I (12. Okt. 1786)10,101
Baum. Es ist dafür gesorgt, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
DuW III Motto9,8
Grabet euer Feld ins zierlich Reine, / Dass die Sonne gern den Fleiß bescheine. / Wenn ihr Bäume pflanzt, so sei’s in Reihen, / Denn sie lässt Geordnetes gedeihen.
Divan, Buch des Parsen (Vermächtnis altpersischen Glaubens) 2,115
beben. Du bebst vor allem, was nicht trifft, / Und was du nie verlierst, das musst du stets beweinen.
Faust I, Nacht V650-6514,161
bedenken. Bedenke man, eh noch die Tat beginnt.
Die natürliche Tochter, III,14,44
Bedenke, was du tust und was dir nützt.
Iphigenie I,23,387
Das Wichtigste bedenkt man nie genug.
Die natürliche Tochter, III,14,44
Denn wer lange bedenkt, der wählt nicht immer das Beste.
Hermann und Dorothea, Euterpe2,357
bedeutend. Ein bedeutendes Individuum weiß uns immer für sich einzunehmen, und wenn wir seine Vorzüge anerkennen, so lassen wir das, was wir an ihm problematisch finden, auf sich beruhen: … jeder einzelne muss in seiner Eigentümlichkeit betrachtet werden.
An Karl Friedrich v. Reinhard20, 8. Mai 1811B2,209
Wie denn die Erscheinung von bedeutenden Menschen in irgend einem Kreise niemals ohne Folgen bleiben kann.
Wahlverwandtschaften II,55,351
Man muss bedenken, dass unter den Menschen gar viele sind, die doch auch etwas Bedeutendes sagen wollen, ohne produktiv zu sein, und da kommen die wunderlichsten Dinge an den Tag.
Maximen7,477
befehlen. Wer befehlen soll, / Muss im Befehlen Seligkeit empfinden; / Ihm ist die Brust von hohem Willen voll, / Doch was er will, es darf’s kein Mensch ergründen, / Was er den Treusten in das Ohr geraunt. / Es ist getan, und alle Welt erstaunt.
Faust II, Hochgebirg V10252-102574,467
Wer klare Begriffe hat, kann befehlen.
Maximen7,552
Wer mit dem Leben spielt, / Kommt nie zurecht; / Wer sich nicht selbst befiehlt, / Bleibt immer Knecht.
Wer immer mit dem Leben spielt (Zahme Xenien)2,187
befreien. Alles, was unsern Geist befreit, ohne uns die Herrschaft über uns selbst zu geben, ist verderblich.
Maximen7,477
befriedigen. Sucht nur die Menschen zu verwirren, / Sie zu befriedigen, ist schwer.
Faust, Vorspiel auf dem Theater V131-1324,144
Begebenheit. Es gibt Augenblicke des Lebens, in welchen die Begebenheiten gleich geflügelten Weberschiffchen vor uns sich hin und wider bewegen und unaufhaltsam ein Gewebe vollenden, das wir mehr oder wenige selbst gesponnen und angelegt haben.
Lehrjahre VIII,56,569
begegnen. Wer lange in bedeutenden Verhältnissen lebt, dem begegnet freilich nicht alles, was dem Menschen begegnen kann, aber doch das Analoge und vielleicht einiges, was ohne Beispiel war.
Maximen7,488
begeistern. Mit andern kann man sich belehren, / Begeistert wird man nur allein.
Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten XIII2,200
Begeisterung. Begeisterung ist keine Heringsware, / Die man einpökelt auf einige Jahre.
Frisches Ei, gutes Ei1,396
Begierde. Aber ihr Männer, ihr schüttet mit eurer Kraft und Begierde / Auch die Liebe zugleich in den Umarmungen aus.
Römische Elegien VI1,153
Allzu große Begierde wird immer schädlich.
Reinecke Fuchs 11. Gesang2,351
So tauml‘ ich von Begierde zu Genuss, / Und im Genuss verschmachte ich nach Begierde.
Faust I, Wald und Höhle V3249-32504,244
Begriff. Allgemeine Begriffe und großer Dünkel sind immer auf dem Wege, entsetzliches Unglück anzurichten.
Maximen7,476
Begriff ist Summe, Idee, Resultat der Erfahrung; jene zu ziehen, wird Verstand, dieses zu erfassen, Vernunft erfordern.
Maximen7,503
Der Begriff hingegen will nur Empfänglichkeit, er bringt den Inhalt mit und ist selbst Werkzeug der Bildung.
DuW II,88,336
Wie sich aber Begriff und Anschauung wechselweise fordern, so konnte ich diese neuen Gedanken nicht lange verarbeiten, ohne dass ein unendliches Verlangen bei mir entstanden wäre, doch einmal bedeutende Kunstwerke in größerer Masse zu erblicken.
DuW II,88.337
begütert