Gambling Men - 4-teilige Miniserie - Barbara Dunlop - E-Book

Gambling Men - 4-teilige Miniserie E-Book

Barbara Dunlop

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Miniserie von BARBARA DUNLOP UNWIDERSTEHLICHES BEGEHREN Als Layla auf der Suche nach ihrer besten Freundin in einem Luxushotel in Las Vegas dem verboten attraktiven Max Kendrick begegnet, glaubt sie zu träumen. So muss sich Liebe auf den ersten Blick anfühlen – daran hat sie keinen Zweifel! In seiner glamourösen Penthouse-Suite verwöhnt Max sie mit prickelnden Küssen und gibt ihr das Gefühl, für ihn die aufregendste Frau der Welt zu sein. Doch am nächsten Morgen erlebt Layla eine böse Überraschung … PIKANTER PAKT UND HEISSE KÜSSE Schluss mit brav! Natasha und James, ihr guter Freund aus dem Tennisclub, schließen einen pikanten Pakt: Sie wollen sich gegenseitig neu stylen. Sexy aussehen und heiß umschwärmt werden, so lautet das Ziel. Coole Outfits und selbstbewusstes Auftreten werden ein voller Erfolg! Bis der neue James, plötzlich ein toller Typ mit Dreitagebart, noch einen Schritt weiter geht: Nat soll ihm zeigen, wie abenteuerlich es Frauen im Bett wollen. Das kann er haben! Aber auf einmal wird für Nat aus ihrer Freundschaft plus gefährlich mehr … ZWISCHEN VERDACHT UND LEIDENSCHAFT Was für ein arroganter Typ! Sophie ist nach Alaska geflogen, um herauszufinden, ob sie wirklich mit der reichen Familie Cambridge verwandt ist. Doch deren Geschäftspartner Nathaniel Stone verdächtigt sie der Geldgier. Wenn er nur nicht so überwältigend sexy wäre! Als das Familienoberhaupt sie beide auf die wildromantische Kodiak Island schickt, schwankt Sophie zwischen Wut – und heißer Leidenschaft für Nathaniel … LEIDENSCHAFTLICHE LIEBESNACHT IN ALASKA Ausgerechnet in Alaska bekommt Adeline ihren Traumjob! Dabei wollte die schöne Architektin nie dorthin zurück. Denn ihre Familie will sie unbedingt mit Joe Breckenridge verheiraten. Ja, Joe ist ein toller Typ. Aber Adeline will sich ihren Ehemann selbst aussuchen. Doch dann verbringt sie eine leidenschaftliche Nacht mit ihm. Und die hat Folgen! Soll sie aus Alaska fliehen oder das tun, was sie niemals machen wollte – Joe heiraten?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 809

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Barbara Dunlop
Gambling Men - 4-teilige Miniserie

Gambling Men - 4-teilige Miniserie

Cover

Titel

Inhalt

Unwiderstehliches Begehren

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

Pikanter Pakt und heiße Küsse

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

Zwischen Verdacht und Leidenschaft

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

Leidenschaftliche Liebesnacht in Alaska

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

EPILOG

Guide

Start Reading

Contents

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.) Produktion: Jennifer Galka Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2020 by Barbara Dunlop Originaltitel: „The Twin Switch“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA Band 2133 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Victoria Werner

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733726188

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook .

1. KAPITEL

Dürfte ich mir eine Schwester aussuchen, würde ich Brooklyn wählen.

Sie bringt mich zum Lachen.

Und noch besser: Sie bringt mich zum Nachdenken. Wenn es in der Vergangenheit schlecht lief – und das tat es oft –, dann legte sie sich zu mir auf mein blaues Sofa und hörte mir stundenlang zu. Sie wusste immer, was half: Anfangs war es meist Eiscreme, später manchmal auch Tequila.

Sie war intelligent. Schon in der Grundschule hatte sie immer nur die besten Noten gehabt. Ich dagegen war eher eine Zweier-Schülerin. Aber ich konnte gut zuhören. Und ich konnte Brooklyns langes blondes Haar zu einem französischen Zopf flechten.

Seit unserer Kindheit verbrachten wir die Sommer am Strand von Lake Washington. Zuerst hatten es uns die Schaukeln und der Kletterwald angetan. Später schwammen wir zu dem kleinen Ponton im Schwimmerbereich, sprangen von dort aus ins Wasser und ließen uns nach dem Baden auf unseren Handtüchern von der Sonne trocknen. Als Teenager hingen wir gern an der Snackbar herum, flirteten mit den Jungen und brachten sie dazu, uns Milchshakes zu spendieren.

Ich hatte keine Gelegenheit, mir eine Schwester auszusuchen, aber Brooklyn sollte dennoch ein Teil meiner Familie werden.

In zwei Wochen würde sie meinen großen Bruder James heiraten.

„Ich kann die Golden Gate Bridge sehen“, verkündete Sophie Crush vom Beifahrersitz des Taxis aus.

Ich saß auf dem Rücksitz, eingequetscht zwischen Brooklyn und Nat Remington. Das hatte man davon, wenn man unbedingt einen Hybrid-Wagen haben wollte!

„Glaubt ihr, dass wir von unseren Zimmern aus einen schönen Ausblick haben?“, überlegte Nat laut.

„Ich hätte gern einen Ausblick auf den Whirlpool.“ Brooklyn seufzte. „Ich meine, aus dem Whirlpool heraus.“

„Dein Wort in Gottes Ohr!“, pflichtete ich ihr bei.

Ich freute mich auf eine Hot-Stone-Massage. Einmal hatte ich dieses Vergnügen bisher gehabt und hätte es nur zu gern wiederholt.

„Ich möchte eine Pediküre“, sagte Sophie.

„Und ich eine Gesichtsmaske.“ Das kam von Nat.

„Ich will in die Sauna.“ Das war Brooklyns nächster Wunsch.

„Ich spüre schon, wie sich meine Muskeln entspannen“, meinte ich seufzend.

Ein Besuch in der Sauna war eine gute Idee. Eine Gesichtsmaske auch. Schließlich war ich Trauzeugin und wollte so gut wie möglich aussehen.

Im Gegensatz zu anderen Bräuten – egoistischeren Bräuten, die selbst am besten aussehen wollten – hatte Brooklyn wunderschöne Kleider für ihre Brautjungfern ausgesucht. Sie waren knielang, schulterfrei und hatten eng anliegende Oberteile aus azurblauem Chiffon, der zum Saum hin heller wurde.

Der Ton meines rotbraunen Haars war immer schwierig zu kombinieren, aber in diesem Fall passte er. Für eine Singlefrau von sechsundzwanzig Jahren war eine Hochzeit eine gute Gelegenheit, neue Männer kennenzulernen.

Diesmal war ich jedoch im Nachteil, weil die Hälfte der Gäste meine eigenen Verwandten waren. Brooklyns Freunde und Verwandte hatte ich im Laufe der Jahre auch schon alle kennengelernt. Aber vielleicht gab es ja noch den einen oder anderen bisher unentdeckten entfernten sexy Cousin im passenden Alter. Eine Frau sollte keine Chance ungenutzt lassen.

Das Taxi hielt vor einer Glastür inmitten einer riesigen Fensterfront, die einen Blick in die Lobby gewährte. An einer Marmorsäule war in goldenen Buchstaben der Name des Hotels angebracht: The Archway Hotel and Spa .

Drei Männer in stahlgrauen kurzärmligen Uniformjacken rissen gleichzeitig die Wagentüren auf.

„Willkommen im Archway“, sagte einer von ihnen zu Brooklyn. Kurz verweilte sein Blick bei ihren blauen Augen, bevor er sich mir zuwandte.

Er hatte ein freundliches Lächeln. Überhaupt war er süß, aber mein Interesse hielt sich in Grenzen. Nicht, dass ich etwas gegen Hotelbedienstete gehabt hätte. Wahrscheinlich machte er den Job nur, um sein Studium zu finanzieren. Oder aber er lebte gern in der Nähe des Strandes und schätzte flexible Arbeitszeiten.

Er reichte mir seine Hand. Sie war kräftig, leicht schwielig und unverkennbar gebräunt. Vielleicht war er ein Surfer.

Ich bin kein Snob, was Berufe angeht. Selbst bin ich Mathematiklehrerin an einer Highschool, und das ist nun wirklich kein prestigeträchtiger Job. Ich bin offen für Menschen aus allen Bereichen.

Er hatte schöne braune Augen, ein kräftiges Kinn und ein strahlendes Lächeln.

Ich verließ den Wagen, und er trat einen Schritt zurück.

„Wir kümmern uns um das Gepäck“, versicherte er mir und ließ seinen Blick dabei etwas länger als nötig auf mir verweilen.

Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er auf ein Trinkgeld wartete.

Fast hätte ich laut über mich selbst gelacht. Er flirtete nicht mit mir – zumindest nicht in romantischer Absicht. Vermutlich verhielt er sich gegenüber jedem ankommenden Gast des Hotels so. Wahrscheinlich finanzierte er damit sein neues Surfbrett.

Ich kramte in meiner Tasche nach einem Fünfdollarschein und reichte ihn dem Mann. Dabei rief ich mir in Erinnerung, dass dies ein reines Verwöhnwochenende sein sollte, bei dem Geld keine Rolle spielte. Die perfekte Schwägerin bekam man schließlich nur ein Mal im Leben.

Zwei Pagen brachten unser Gepäck in die Lobby, und wir folgten ihnen.

„Wir könnten uns männliche Stripper ansehen“, schlug Nat vor.

Leicht angewidert verzog Brooklyn das Gesicht. „Kein Bedarf.“

Ich lächelte, denn ich wusste, dass Nat nur Spaß gemacht hatte. Wäre der Vorschlag von Sophie gekommen, hätte ich ihn schon ernster genommen.

„Sei nicht zu voreilig“, mischte Sophie sich prompt ein. „Was glaubst du, was James und die anderen gerade machen?“

„Du glaubst, sie sehen sich männliche Stripper an?“, fragte Brooklyn verblüfft, während wir uns an einer Fontäne vorbei zur Rezeption begaben.

„Nein, aber vielleicht Stripper innen .“

Es gab keine Schlange. Drei Empfangsdamen schienen nur auf uns gewartet zu haben. Nett.

Brooklyn warf sich ihre Tasche über die Schulter. „Die Männer gönnen sich sicher einen Baseball-Abend.“

„Hinterher vielleicht“, beharrte Sophie.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass James zu einer Strip-Show ging – dafür war er einfach nicht der Typ –, aber Brooklyn hatte plötzlich einen ganz merkwürdigen Gesichtsausdruck, so als hielte sie es tatsächlich für möglich.

„Möchten Sie einchecken?“, erkundigte sich eine der jungen Rezeptionistinnen.

„Wir haben reserviert.“ Nat zog eine Kopie der Bestätigung aus ihrer Tasche.

Ich blieb mit Brooklyn etwas zurück und fragte sie leise: „Du machst dir doch keine Sorgen wegen James, oder?“

Brooklyn zuckte nur die Schultern und trat an die Rezeption. „Brauchen Sie meine Kreditkarte?“

„Nur zum Check-in“, sagte die Frau. „Wenn Sie das Hotel verlassen, kann jeder die Kosten für sich übernehmen, falls Sie es möchten.“

Ich trat zu Brooklyn und raunte ihr zu: „Ganz bestimmt sieht er sich keine Stripperin an.“ Ich verstand nicht, wie sie James so etwas zutrauen konnte.

Mein Bruder hatte einen Master in Wirtschaftswissenschaften und arbeitete bei einer der großen Beratungsfirmen in Seattle. Er sprach nur in ganzen Sätzen und wachte über seine Auftritte in den sozialen Netzwerken, als ginge es um die Zugangscodes für Nuklearwaffen. Niemals würde er sich in einem Striplokal sehen lassen. Das Risiko, dass jemand ihn dort sah und ein Foto von ihm online stellte, wäre ihm viel zu groß. Natürlich hatte er nichts gegen nackte Frauen, aber Tänzerinnen mussten ihn nicht interessieren, weil Brooklyn mit Abstand die schönste Frau weit und breit war.

Sie arbeitete als Einkäuferin für eine Modekette in Seattle, aber sie hätte auch ein Filmstar oder ein Supermodel sein können. Sollte James sich für eine andere Frau interessieren, konnte er nur eine schlechtere Wahl treffen.

„Was ist los?“, fragte ich sie.

Lächelnd sah sie mich an. „Was soll denn los sein?“

Es war etwas in ihrem Blick. Ich konnte es nicht benennen.

„Hat James irgendwas getan?“, fragte ich.

„Nein.“

„Bist du sauer auf ihn?“

„Nein.“

„Was ist es dann?“

„Nichts“, versicherte Brooklyn. „James ist perfekt. Und ich buche jetzt einen Termin im Spa.“ Sie griff nach einem Prospekt, der auf der Rezeption auslag.

„Ich kann Ihnen gern dabei helfen“, versicherte die junge Frau ihr, nachdem sie Nat die Kreditkarte zurückgegeben hatte.

„Vielleicht etwas mit Aromatherapie“, sagte Brooklyn.

Ihre Lässigkeit überzeugte mich nicht hundertprozentig, aber bei dem Gedanken an wohltuende heiße Steine, die langsam in meinen eingeölten Rücken gedrückt wurden, beschloss ich, dass alles andere warten konnte.

Nach der Massage, geduscht und umgezogen, entdeckte ich Sophie an der Bar in der Lounge. Im Hintergrund spielte ein Jazz-Trio, auf den kleinen Glastischen flackerten Kerzen. Die Sessel waren mit weißem Leder bezogen, und hinter der Bar zierte ein großes Glasmosaik die Wand.

Ich trug High Heels zu meinem silberfarbenen Cocktailkleid. Es tat gut, sich auf den Barhocker neben Sophie zu setzen und die Füße auszuruhen.

„Was trinkst du?“, fragte ich sie.

„Wodka Martini.“

Der Barkeeper näherte sich – auch so ein optischer Leckerbissen. „Darf ich Ihnen etwas bringen?“

Er lächelte freundlich und flirtete eindeutig mit mir. Er war attraktiv, vielleicht so um die dreißig und hatte intelligent dreinblickende graue Augen.

Natürlich hatte ich nichts gegen Barkeeper, schon gar nicht, wenn man sie bei ihrer Arbeit kennenlernte. Sie flirteten mit allen – so wie die jungen Männer am Eingang. Jede Arbeitsschicht war nur so erfolgreich wie die Höhe der Trinkgelder.

„Das Gleiche bitte.“ Ich deutete auf Sophies Glas.

Ich lächelte ihn an, hielt den Augenkontakt aber bewusst kurz, weil ich keine Lust hatte, mich den ganzen Abend über mit ihm zu unterhalten. Schließlich war ich mit meinen Freundinnen hier.

Auf der anderen Seite der Lounge entdeckte ich ein ausgesprochen attraktives Profil, das mich prompt ablenkte.

Der Mann war eindeutig weder ein Barkeeper noch sonst ein Mitarbeiter des Hotels. Und definitiv kein Lehrer, das war auch klar.

Sein perfekt geschnittener Anzug ließ einen perfekt gebauten Körper erahnen. Seine Frisur schien gewollt zerzaust – es war der Look, für den man ein Vermögen bezahlte: Er wirkte so, als wäre der Mann gerade erst aufgestanden und noch nicht dazu gekommen, sein Haar in Ordnung zu bringen.

Auch wenn der Look mich amüsierte, gefiel er mir.

Der Mann drehte den Kopf, und ich sah ihn von vorn. Mit seinem markanten Kinn und den leuchtend blauen Augen hätte er jedes Cover einer Modezeitschrift zieren können.

Er ertappte mich dabei, wie ich ihn anstarrte, lächelte aber nicht. Ich spürte, wie ich rot wurde.

Dann war der Moment vorüber. Der Mann wandte sich ab und ging davon, als hätte es unseren Blickkontakt nie gegeben. Und vielleicht hatte er ja auch tatsächlich keinerlei Bedeutung. Vielleicht hatte der Typ mich überhaupt nicht angeschaut. Vielleicht lag es einfach an mir – in letzter Zeit brachte der Anblick eines attraktiven Mannes mich schnell durcheinander.

Im vergangenen Monat hatte ich einen Artikel gelesen, in dem es hieß, siebenundsechzig Prozent aller Frauen träfen ihren Ehemann, bevor sie das College abgeschlossen hatten. Also gehörte ich zum verbleibenden Bodensatz der übrigen dreiunddreißig Prozent.

Wenn man dann noch die einundzwanzig Prozent Frauen bedachte, die überhaupt nicht heirateten, waren meine Aussichten wirklich nicht rosig. Mir blieb gerade noch eine zwölfprozentige Chance, den Mann fürs Leben zu finden!

An die fünfzigprozentige Scheidungsrate durfte ich gar nicht erst denken, das war zu entmutigend.

„Erde an Layla!“ Sophie riss mich aus meinen düsteren Gedanken.

Dies sollte ein Mädels-Wochenende werden – kein Anlass, Trübsal zu blasen.

„Ist Brooklyn schon nach unten gekommen?“, wollte ich wissen und zwang mich, mich ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.

Brooklyn und ich teilten uns ein Zimmer. Sophie und Nat hatten ihr Zimmer eine Etage über uns. Wir hatten den legendären Ausblick auf die Brücke, während ihr Fenster auf das gegenüberliegende Gebäude ging. Zwar hatten wir angeboten, die Zimmer zu tauschen, aber der Ausblick schien im Moment niemandem wichtig zu sein.

Beide Zimmer verfügten über riesige Wannen, luxuriöse Duschen und Betten, in denen man wie auf Wolken zu schweben schien. Das war alles, was zählte.

„Ich habe sie noch nicht gesehen“, erklärte Sophie.

Suchend sah ich mich um, konnte sie aber auch nicht entdecken. „Ich habe acht Kissen auf meinem Bett.“

„Hast du sie gezählt?“

„Jedes einzelne.“

„Und? Hast du auch gleich die Wurzel gezogen?“ Sie lachte.

„Wenn ich noch das goldene Kissen des Sessels dazuzähle, ist die Quadratwurzel drei. Ich habe erwogen, noch die Formel anzuwenden …“

„Layla!“ Das war Brooklyns fröhliche Stimme, und ich spürte, wie meine zukünftige Schwägerin den Arm um meine Schultern legte. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr aus der Dusche.“

„Sie ist wirklich traumhaft.“ Das heiße Wasser, das einem endlos über den Körper rann, hatte etwas Sinnliches. Man fühlte sich rundum verwöhnt.

„Was trinkt ihr?“ Brooklyns Munterkeit wirkte etwas aufgesetzt.

„Wodka Martini“, erklärte Sophie. „Und du?“

„Ich habe mir in der Lobby einen Sunburst Bramble gegönnt, würde ihn aber nicht empfehlen.“

Sie trug ein kurzes, mauvefarbenes Kleid mit einem weiten Rock, der ihre Beine umspielte. Ihre High Heels waren silbrig-violett marmoriert. Wie immer wirkte sie topmodisch und gestylt.

Wie aus dem Nichts erschien der Barkeeper wieder. „Der Sunburst Bramble hat Ihnen nicht geschmeckt?“ Offensichtlich hatte er Brooklyns Bemerkung gehört. „Möchten Sie stattdessen etwas anderes?“

„Das ist ja wirklich ein nettes Angebot.“ Brooklyn nahm auf einem Hocker Platz.

Sofort schob der Barkeeper ihr eine schmale, in Leder gebundene Karte zu.

„Wie wär’s, wenn Sie was aussuchen?“ Sie schob die Karte ungeöffnet zurück und warf dabei ihr langes blondes Haar über die Schultern. „Etwas Süßeres vielleicht. Mit Erdbeeren oder etwas Irish Mist?“

Im Geiste verdrehte ich die Augen. Das war die Brooklyn, die uns den ganzen Sommer lang mit kostenlosen Milchshakes versorgt hatte. Aber die Brooklyn von damals war noch keine Braut gewesen, die bald vor den Altar treten sollte.

„Wie viele Drinks hast du schon gehabt?“, erkundigte ich mich vorsichtig. Hatte sie sich vielleicht die Zeit an der Bar vertrieben, während ich unter der Dusche gestanden hatte?

„Nur den einen. Aber ich gönne mir jetzt noch einen zweiten.“

Ich nahm mir vor, mir keine Sorgen mehr zu machen. Sie war in guter Stimmung, und das war gut so. Dies war schließlich ihr Wochenende. Ich wusste selbst nicht, wieso ich überall Probleme witterte.

Der Barkeeper brachte mir meinen Drink.

„Ich verschwinde mal kurz auf die Toilette“, sagte Brooklyn. „Wenn mein Drink kommt, lasst ihn für mich stehen.“

„Machen wir“, versicherte ich und sah ihr nach.

Ich beobachtete wenigstens drei Männer, deren Blicke Brooklyn durch die Lobby folgten. So war es immer bei ihr. Vermutlich bemerkte sie es nicht einmal mehr.

„Ich glaube, Nat hätte wirklich Lust darauf, sich ein paar Stripper anzusehen“, meinte Sophie.

„Das kann nicht sein!“, entfuhr es mir spontan.

Nat war von uns vieren die Prüdeste. Sie war wie James, nur als weibliche Ausgabe. In jeder Hinsicht eine Bibliothekarin.

„Ich glaube, sie wird uns bald ihr wahres Ich enthüllen.“

„Das wäre ja interessant.“

Nats Langzeitfreund hatte sich vor einigen Monaten von ihr getrennt, und ich wusste, dass sie seither keine Dates gehabt hatte. Die Trennung von Henry hatte ihrem Selbstbewusstsein einen ziemlichen Schlag versetzt.

Gut, Nat trug eine Brille. Aber es war eine süße Brille, genau wie die Sommersprossen auf ihren Wangen absolut süß waren. Ihr braunes Haar war vielleicht nicht sonderlich spektakulär, und sie war nicht so glamourös wie Brooklyn, aber sie hatte ein hübsches Lächeln, das ihre hellblauen Augen zum Strahlen brachte.

„Sie macht sich gerade an einen Mann heran.“ Mit einer Kopfbewegung deutete Sophie zu einem Tisch hinüber.

Ich folgte ihrem Blick.

Tatsächlich. Nat saß an einem Ecktisch und sprach mit einem Mann mit einer gut geschnittenen Anzugjacke und einem am Hals offen stehenden weißen Hemd. Er wirkte attraktiv, für meinen Geschmack allerdings nicht männlich genug. Aber ich war ja auch nicht Nat.

Plötzlich ertönte über uns ein Knall.

Ich duckte mich instinktiv, während mein Adrenalinspiegel in die Höhe schoss.

Mit einem Schlag wurde es dunkel. Einige unterdrückte Aufschreie waren zu hören.

Alle Gespräche waren verstummt.

„Wow!“ Vergeblich versuchte ich, irgendetwas zu erkennen.

„Was war das?“, fragte Sophie in die Dunkelheit hinein.

„Irgendwas ist kaputtgegangen.“

„Anzunehmen.“

Mittlerweile hatten sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Ich sah die kleinen brennenden Kerzen auf den Tischen. Sie ließen einige Gesichter erkennen, die ihnen nah genug waren. In der Bucht sah man die Lichter der Schiffe und der Segelboote.

„Nur ein kleiner Stromausfall“, ertönte die muntere Stimme des Barkeepers. „Das kommt hin und wieder vor. Bleiben Sie sitzen, und genießen Sie die Stimmung. Ich bin sicher, das Licht geht bald wieder an.“

„Wenigstens müssen wir nicht auf unsere Drinks warten.“ Sophie nippte an ihrem Glas.

„Ich weiß nicht, ob Brooklyn uns so wiederfindet.“ Ich sah mich um, konnte aber außerhalb des schwachen Scheins der Kerzen nichts erkennen.

„Da bin ich!“ Nat kam zu uns und setzte sich auf den Hocker neben Sophie.

„Was ist mit dem Mann, mit dem du dich gerade unterhalten hast?“, erkundigte sich Sophie.

„Als das Licht ausging, hat er aufgeschrien wie ein kleines Mädchen.“

„Sehr enttäuschend“, befand ich.

Manchmal fragte ich mich, ob es überhaupt noch richtige Männer gab. Ich hatte eine Liste von Eigenschaften, die dazugehörten. Ich meine, keine lange Liste. Meist ging es um Integrität und Temperament. Zu schreien wie ein kleines Mädchen gehörte eindeutig nicht dazu.

„Also kein Typ, der dich vor einem Bären retten würde.“ Auch Sophie klang enttäuscht.

„Wer muss schon vor einem Bären gerettet werden?“ Nat klang amüsiert.

„Vielleicht beim Campen“, sagte Sophie.

„Du und campen?“ Nat klang fassungslos.

Sophie war die Managerin eines Fünf-Sterne-Restaurants und wohnte in einem Hochhaus im Stadtzentrum. Sie war definitiv nicht der Typ für ein Leben in der freien Natur.

„Ich nicht, aber du vielleicht“, erwiderte Sophie.

Nat verbrachte einige Zeit an der frischen Luft – zumindest auf ihrem Dachgarten.

„Dann wäre es eindeutig nicht der Richtige für mich.“ Nat warf einen vorsichtigen Blick über ihre Schulter.

In dem Moment wurde mir klar, dass ich mich nach nur fünf Minuten gefragt hatte, ob der Mann nicht vielleicht der Richtige für Nat sein könnte. Es wäre doch eine richtig romantische Geschichte gewesen – bei einem Mädels-Wochenende vor Brooklyns Hochzeit lernte Nat in San Francisco die Liebe ihres Lebens kennen.

Wir waren alle noch solo. Also, außer Brooklyn. Sophie, Nat und ich hatten bisher kein großes Glück mit Männern gehabt.

Gute Männer waren schwer zu finden. Ich konnte noch alle Macken meiner Dates der vergangenen sechs Monate aufzählen: zu laut, zu nerdig, zu intellektuell, zu launisch.

Mir war sehr wohl klar, was ich mit dieser Liste machte. Wenn ich mich auf die Männer konzentrierte, musste ich nicht über die Möglichkeit nachdenken, dass es vielleicht an mir lag – obwohl ich natürlich in meinem tiefsten Inneren wusste, dass es so war.

„Wo ist Brooklyn?“, erkundigte sich Nat.

„Auf der Toilette“, klärte ich sie auf.

Suchend ließ Sophie den Blick durch den Raum schweifen. „Sie sollte längst zurück sein. Ich hoffe, sie ist nicht in irgendeinem Fahrstuhl stecken geblieben.“

„Ich gehe sie mal suchen.“ Langsam ließ ich mich vom Hocker gleiten.

„Dann gehst du uns auch noch verloren“, warf Nat ein. „Oder du stolperst über irgendetwas und brichst dir das Fußgelenk.“

Meine Stilettos sahen schick aus, waren aber tatsächlich nicht das sicherste Schuhwerk. Nat hatte nicht ganz unrecht.

Also zog ich mein Smartphone aus der Tasche und schickte Brooklyn eine Nachricht. Dann setzte ich mich wieder und nippte an meinem Drink.

Wir starrten alle wie gebannt auf das Display meines Telefons, aber Brooklyn meldete sich nicht.

„Also steckt sie doch in einem Fahrstuhl fest“, schloss Nat daraus.

„Oder liegt im Krankenwagen.“ Sophie hatte gleich die schlimmsten Befürchtungen. „Ich wette, sie wollte im Dunkeln schnell zu uns zurück und hat sich dabei verletzt.“

„Das sagt man nicht mal im Scherz“, bemerkte ich. „Vergiss nicht: Es sind fünfhundert Leute zu ihrer Hochzeit eingeladen.“

„Und der Gang zum Altar von St. Fidelis ist lang“, bemerkte Nat. „Was, wenn sie sich ein Bein gebrochen hat?“

„Das wollen wir doch nicht hoffen!“ Ich seufzte.

Brooklyn mit einem gebrochenen Bein – das wäre die absolute Katastrophe.

Es dauerte eine halbe Stunde, bis das Licht wieder anging. Alle Gespräche verstummten für einen Moment, dann brandete Applaus auf.

Der Barkeeper machte sich wieder an die Arbeit, und die Serviererinnen suchten die Tische auf, um nach den Wünschen der Gäste zu fragen. Brooklyn war immer noch nicht von der Toilette zurückgekehrt. Ich sah zur Lobby hinüber, in der Hoffnung, sie dort zu erspähen.

„Da ist sie ja“, sagte Sophie neben mir.

„Wo?“ Ich war enttäuscht, dass ich sie nicht auch entdeckt hatte.

„In der Lobby, links. Sie spricht mit einem Mann.“

Ich beugte mich vor, konnte sie aber immer noch nicht entdecken.

„Ein scharfer Typ!“ Sophie war mit ihrem Urteil rasch bei der Hand.

Ich ließ mich vom Hocker gleiten, um mehr von der Lobby sehen zu können.

„Wow!“, sagten Sophie und Nat wie aus einem Munde.

„Was?“

Ich sah eine breite Hand auf Brooklyns Schulter. Spürte die Berührung fast schon selbst. Der Rest des Mannes blieb mir durch eine Mauer verborgen.

Sie lächelte, und die Hand verschwand.

Ich beugte mich weit vor, aber wer auch immer es war – er war zu schnell für mich.

„Das kann doch wohl nicht wahr sein!“, empörte sich Sophie. „Wir drei sind solo, und sie findet im Dunkeln einen solchen Schatz?“

„Das Schicksal ist grausam“, befand auch Nat.

„Wie sah er denn aus?“, wollte ich wissen.

„Rattenscharf!“ Sophie seufzte hingerissen.

„Groß“, warf Nat ein.

„Groß und rattenscharf.“ Sophie nickte.

„Danke für diese detaillierte Beschreibung.“

Brooklyn kam zu uns.

„Wer war das denn?“, fragte Nat sofort.

„Kann ich ihn kennenlernen?“ Das kam von Sophie.

„Du hast keine Vorrechte an ihm“, wies Nat sie zurecht.

„Das wollen wir doch mal sehen …“

Als sie das Geplänkel hörte, schüttelte Brooklyn lächelnd den Kopf. Ihre Wangen waren gerötet, und ihre Augen glänzten.

„Was ist passiert?“, wollte ich wissen.

„Weißt du, wie er heißt?“, fragte Sophie unverblümt.

Erneut schüttelte Brooklyn den Kopf. „Damit kann ich nicht dienen.“

„Er hatte seine Hand auf deiner Schulter“, warf ich ein.

Aus meiner Perspektive hatte die Geste etwas Intimes an sich gehabt. Der Gedanke an diese kräftige gebräunte Hand auf Brooklyns Schulter ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen.

Ich versuchte mir vorzustellen, was James dazu sagen würde, dass jemand Brooklyn derart berührte. Es würde ihm nicht gefallen, da war ich mir ziemlich sicher.

„Er hat sich nur verabschiedet“, erklärte Brooklyn.

„Was ist los mit dir?“, fragte mich Sophie.

„Wer legt denn einer fremden Frau einfach die Hand auf die Schulter?“, konterte ich.

„Wer nicht?“, lautete Sophies lakonische Antwort.

„Es ist ja nicht so, als hätte er mich geküsst“, warf Brooklyn ein.

Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich durch diese Bemerkung nicht besser.

„Er könnte mich küssen.“ Sophie seufzte schwärmerisch.

Plötzlich kam mir der Gedanke, dass Brooklyn den Mann vielleicht schon kannte. Das würde die Berührung erklären.

Aber falls das so war, wieso sagte sie es nicht einfach? War der Mann ein alter Bekannter? Ein Ex? Aber nein, sie hatte keinen Ex, von dem ich nichts wusste.

„Wir kommen zu spät zu unserem Abendessen!“, warf Nat ein.

„Ist mein Drink je gekommen?“, wollte Brooklyn wissen.

„Nein, ich glaube, deine Bestellung ist in der ganzen Aufregung untergegangen“, meinte Sophie.

Wie aufs Stichwort erschien in diesem Moment der Barkeeper. „Ich glaube, der wird Ihnen gefallen. Ich nenne ihn Eisige Welle .“

Der Drink kam in einem hohen Glas. Er war bläulich grün, garniert mit einer Erdbeere.

„Danke.“ Brooklyn lächelte den Barkeeper an.

Er wartete, während sie an dem Drink nippte.

Ich wurde ungeduldig, weil ich sie unbedingt etwas fragen musste.

„Wow, der ist gut.“ Sie nickte.

Der Barkeeper strahlte.

Ehe ich etwas sagen konnte, kam der Mann mit dem zerzausten Haar zurück in die Lounge. Scharf atmete ich ein.

Er schien es zu hören – oder aber er spürte einfach, wie ich ihn anstarrte. Unsere Blicke trafen sich, daran gab es diesmal keinen Zweifel.

Seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. Ich wusste nicht, ob er mir einfach zulächelte oder sich über mich amüsierte. Es konnte sehr wohl sein, dass mein Verlangen auch auf diese Entfernung hin spürbar war.

Nein, kein Verlangen . Das klang zu abgeschmackt.

Es war Interesse, nicht mehr und nicht weniger. Und was sollte falsch daran sein, sich für einen attraktiven Mann zu interessieren?

„Wir haben eine Reservierung im Moonside Room“, sagte Nat und unterbrach damit meinen Gedankengang.

Ich zwang mich, den Blick von dem Mann abzuwenden.

Es erfüllte mich mit absurdem Stolz, dass diesmal ich es war, die den Blickkontakt als Erste unterbrach. Ich lächelte zufrieden. Nur mit Mühe konnte ich mich davon abhalten, noch einmal hinüberzublicken, um zu sehen, wie der Mann darauf reagierte.

„Ich kann Ihnen den Drink ins Restaurant bringen lassen“, bot der Barkeeper Brooklyn an.

Für meinen Drink galt das offensichtlich nicht, auch nicht für Sophies. Aber das war nun einmal der Lauf der Welt.

„Vielen Dank.“ Brooklyn schenkte ihm ein freundliches Lächeln.

„Keine Ursache.“

Ich wusste, dass der Barkeeper dachte, er hätte eine Chance bei ihr – obwohl Brooklyn einen dicken Ring an der linken Hand trug. Das war typisch Brooklyn. Sie musste nichts tun, um Männer anzulocken.

Sophie war hübsch, Nat das typische Mädchen von nebenan. Keine von uns konnte Brooklyn das Wasser reichen. Die Männer überschlugen sich förmlich für sie, sobald sie einen Raum betrat. Mit ihr zusammen bekamen wir immer den besten Tisch und den besten Service.

Meist genoss ich es einfach, ohne deswegen eifersüchtig auf Brooklyn zu sein.

„Durch die Lobby?“, fragte sie den Barkeeper.

„Sie gehen direkt geradeaus zum goldenen Fahrstuhl. Er bringt Sie auf die achtundfünfzigste Etage. Mandy kann Ihnen den Weg zeigen.“ Er winkte eine der Serviererinnen herbei.

„Nur für den Fall, dass wir die Schilder nicht lesen können“, flüsterte Nat mir zu.

„Nur für den Fall, dass er den Diamantring missverstanden hat“, flüsterte ich zurück.

„Männer haben einfach kein Gewissen.“

„James kann von Glück reden, dass Brooklyn eins hat.“

Meine beste Freundin war das einzige Kind zweier immer beschäftigter Eltern. Sie hatte unzählige Wochenenden und Ferien bei meiner Familie verbracht. Solange wir denken konnten, hatte sie für James geschwärmt. Schließlich hatte er sie zum Abschlussball eingeladen, und seither war die Sache klar.

Ihre Beziehung erschien allen einfach nur perfekt, auch mir. Seit Monaten testete ich den Begriff Schwägerin nun schon im Stillen. Ich konnte es gar nicht erwarten, dass es endlich so weit war.

Während wir zum Fahrstuhl gingen, hielt ich verstohlen Ausschau nach dem „Zerzausten“.

Er war nicht in der Bar und auch nicht in der Lobby.

Na ja, wie auch immer. Blieb die Hoffnung auf den nächsten Tag.

Sauna und Spa waren nicht nach Geschlechtern getrennt. Vielleicht war er ein Spa-Typ …

Möglicherweise sollte ich auch einen Blick in den Fitnessraum werfen. Er machte den Eindruck, als ob er mit Hanteln umzugehen wüsste. Auch am Rudergerät konnte ich ihn mir lebhaft vorstellen.

2. KAPITEL

Ich bin auch zu besten Zeiten kein Morgenmensch.

Außerdem war es doppelt schwer, in einem Bett aufzuwachen, das weich wie eine Wolke war. Verzweifelt versuchte ich, den letzten Rest meines Traums festzuhalten. Er drehte sich um einen blauäugigen Mann auf einem Surfbrett vor dem Strand einer tropischen Insel. Ein Hund tobte im Sand herum, während sich die Palmwedel vor der Hütte in einer milden Brise wiegten.

Ich hatte mich in der Hütte sicher und geborgen gefühlt, konnte mich aber nicht erinnern, wieso. Vergeblich versuchte ich mich an die Details zu erinnern.

Es war Morgen.

Langsam öffnete ich die Augen und sah, dass das Licht im Badezimmer brannte. Die Tür war angelehnt.

Ich lauschte, während ich darauf hoffte, dass Brooklyn bald fertig war, damit ich hineingehen konnte.

Mein Blick fiel auf die Uhr. Es war fast neun.

Ich hatte lange geschlafen.

Und ich hatte Hunger.

Während ich auf Brooklyn wartete, spielte ich mit dem Gedanken, mir Eier Benedict zum Frühstück zu gönnen. Das war mein absolutes Leibgericht. Die Sauce hollandaise bedeutete natürlich zusätzliche Sit-ups und vielleicht ein paar weitere Bahnen im Pool.

Mein Brautjungfernkleid passte wie angegossen, das durfte ich nicht gefährden, indem ich mich an diesem Wochenende zu sehr verwöhnte. Zu einem maßgeschneiderten Kleid gehörte nun einmal ein flacher Bauch.

Andererseits – was konnte eine einzige Portion Eier Benedict schon schaden?

„Brooklyn?“, rief ich. „Bist du bald fertig?“

Keine Antwort.

Ich ließ mich aus dem Bett gleiten. Am vergangenen Abend waren wir zusammen aufs Zimmer gegangen. Während des Essens war sie abwechselnd sehr munter und dann wieder in sich gekehrt und nachdenklich gewesen. Sie war die erste meiner Freundinnen, die heiratete. Daher wusste ich nicht, ob ein solches Verhalten normal war. Irgendwie erschien es mir merkwürdig.

Ich hatte vorgehabt, mit ihr zu reden, sobald wir allein waren. Bei einem Gespräch im Bett kam man meist sehr schnell zum Kern einer Sache.

Doch es war nicht dazu gekommen, weil ich sofort einschlief, während sie noch im Bad war.

Jetzt fand ich es leer vor.

Ich war gleichermaßen überrascht wie erleichtert. Ich musste nicht mehr länger warten, aber ich fragte mich doch, wieso sie mich nicht zum Frühstück geweckt hatte.

Blieb nur zu hoffen, dass nicht schon alle ohne mich gegessen hatten. Ich würde mir die Eier Benedict umso lieber gönnen, wenn andere das Vergnügen teilten.

Rasch zog ich mich an, verzichtete auf Make-up und band mein Haar zu einem Pferdeschwanz. Mit Jeans, einer blauen Bluse und meinen Ankleboots fühlte ich mich gerüstet und machte mich auf den Weg zum Sunriser-Frühstücksraum.

Dort fand ich Sophie und Nat vor. Wie ich hatten sie beschlossen, sich so richtig zu verwöhnen. Ihre Wahl war dabei auf belgische Waffeln und einen Becher heißer Schokolade gefallen.

„Wo ist Brooklyn?“, fragte ich, als ich mich zu ihnen an den Tisch setzte.

Die großen Panoramafenster boten einen grandiosen Ausblick auf die Bucht. Das Sonnenlicht ließ die Gläser und das Silber auf den blauen Tischtüchern blitzen.

„Wir dachten, sie wäre bei dir“, erwiderte Sophie verblüfft.

„Sie war nicht da, als ich aufgewacht bin.“

Die Serviererin bot mir einen Kaffee an, und ich nickte dankbar.

„Hast du im Spa nachgesehen?“, fragte Nat.

„Nein. Ist es dazu nicht zu früh?“

„Ich nehme an, sie macht ein Work-out“, vermutete Nat. „Ihr Hochzeitskleid lässt keinen Spielraum für falsche Entscheidungen.“

Sollte ich mir wirklich die Eier Benedict gönnen? Mich beschlichen Zweifel.

Nat stach die Gabel in ihre Waffel und setzte eine köstliche Duftwolke frei.

„Möchten Sie bestellen?“, fragte die Serviererin mich.

„Eier Benedict“, antwortete ich, bevor mein Verstand ein anständiges Gegenargument vorbringen konnte.

Sobald die Worte heraus waren, war ich glücklich mit der Entscheidung. Ich konnte später ein Work-out machen. Das war es allemal wert.

„Die Frau hat Willensstärke“, sagte Sophie über Brooklyn.

Lächelnd nickte ich, während ich an meinem gesüßten Kaffee nippte. Sie hatte recht. Jedes Mal, wenn wir uns am Lake Washington Beach einen Milchshake gönnten, bestand Brooklyn anschließend darauf, bis zur Insel und zurück zu schwimmen. Während der Sommerferien habe ich dadurch nie ein Gramm zugenommen. Bis heute ist Schwimmen für mich die beste Methode, um in Form zu bleiben.

Dafür sollte ich Brooklyn dankbar sein.

In Zukunft würde ich viel Gelegenheit haben, es ihr zu sagen.

Sie und James suchten nach einem Haus in Wallingford. Das war ganz in der Nähe meines Apartments in Fremont. Nach der Hochzeit konnten wir uns also noch häufiger sehen als jetzt.

Während ich auf mein Frühstück wartete, schickte ich ihr eine Nachricht.

„Zumindest können wir diesmal sicher sein, dass sie nicht in einem Fahrstuhl stecken geblieben ist“, bemerkte Nat.

„Wollen wir heute Morgen shoppen gehen?“ Fragend sah Sophie uns an.

„Brauchst du was?“ Ich warf einen Blick auf mein Handy, aber es kam keine Reaktion von Brooklyn.

„Irgendwas zum Anziehen“, überlegte Sophie. „Vielleicht auch ein paar Kissen. Außerdem könnte ich ein paar Regale für die Ecke neben der Terrassentür gebrauchen. Ich habe im letzten Monat zwei kleine Glasskulpturen gekauft und keine Stellfläche dafür.“

„Ich brauche nichts“, erklärte Nat kategorisch.

„Da möchte ich doch widersprechen“, meldete sich Sophie zu Wort. „Deine Wohnung müsste mal komplett umgemodelt werden.“

„Es ist praktisch, so wie es ist.“

„Es ist eine Schande!“, protestierte Sophie. „Der Grundriss ist so schön, aber du hast absolut nichts daraus gemacht.“

„Ich habe ein paar Bilder aufgehängt.“

„Bilder, die ich dir gegeben habe. An Haken, die noch vom Vormieter stammten. Das passt alles vorn und hinten nicht.“ Sophie wandte sich an mich. „Wir sollten ein paar Einkäufe für Nats Apartment machen.“

„Lass uns warten, was Brooklyn dazu sagt.“ Ich dachte, dass sie an diesem Wochenende im Mittelpunkt stehen sollte. Dazu wäre es allerdings nötig, dass sie endlich auftauchte.

Meine Eier Benedict wurden gebracht. Mir lief das Wasser im Munde zusammen.

„Brooklyn macht garantiert mit. Sie geht gern shoppen“, sagte Sophie.

Ich schob mir den ersten Bissen in den Mund. Es war zum Dahinschmelzen!

Mir war es einerlei, ob wir shoppen gingen, uns die Sehenswürdigkeiten der Stadt ansahen oder am Pool lagen. Ich würde mir sogar noch eine weitere Massage gönnen.

„In dem Fall könnten wir doch für Brooklyn shoppen“, sagte Nat. „Ich will mir nicht das Apartment mit allen möglichen Staubfängern vollstellen.“

„So was nennt man auch Kunst.“ Sophie griff nach ihrem Smartphone. „Falls die Braut sagt, wir dekorieren dein Apartment neu, dann tun wir das.“

„So geht das nicht!“, protestierte Nat.

„Doch, ganz genau so geht das.“ Sophie blieb erbarmungslos und hielt sich das Smartphone ans Ohr.

„Ich baue auf dich.“ Beschwörend sah Nat mich an. „Versuch doch, sie zur Vernunft zu bringen.“

„Ich glaube nicht, dass dein Apartment auf Brooklyns Liste ganz oben steht“, sagte ich ehrlich.

Ich tippte eher auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt.

„Sie meldet sich nicht“, meinte Sophie stirnrunzelnd.

Vielleicht hieß das, dass Brooklyn gerade nach dem Work-out duschte. Sie sollte wirklich sehen, dass sie hierherkam und diese Eier probierte!

„Was ist das denn?“ Sophie klang überrascht.

Ich sah auf.

Aufgeregt hielt sie mir ihr Smartphone unter die Nase. Die Friend-Finding-App war geöffnet. Ich kniff die Augen zusammen, konnte aber nichts erkennen.

Verblüfft fragte Sophie: „Was macht Brooklyn am Flughafen?“

Mein erster Gedanke war, dass Brooklyn gekidnappt worden war.

Es war das Einzige, was Sinn ergab.

Sie hatte keinerlei Grund, das Hotel freiwillig zu verlassen. Wir hatten einen Termin im Spa, und auf der Speisekarte standen belgische Waffeln und heiße Schokolade. Was konnte eine Frau mehr verlangen?

Ich wollte sofort die Polizei einschalten, aber Nat überzeugte mich, dass sie mehr Indizien brauchten, um eine Vermisstenmeldung aufzunehmen. Brooklyn war erwachsen, und nach den Standards der Polizei war sie noch nicht sehr lange fort.

Nat hatte recht.

Ich war zu emotional. Das sah mir eigentlich gar nicht ähnlich.

Also taten wir das einzig Vernünftige: Wir sahen uns in unserem Hotelzimmer um und stellten fest, dass Brooklyns Koffer nicht mehr da war.

Das machte mir Mut. Es bewies, dass sie freiwillig gegangen war. Natürlich rätselten wir über ihre Beweggründe. Wahrscheinlich hatte es einen medizinischen Notfall gegeben. Vielleicht in der Familie. Möglicherweise bei ihrer Mom oder ihrem Dad.

Wäre etwas mit James gewesen, hätten sie mich garantiert auch informiert. Merkwürdig an dem Ganzen war nur, dass sie mich nicht geweckt hatte. Ich hätte sie doch begleitet!

Während ich noch darüber nachgrübelte, fand ich ihre Nachricht.

Ich wollte schon Sophie und Nat herbeirufen, aber dann las ich doch zuerst die Nachricht, und mir wurde schwer ums Herz.

Ich sagte kein Wort und ließ den Zettel rasch in der Hosentasche verschwinden.

„Sie ist offline.“ Sophie hielt ihr Smartphone hoch, damit alle es sehen konnten. Brooklyns Icon war verschwunden.

„Ob sie eine Maschine nach Seattle genommen hat?“, überlegte Nat laut.

„Möglich“, sagte ich vage.

„Sollten wir ihr folgen?“ Fragend sah Sophie in die Runde.

Das sollten wir. Das würden wir. Zumindest ich würde es tun.

Ohne die anderen. Ich wusste nicht viel, aber eins war klar: Brooklyn war nicht zurück nach Seattle geflogen.

„Wir sind nicht sicher, wo sie jetzt ist“, gab ich zu bedenken. „Wir sollten nichts überstürzen.“

Nach einer Weile gelang es mir, Sophie und Nat davon zu überzeugen, dass es am sinnvollsten war, wenn sie im Hotel blieben. Ich versprach, Brooklyn zu finden und sie für den Rest des Wochenendes zurück nach San Francisco zu bringen.

Auf dem Weg zum Flughafen brannte mir Brooklyns Notiz förmlich in der Tasche.

Layla,

du kannst dir nicht vorstellen, wie leid mir alles tut. Ich habe mich so sehr bemüht, aber ich kann James nicht heiraten. Ich habe meinen Seelenverwandten getroffen. Bitte, verzeih mir.

Ihren Seelenverwandten ? Was sollte das heißen?

James war ihr Seelenverwandter. Er war die große Liebe ihres Lebens. Sie waren fantastisch zusammen.

Ich setzte mich auf einen der harten Stühle in der Abflughalle und überlegte, während ich das Display mit den Flügen studierte. Welche Entfernung konnte Brooklyn bisher zurückgelegt haben? Drei Städte kamen in die engere Wahl: Sacramento, Reno, Los Angeles.

Im Geiste ging ich durch, was ich zu ihr sagen wollte. Irgendwie musste ich sie zur Vernunft bringen.

Vermutlich handelte es sich nur um eine vorübergehende Verwirrtheit. Um Panik – wegen der Aussicht auf eine Hochzeitsfeier mit fünfhundert Gästen. Wegen ihrer Mutter, die jedes Detail der Kleider, der Blumen und des Essens plante. Vielleicht lag es auch daran, dass James sofort Kinder wollte.

Ich wusste, dass Brooklyn damit noch ein paar Jahre warten wollte. Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, dass das der Anlass für ein echtes Zerwürfnis zwischen den beiden sein konnte. Aber was wusste ich schon?

Ich musste es herausfinden, so viel war klar.

Ich erwog, James anzurufen, aber ich konnte ihn wohl schlecht aus heiterem Himmel fragen, wie er sich seine Familienplanung vorstellte. Außerdem würde er mit Brooklyn sprechen wollen. Dann musste ich sagen, dass sie nicht bei mir war.

Er würde versuchen, sie anzurufen. Dabei konnte nichts Gutes herauskommen, das war sicher.

Plötzlich erschien das Symbol für Brooklyns Smartphone auf meinem Display.

Mein Herz machte einen Satz. Ich hatte sie gefunden!

Sie war in Las Vegas.

Ich eilte zu den Check-in-Schaltern hinüber und sah dabei nach, welche Airline Las Vegas als nächste anflog.

Ein paar Suchaktionen auf meinem Smartphone später und nach einem Flug und einer Taxifahrt betrat ich die Lobby des Canterbury Sands Hotels.

Hier musste sie irgendwo sein. Da ich nicht zur NSA oder zum CIA gehörte, war meine App nicht sehr genau, aber Brooklyn war eindeutig hier in der Nähe.

Ich sah mich um. Die Lobby des Hotels war der pure Luxus: Marmorsäulen, geschnitzte Holzarbeiten, Palmen, diskrete Beleuchtung und Ledersessel in Ecken und Nischen.

Da ich Brooklyn nirgends entdecken konnte – das wäre wohl auch zu einfach gewesen –, setzte ich an der Rezeption an. Brooklyn war nicht als Gast registriert. Vielleicht war sie registriert, aber die Angestellten waren zu professionell, um persönliche Informationen über ihre Gäste herauszugeben.

Ich versuchte zu erklären, dass ich Brooklyns Trauzeugin sei und wir die Hochzeit vorbereiteten. Aber die junge Frau an der Rezeption ließ sich davon nicht beeindrucken.

Ich ging davon aus, dass eine Hochzeit in Vegas kaum etwas Ungewöhnliches war. Auf der Fahrt hierher hatte ich eine Braut in einer Limousine gesehen, und im Moment posierte gerade eine andere im Garten des Hotels für die Fotografen.

Diese Braut sah wunderschön aus, und der Bräutigam wirkte so glücklich wie sie. Ich liebte Hochzeiten. Wer tat das nicht?

Als die fröhliche Gesellschaft weiterzog und von Brooklyn immer noch nichts zu sehen war, suchte ich mir einen freien Tisch in der Lounge neben der Lobby. Ich würde warten. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass sie irgendwann an diesem zentralen Punkt vorbeikam.

Noch einmal hatte ich versucht, sie anzurufen, aber sie hatte nicht reagiert. Sie sollte nicht wissen, dass ich in Vegas war. Es war unwahrscheinlich, dass sie vor mir die Flucht ergriff, aber ich wollte kein Risiko eingehen.

Es schien mir am besten, ihr direkt gegenüberzutreten. Ich wollte ihre Miene sehen, wenn ich die Frage stellte, die mir auf der Seele brannte: Was, um alles in der Welt, war in sie gefahren?

Es war heiß, und ich hatte Durst. Also bestellte ich mir eine Cola für fünf Dollar. Hunger hatte ich auch, da ich nicht dazu gekommen war, die göttlichen Eier Benedict zu Ende zu essen. Aber ich brachte es nicht über mich, einen Snack für fünfundzwanzig Dollar zu bestellen.

Dies mochte ein Verwöhnwochenende sein, trotzdem gab es Grenzen. Ich hatte beobachtet, wie der Ober einen Nachbartisch bediente. Es gab Designer-Food. Drei Shrimps und ein Hauch von Grün waren nicht dazu angetan, meinen Hunger auch nur andeutungsweise zu stillen. Wozu also das Geld zum Fenster hinauswerfen?

Vor dem Abflug hatte ich Nat eine Nachricht geschickt. Sie und Sophie wussten also, dass ich Brooklyn auf der Spur war. Für den Moment behielt ich die Sache mit dem Seelenverwandten für mich. Es war sicher ohnehin nichts von Dauer. Ich ließ sie in dem Glauben, Brooklyn habe die legendären kalten Füße vor der Hochzeit bekommen.

So war es ja auch. Gewissermaßen.

Ich hatte mein Glas Cola halb geleert, als mir ein Mann auf der anderen Seite der Lounge auffiel. Er kam in meine Richtung. An einem Tisch blieb er stehen und unterhielt sich eine Weile mit den Gästen. Anderen winkte er kurz zu.

Ich gebe zu, ich bin kein Genie, wenn es darum geht, mir Gesichter zu merken. Jeden September zu Beginn des Schuljahres muss ich mir für jede Klasse einen Sitzplan machen und mich dann anstrengen, mir die dazugehörigen Gesichter einzuprägen. Aber trotz meiner Schwäche auf diesem Gebiet und trotz der Entfernung hätte ich schwören können, dass es sich um den zerzausten Typ aus San Francisco handelte.

Ich sah zu, wie er herumging und mit den Gästen redete und lachte. Plötzlich sah er zu mir herüber. Unsere Blicke trafen sich. Ich verspürte so etwas wie einen elektrischen Schlag. Entweder war er der besagte Mann, oder aber ich stand auf diesen speziellen Typ.

Jetzt kam er direkt auf mich zu. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, weil ich in der Nähe des Ausgangs saß. Ich zwang mich, Ruhe zu bewahren. Aber damit war es nicht weit her, wenn es um attraktive, möglicherweise ledige Männer ging.

Mein Verstand lief auf Hochtouren. Ich sollte den Blickkontakt halten. Ich sollte lächeln, etwas sagen.

„Hallo!“ Er blieb an meinem Tisch stehen.

„Hi.“

Nicht sonderlich originell.

Ich versuchte, das folgende Schweigen zu durchbrechen. „Waren Sie zufällig …?“

Ich hielt inne, weil ich meiner eigenen Erinnerung plötzlich nicht mehr traute und mich nicht lächerlich machen wollte. Dann nahm ich meinen Mut zusammen. Schließlich predigte ich meinen Schülern immer, sie sollten fragen, wenn sie etwas wissen wollten. Es gab keine dummen Fragen – nur dumme Antworten.

„Waren Sie zufällig gerade in San Francisco?“ Es klang absurd, als ich es laut aussprach. Schlimmer noch: Es klang nach einer plumpen Anmache. Genauso gut hätte ich fragen können: „Sind Sie oft hier?“

Schweiß trat mir auf die Stirn.

„Im Archway?“, fragte er.

Erleichterung machte sich in mir breit. Ich hatte mir das Ganze also nicht eingebildet. „Ja.“

„Ich dachte mir doch, dass ich Sie irgendwoher kenne.“

Meine Verlegenheit verschwand. Meine Hormone gerieten in Wallung. Auch von Nahem betrachtet war er ein atemberaubender Mann. Attraktiv. Sinnlich.

„Sind Sie beruflich oder privat hier?“, erkundigte er sich.

Es war weder das eine noch das andere, aber ich hatte nicht die Absicht, ins Detail zu gehen.

„Zum Vergnügen“, sagte ich nur.

Er ließ den Blick durch die Lounge wandern. „Sind Sie allein hier?“

„Ja.“ Da ich Brooklyn noch nicht gefunden hatte, war ich momentan tatsächlich allein.

Er lächelte. „Ich bin Max Kendrick.“ Er warf einen Blick auf meinen Drink. „Möchten Sie vielleicht etwas Interessanteres als Cola?“

Fast hätte ich Nein gesagt. Schließlich war ich nicht hier, um mich in einer Bar aufgabeln zu lassen. Andererseits: Dies war keine Kaschemme, sondern eine elegante Hotellobby. Und hatte ich nicht gerade gestern davon geträumt, auf unserem Mädels-Wochenende einen interessanten Mann kennenzulernen?

Dieser hier schien mir mehr als interessant, und er fiel mir quasi in den Schoß. Und was tat ich? Saß da wie vom Donner gerührt und brachte kein Wort über die Lippen. Ich musste mich zusammenreißen.

„Haben Sie die Preise gesehen?“ Natürlich hatte er das. Das war ja wohl die dümmste Frage, die ich hätte stellen können. Falls er hier wohnte und wenn er ein solches Angebot machte, dann musste er sich diese Preise leisten können.

Sein Lächeln wurde breiter. „Ja, ein oder zwei Mal.“

„Natürlich.“ Ich hielt es für klüger, den Mund zu halten, bevor ich noch weitere Perlen der Weisheit von mir gab.

„Prima.“ Er setzte sich zu mir. „Was darf’s denn sein?“

Ich erwog, Brooklyns Masche abzuziehen und ihn zu bitten, etwas für mich auszusuchen. Dabei vielleicht noch mit den Wimpern zu klimpern und einen auf unwissend zu machen.

Aber das war ich nicht. Weder das Wimpernklimpern noch die Kunst, so zu tun, als wüsste ich nicht, was ich wollte.

„Einen Chardonnay bitte.“

„Einen bestimmten Jahrgang?“

„Nein.“ Was auch immer die Bar zu bieten hatte, sollte mir recht sein. Nach allem, was ich bisher von dem Hotel gesehen hatte, war davon auszugehen, dass es hier nur gute Weine gab.

Er nahm Blickkontakt zu einer Serviererin auf, die sofort zu uns herüberkam.

„Könnten Sie uns bitte eine Flasche Crepe Falls Reserve bringen?“

„Kommt sofort.“ Sie nickte.

„Eine Flasche?“ Ich fragte mich, ob er vielleicht weniger ein Gentleman war, als ich angenommen hatte. Erwartete er allen Ernstes, dass ich mich so früh am Nachmittag betrank?

„So bekommt man mehr für sein Geld.“

„Sie wollen mich also nicht betrunken machen?“

„Hätten Sie einen Grund, sich betrinken zu wollen? Ist alles in Ordnung?“

„Alles bestens“, antwortete ich automatisch. Dabei war der Zustand mit „bestens“ nun wirklich alles andere als treffend beschrieben.

„Okay.“ Er musterte mich durchdringend. Seinem Blick schien nichts zu entgehen.

Ich musste mir in Erinnerung rufen, dass er mit Sicherheit keine Gedanken lesen konnte. „Es ist alles in Ordnung.“

„Wenn Sie das sagen …“

„Ja, das tue ich.“ Dabei ließ ich den Blick durch die Lobby schweifen. Ich durfte Brooklyn nicht verpassen, nur weil Max Kendrick mich ablenkte.

„Sind Sie sicher, dass Sie allein hier sind?“, hakte er nach.

Vorwurfsvoll sah ich ihn an. „Natürlich bin ich mir sicher.“

„Sie sind nervös.“

„Und Sie sind misstrauisch.“

Er zuckte die Schultern, ohne es abzustreiten.

„Ich halte nach jemandem Ausschau“, räumte ich ein.

„Nach wem?“

„Nach einer Freundin. Ich treffe mich hier mit ihr und möchte sie nicht verpassen.“

„Also sind Sie nicht allein.“

„Doch – bis sie eintrifft.“

„Sie haben gelogen.“

„Habe ich nicht.“

„Doch, durch Unterlassung. Sie haben nicht die ganze Wahrheit gesagt.“

Daran wollte ich nicht rühren. „Sie haben mich für eine Lügnerin gehalten.“

„Vielleicht.“

„Und Sie? Haben Sie eine Freundin? Betrügen Sie sie?“

„Nein.“

„Woher weiß ich, dass Sie nicht lügen? Wer betrügt, lügt wahrscheinlich auch.“

Sein Lächeln verriet, dass er durchschaute, dass ich es nicht ernst meinte. Das wärmte mir das Herz. Nicht jeder konnte mit meinem Sinn für Humor umgehen.

Die Serviererin brachte den Wein, und wir schwiegen, während sie einschenkte.

Als wir wieder allein waren, hob er sein Glas. „Auf Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit.“

„Auf Vertrauen und Loyalität.“ Ich dachte an Brooklyn, als ich mit ihm anstieß.

Der Wein war wirklich einzigartig – frisch, weich und leicht auf der Zunge.

„Da wir nun wissen, dass wir auf derselben Wellenlänge sind, sollten Sie mir etwas von sich erzählen“, schlug er vor. „Vielleicht fangen Sie mit Ihrem Namen an.“

Erst jetzt wurde mir bewusst, dass er sich vorgestellt hatte, ich mich aber nicht.

„Ich bin Layla – Layla Gillen.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Layla Gillen. Werden Sie lange in Vegas bleiben?“

„Ich hoffe nicht.“

Er zog eine Augenbraue in die Höhe. „Haben Sie was gegen die Stadt?“

„Nein, natürlich nicht. Ich bin zum ersten Mal hier.“ Erneut sah ich mich nach Brooklyn um. Ich entdeckte eine blonde Frau in der Ferne, aber als sie sich umdrehte – Fehlanzeige!

„Woher kommen Sie?“, wollte Max wissen.

Nun wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder ihm zu. „Aus Seattle. Und Sie?“

„Ich habe eine schöne Wohnung in New York, aber ich bin ziemlich viel unterwegs. Was machen Sie in Seattle?“

Ich wollte nicht verschroben rüberkommen, aber auch nicht lügen.

„Ich bin Lehrerin.“

„Welche Klassenstufe?“

„Highschool.“

„Welches Fach?“

„Mathematik.“

Er lächelte, als hätte er ein peinliches Geheimnis gelüftet.

Mein Stolz meldete sich zu Wort. „Haben Sie was gegen Mathematik?“

„Nein. Sie haben bloß keinerlei Ähnlichkeit mit den Mathelehrerinnen, die ich in der Schule hatte.“

„Ich bin absolut qualifiziert.“

„Daran zweifle ich nicht.“

„Es klang aber so.“

„Das war keine Absicht. Ich wollte damit nur sagen, ich hätte den Unterricht in der Schule wesentlich mehr genossen, hätte ich eine Lehrerin wie Sie gehabt.“

Mein Herz machte einen kleinen Satz.

Meine Wangen glühten. Ich versuchte, mich in den Griff zu bekommen, und überspielte meine Reaktion, indem ich an dem Glas Wein nippte.

Das hier war offensichtlich Liebe auf den ersten Blick. So etwas hatte ich noch nie erlebt.

Ich wollte mir kein Zimmer für siebenhundert Dollar die Nacht nehmen, wenn ich ein wunderschönes, bereits bezahltes Zimmer in San Francisco hatte. Aber es wurde Abend, und von Brooklyn fehlte noch immer jede Spur.

Max hatte sich nach dem Essen verabschiedet, und ich hatte den Tisch unter dem Vorwand verlassen, noch etwas erledigen zu müssen. Dem war natürlich nicht so. Aber ich fand einen freien Sessel in der Lobby, der mir einen guten Blick auf den Haupteingang gewährte.

Die Atmosphäre in der Lobby änderte sich, je näher der Abend rückte. Wenn ich mich meiner Umgebung anpassen wollte, musste ich meine Jeans loswerden.

Rund um die Lobby fand sich eine Reihe von Boutiquen. Die Kleider waren teuer, aber ich fand ein kleines Schwarzes, das heruntergesetzt war.

Ich hatte nicht die Absicht, meine Überwachung des Eingangs zu unterbrechen, indem ich die Umkleidekabine aufsuchte. Das Kleid war schlicht geschnitten, und mein Gefühl sagte mir, es würde sitzen. Die Ankleboots passten nicht dazu, aber ich trug eine silberne Kette und große Ohrringe. Dazu konnte ich mir das Haar zu einem Knoten stecken.

Das sollte reichen für die Abendgesellschaft des Hotels.

Zwar gab ich meine Position nur ungern auf, aber irgendwann wurde das Bedürfnis, die Toilette aufzusuchen, immer dringender. Ich nutzte die Gelegenheit, mich rasch umzuziehen, und verstaute Jeans und Bluse in der Tasche der Boutique.

„Ich gehe davon aus, Sie haben kein Zimmer?“, ertönte da plötzlich Max’ Stimme neben mir.

Ich wurde verlegen, als hätte er mich bei einem Diebstahl ertappt. Aber war die Lobby eines Hotels nicht quasi jedermann zugänglich?

„Meine Freundin hat …“ Ich wandte mich ihm zu, und die Worte erstarben mir auf der Zunge.

Am Nachmittag hatte Max ein blaues Hemd zu einem stahlgrauen Anzug getragen und darin umwerfend ausgesehen. Nun wirkte er einfach fantastisch. Sein Hemd war strahlend weiß, der Anzug schwarz, und dazu trug er eine burgunderfarbene Krawatte mit schwarzen Punkten.

„… ein Zimmer?“, ergänzte er fragend.

„Sind Sie auf dem Weg zu einer Party?“

„So würde ich es nicht direkt nennen.“ Interessiert ließ er den Blick über mein Kleid gleiten. „Und Sie? Schon irgendwelche Pläne?“

Ich hatte nichts weiter vor, als hier in der Lobby darauf zu warten, dass Brooklyn auftauchte. Auf keinen Fall wollte ich mir vorstellen, dass sie sich vielleicht schon mit ihrem Seelenverwandten auf ein Zimmer verzogen hatte und mit ihm den Whirlpool teilte.

Schnell verdrängte ich das Bild.

„Sie haben sie nicht gefunden“, schloss Max. Er gab mir keine Gelegenheit, dazu etwas zu sagen. „Was geht hier vor, Layla?“

„Nichts.“

„Sind Sie Privatdetektivin?“

„Nein.“

Während ich das sagte, fragte ich mich, ob es Max vielleicht recht gewesen wäre. Privatdetektivin klang wesentlich spannender als Mathematiklehrerin. Vielleicht sollte ich den Job wechseln.

„Eine Stalkerin?“

„Natürlich nicht.“ Das war ich nicht – zumindest normalerweise nicht.

„Haben Sie versucht, sie anzurufen?“

„Was für eine originelle Idee! Wieso bin ich darauf nicht selbst gekommen?“

Er schien mir meine Ironie nicht übel zu nehmen. „Ich nehme mal an, das heißt Ja.“

„So ist es.“

Er musterte mich durchdringend. „Haben Sie sich gestritten?“

„Nein.“

„Ist sie mit einem Mann zusammen?“

Daran wollte ich jetzt nicht denken und es leugnen. Aber ich konnte Max nicht offen anlügen. Nicht einmal die halbe Wahrheit sagte mir noch zu.

Andere Gäste gingen an uns vorbei, alle in eleganter Abendgarderobe. Sie unterhielten sich, lachten zusammen, trafen sich in Gruppen und verschwanden in den umliegenden Restaurants.

„Das könnte sein“, räumte ich ein.

„Sie hat Sie also wegen eines Mannes im Regen stehen lassen.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

Es war nicht so, wie er dachte, aber das konnte ich nicht erklären, ohne zu viele private Informationen preiszugeben. Also beließ ich es bei dieser Geschichte von der armen Freundin, die man in der Hotellobby sich selbst überlassen hatte.

„Essen Sie mit mir zu Abend“, bat er.

Es war ein Mitleidsangebot – nein, danke! „Ich habe nicht die Absicht, mich zu Ihrer Party selbst einzuladen.“

„Es gibt keine Party. Ich bin allein.“

Das glaubte ich ihm keine Sekunde lang. „Und wieso sind Sie dann so aufgestylt?“

„Weil dies ein gutes Hotel und es bereits nach sechs ist.“

„Ich glaube Ihnen nicht.“

„Das ist auch nicht nötig. Leisten Sie mir einfach Gesellschaft beim Essen.“

„Sie wollen also behaupten, Sie hätten heute Abend nichts vor?“

Ein solcher Mann – in einem solchen Anzug – in einem solchen Hotel? Ausgeschlossen.

„Ich will behaupten, es gibt nichts, was ich tun müsste .“

„Aber Sie haben andere Alternativen?“

„Die haben wir alle. Immer. Im Moment sind Sie meine erste Wahl.“

„Wieso?“

„Meine Güte, Layla, ich könnte schwören, ich habe noch nie ein solches Problem gehabt, eine Frau dazu zu bewegen, mit mir zu essen.“

„Ich kann nicht“, erklärte ich, obwohl ich gern Ja gesagt hätte.

Einen Mann wie ihn traf man nicht alle Tage – zumindest ich nicht. In meinem Leben kamen Männer wie er überhaupt nicht vor.

„Wieso nicht?“

„Ich möchte meine Freundin nicht verpassen. Sie muss hier jeden Moment vorbeikommen.“

Sein Blick verriet, was er von dieser Erklärung hielt: nichts. „Also … ich bin zwar kein Experte, aber ich habe das Gefühl, sie möchte gar nicht gefunden werden.“

Das konnte schon sein, dennoch musste ich sie finden.

„Vielleicht sollten Sie die Sache für heute aufgeben.“

„Nein.“ Das wäre schlimm. Unter gar keinen Umständen sollten Brooklyn und ihr vermeintlicher Seelenverwandter die Nacht allein verbringen. Ich musste sie so schnell wie möglich finden.

„Ich gehe mal davon aus, sie ist über einundzwanzig.“

„Ja, sie ist sechsundzwanzig.“

„Na also. Sie ist sehr wohl in der Lage, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.“

Rein theoretisch war das wahr. Aber ich wusste, dass Brooklyn im Moment nicht klar dachte. Irgendetwas stimmte nicht, und ich musste der Sache auf den Grund gehen, bevor sie einen Fehler machte, der den Rest ihres Lebens beeinflusste.

„Wir können im Grill Room essen“, schlug er vor. „Sehen Sie den Tisch dort in der Nische mit Blick auf die Lobby? Ich bitte die Serviererin, ihn uns zu geben.“

Der Blick von dort war wahrscheinlich noch besser als der, den ich jetzt hatte. Und es ließ sich nicht leugnen: Ich kam um vor Hunger.

„Er ist wahrscheinlich reserviert.“

„Da lässt sich bestimmt was machen.“ Er schien überzeugt davon, überall eine Vorzugsbehandlung zu bekommen.

„Sind Sie oft hier?“, fragte ich spontan und musste gleich darauf lachen. „Tut mir leid, es war nicht so gemeint, wie es klang.“

„Keine Anmache?“

„Nein.“

„Schade.“

Ich ignorierte die Tatsache, dass er mit mir flirtete, und mied seinen Blick. Es wäre zu leicht, die Fantasie mit mir durchgehen zu lassen. Aber das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte, war eine weitere Ablenkung.

„Ich bin ein relativ häufiger Gast“, bekannte er.

„Dann habe ich ja Glück.“

„Das würde ich umgekehrt eher von mir behaupten.“

Diesmal wich ich seinem Blick nicht aus. Ich war schließlich nicht aus Stein. Sein Lächeln war warm, sein Blick strahlte. Die Schmetterlinge in meinem Bauch machten sich wieder bemerkbar.

Ehe ich noch wehmütig aufseufzen oder in Ohnmacht sinken oder sonst etwas Albernes tun konnte, ging er schon durch die Lobby hinüber zum Restaurant.

„Mr. Kendrick“, begrüßte ihn die Kellnerin freundlich.

„Hi, Samantha. Könnten wir den vorderen Tisch in der Nische haben?“

„Natürlich, Sir.“

Sie zog zwei in Leder gebundene Speisekarten unter dem Empfangstisch hervor. „Bernard wird Sie hinüberbringen.“

„Hallo, Mr. Kendrick“, sagte Bernard. „Schön, dass Sie heute Abend bei uns sind.“

Max wartete, während ich Platz nahm, und ging dann um den Tisch herum. Ich fühlte mich der eleganten Umgebung nicht gewachsen und war nur froh, wenigstens keine Jeans mehr anzuhaben.

Max nahm mir gegenüber Platz. Zwischen uns flackerte eine Kerze auf dem Tisch. Ich hatte einen ungehinderten Blick auf die Lobby, aber die Atmosphäre schien dennoch intim.

„Soll der Ober Ihnen das Übliche bringen?“ Fragend sah Bernard Max an.

„Ja, bitte.“

An mich gewandt setzte er hinzu: „Das ist ein Martini mit Zitrone.“

„Klingt gut.“

Ich hoffte, dass der Drink meine Anspannung irgendwie lösen würde. Mir Sorgen zu machen würde Brooklyn nicht schneller herbeizaubern.

„Die Drinks kommen sofort“, versicherte Bernard. „Bitte lassen Sie es mich wissen, falls Sie sonst noch einen Wunsch haben.“

„Man scheint Sie hier gut zu kennen“, bemerkte ich, während ich den Blick noch einmal durch die Lobby gleiten ließ.

„Das stimmt, aber sie sind zu allen Gästen freundlich.“

Das hatte ich auch schon festgestellt.

„Das ist nicht die Art Restaurant, in der ich für gewöhnlich esse“, bekannte ich.

Er schob die Kerze beiseite. „Und wie sieht Ihr Lieblingsrestaurant aus?“

„Das ist das Rock a Beach. Es ist ein witziges kleines Fischrestaurant an der Moiler Bay. Sie haben einfach ein paar Picknicktische auf die Veranda gestellt, und es gibt immer frisch gezapftes Bier. Man kann sich einfach Fisch und Chips in eine Zeitung gewickelt holen oder einen Holzhammer, um den Hummer zu knacken. Im Winter schützen sie die Veranda mit einer Plastikplane und beheizen einen zentralen Kamin. Meine ganze Familie liebt das Restaurant.“

„Klingt prima.“

„Dort bräuchten Sie keinen Anzug.“

„Vielleicht eher ein Lätzchen.“

„Das könnte nicht schaden.“

Wir lächelten beide.

„Irgendwann würde ich gern mit Ihnen dort hingehen“, sagte er.

Ich sah es förmlich vor mir. Und es gefiel mir. Gefiel mir sogar sehr. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was er tat.

Er war gut darin. Und ich folgte ihm treudoof wie ein kleiner Hund!

Normalerweise ließ ich mich nicht so leicht von Emotionen leiten. Normalerweise höre ich immer auf meinen Verstand – und bin stolz drauf. Ich entzog mich ganz bewusst seinem Zauber. „Wow.“

„Wow was?“

„Das war schnell und nicht sehr glaubwürdig.“

„Ich …“

„Sie können gut reden, Max Kendrick. Aber nur zu Ihrer Information: Das, worauf Sie es abgesehen haben, wird nicht eintreten.“

„Sie haben mich missverstanden …“

„Sicher nicht.“ Logik und Verstand sagten mir etwas anderes.

„Sie sind eine Skeptikerin, Layla Gillen. Ich genieße einfach unsere Unterhaltung.“

Ich glaubte ihm kein Wort. Schließlich versuchten Männer oft, herauszufinden, wie weit sie gehen konnten – und legten prompt den Rückwärtsgang ein, wenn man sie darauf ansprach.