Feuriges Verlangen - unerfüllte Sehnsucht? - Barbara Dunlop - E-Book
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Feuriges Verlangen - unerfüllte Sehnsucht? E-Book

Barbara Dunlop

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Beschreibung

Was für eine Schönheit ist aus dem Mädchen geworden, das damals die Ranch verlassen hat! Reed begehrt die grazile Ballerina Katrina - und auch in ihren Augen lodert Verlangen. Doch die Tänzerin liebt die Großstadt und hasst die Einsamkeit Colorados. Bald steht Reed vor der schwersten Entscheidung: Soll er mit Katrina nach New York gehen? Oder ihre Liebe nur als leidenschaftlichen Tanz eines Sommers in Erinnerung behalten?

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IMPRESSUM

Feuriges Verlangen – unerfüllte Sehnsucht? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2012 by Barbara Dunlop Originaltitel: „A Cowboy In Manhattan“ erschienen bei: Harlequin Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1755 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Peter Müller

Umschlagsmotive: Aleshyn_Andrei, Dudarev Mikhail / Shutterstock

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733775476

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Staub wirbelte auf, als der Lastwagen vor dem Ranchhaus zum Stehen kam. Katrina Jacobs verzog leicht den Mund, als sie das alte Gebäude betrachtete. Gerade angekommen, sehnte sie sich bereits nach New York City zurück. Als ihr Bruder Travis aus dem Wagen ausstieg, tat sie es ihm gleich und achtete darauf, mit dem rechten Fuß zuerst aufzutreten, um den linken mit dem verletzten Knöchel nicht zu sehr zu belasten.

Eine Woche, dachte sie. Höchstens zwei. Dann habe ich meine Pflicht als Tochter und Schwester getan. Dann ist auch mein Knöchel wieder in Ordnung. Und ich kann zu meiner Balletttruppe in Manhattan zurück.

Katrina hasste Colorado.

Travis hob ihren Koffer von der offenen Ladefläche des Lastwagens. Katrina brauchte gar nicht hinzusehen, sie wusste es auch so: Der Koffer war jetzt von diesem unangenehmen feinen Staub bedeckt, der hier überall in der Luft lag. Man konnte putzen, waschen, saugen, er war immer da. Überall.

Unsicher ging sie den unebenen Kiesweg entlang. Für diese Gegend war sie eigentlich viel zu fein angezogen. Aber sie hatte es nicht über sich bringen können, schon in Jeans und Baumwollhemd anzureisen und auf dem Flughafen wie eine Hinterwäldlerin dazustehen. Zwar war sie nicht so berühmt, dass sie überall erkannt wurde, aber ab und zu geschah es doch. Und dann machten die Leute unweigerlich ein Foto. Heutzutage hatte ja jeder ein Fotohandy dabei und war damit ein potenzieller Paparazzo.

Travis holte sie ein. Er trug die hier übliche Kleidung – ein Flanellhemd, verwaschene Jeans und abgewetzte Cowboystiefel. „Willst du ins Zimmer von Mom und Dad ziehen?“

„Nein“, wehrte sie hastig ab. „Ich quartiere mich lieber bei Mandy ein.“

Schon mit zehn Jahren hatte Katrina ihr Zuhause verlassen. Ihre Tante hatte dafür gesorgt, dass sie auf die Upper Cavendar Dramatic Arts Academy in New York kam, eine Internatsschule für darstellende Künste. Vielleicht lag es daran, dass sie ihr Zuhause so jung verlassen hatte – auf jeden Fall schüchterte ihr strenger, energischer Vater sie bis zum heutigen Tag ein. Seine donnernde Stimme machte ihr Angst, und wenn er in ihrer Nähe war, befürchtete sie ständig, er würde ihr unangenehme Fragen stellen, sich über ihre berufliche Karriere lustig machen oder anmerken, wie ungeschickt sie sich als Ranchhelferin anstellte.

Doch im Moment war ihr Vater nicht auf der Ranch. Er hatte einen Schlaganfall erlitten und befand sich in einer Reha-Klinik in Houston. Zum Glück machte er schon wieder gute Fortschritte. Aber in seinem Schlafzimmer zu übernachten – nein, das wollte Katrina auf keinen Fall.

„Er liebt dich“, beeilte sich Travis zu versichern. „Wir alle lieben dich.“

„Und ich liebe euch auch“, erwiderte sie und betrat das Ranchhaus. Es war geräumig, größer als die meisten Häuser in der Gegend, mit einem gemütlichen Wohnzimmer, das genug Platz für fünf Kinder und zahlreiche Gäste bot. Im oberen Stockwerk befanden sich sechs Schlafzimmer, von denen eines zu einem Büro umgestaltet worden war, nachdem Katrina endgültig ausgezogen war.

Natürlich liebte sie ihre Familie, und ihre Familie liebte sie, obwohl sie mit ihr so wenig gemein hatte. Für die anderen war sie eine Außenseiterin – verweichlicht und aus der Art geschlagen, nicht imstande zu reiten oder bei der Rancharbeit kräftig mit anzupacken.

Für ihre Verwandten zählte es nicht, dass sie Solotänzerin in einer Balletttruppe war, die regelmäßig vor ausverkauften Häusern auftrat, selbst im berühmten Emperor’s Theater in New York City. Es spielte auch keine Rolle, dass sie schon auf den Titelbildern der Zeitschriften Dance America und Paris Arts Review abgebildet gewesen war. In Colorado war sie einfach das Mädchen, das nicht mal zur Ranchhelferin taugte.

„Hallo, Kitty-Kat.“

Es war ihr ältester Bruder Seth, der sie so begrüßte und in seine starken Arme nahm.

„Hallo, Seth“, erwiderte sie süß-säuerlich. Sie mochte den Spitznamen nicht besonders, den ihr ihre Brüder schon in der Kindheit verpasst hatten.

Als Seth sie wieder losließ, bemerkte sie, dass hinter ihm noch jemand stand. Ein hochgewachsener, breitschultriger Mann, der verkniffen dreinblickte. Sie hatte ihn zwar ein paar Jahre nicht gesehen, erkannte ihn aber sofort wieder. Ihr Nachbar Reed Terrell.

Er nickte fast unmerklich. „Hallo, Katrina.“

„Hallo, Reed“, gab sie zurück und wunderte sich, dass ihr Herz ein ganz klein wenig schneller zu schlagen begann. Wahrscheinlich nur, weil sie mit seinem Auftauchen nicht gerechnet hatte.

In diesem Moment kam ihre Schwester Mandy die Verandatreppe herunter. „Katrina“, rief sie freudig aus, stieß Seth beiseite und nahm sie in die Arme.

Katrina erwiderte die Umarmung. Mandy war jünger als sie und die Einzige aus der Familie, die ein wenig Verständnis für Katrinas Tanzleidenschaft aufbrachte.

Mandy ließ sie wieder los und betrachtete sie von Kopf bis Fuß. „Du siehst einfach umwerfend aus.“

Katrina wusste, dass das ein Kompliment war. Allerdings war in ihrer Familie gutes Aussehen auch gleichbedeutend mit nutzlos. Ein hübsches Gesicht brachte einen in Lyndon Valley nicht weit.

„Danke“, erwiderte sie verlegen. Vielleicht hätte ich mir doch lieber Jeans anziehen und aufs Schminken verzichten sollen, schoss es ihr durch den Kopf. Ich merke meiner lieben Familie an, dass sie meine Aufmachung unpassend findet.

„Kannst du dich noch an Reed erinnern?“, fragte Mandy und wies mit einem Kopfnicken auf den großen Mann, der schweigend im Hintergrund stand.

„Natürlich“, antwortete Katrina.

Als sie ihn ansah, begannen ihre Knie zu zittern, und sie fragte sich, warum eigentlich. Was war nur mit ihr los? Sie wollte den Blick abwenden, aber es gelang ihr nicht.

„Ich freue mich schon darauf, dass du Caleb endlich wiedersiehst“, redete Mandy aufgeregt weiter. „Wahrscheinlich kannst du dich nicht mehr gut an ihn erinnern. Du hast Lyndon Valley ja früh verlassen – und er auch.“

„Ich weiß, dass er Reeds Zwillingsbruder ist“, merkte Katrina an.

Reed verzog etwas den Mund, als sie seinen Namen aussprach. Die beiden Männer waren zwar Zwillinge, aber keine eineiigen. Sie erinnerte sich an Caleb als eine kleinere, weniger einschüchternde Version seines Bruders.

Das war auch besser so.

Für Mandy.

Mandy strahlte übers ganze Gesicht. „Ach ja, herzlichen Glückwunsch noch“, sagte Katrina etwas verspätet und nahm ihre Schwester noch einmal in den Arm.

„Die Hochzeit soll wahrscheinlich im Spätherbst sein“, verkündete Mandy begeistert. „Bis dahin ist Dad ja hoffentlich wieder topfit. Du sollst natürlich eine der Brautjungfern sein.“

„Ja, natürlich“, gab Katrina zurück und zwang sich zu einem Lächeln. Familienzusammenkünfte, große Feiern – sie mochte das nicht so besonders. Aber wenn es Mandy wichtig war, würde sie ihrer Schwester bestimmt nicht ihren großen Tag verderben.

„Im Brautjungfernkleid wirst du bestimmt richtig gut aussehen.“

„Das ist meine Spezialität“, scherzte Katrina und lächelte verkrampft weiter. Als sie einen Blick auf Reed warf, sah sie, dass er die Augen verdrehte.

Bestimmt hielt er sie für eitel. Aber was wusste er schon? Er kam aus einer anderen Welt, der Welt hier im Lyndon Valley. Ihn hatte bestimmt noch nie jemand nutzlos genannt. Hier wurde er geschätzt, weil er kräftig war und hart arbeitete. Er musste nicht mit dem Attribut „hübsch“ leben.

Was nicht heißen sollte, dass er schlecht aussah. Gut, vielleicht war sein Kinn eine Spur zu breit, aber er hatte ein markantes, ausdrucksstarkes Gesicht, einen attraktiven Mund und …

He, jetzt aber mal langsam, mahnte sie sich. Mach ihn nicht besser, als er ist. Er ist ein Cowboy, ein rauer Bursche. Er hat etwas Vierschrötiges und ist bestimmt der größte Macho im ganzen Lyndon Valley. Und das ist nun wirklich nicht besonders anziehend!

Seit Reed Terrell den Kinderschuhen entwachsen war, war er – man konnte es nicht anders sagen – scharf auf Mandys Schwester Katrina gewesen. Allerdings hatte er nie versucht, bei ihr zu landen, und es wäre auch mehr als zweifelhaft gewesen, ob er Erfolg gehabt hätte. Sie spielte einfach in einer anderen Liga.

Sie ist so ganz anders als die Leute hier, dachte er, als er wieder das Ranchhaus seiner Familie betrat. Sie passt gar nicht auf die Jacobs-Ranch. Irgendwie hat sie wie eine Prinzessin gewirkt, die beim einfachen Volk nach dem Rechten schaut. Jemand, den man aus der Ferne bewundert oder anhimmelt, aber dem man nicht zu nahe kommt. Und genau so werde ich es auch halten.

Er schloss die Tür und hängte seinen Hut an den dritten Haken von links, so wie er es immer tat. Viele Jahre lang hatte Reed zusammen mit seinem extrem ordnungsliebenden Vater in dem geräumigen Haus gewohnt. Inzwischen war der alte Herr verstorben, doch seine penible Ordnung wurde beibehalten.

„Danielle möchte mit dir sprechen“, verkündete sein Bruder Caleb und kam auf ihn zu, den Telefonhörer in der Hand.

„Ich habe ihr aber nichts Neues zu sagen.“

Caleb runzelte die Stirn. „Aber du kannst doch fünfzehn Millionen Dollar nicht einfach auf deinem Girokonto liegen lassen.“

„Du kannst das Geld gerne zurückkriegen“, erwiderte Reed. Er fand es immer noch lächerlich, dass sein Bruder ihm den Betrag für die Hälfte der Familienranch ausgezahlt hatte.

„Würdest du es etwa annehmen, wenn ich dir einfach so die Hälfte meiner Firma Active Equipment schenken würde?“, fragte Caleb. Er hatte das Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren im Raum Chicago aufgebaut.

„Natürlich nicht.“

„Na siehst du.“ Caleb hielt Reed den Telefonhörer entgegen. „Rede einfach mit ihr. Sie hat ein paar Ideen entwickelt.“

Danielle Marin war Calebs Anwältin. Nach dem Debakel mit dem Testament des verstorbenen Vaters hatte sie die Papiere aufgesetzt, die den Besitz der Terrell-Ranch von Caleb auf Reed überschrieben. Dann hatte sie die Finanztransaktion ausgearbeitet, mit der Caleb die Hälfte der Ranch zurückkaufte.

Eher widerwillig nahm Reed den Hörer. „Hallo?“

„Hallo, Reed“, ertönte Danielles Stimme. „Hatten Sie schon Gelegenheit, sich die Unterlagen anzusehen, die ich Ihnen gestern gemailt habe?“

„Noch nicht“, murmelte Reed. Er schaute höchstens einmal pro Woche nach seinen E-Mails. Die meisten Leute, die er kannte, hatten mit moderner Technik nicht viel am Hut. Wer etwas von ihm wollte, rief ihn an oder kam einfach persönlich auf der Ranch vorbei.

Danielle seufzte. „Aber Sie wissen schon, dass jeder Tag, an dem Sie den Riesenbetrag einfach auf dem Girokonto lassen, Sie bares Geld kostet?“

„Ja, ja, das haben Sie mir letztes Mal schon gesagt.“

„Haben Sie denn wenigstens schon irgendeine Idee, was Sie mit dem Geld machen wollen? Möchten Sie lieber innerhalb der Vereinigten Staaten investieren oder weltweit? Blue Chips oder Schwellenmärkte?“

„Ich habe mit dem Gedanken gespielt, mir einen Sportwagen zu kaufen“, antwortete Reed gedehnt. Er verspürte nicht die geringste Lust, sich um dieses lästige Geld zu kümmern. Ihm reichten schon die Probleme auf der Ranch. Handfeste Probleme, die handfeste Lösungen erforderten.

„Ah, verstehe“, gab Danielle zurück. „Ich soll also auf jeden Fall einen gewissen Betrag für persönliche Bedürfnisse liquide halten.“

„Das mit dem Sportwagen war nur ein Witz, Danielle. Wir haben hier im Lyndon Valley ja nicht mal gepflasterte Straßen.“

„Aber Sie könnten ja auf dem Highway damit fahren. Welche Marke liegt Ihnen denn am ehesten? Lamborghini? Ferrari?“

„Ehrlich, Danielle, es war nur ein Witz.“

„Hm. Dann wäre es mir lieber, wenn Sie in Zukunft keine Witze mehr machen.“

Reed seufzte. „Na gut. Also, eines weiß ich schon mal: Ich möchte lieber innerhalb der USA investieren.“

„Das ist doch schon mal eine klare Auskunft. Also, wie wäre es mit Blue Chips? Oder möchten Sie sich an einem Start-up-Unternehmen beteiligen? Ich könnte Ihnen da einige vielversprechende Projekte empfehlen …“

Reed wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Eigentlich wollte er nur seine staubigen Sachen ablegen, heiß duschen und sich ein Steak auf den Grill hauen. Und dann wollte er noch ein wenig an Katrina denken und mit diesem Gedanken einschlafen.

„Ich überleg’s mir und gebe Ihnen dann Bescheid“, sagte er zu Danielle.

„Aber bitte bald, ja?“

„Ja, ja, sicher. Bald. Demnächst. Bis dann.“ Kopfschüttelnd gab er seinem Bruder den Telefonhörer zurück.

Als Nächstes verzog sich Reed unter die Dusche. Während er sich die Haare einschäumte, stellte er fest, dass sie schon wieder recht lang geworden waren. Bei nächster Gelegenheit, wenn es mal wieder genug Gründe gab, nach Lyndon reinzufahren, würde er zum Friseur gehen. Natürlich konnte er die Sache mit seinem elektrischen Haarschneider auch selbst erledigen, aber als er das das letzte Mal gemacht hatte, hatte Mandy ihn tagelang amüsiert gemustert.

Kaum musste er an Mandy denken, kam ihm auch wieder Katrina in den Sinn. Er beendete seine Dusche mit einem Schauer eiskalten Wassers.

Anschließend zog er sich frische Jeans und ein graues T-Shirt an. Barfuß ging er hinunter in die Küche. Der große Grill befand sich auf der hinteren Veranda, von der aus man einen schönen Ausblick auf den Lyndon River hatte. Es war warm; Schuhe würde er nicht brauchen.

Schon stieg ihm der verführerische Duft brutzelnder Steaks in die Nase. Sein Bruder hatte wohl schon mal angefangen; Steaks waren das Einzige, was Caleb genießbar zustande brachte. Bei dem Gedanken an seinen Bruder wurde Reed warm ums Herz.

Es war erst ein paar Wochen her, dass er sich mit seinem Zwillingsbruder wieder versöhnt hatte. Seit dem Tod ihrer Mutter zehn Jahre zuvor waren sie zerstritten gewesen. Beide hatten ihren harten, herrschsüchtigen Vater für ihren frühen Tod – sie war an einer unbehandelten Lungenentzündung gestorben – verantwortlich gemacht, nur hatten sie daraus völlig gegensätzliche Konsequenzen gezogen. Caleb hatte das Ranchhaus der Familie im Zorn verlassen. Reed war geblieben, um das Erbe seiner Mutter zu hüten und zu bewahren.

Plötzlich hörte Reed eine weibliche Stimme.

Sicher Mandy.

Als Caleb zur Ranch heimgekehrt war, um die Probleme mit dem Testament zu klären, hatten er und Mandy, die sich ja schon von früher kannten, sich unsterblich ineinander verliebt. Reed lächelte versonnen. Für ihn war Mandy immer so etwas wie eine kleine Schwester gewesen. Es wäre schön, wenn sie bald offiziell zur Familie gehörte.

Er holte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und machte sich auf den Weg nach draußen zur Veranda. Als er Katrina am Tisch sitzen sah, blieb er überrascht stehen. Mit ihrer Anwesenheit hatte er nicht gerechnet.

Sie hielt ein Glas Rotwein in den zierlichen Händen und lachte gerade über etwas, das Mandy gesagt hatte. Das Abendlicht umschmeichelte ihre Figur und ließ sie wie eine Elfe wirken. Als Berufstänzerin war sie natürlich in bester körperlicher Verfassung – schlank und elegant –, und das gefiel ihm mehr, als ihm lieb war.

„Hallo, Reed“, begrüßte sie ihn. Sein verdutzter Gesichtsausdruck war ihr nicht entgangen. „Stimmt was nicht?“

Natürlich stimmt was nicht, dachte er. Sie ist Mandys Schwester. Ich sollte nicht so viel an sie denken. Wahrscheinlich bleibt sie sowieso nicht lange im Lyndon Valley, aber solange sie hier ist, muss ich irgendwie damit klarkommen.

„Alles in Ordnung“, versicherte er. „Ich habe nur einen Bärenhunger.“ Er blickte zu Caleb hinüber, der am Grill stand.

„Dauert noch ungefähr zehn Minuten“, informierte ihn Caleb.

Teller, Salate und Brot standen bereits auf dem Tisch, daher ließ Reed sich ohne weitere Umschweife in einen Gartenstuhl sinken und nahm einen Schluck von seinem Bier.

Mandy gesellte sich zu Caleb an den Grill, legte ihm die Hand auf die Schulter und unterhielt sich lachend mit ihm.

„Hattest du einen guten Flug?“, fragte Reed verlegen. Er wollte keine peinliche Stille aufkommen lassen.

„Ja, war alles bestens. Sehr angenehm, sehr bequem.“ Katrina saß ihm genau gegenüber.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie Mandy seinem Bruder einen Kuss auf die Wange gab und ihm etwas ins Ohr flüsterte.

„Bist du erster Klasse geflogen?“, fragte er Katrina.

„Warum?“, erwiderte sie spitz.

„Ach, nur so.“

„Hältst du mich für ein verwöhntes Prinzesschen?“

„Um Himmels willen. Ich dachte nur. Weil du sagtest, der Flug wäre so bequem gewesen.“

Einen Augenblick lang sahen sie sich schweigend an.

„Bleibst du lange?“, fragte er vorsichtig. Hoffentlich fasste sie das nicht auch schon wieder als Angriff auf!

„Eine Woche“, gab sie zurück. „Vielleicht auch zwei.“

„Und? Tanzt du immer noch?“ Er wusste so gut wie nichts über das Leben, das sie in New York City führte. Nur dass sie eine Art Ballerina war, eine sehr bekannte offenbar, und Mandy sie gern einmal auf der Bühne erlebt hätte.

„Ja, ich tanze immer noch“, bestätigte sie lächelnd. „Und du? Bist du immer noch Rancher?“

Er nickte. „Ja, immer noch. Willst du hier Urlaub machen?“

„Urlaub, na klar“, gab sie sarkastisch zurück.

„Also kein Urlaub?“

Ganz kurz blickte sie zu ihrer Schwester hinüber. Dann zuckte sie mit den Schultern. „Na ja, irgendwie ist es doch so eine Art Urlaub. Natürlich ohne Palmen, ohne Swimmingpool …“

„Also doch ein Prinzesschen“, murmelte er lächelnd.

„Man muss doch sehen, dass man genug Sonnenbräune bekommt.“

„Das ist bei uns hier kein Problem“, sagte er mit einem Blick auf seine Unterarme.

„Du hast bestimmt diese typische Bauernbräune“, scherzte sie. „Sonnenbräune auf Armen und Nacken.“

„Und du hast bestimmt Prinzessinenbräune“, gab er zurück, ohne mit der Wimper zu zucken. „Mit weißen Stellen, wo der Bikini sitzt.“

„Vielleicht, vielleicht auch nicht“, erwiderte sie augenzwinkernd. „Sieht aber bestimmt besser aus als Bauernbräune.“

Er prostete ihr mit seiner Bierflasche zu. „Das will ich nicht bestreiten.“

Zu seiner Überraschung beugte sie sich zu ihm hin und flüsterte: „Die Wahrheit ist … Ich habe mir den Knöchel verletzt.“

„Ist das ein Geheimnis?“, fragte er verschwörerisch zurück.

Sie schüttelte den Kopf. Dann zuckte sie mit den Schultern. „Nein, eigentlich nicht. Ich wollte nur nicht, dass …“

Wie gebannt blickte er auf ihre Lippen. Am liebsten hätte er sie geküsst.

Errötete sie leicht? Dachte sie vielleicht sogar daran, ihn auch zu küssen?

Nein, das war ein völlig absurder Gedanke!

„Ist es dir vielleicht peinlich, dass du als Profitänzerin dir den Fuß verletzt hast?“

„Ja, es war ein dummer Unfall“, gab sie zu. „Normalerweise bin ich mit meinen Ballettschuhen sehr vorsichtig, aber …“

„Blutig, medium oder gut durch?“, rief Mandy plötzlich dazwischen.

Reed wandte den Blick nicht einmal von Katrina ab. „Für mich blutig.“

„Für mich medium“, sagte Katrina. „Und bitte kein so großes Steak.“

„Du willst kein Steak in Cowboygröße?“, fragte Reed lächelnd.

Selbstkritisch legte sie sich die Hand auf den flachen Bauch. „Mein Tanzpartner muss mich ja noch hochheben können.“

„Vielleicht brauchst du einen stärkeren Partner.“

„Nein, ich sollte eher ein, zwei Pfund abnehmen.“

„Ich finde, du bist perfekt, so wie du bist“, platzte er heraus, ohne darüber nachzudenken.

Kurz blickte sie zu Boden, ohne ein Wort zu sagen, dann biss sie sich auf die Unterlippe und blickte hinüber zu Caleb, der gerade das Tablett mit den Steaks an den Tisch brachte.

Ich muss irgendwas Falsches gesagt haben, schoss es Reed durch den Kopf. Ich weiß zwar nicht, was, aber sie ist plötzlich so anders.

Am nächsten Morgen bereute Katrina, dass sie Reed die Sache mit ihrem Knöchel erzählt hatte. Es war ihr einfach so herausgerutscht. Dabei hatte sie sich eigentlich geschworen, ihre Welt in New York völlig von der hier im Lyndon Valley getrennt zu halten. Ab jetzt würde sie besser darauf achtgeben.

Ihr Leben war ein ganz anderes, seit ihre großzügige Tante Coco sie unter ihre Fittiche genommen und ihre Eltern überredet hatte, sie mit ihr nach New York City gehen zu lassen. In New York, auf der Ballett-Akademie, hatte Katrina sich wohlgefühlt. Im Umfeld ihrer Tante, die eine renommierte Malerin war, fühlte sie sich angenommen, respektiert. In Colorado hingegen, bei ihrer übrigen Familie, war sie immer eine Außenseiterin gewesen. Das schwarze Schaf.

Oft hatte sie sich gefragt, wie ihre Tante auf den Gedanken gekommen war, sie aus der Cowboywelt von Lyndon Valley herauszuziehen, zu retten gewissermaßen. Hatte sie in der erst zehnjährigen Katrina schon die Seelenverwandte erkannt? Katrina hatte sie das immer fragen wollen, es aber stets aufs Neue hinausgeschoben. Und dann, vor zwei Jahren, war Tante Coco plötzlich an einem Aneurisma gestorben. Und nun war es zu spät.

Als Katrina das Esszimmer betrat, saßen ihre beiden Brüder und ihre beiden Schwestern bereits am Frühstückstisch und verzehrten mit großem Appetit Pfannkuchen und Rührei mit Schinken. Es verblüffte sie immer wieder, dass Mandy und Abigail so viele Kalorien vertilgen konnten, ohne anzusetzen.

Sie bemühte sich, nicht zu hinken, damit die anderen ihr die Verletzung nicht anmerkten. Andererseits würde Reed es sicher Caleb erzählen, Caleb würde es Mandy weitersagen – und schon wäre Katrina wieder das bemitleidenswerte Weichei in einer Familie, die ansonsten hart im Nehmen war.

Alle begrüßten sie freundlich, und sie setzte sich auf den leeren Platz neben Mandy. Vergeblich hielt sie auf dem Tisch nach etwas Obst oder vielleicht einem Vollkornbrötchen Ausschau. Stattdessen stellte Abigail ihr nacheinander einen Teller mit Pfannkuchen, eine Flasche Ahornsirup und ein Tablett mit Rührei vor die Nase.

„Oh, vielen Dank“, bedankte Katrina sich höflich. „Aber hättet Ihr vielleicht, äh, einen Apfel oder so was im Kühlschrank?“

Vier Augenpaare sahen sie entgeistert an.

„Ich bin kein großer Frühstücker“, erklärte sie und versuchte, die leckeren Gerüche zu ignorieren.

Abigail erhob sich.

„Nein, nein, lass nur“, wehrte Katrina ab und stand selbst auf. Sofort durchzuckte ein brennender Schmerz ihren Knöchel, aber sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Ich hole ihn mir schon selber.“ Schnell machte sie sich auf den Weg in die Küche.

„Abigail und ich können noch ein paar Tage auf der Ranch bleiben“, hörte sie die Stimme von Seth aus dem Esszimmer herübertönen. „Aber anschließend werden wir wegen der Wahlkampagne in Lyndon gebraucht.“

In der Speisekammer neben der Küche füllte die Familienköchin Henrietta gerade die Regale auf. Katrina begrüßte sie lächelnd und wollte die Kühlschranktür öffnen, als plötzlich das Handy in ihrer Hosentasche vibrierte. Sie zog es heraus und sah auf dem Display eine Nummer aus New York City, die ihr unbekannt vorkam.

„Hallo?“, fragte sie und verzog sich in die Ecke hinter dem Kühlschrank, von wo aus man die Gespräche ihrer Geschwister nicht so hörte.

„Hallo, Katrina.“

Verärgert biss sie die Zähne zusammen, als sie die Stimme von Quentin Foster erkannte. Er gehörte zum Vorstand des Liberty Ballet und hatte sie bei ihrem letzten Gespräch auf schamlose Weise angebaggert.

„Ich wollte mich mal erkundigen, wie es Ihnen geht“, fragte er beflissen.

„Gut“, antwortete sie kurz angebunden. Am liebsten hätte sie das Gespräch damit beendet. Als Vorstandsmitglied war er ein wichtiger Mann in dem Ballettunternehmen, aber wie er sie angemacht hatte – das ging gar nicht!

„Wir machen uns alle Sorgen um Sie.“

„Wie gesagt, mir geht es gut. Ich bin bald zurück.“

„Zurück? Sind Sie nicht in New York?“

„Nein, ich besuche meine Familie. Ich, äh, muss dann auch mal wieder. Vielen Dank für den Anruf.“

„Einen Moment noch, Katrina.“

„Ja …?“

„Haben Sie noch mal über meinen Vorschlag nachgedacht?“

Über seinen Vorschlag, seine Geliebte zu werden? „Ich habe meine Meinung nicht geändert.“

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie ihr Bruder Seth sie neugierig musterte. „Ich muss jetzt wirklich los. Aber danke, dass Sie sich nach mir erkundigt haben.“ Schnell schaltete sie ihr Handy aus und wandte sich wieder der Familie zu.

„Mandy reitet heute zur Herde am Blue Lake, um sie zu inspizieren“, erklärte Travis. „Und ich muss nachsehen, wie viele Rinder durch den Canyon gezogen sind.“

Katrina wusste: Es war eine Wissenschaft für sich, wie man die Rinderherden auf dem riesigen Weideland verteilte – man musste Jahreszeiten, Bewuchs und Wetterlage berücksichtigen. Sie hatte keine Ahnung davon. Es beschlich sie das ungute Gefühl, dass sie im neunzehnten Jahrhundert, der Zeit der Cowboys, nicht lange überlebt hätte.

„Wann kommt der Tierarzt?“, fragte Abigail und schenkte sich Kaffee nach.

„Gegen elf, hat er gesagt“, antwortete Mandy. „Aber du weißt ja, bei dem kann immer was dazwischenkommen.“

„Als Allererstes nach dem Frühstück muss ich mich mit dem Wahlkampfbüro in Verbindung setzen“, verkündete Abigail. Ihr ältester Bruder kandidierte nämlich für den Bürgermeisterposten in Lyndon.