Female Working - Veronika Fischer - E-Book
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Female Working E-Book

Veronika Fischer

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Beschreibung

Wie kann unsere Arbeitskultur aussehen, wenn wir nicht mehr in den männlichen Prinzipien des Höher-Besser-Weiter denken? Wenn wir stattdessen feminine Qualitäten suchen – auch und gerade im Business? Immer noch werden Fähigkeiten, die als "weiblich" gelten, abgewertet oder unsichtbar gemacht. Die Fokussierung auf das Männliche treibt unseren Planeten ans Limit und uns selbst in die Erschöpfung. Wie sind wir als Gesellschaft dahingekommen? Wie kann man die Faktoren neu sortieren? Veronika Fischers Analyse reicht von der Steinzeit über die Hexenverfolgung bis ins postindustrielle Zeitalter, begleitet von feministischer Literatur. Weibliche Qualitäten wie Intuition, zyklisches Arbeiten, Solidarität, die Kraft des Schöpfens und eine gute Balance werden erlebbar. Verschiedene Künstler:innen kommen in Interviews zu Wort, ihre kreativen Tools ermutigen und inspirieren Sie zu Ihrem eigenen Weg. Wenn wir unsere kreative Kraft mehr in unseren Alltag und in unsere Arbeit integrieren, erwartet uns weniger Stress und mehr Lebensfreude!

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Seitenzahl: 302

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Veronika Fischer

Female Working

Wie wir weibliche Qualitäten als Ressourcen nützen

KREMAYR & SCHERIAU

Für Mama,

die mir immer wieder sagt,

wie wichtig meine Arbeit ist –

wie auch immer sie aussieht.

Hallo!

Schön, dass du hier bist. Da du dieses Buch zur Hand genommen hast, bist du vermutlich auf der Suche nach einer Veränderung und neuen kreativen Impulsen für dein Leben. In diesem Fall bist du hier genau richtig. Willkommen!

Female Working? Geht es darum, wie Frauen mehr oder besser arbeiten können? Nein. Es geht um einen Zugang zur Arbeitswelt aus der weiblichen Perspektive, der allen Menschen – nicht nur Frauen – neue Möglichkeiten eröffnen kann. Und mit Working – also Arbeit – ist ebenfalls ein breites Verständnis gemeint. Arbeit kann schließlich vieles sein: Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, Hausarbeit, ehrenamtliche Arbeit, Beziehungsarbeit und Arbeit an sich selbst. All diese Bedeutungen fließen in diesen Text ein, und so findest du hier nicht nur Ideen für die Businesswelt, sondern auch für die Arbeit zu Hause oder in anderen Bereichen, an die wir nicht unmittelbar denken, wenn wir dem Wort „Arbeit“ begegnen. Dieses Buch richtet sich also an alle – egal ob du CEO in einem großen Konzern bist, einen Familienalltag managst oder beides gleichzeitig stemmst.

ABOUT

YOU

ME

US

FEMALE QUALITIES

ENERGY – Weibliche Qualitäten als Ressourcen

CIRCLE – Zyklisches Arbeiten als Ende der 5-Tage-Woche

CARE – Radikale Fürsorge in der Arbeitswelt

INTUITION – Folge deiner inneren Stimme

HEALING – Der Weg zur Gesundheit

SOLIDARITY – Austausch und Netzwerk als Ressource

CREATION – Schöpfen, Hervorbringen und Kreieren

POWER – Raus aus alten Traumata

FASHION – Alles über Style

BALANCE – Verbindung statt Konkurrenz

HOW TO

FEMALE WORKING – Im Alltag und Business

OUR GENERATION IS BECOMING SO BUSY TRYING TO PROVE THAT WOMEN CAN DO WHAT MEN CAN DO, THAT WOMEN ARE LOSING THEIR UNIQUENESS.WOMEN WEREN’T CREATED TO DO EVERYTHING A MAN CAN DO. WOMEN WERE CREATED TO DO EVERYTHING A MAN CAN’T DO.

– UNKNOWN

TRIGGERWARNUNG

Es kann sein, dass dich bestimmte Sätze und Gedanken in diesem Buch wütend machen oder du abweisend darauf reagierst. Meiner Erfahrung nach ist es genau dann spannend, sich nochmal intensiver mit den entsprechenden Themen zu beschäftigen. Meistens liegt hinter der Wut eine Erkenntnis für dich und du reagierst deshalb vehement darauf, weil dein System merkt, dass durch den Gedanken etwas Unangenehmes oder Bedrohliches in Bewegung kommt. Wenn dich also etwas triggert, dann nimm dir Zeit dafür, geh damit spazieren und horch in dich hinein, welche Impulse kommen, wenn du dich näher mit diesen Gedanken beschäftigst und welche Ängste vielleicht dahinterstecken.

GENDERZEICHEN •

Um das Gendern der Sprache hat sich in den letzten Jahren eine stark aufgeladene Diskussion entwickelt. Ist Gendern notwendig? Yes, please! Unsere Sprache war schon gegendert, bevor all die Zeichen ausprobiert und eingeführt wurden – nur eben in einem generischen Maskulinum. Sprache prägt unsere Realität und wenn jemand sagt, dass Frauen und andere Geschlechtsformen ja mitgemeint sind, dann kommt das oftmals nicht in der Praxis an. Nehmen wir als Beispiel folgenden Satz: „Drei Anwälte betreten den Gerichtssaal, einer von ihnen trägt ein Kleid.“ Na – wer denkt jetzt an einen Mann im Kleid? Eben. Die Strukturen in unserem Denken sind nicht so flexibel.

Als Genderzeichen wird in diesem Buch dieser Punkt verwendet: • Er dient ursprünglich in Wörterbüchern zur Silbentrennung. Entdeckt habe ich ihn im Roman der österreichischen Autorin Mareike Fallwickel: Die Wut, die bleibt (Rowohlt, 2022). Die Autorin hat sich für dieses Zeichen entschieden, da es nicht mit Argumenten für oder gegen bestimmte Personengruppen besetzt ist, wie es in der Genderdiskussion bei anderen Zeichen der Fall ist. Das Binnen-I oder der Schrägstrich schließen beispielsweise nur zwei Geschlechter ein, andere Zeichen wie das Sternchen, der Unterstrich oder der Doppelpunkt können oftmals von Vorleseprogrammen nicht erkannt werden und sind somit nicht barrierefrei. Der Silbentrennpunkt ist ein neutrales Zeichen und schließt damit alle Formen von Geschlecht ein. Mir gefällt dieser Punkt aus den genannten Gründen sehr gut. Ich empfinde ihn als optimal lesbar und ästhetisch. Außerdem finde ich es spannend, die bestehende Diskussion um eine neue, kreative Möglichkeit zu erweitern.

ABOUT YOU

In diesem Buch geht es um Qualitäten, die oftmals als weiblich gelabelt werden und die wir stärken müssen, um eine neue Arbeitskultur zu erschaffen. Ich zeige dir in diesem Kapitel About, worin unsere aktuellen Probleme und Herausforderungen bestehen. Im Hauptteil des Buches präsentiere ich dir Female Qualities – wie das zyklische Verständnis von Prozessen, ein solidarisches Miteinander und die schöpferische Kraft, die in uns allen steckt. Es geht um die innere Balance im Alltag, um das Wahrnehmen der Intuition, um radikale Fürsorge und darum, den eigenen Stil zu finden als auch uns und unseren Planeten zu schonen und zu heilen. In diesen Qualitäten liegt ein großes Potenzial, das eine komplett neue Sicht auf die Arbeit ermöglicht, wenn es ausgelebt werden und sich entfalten kann. Dadurch kommen wir weg vom bisherigen Prinzip des Höher-Schneller-Weiter und erreichen mehr Tiefe und Verbindung, Entschleunigung und Achtsamkeit. Um aus all diesen Ideen ein breiteres Verständnis von Arbeit sowie eine neue Arbeitskultur entstehen zu lassen, braucht es kreative Ideen, ein gutes Netzwerk und Austausch. Daher stelle ich dir Künstler•innen vor, die mich auf meinem Weg begleiten. Sie ermöglichen dir Einblicke in ihre Art zu arbeiten und inspirieren dich vielleicht, neue Wege zu gehen. Im Schlusskapitel How to findest du eine Zusammenfassung der zentralen Punkte und eine Anleitung, wie das Konzept von Female Working in deinem Alltag und in Unternehmen umgesetzt werden kann.

Die Arbeitswelt unterliegt einem ständigen Wandel. Die Unterschiede von Klasse, Geschlecht und Rasse sind immens und für alle Formen von Arbeit gelten andere Regeln. In diesem Buch gibt es keine Analyse der einzelnen Arbeitsformen und keinen Fokus auf die damit verbundenen Ungerechtigkeiten, sondern einen Blick auf einen konstruktiven Umgang und individuelle Lösungen. Und ja, die Verteilung von Arbeit kann wahnsinnig ungerecht sein – dazu muss man noch nicht einmal den Blick auf strukturelle Probleme richten. Auch in ein und demselben Job kann es für zwei verschiedene Personen zwei Wahrnehmungen geben und damit eine ungerechte Verteilung. Es gibt Lebensumstände, die einer Person all ihre Kraft und Energie abfordern, während andere Menschen in gleichen Settings mit Leichtigkeit und Freude arbeiten. Egal in welchen Bereich man schaut, gibt es immer Menschen, die unter ihren Lebensumständen leiden und andere, die genau damit glücklich sein können. Das liegt an verschiedenen Faktoren, wie den Ressourcen einer Person, ihren familiären Umständen, ihrer psychischen und physischen Gesundheit oder ihrem Energiehaushalt. In diesem Punkt ist es wichtig, die beiden Begriffe Gleichheit und Gerechtigkeit zu differenzieren. Es gibt das schöne Bild von zwei Menschen, die hinter einem Zaun stehen, der so hoch ist, dass sie nicht rüberschauen können. Die beiden Personen sind unterschiedlich groß. Geben wir ihnen nun gleich große Kisten, um darauf zu stehen, kann die eine Person über den Zaun schauen, während die andere noch immer zu klein ist – es ist also nicht gerecht, wenn beide das Gleiche bekommen. Sie brauchen unterschiedlich große Kisten, um ihr Ziel zu erreichen. Gerechtigkeit bedeutet also im Gegensatz zu Gleichheit, dass jede•r das bekommt, was er oder sie braucht. Wenn wir Gleichberechtigung fordern, dürfen wir keine Pauschallösungen anwenden, denn die Voraussetzungen sind dafür viel zu unterschiedlich.

Und genau darum geht es in diesem Buch: Egal in welcher Situation du gerade steckst – da wird immer jemand sein, dem oder der es noch schlechter geht und du wirst immer Menschen finden, die es besser haben. Und das ist okay, denn es geht um deinen Weg.

Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, wie du dein Leben gestaltest. Du kannst den Fokus auf die Karriere legen, auf die Familie oder auf deine eigene Entwicklung. Du kannst all deine Leidenschaft in deiner Arbeit ausleben oder auf Veränderungskurs sein, da dich dein Job ausbrennt. Es gibt die Möglichkeit, die Arbeit als Zweck zum Geldverdienen zu sehen, was dir andere Dinge ermöglicht, wie Wohlstand, Familie, oder eine qualitativ hochwertige Freizeit … Es kann sein, dass du mit deiner Tätigkeit sehr viel Geld verdienst oder aber kaum über die Runden kommst. Vielleicht teilst du dir Erwerbs- und Care-Arbeit mit anderen Personen oder stemmst alles alleine. Du könntest Geld erben, im Lotto gewinnen oder durch einen geschickten Schachzug reich werden und nie wieder arbeiten müssen. Du kannst freiberuflich arbeiten oder im Angestelltenverhältnis, zehn, zwanzig, dreißig, … oder hundertfünfzig Prozent. Es kann sein, dass du körperlich hart arbeitest und dir abends alle Knochen wehtun oder dass du Denkarbeit leistest, die nur im Kopf stattfindet. Du kannst auf Jobsuche sein, krankgeschrieben, im Sabbatical oder ganz bewusst ohne Arbeit.

All diese Wege sind möglich und jeder für sich hat Vorteile, aber auch Nachteile. Du hast dir einen davon ausgesucht und wenn du damit glücklich bist, ist alles perfekt! Wenn du aber das Gefühl hast, dass du vielleicht noch die ein oder andere Weiche neu stellen möchtest, dann let’s go!

Warum ist die Kunst wichtig, wenn wir unser eigenes Schaffen reflektieren? Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen gibt es ein sehr wirkungsvolles Mittel, um aus einer gewohnten Ordnung und Struktur auszubrechen: Kreativität! Sie ist ein super Spielfeld, um mit alten Verhaltensmustern zu brechen und neue Angewohnheiten zu etablieren. In der Welt der Kunst gibt es immer wieder neue Trends und Stilrichtungen, die eine Epoche prägen. Sie brechen mit den traditionellen Regeln, stellen diese infrage und drehen die Dinge auf den Kopf. Und oftmals sind die Bestrebungen der Künstler•innen wegweisend für andere Bereiche der Gesellschaft. In der Kunst findet vieles statt, das vorausdenkt, Fragen stellt für die Problematik unserer Zeit und Lösungen findet. Kunst ist also oftmals die Avantgarde, die etwas Neues aufzeigt, andere Wege geht und Themen so interpretiert, wie sie dann von der Masse übernommen und gesamtgesellschaftlich umgesetzt werden. Und auch du kannst deine Kreativität als Avantgarde für dein eigenes Handeln nutzen. Wenn du künstlerisch tätig bist, erforschst und etablierst du neue Verhaltensmuster. Im kreativen Schaffen lernst du, dass du immer wieder von vorne beginnen kannst – es gibt keine Fehler; jede Handlung wird am Ende Teil deines Gesamtkunstwerks. Du kannst hier lernen, mutig und radikal zu sein, dich von deiner Perfektion zu verabschieden und deine Wildheit rauszulassen.

Es geht dabei nicht darum, etwas möglichst ästhetisch zu gestalten, sondern um einen Prozess, der dein Inneres in eine sichtbare Form bringt. Ein Gefühl, ein Gedanke, eine Stimmung kann durch die Kunst nach außen gelangen, von anderen wahrgenommen werden und auf Resonanz stoßen. Kunst ist also ein transformativer Akt – ein Ausdruck, ein Kommunikationsmedium. Und dabei ist es egal, ob du malst, singst, schreibst, töpferst, webst, strickst, zeichnest, beatboxt, bildhaust, schnitzt, rappst, dichtest, tanzt, fotografierst – oder was auch immer dich anspricht.

Schon seit Jahrtausenden liegt die Kunst auch in der Hand von Frauen – in den meisten Museen sehen wir dennoch überwiegend Werke von männlichen Künstlern. Die weibliche Kunst hat aber eine Tradition, die wir insbesondere in handwerklichen Arbeiten finden können. Hier wurde seit jeher künstlerisch gearbeitet – und das zum Teil sehr geschickt, ästhetisch und kreativ. Diese weiblichen Werke sind in der Kunstgeschichte allerdings weitestgehend unsichtbar; wir finden sie eher in Heimatmuseen oder Privatsammlungen.

Wenn du ein Talent hast, so sehe ich es als Pflicht an, diesem nachzugehen und dich damit zu zeigen. Es gibt so viel Dunkelheit und Grausamkeit in der Welt. Um die Balance zu halten, muss daher auch die Schönheit und das Gute zu sehen sein.

Oftmals sind es die negativen und destruktiven Kräfte, die laut sind und alles übertönen. Daher müssen wir das Helle ebenso laut und unübersehbar machen. Auch wenn es dir banal erscheinen mag, ein Bild zu malen, ein Lied zu singen, ein Gedicht zu schreiben oder etwas zu formen – es ist alles andere als banal. Es verändert unsere Welt ein kleines Stück zu einer besseren. Also zeig dich mit all deiner Buntheit und Schönheit, auch wenn das nicht immer einfach ist. Damit inspirierst du andere Menschen – die nichts von deinem Wirken mitbekommen, wenn du es nur für dich alleine machst. Das geht im eigenen Umfeld, im Freundes- und Familienkreis, an dem Ort, an dem man wohnt oder auch in größerem Umfang. So bieten zum Beispiel die Sozialen Medien wunderbare Wege zur verstärkten Sichtbarkeit. Es geht ganz leicht – mit nur ein paar Klicks ist dein Schaffen für andere zugänglich. Du kannst aber auch ein Schaufenster anmieten oder in einem Café fragen, ob du dort deine Bilder ausstellen darfst. Du kannst deine Freund•innen zu einer Talentrunde oder einem kreativen Austausch einladen, unbenutzte Winkel in deiner Stadt bespielen oder im nächsten Kunstraum anfragen. Egal wie – zeig dich der Welt! Das gilt auch für alle anderen Fähigkeiten und Talente. Du kannst gut kochen, gut zuhören oder bist ein Organisationstalent? Du hast dich in einem bestimmten Thema weitergebildet, eingelesen und geforscht? Du hast eine Idee für ein Produkt oder eine Dienstleistung, die es so noch nicht gibt? Dann raus damit!

Wenn du ins Machen und in kreative Phasen kommst, dann erlernst du Fähigkeiten wie Flexibilität, Improvisation und das Herstellen von neuen Dingen. Je mehr du dich traust, desto kleiner werden dein Kontrollwahn, deine Selbstzweifel und Hemmungen, da du erleben kannst, wie viel Spaß es macht, im Flow zu arbeiten und nicht allzu viel darüber nachzugrübeln. Die Skills, die wir im kreativen Arbeiten erlernen, können wir dann auf andere Formen der Arbeit übertragen. Kreativität ist auch im Business und im Alltag hilfreich. Es geht nicht darum, dass wir uns mit einer Fähigkeit profilieren und miteinander konkurrieren, besser zu sein als andere – das ist ein Verhalten, das ich der „alten“ Arbeitswelt zuordne, die wir hinter uns lassen sollten. Vielmehr geht es darum, neue und eigene Wege, spannende Lösungsansätze und Kommunikationsstrategien zu finden und diese in der Arbeitswelt zu etablieren.

Dieses Buch ist übrigens ganz ohne Stress und Nachtschichten entstanden. Ich habe dafür viel gelesen, geforscht, mich unterhalten und geschrieben. Ein Buch ist ein ambitioniertes Projekt. Es kann Angst machen, vor einem weißen Blatt zu sitzen und gleichzeitig die Deadline in Sichtweite zu haben. Ich habe mir vorgenommen, dieses Buch in Ruhe, mit Freude und Leichtigkeit zu schreiben. Manchmal bin ich statt an den Schreibtisch lieber schwimmen gegangen oder habe eine Freundin getroffen und mich mit ihr ausgetauscht. Mein großer Vorsatz für dieses Buch war, dass der Entstehungsweg auch zum Inhalt passen soll. Genau darum habe ich einige dieser Gespräche hier eingefügt. Austausch ist für mich ein ganz zentrales Element für Wachstum und Entwicklung, für Unterstützung und Halt. Hier erzählen dir Künstler•innen von ihren Ausdrucksformen, ihren Techniken und ihrem persönlichen Weg. Eines dieser Gespräche hat auf dem Spielplatz stattgefunden, während meine Kids Spatzen gefüttert und Sandburgen gebaut haben. Für ein anderes saßen wir abends im Restaurant „Zum Wilden Mann“ am Seeufer und aßen frisch gebratenen Fisch. Ein Interview hat in einem Garten stattgefunden, zwischen Hühnern und Kindern auf einem Trampolin und mit selbstgekochtem Kokoscurry. Andere Gespräche wurden am Telefon geführt, abends, als die Kinder schon schliefen. Manches ging per E-Mail hin und her, und ein Gespräch, das wegen zu viel Alltag nicht stattfinden konnte, wurde von mir durch einen Liebesbrief ersetzt. All das sind sehr diverse Formen von Meetings und Besprechungen. Wir brauchen keine Konferenzräume und Hosenanzüge, um einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Denn Business ist schließlich das, was wir draus machen!

Jetzt wünsche ich dir eine ordentliche Portion Neugier und Mut – und vor allem ganz viel Freude dabei, deinen eigenen Weg zu erforschen!

I CAN BUY MYSELF FLOWERS.

– MILEY CYRUS, SÄNGERIN

ABOUT ME

Aber erstmal zu meiner Geschichte. Ich arbeite freiberuflich als Journalistin und Autorin – schreibe Reportagen, Berichte, Theaterstücke, Kinderbücher, Lyrik, Prosa und mache Kunstprojekte. Schon in meiner Schulzeit und meinem Studium (Philosophie und Deutsche Literatur) habe ich immer nebenher gearbeitet. So war ich bereits in vielen unterschiedlichen Bereichen unterwegs und konnte durch Nebenjobs, Praktika und ein paar Orientierungsrunden einiges an Erfahrung gewinnen.

Seit einigen Jahren arbeite ich selbstständig. Auch in diesem Rahmen verändert sich meine Arbeit immer mal wieder und der Fokus richtet sich neu aus. Schön für mich, schlecht für die Bürokratie. Wenn sich die Lebensumstände neu sortieren, muss man meistens irgendein Formular ausfüllen. So auch ich vor ein paar Jahren: Nach der Elternzeit mit meinem dritten Kind lag ein Schreiben meiner Krankenkasse im Briefkasten. Darin war ein Formular mit vielen Lücken. In eine sollte ich meine wöchentliche Arbeitszeit eintragen. Ich habe 24 × 7, also 168 Wochenstunden, hineingeschrieben. Immerhin war ich zu der Zeit gerade wieder Mutter eines kleinen Babys plus zwei anderen Kids und somit mehr oder weniger Tag und Nacht im Einsatz. Wenn es mal eine Pause gab, nutzte ich diese freiberuflich am Schreibtisch. Okay – geschlafen habe ich natürlich auch. Aber in ständiger Rufbereitschaft.

Das klingt jetzt vielleicht stressig, für mich war es damals aber eine perfekte Mischung. Meine Schreibtischarbeit gestaltete sich ganz gegensätzlich zu meinem Familienalltag. Dort war es leise, konzentriert und ordentlich – während hinter meinem Laptop das bunte Chaos steppte. Ich habe mich immer gefreut, wenn ich zwischen diesen Spielplätzen wechseln konnte und habe das Familienleben als Pause und Erholung von meinem Job wahrgenommen und andersherum: die perfekte Kids-Work-Balance, wie ich es nenne. Ich hatte immer wieder kreativen Input und Denkarbeit, die über meine Themen im Alltag hinausging, andererseits kam ich auch nicht in Versuchung, am Schreibtisch zu versumpfen, da meine Zeitfenster ganz klar gesteckt waren. Nur Kinder und Haushalt zu managen wäre mir persönlich zu eintönig gewesen. Die Kids in eine Ganztagsbetreuung zu geben, entspricht auch nicht meiner Vorstellung. So hatte ich einen schönen Weg zwischen Erwerbs- und Care-Arbeit gefunden und war auf die eine oder andere Art permanent in einem Arbeitskontext unterwegs – dachte zumindest ich.

Der Sachbearbeiter meiner Krankenkasse war anderer Meinung. Er schickte mir das Formular mit dem Vermerk retour, es solle mit mehr Ernsthaftigkeit ausgefüllt werden. In Versicherungskreisen ist Sorgearbeit also offenbar keine Arbeit. Ich habe angerufen, um genauer nachzufragen, und mir wurde erklärt: „Arbeit ist das, womit man Geld verdient.“ Für mich als in einem Kreativberuf Tätige ist aber auch das schwer zu definieren. Über einen Text denke ich oftmals Stunden und sogar Tage nach, lange bevor ich am Schreibtisch sitze und die Worte in meinen Laptop tippe. Er begleitet mich beim Wäschefalten, Spazierengehen, in Gesprächen mit Freund•innen und manchmal lässt er mich nachts um vier nicht schlafen – all diese Zeit ist notwendig für die Arbeit an einem Text. Wie soll ich das in einer wirklich zutreffenden Form an bezahlten Arbeitsstunden in ein Formular bringen? Ich habe dann um des lieben Friedens willen und um mir weitere Diskussionen zu ersparen eine Zahl erfunden, die mir akzeptabel erschien, und den Antrag erneut eingereicht. Für die Krankenkasse war es damit erledigt, für mich aber blieb die Frage:

Was ist denn Arbeit eigentlich, und wie will ich sie für mich gestalten?

Ich habe mich über Jahre hinweg viel mit Literatur zu dieser Thematik beschäftigt. Schon in meinem Philosophiestudium gab es dazu Input, schließlich denken die Menschen seit jeher darüber nach, was ein gutes Leben ausmacht, und es gibt zahlreiche unterschiedliche Positionen. Von den Stoikern, die Gelassenheit als den richtigen Weg ansehen, über die Hedonisten, bei denen der Genuss im Vordergrund steht, habe ich Texte von Immanuel Kant, Theodor W. Adorno, Hannah Arendt, Karl Marx, John Stuart Mill und vielen anderen gelesen. Ich habe inspirierende Seminare zur Kapitalismuskritik bei der Professorin Rahel Jaeggi besucht und andere, die der Frage nach Glück und einem gelungenen Leben nachgegangen sind.

Nach dem Studium bin ich in meiner journalistischen Arbeit bei vielen unterschiedlichen Menschen ein- und ausgegangen und habe Einblicke in ihr Leben erhalten. Auch hier stand für mich immer die Frage nach der Lebensgestaltung im Vordergrund. Wie baut jemand ein Unternehmen auf? Welche Strukturen liegen dahinter? Welche finanziellen und personellen Ressourcen braucht das Glück?

Wie kreativ kann ein Alltag sein?

Durch meine Arbeit habe ich ein großes Netzwerk aus kreativen und kunstschaffenden Menschen. Die meisten davon sind Frauen, viele von ihnen Mütter. In diesen Gespräche und auch in den vielen Frauenkreisen, an denen ich seit Jahren immer wieder teilnehme, taucht stets ein Thema auf: Erschöpfung. Es ist einfach verdammt viel unter einen Hut zu bringen, wenn man arbeitet – egal in welchem Sinne man „Arbeit“ versteht. Für uns alle hat der Tag nur 24 Stunden. Und auch gesamtgesellschaftlich ist diese große Überlastung spürbar. So schließen sich für mich also noch weitere Fragen an:

Wie kann man Familie und Job gut kombinieren?Welche Vorbilder gibt es, und an wem kann man sich orientieren?Wo findet man Hilfe, wenn es mal nicht mehr läuft?

All das sind Fragen, denen ich in den letzten Jahren nachgegangen bin. Ich habe dazu viel feministische Literatur gelesen – in den vergangenen Jahren ist ja eine Vielzahl an Büchern zum Thema Care-Arbeit und Mutterschaft erschienen, und auch in den Sozialen Medien kam man kaum um entsprechende Diskussionen herum. Diese Texte und Statements haben mich sehr oft wütend gemacht, da sie detailliert und schonungslos die Ungerechtigkeiten aufgelistet haben, die immer noch gesamtgesellschaftlich existierten und von denen auch ich nicht verschont geblieben bin. Mein Partner nahm sich nach der Geburt unserer Kinder zwei Wochen „Vaterschaftsurlaub“ – ein Wort, bei dem mir schon der Kragen platzen könnte, schließlich suggeriert „Urlaub“ einen komplett anderen Zustand als die Realität, die man erlebt, wenn man eine Frau im Wochenbett, ein Neugeborenes und vielleicht auch noch Geschwisterkinder versorgt. Von Cocktails am Pool ist man da jedenfalls weit entfernt. Das Wort „Urlaub“ stammt vielleicht noch aus der Zeit, in der frischgebackene Väter am Tag der Geburt mit ihren Kumpels in die nächste Kneipe zogen, um den Nachwuchs ordentlich zu begießen. In der Schweiz hat man bis heute nur zwei Tage „Vaterschaftsurlaub“ – was also genau ausreicht, um einen Heben zu gehen und dann in Ruhe auszukatern, oder?

Nachdem die meisten Männer also nach einer kurzen Auszeit wieder zurück in ihre Jobs gehen und ihre Karrieren nahtlos fortsetzen, sind die meisten Mütter in Elternzeit mit den Kids zu Hause und arbeiten danach in Teilzeit. So ging es auch mir.

Ich konnte also all diese Wut und die Frustration der feministischen Literatur in mir spüren und anhand meines Alltags nachvollziehen.

Und gleichzeitig bin ich unfassbar gerne Mutter. Ich finde es eine der großartigsten Aufgaben, kleine Menschen beim Aufwachsen zu beobachten und sie zu begleiten. Ich mag die Herausforderungen, die damit verbunden sind und ich möchte die Momente nicht missen, die ich mit meinen Kindern verbracht habe – auch, wenn es manchmal anstrengend war und an meine Grenzen ging oder darüber hinaus. Der Spiegel, den man durch die eigenen Kinder hat, ist für mich das größte Lernfeld. Und wenn ich mit meinen Kindern durch die Wiesen und Wälder streife, wir mit Knete und Farbe die Welt bunter machen, Bücher aus meiner eigenen Kindheit lesen und neue Geschichten erfinden, Wolkentiere zählen, Lieder pfeifen und Käfer beobachten, abends Pfannkuchen backen und uns zu einer Tasse Kakao in Wolldecken kuscheln, dann ist es einfach die beste aller Welten, die ich mir vorstellen kann.

Wie passen so viel Liebe, zahlreiche Glücksmomente und die pure Hoffnung auf eine gute Zukunft nun aber zusammen mit feministischen Themen wie Ungerechtigkeit, Unterdrückung und drohende Altersarmut? Es ist eine der großen Unbegreiflichkeiten des Universums, dass Dinge alles sein können – auch, wenn sie widersprüchlich erscheinen. Und so ist es eben auch mit der Elternschaft: Sie kann das größte Glück und zeitgleich eine extreme Belastung sein. Falsch finde ich aber, den Blick nur auf eine Seite der Medaille zu richten – und das passiert in feministischen Texten oft.

Klar ist: Frauen wurden in den letzten Jahrhunderten unterdrückt und ausgebeutet und daran gehindert, ihre Stärken in einem größeren Rahmen zeigen zu können. Diese Mechanismen wirken heute noch. Das ist ein historischer Fakt. Gleichzeitig gab und gibt es immer Frauen, die Unglaubliches leisten. Alleinerziehende Mütter, die es schaffen, ihre Familien ohne Hilfe durchzubringen. Unternehmerinnen, die eigene Wege gehen.

Visionärinnen, Revolutionärinnen, Kämpferinnen, Leaderinnen. Es gab sie schon immer – und es gibt sie auch heute.

Wenn wir nun aber den Blick nur auf die Schattenseiten richten und uns immer wieder dieselbe Geschichte von Unterdrückung und Ungerechtigkeit erzählen, entmutigen wir uns selbst und reproduzieren das alte Muster immer und immer wieder. Und ich spreche jetzt nicht davon, dass wir diesen Teil der Geschichte einfach ausblenden oder verklären sollen. Damit wären wir recht schnell bei den tradwives (traditional housewives) – ein Trend, den man seit ein paar Jahren im Internet verfolgen kann. Unter diesem Hashtag inszenieren Frauen ihr Eheleben und ihre Aufgaben im Haushalt. Mit Hingabe wird dort Brot gebacken, Wäsche gefaltet und den Männern das Bier hingestellt. Es werden Rollenbilder zementiert, die schon längst überholt erscheinen. Die französisch-israelische Soziologin Eva Illouz beschreibt, dass die Einhaltung traditioneller Geschlechterrollen Sicherheit bietet, da man genau weiß, um welche Aufgaben man sich zu kümmern hat und es keine Diskussionen gibt, wie es in gleichberechtigten Beziehungen der Fall ist.1 Für manche mag dies ein bequemer Weg sein, aber gesamtgesellschaftlich haben wir uns doch weiterentwickelt.

Und diese Entwicklung hat viele Vorteile. Frauen können unsere Demokratie heute durch das aktive und passive Wahlrecht mitgestalten. Sie können Kanzlerinnen und Präsidentinnen sein. Sie können eine Arbeit frei wählen und ihren Lebensunterhalt selbstständig und unabhängig verdienen. Sie können entscheiden, ob und wann sie Kinder bekommen. Doch die Mutterschaft und jede andere pflegerische Tätigkeit ist nur schwer zu vereinbaren mit diesen Freiheiten. Care-Arbeit erhält in feministischen Texten daher oftmals den Charakter eines Gegenbilds zur unabhängigen Frau – und das ja auch zu Recht. Durch die Fürsorge für andere, die in unserer Gesellschaft stark weiblich bewertet wird, ist man als Frau immer wieder mit alten Rollenbildern konfrontiert und es werden ständig Situationen betont, in denen Vereinbarkeit nicht möglich oder extrem anstrengend ist. Und diese Situationen gibt es natürlich – doch das ist nur die eine Seite. Es gibt auch immer kreative Lösungen und neue Wege, die sich aus diesem alten Narrativ herausbewegen. Diese fehlen mir in den feministischen Texten ebenso wie eine gute Beschreibung der Fürsorge, die aber nicht in eine Verklärung und veraltete Rollenverteilung zurückfällt. Auch wenn es für manche paradox klingen mag:

Man kann Feminist•in sein und sich gleichzeitig liebevoll um andere sorgen.

Für mich war der beste Weg dafür die berufliche Selbstständigkeit, in der ich eine große Flexibilität sehe. Ich kann je nach meinen zeitlichen Ressourcen mehr Aufträge annehmen oder weniger, kann mir meine Woche selbst einteilen und die Spielregeln großteils alleine festlegen. Beispielsweise nehme ich mir in den Schulferien der Kinder so gut es geht frei, und auch in den Dezember lege ich mir so wenige Termine wie möglich, da hier immer viele Aufgaben anstehen wie Jahresabschlüsse und Projektanträge für das Folgejahr. Außerdem bin ich auch ein großer Weihnachtsfan und möchte die Vorbereitungen dafür genießen und nicht zwischen Tür und Angel erledigen, um dann letztendlich erschöpft unterm Baum zu liegen.

Am Anfang meiner Selbstständigkeit habe ich versucht, nach außen hin den Anschein zu erwecken, ich hätte keine Kinder. Ich habe im Businesskontext nie von meiner Familie gesprochen. Wenn Anforderungen aus dem Job mit meiner Care-Arbeit kollidierten, habe ich die Zähne zusammengebissen und durchgezogen. So habe ich zahlreiche Texte in Nachtschichten, während ich stillte oder mit quengelnden Kindern im Hintergrund geschrieben. Mir war wichtig, dass niemand denkt, ich sei weniger professionell als eine Person ohne Kinder. Bis ich eines Tages merkte, dass ich auf diesem Weg direkt in Richtung Burnout unterwegs war und mich neu positionieren musste. Vermutlich liegt hier der Anfang von Female Working. Seither beziehe ich jedenfalls meine Auftraggeber•innen und Kund•innen in meine persönliche Situation mit ein. Wenn Ferien sind oder meine Kinder krank, kann ich nicht so arbeiten wie in einer normalen Schul- und Kindergartenwoche – das kommuniziere ich klar. Außerdem plane ich mir mittlerweile zeitliche Puffer ein, falls etwas dazwischenkommt. Auch entschuldige und rechtfertige ich mich nicht mehr für Verzögerungen und vermeintlich späte Rückmeldungen auf Mails. Im Gegenteil: Oftmals merke ich, dass es mein Gegenüber entspannt, wenn der Arbeitsablauf nicht supereng getaktet ist und es auch mal Pausen in der Kommunikation gibt. Und ich habe eine goldene Regel: keine Nachtschichten! Wenn ich müde bin, wird geschlafen. Meine Kids kommen auch oftmals mit zu Terminen. Wenn sie nicht fit genug sind für einen Tag im Kindergarten oder viel Nähe brauchen, ist das für mich kein Problem. Dann finden meine Meetings eben auf Spielplätzen oder in kinderfreundlichen Cafés statt. Ich empfinde das als eine Bereicherung für alle Beteiligten: für mich, weil ich nicht in Schwierigkeiten komme, wenn Erwerbs- und Care-Arbeit kollidieren; für mein Gegenüber, da es bisher alle cool fanden, Treffen, die sonst in Büroräumen stattfinden, mal an andere Orte zu verlegen – und auch für meine Kids. Denn so bekommen sie einen Einblick in meine Arbeit, wissen genau, was ich tue, an welchem Projekt ich gerade sitze, und lernen sich selbst zu beschäftigen, weil ich nicht permanent verfügbar bin. Aber auch das musste ich mir erst bewusstmachen und erlauben. Ich darf so arbeiten!

Änderungen wie diese waren für mich ein langer Prozess. In meiner bisherigen Laufbahn gab es immer wieder Momente, in denen ich die Spielregeln neu festlegen musste. Zweifel und Ängste gehören genauso zu meiner Entwicklung wie die tollen Momente und Erfolge. Immer wieder geht es für mich darum, einen passenden Weg zu finden. Vor gut zehn Jahren hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben eine richtige Krise. Ich wusste nicht mehr, wohin mit mir, wie ich leben, was ich arbeiten, wo ich wohnen sollte – alles war aus den Fugen geraten. Durch mein Philosophiestudium war ich gewohnt, Probleme mit dem Kopf zu lösen, aber in diesem Fall funktionierte das so gar nicht mehr, und ich habe gemerkt:

Manche Fragen muss man in einem größeren Rahmen angehen. Raus aus dem Kopf, rein in die Kreativität, ins Spiel, ins Unbewusste, in den Körper.

Ich habe dann mein erstes Seminar zur Persönlichkeitsentwicklung gemacht – eine Held•innenreise, die auf den Grundlagen des US-amerikanischen Mystikers Joseph Campbell2 und des US-amerikanischen Psychotherapeuten Paul Rebillot beruht – und damit eine grundlegende Veränderung in mein Leben gebracht, die bis heute wirkt. Nicht nur, weil ich danach wusste, wohin der Weg für mich (zumindest so grob) gehen sollte, sondern auch, weil mir eines klar wurde: Das Leben ist viel zu komplex, um es immer wieder auf die gleiche Art und Weise verstehen zu wollen.

So habe ich seither immer wieder Seminare, Workshops und Coachings besucht, die in ganz unterschiedliche Richtungen gingen. Von der analytischen Businessberatung über schamanische Rituale, kreative Workshops und spirituelle Seminare bis hin zur Psychoanalyse und systemischen Therapie war so einiges dabei und ich habe immer wieder andere Perspektiven erhalten, neue Erkenntnisse oder Impulse gewonnen. Und klar, nicht jedes Seminar war sinnbringend, aber auch darin lagen Erkenntniswerte, denn es ist ja auch wertvoll zu wissen, was man nicht braucht. Für mich sind diese Exkurse kleine Oasen im Alltag.

Es ist wichtig, immer mal wieder eine Pause zu machen und ein paar Meter zur Seite zu treten, um die Dinge klarer zu sehen.

Gar nicht so einfach in dieser schnelllebigen Zeit, in der ständig eine Aufgabe lauert … Aber wenn ich mir einen festen Termin dafür einplane oder eine Buchung vornehme, hilft mir das sehr. Ich habe dann einen Zeitraum in meinem Kalender dafür geblockt und Geld bezahlt, also halte ich diesen Vorsatz viel konsequenter ein, als wenn ich mir zum Beispiel vornehme, jede Woche eine Stunde lang zu meditieren (never happens!). Ich habe gelernt, dass es nicht immer gleich rabiate Konsequenzen braucht, wenn etwas im Leben aus dem Gleichgewicht geraten ist. Man muss nicht sofort den Job kündigen, umziehen oder sich trennen. Manchmal reichen schon ganz kleine Justierungen im System, um einen neuen Drive zu bekommen.

DIE ERDE GEHÖRT NICHT DEN MENSCHEN, DER MENSCH GEHÖRT ZUR ERDE. ALLES IST MITEINANDER VERBUNDEN. WAS IMMER IHR DER ERDE ANTUT, DAS TUT IHR EUCH SELBST AN.

– NOAH SEATTLE, HÄUPTLING DER DUWAMISH-INDIANER

ABOUT US

Wenn wir einen Blick auf die Arbeitswelt der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte werfen, so ist klar, dass sie von einer starken männlichen Energie geprägt war. Karrieren wurden vielfach im Wettkampf ausgefochten, in einem Gegeneinander, einem steten Streben nach mehr. Sowohl auf dem Planeten als auch in der Biografie einzelner Menschen fand ein krasser Raubbau statt. Das Ergebnis sehen wir heute:

Wir stehen global vor einem Erdball in der Krise und individuell vor einer großen Erschöpfung.

Über männliche und weibliche Eigenschaften zu sprechen, erscheint heute überholt. Dennoch sind es Begriffe, die sich seit Jahrtausenden in unsere Köpfe eingebrannt haben und die sich auch in unserer jetzigen Realität stark bemerkbar machen. In den vielen Jahrtausenden des Patriarchats wurden die weiblichen Qualitäten unsichtbar gemacht und als nicht professionell gelabelt. Frauen wurden kleingehalten und waren den Männern in vielen Bereichen klar untergeordnet. Sie waren und sind in vielen Kulturen und Epochen reduziert auf billige Arbeitskräfte, Objekte der Begierde und Instrumente der Fortpflanzung. In unserer Gesellschaft macht die christliche Kirche die Frau verantwortlich für den Sündenfall. Das lateinische Wort für Frau – femina – wurde in der für die Hexenverfolgung zentralen Publikation Hexenhammer von Heinrich Kramer aus dem Jahr 1487 als Zusammensetzung des spanischen fe (Glauben) und minus (weniger) interpretiert – die weniger Glaubende also.3 Laut Duden aber stammt das Wort femina vom lateinischen Verb fellare ab und bedeutet damit die Säugende.4 Andere Interpretationen sehen das Wort von fetus abgeleitet, das Hervorbringen oder Fruchtbarkeit bedeutet. Es bezeichnet also eine Person, die das Potenzial zur Geburt und Ernährung von Nachkommen hat.

Die deutsche Philosophin Annegret Stopczyk-Pfundstein erläutert in ihrem Buch Sophias Leib, warum sich die Abwertung der Frau seit so unglaublich langer Zeit bis heute hält:

„Im Griechischen bedeutet das Wort ‚Mensch‘ (antrophos) dasselbe wie ‚Mann‘. […] ‚Mann sein‘ im griechischen Sinne bedeutet ‚rational sein‘ oder ‚vernünftig sein‘ und deshalb ‚herrschend sein‘. […] Diese ‚Stilisierungen‘ bilden bis heute die ideellen Grundlagen für unsere europäischen Definitionen des Menschseins. Sie bilden den sogenannten ‚Anthropozentrismus‘ als philosophisch gegründete Ideologie.“5

In vielen Bereichen zeigen sich diese Ungleichheiten in Gender-Pay-Gaps, fehlenden Frauen in Führungspositionen sowie der ungerechten Verteilung von Land und Macht noch immer. Weniger als zwanzig Prozent der weltweiten Immobilien und Ländereien gehören Frauen. Im Privaten, im Politischen und auch in der Gestaltung unserer Arbeitswelt haben sich diese Strukturen eingebrannt. Durch die jahrtausendelange Vorherrschaft der Männer hat sich deren Prinzip in vielen Bereichen durchgesetzt.

Wohin hat uns dieses Streben nach einem ständigen Höher-Schneller-Weiter gebracht? Auf der einen Seite zu einem immensen Fortschritt. Wir sind nicht mehr abhängig von Wind und Wetter wie in der Steinzeit und auch nicht mehr von der Gunst eines mittelalterlichen Feudalherren. In unserem System der sozialen Marktwirtschaft sind wir in vielfacher Hinsicht abgesichert und erhalten einen freien Zugang zu Bildung, Sozialleistungen, Krankenversicherungen und Renten. Karrieren verlaufen heute nicht mehr linear – es gibt zahlreiche Möglichkeiten und Wege zu arbeiten. Vor ein paar Generationen gab es diese Freiheiten noch nicht. Man konnte keine Weiterbildung oder Umschulung machen, kein Sabbatical, keine Elternzeit und schon gar keinen kompletten Neustart. Heute gibt es all das – vor uns allen liegt also ein Pool an Möglichkeiten. Veränderungen gehören zu unserer Welt. Es gilt das Credo des österreichischen Philosophen Paul Feyer-abend: Anything goes! Und dennoch ist Luft nach oben …

Auf der anderen Seite macht sich in unserer Gesellschaft eine umfassende Erschöpfung breit. Für viele Menschen sind Burnouts und Depressionen die Folge. Auch unser Planet ist ausgebrannt und steht am Rande seiner Ressourcen. Patriarchat und Kapitalismus sind Konstrukte, die auf Ausbeutung beruhen. Unsere westliche Gesellschaft lebt auf Kosten anderer Länder und Kontinente. Zugleich wird innerhalb unserer Gesellschaft die Schere zwischen arm und reich immer größer – auch hier passiert Fortschritt auf Kosten der unteren Schichten.

Im bisherigen Modus weiterzumachen ist langsam, aber sicher keine Option mehr – weder auf privater noch auf gesellschaftlicher Ebene. Wir haben ein Limit erreicht. Immerhin gibt es schon viele Ansätze, die Arbeitswelt neu zu gestalten.

Wenn wir uns selbst und den Planeten retten wollen, muss ein Umschwung her – und zwar im gesamten Denken.

In den vergangenen Jahren hat sich unsere Arbeitswelt bereits stark verändert, um dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Neue Ansätze mit Gleitzeit, Homeoffice, mobilem Arbeiten, flexiblem Stundenabbau und anderen Ideen der New-Work-Theorie explodieren geradezu. Viele Arbeitgeber•innen bieten inzwischen flexible Modelle und mehr Freizeit an. In innovativen Unternehmen kommt es mehr auf den Output als auf die am Schreibtisch abgesessene Zeit an. Autonomie und Sinnerfüllung werden zu immer wichtigeren Kriterien. Ebenso wie Nachhaltigkeit und ressourcenschonendes Arbeiten. Aber es reicht nicht aus, die Arbeitsplätze fancy zu gestalten, betriebsintern Meditationskurse anzubieten und sich das Label von New-Work-Ansätzen anzuheften. Denn was bringt es, wenn wir uns in einer Hängematte ins Burnout rocken und den Yogakurs in den einzig freien Termin im Kalender – die Mittagspause – quetschen?