Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Warum heißt die Flugmango eigentlich Flugmango? Und trinkt Gott Löwenbräu? Diesen wirklich wichtigen Fragen des Lebens stellen sich die Protagonisten in den Erzählungen Stephan Zinner, bekannt als Kabarettist, Schauspieler (u.a. Dampfnudelblues, Räuber Kneißl) und Nockherberg-Söder. Stephan Zinner macht die kleinen Leute zu Helden des Alltags. Im üblichen Trott werden sie plötzlich hellhörig und mucken auf, sie zetteln eine Revolution an, konvertieren zum Islam, diskutieren mit Polizisten oder gar mit dem Teufel. Mit seinem Blick für Situationskomik und dem Gespür für Dialoge aus dem Leben entwirft Stephan Zinner schräge Momente und übersteigert sie zu irrwitzigen Geschichten.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 85
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Stephan Zinner
mit Illustrationen von Christoph Gremmer
edition lichtung
eBook-Ausgabe 2016© lichtung verlag GmbH94234 Viechtach Bahnhofsplatz 2awww.lichtung-verlag.de
Umschlagillustration: Christoph GremmerKonvertierung: lichtung verlag GmbHeBook eISBN 978-3-941306-14-1
Alle Rechte vorbehalten.Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Unbefugte Nutzungen wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übetragung können zivil- und strafrechtlich verfolgt werden.
Die gedruckte Ausgabe ist in der edition lichtung erschienen:1. Auflage 2015, 2. Auflage 2015© lichtung verlag GmbHAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-941306-18-9
Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie unter www.lichtung-verlag.de.
„Schreien Sie mich doch nicht dauernd so an!“
Der Teufel hatte sich aus seinem blauen Plüschsessel erhoben und blickte in die funkelnden Augen von Frau Roller. Er hatte in all den Jahren ja schon allerhand erlebt, aber dass er dermaßen zur Sau gemacht wurde, und das nun schon seit mindestens 20 Minuten, schlug dem Fass den Boden aus. Er war schließlich nicht irgendwer. Er hatte einen Ruf zu verlieren. Man hatte gefälligst Angst vor ihm zu haben.
Aber Frau Roller hatte alles andere als Angst. Sie war stinksauer. Frau Roller maß 1,60 Meter, zählte 82 Lenze, trug ein weißrotes Blumenkleid, ein etwas ramponiertes Kassengestell zierte ihre Nase, und die Haare waren kampfeslustig nach hinten gebunden. Immer wieder schlug sie mit ihrer Faust auf den Mahagoni-Schreibtisch ein und schrie.
„Das ist ja wohl die Höhe, Sie Idiot!“
Frau Roller rückte ihren Zahnersatz wieder in die gewohnte Position. Sie hatte sich so aufgeregt, dass die Prothese etwas aus der Verankerung gerutscht war.
„Gute Frau …“, der Teufel versuchte es wieder.
„Kommen Sie mir nicht mit , gute Frau‘, Sie!“, fuhr ihm Frau Roller in die Parade und schlug abermals mit der Faust auf den Schreibtisch.
„Jetzt reicht’s!“ Dem Teufel platzte nun endgültig der Kragen. Dunkelrote Flammen züngelten aus seinem Hemdkragen, und die Luft im Raum erwärmte sich merklich.
„Wollen Sie mir drohen?“ Frau Roller deutete mit dem Finger auf ihn.
„Ja, natürlich“, sprach der Teufel, sichtlich um eine gewisse Erhabenheit in der Stimme bemüht.
„Mit was denn?“ Frau Roller fuchtelte mit dem Finger vor der Nase ihres Kontrahenten herum, bis dieser blinzeln musste. „Wie wäre es mit dem Tod?“
„Sehr schön. Nur los. Hauen Sie mich um. Lassen Sie einen Blitz in meinen Kopf schießen.“
„Mit Blitzen arbeite ich nicht“, antwortete der Teufel.
„Das ist mir doch egal. Los, bringen Sie mich um. Viel schlimmer als jetzt kann es ja nicht mehr werden, Sie Feigling!“
„Na, na, na … ich habe da noch einiges in petto!“ Nun war es der Teufel, der mit dem Finger herumfuchtelte.
„Was denn? Ich war im KZ. Ich hatte ein Arschloch als Ehemann. Ein bissl Krebs hab ich auch schon gehabt. Von meiner Rente kann ich nicht leben, und mein Vermieter heizt nicht mehr, weil er mich aus der Wohnung rausekeln will! Na, wie sieht’s aus? Was hätten Sie anzubieten?“
„Äh …“ Der Teufel schüttelte den Kopf. „Sie sind der absolute Abschuss!“
Frau Roller räusperte sich. Dann sagte sie sehr langsam und eindringlich:
„Lieber Herr Teufel, ich will Ihnen doch nur meine Seele verkaufen. Alles was ich dafür will, sind 400 Euro mehr im Monat und eine warme Wohnung. Und Sie sagen mir, das geht nicht, weil ich zu alt bin. Das ist doch wohl eine Frechheit.“ Sie schnaufte aus.
„Frau Roller, ich habe auch meine Bestimmungen.“
„Was?“
„Das habe ich Ihnen doch schon erklärt. Ich habe exakte Vorschriften einzuhalten. Wenn ich das nicht mache, ist hier der Teufel los.“ Er musste lachen.
„Sehr witzig.“ Frau Roller zog die Augenbrauen zusammen. „Nein, ich habe doch nur gelacht, weil ich gesagt habe … Egal. Frau Roller, wir nehmen hier nur Seelen bis 55 in Zahlung, das ist unser Geschäftsprinzip. Das kommt von ganz oben.“
Frau Roller kratzte sich am Kinn.
„Ach, dann sind Sie gar nicht mein Ansprechpartner?“
„Doch, aber …“
„Was aber, raus damit, an wen muss ich mich wenden?“
„So geht das nicht, Frau Roller. Bei uns herrscht absolute Diskretion.“
Frau Roller fixierte den Teufel und ging vor dem Schreibtisch auf und ab. Offensichtlich dachte sie über etwas sehr scharf nach. Dem Teufel schwante nichts Gutes.
Dann blieb Frau Roller stehen und sagte:
„Also, wenn ich das richtig sehe, dann sind Sie gar nicht so allmächtig, wie wir immer geglaubt haben, sondern nur ein billiger Angestellter von irgendwem ganz oben, was bedeuten würde …“
„Moment, ich …“ Der Teufel versuchte wieder einzusteigen, aber Frau Roller gab ihm keine Chance:
„Ruhe. Hinsetzen.“
Der Teufel gehorchte.
„Irgendwer von ganz oben ist also Ihr Vorgesetzter, Ihr Chef. Bei dem Sie wahrscheinlich einmal im Monat die Zahlen vorlegen müssen und ihre Spesenabrechnung abzeichnen lassen etc. etc. Wenn ich recht habe, dann haben wir uns jahrhundertelang von Ihnen verarschen lassen. Am Ende sind Sie nur ein billiger Schauspieler, dem man die zwei Hörnchen an den Kopf gepappt hat und der uns hier was vorspielt. Die Flammen sind wahrscheinlich auch nur Pyroeffekte. Das habe ich in verschiedensten Musicals schon gesehen.“
„Also, die Flammen sind echt“, sagte der Teufel traurig.
„Wer ist Ihr Chef?“ Frau Roller wedelte wieder mit dem Finger.
„Sag ich nicht.“
„Los.“
„Das darf ich nicht. Bitte gehen Sie jetzt, sonst krieg ich wieder Ärger, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie der ist.“
Frau Roller interessierte sich kein bisschen dafür, wie, sondern wer der ist. Darum stützte sie sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch und fixierte den armen Teufel wie ein Raubtier seine Beute. Diese Technik hatte sie bei ihrem verstorbenen Mann und ihren Enkelkindern perfektioniert. Dann neigte sie den Kopf leicht und wiederholte ihre Frage: „Wer ist Ihr Chef?“
Der Teufel hatte keine Chance.
„Na gut, es ist …“
BUMM
Eine riesige Faust kam von oben aus dem Nichts geschossen und schlug den Teufel k.o.
Frau Roller erschrak, sammelte sich aber schnell wieder und krempelte ihre Ärmel noch weiter nach oben, als sie eh schon waren. Dann spuckte sie in die Hände und rief:
„Komm her, Freundchen, wenn du dich traust!“
Darauf erklang eine tiefe, rauchige Stimme:
„Bitte gehen Sie jetzt, Frau Roller, die Besuchszeit ist beendet.“
Frau Roller ließ die Hände sinken, dachte kurz nach und sagte dann:
„Ich kenne Sie.“
Die tiefe, rauchige Stimme versuchte, etwas höher zu klingen: „Das kann nicht sein.“
„Sie klingen genau wie mein Vermieter.“
Kurz herrschte Stille. Bis auf das leichte Stöhnen des wieder erwachenden Teufels, der sich seinen Kopf massierte.
Dann rief Frau Roller:
„Sind Sie das, Herr Boscholek?“
„Nein.“
„Na klar doch!“
„Nein, bin ich nicht.“ Wieder versuchte die Stimme mühsam, sich zu verstellen.
„Ach, kommen Sie schon. Sie können wen anders für blöd verkaufen, Herr Boscholek. Ich weiß, dass Sie das sind. Das passt zu Ihnen. Sie lassen hier den armen Teufel die Drecksarbeit erledigen, und wenn man Sie mal persönlich sprechen will, kriegt man nur den Anrufbeantworter an die Strippe, weil Sie wahrscheinlich in Ihrem Häuschen auf Mallorca weilen. Sie sind ein Arschloch!“
„Genau.“
Überraschend bekam Frau Roller Verstärkung. Der Teufel hatte sich neben sie gestellt und rief nach oben: „Ich kündige. Das sind die unwürdigsten Arbeitsbedingungen, die ich in den letzten 1000 Jahren hatte. Die Nazis waren schlimm. Die Inquisition sowieso. Bush Junior auch, aber der hat wenigstens mal einen ausgegeben. Hussein – auch ein Arschloch. Aber Sie, Sie sind echt das Letzte!“
Frau Roller betrachtete leicht amüsiert ihren neuen Mitstreiter.
„Was schauen Sie so, Frau Roller? Ist doch wahr. Vor einer Woche hat er mir eine Abmahnung geschickt, weil ich angeblich zu viel Ruß und Schwefel verbrauche. Das ist doch wohl eine Unverschämtheit, oder?“
„Finde ich auch.“ Frau Roller nickte zustimmend. „Das sind ja schließlich Ihre Arbeitsmaterialien.“
„Genau.“ Jetzt nickte der Teufel.
Von der Stimme war nur noch ein leises Keuchen zu hören. Frau Roller blickte nach oben. Dann sagte sie: „Los, gehen wir, Herr Teufel. Ich hab da eine Idee.“
Frau Roller nahm den Teufel entschlossen am Arm und verließ mit ihm den Raum. Im Rausgehen hörte man sie noch sagen:
„Wissen Sie was, Herr Teufel, wie wäre es, wenn Sie bei mir einziehen? Ich hab da in meiner Wohnung noch ein kleines Zimmer frei. Sie müssten halt ein bisschen einheizen. Wäre das möglich?“
„Kein Problem.“
„Ich koche auch sehr gut. Sind Sie Vegetarier?“
„Nein, wo denken Sie hin!“
„Das ist gut. Und wissen Sie, ich glaube, ein Mann mit Ihren Talenten – für so einen gibt es doch bestimmt Verwendung in der Entertainment-Branche.“
„Meinen Sie?“
„Sicher.“
An einem sonnigen Junimorgen hatte ich von meiner Frau einen unaufschiebbaren Biomüll-Auftrag erhalten und durchstieg nun pflichtbewusst das Treppenhaus Richtung Innenhof, als Gerd Kowalsky, seines Zeichens Nachbar im Stockwerk Nr. 2 unter uns, schwungvoll die Haustüre öffnete. Ich kam etwas aus dem Tritt. Der Gerd trug nämlich ein leicht durchsichtiges Muskelshirt, dazu ein sehr kurzes Läuferhoserl und mintgrüne Turnschuhe, die, dem Glanz nach zu urteilen, noch nicht viele Meter absolviert hatten.
Dieses Outfit hätte schon einen normalen Menschen sehr erstaunlich aussehen lassen, aber beim Gerd handelte es sich ganz und gar nicht um einen normalen, durchschnittlichen Menschen. Der Gerd war eher überdurchschnittlich. Er wog, je nach Depressionsstufe, zwischen 130 und 140 Kilo, die sich auf stolze 169 Zentimeter Körpergröße verteilten. Body-Mass-Index-technisch war der Gerd also eher im hinteren Mittelfeld zu finden.
Ich mochte meinen Nachbarn, wirklich. Ich hatte mit ihm schon einige lustige Abende verbracht. Er konnte stundenlang über die Vorzüge der Schallplatte philosophieren und nebenbei Unmengen spanischen Rotwein in seinen Körper schütten. Das machte aus ihm, zusammen mit den Antidepressiva, eine ziemlich knackige Pointen-Kanone. Ich konnte ihn gut leiden, aber in diesem Outfit machte mir der Gerd Angst. Mein Blick schien dies nicht verbergen zu können.
„Was is?“, brummte er.
Ich stotterte: „Äh, ja, mei … wie, wie schaust du denn aus?“ „Warum?“ Der Gerd hob verständnislos die Arme.
„Ja, weil du komisch ausschaust.“
Er schien mich nicht zu verstehen.
„Geil, oder?“
„Naja, eher ungewohnt.“
„Sag ich doch, geil.“
Jetzt drehte sich der Gerd, damit ich ihn auch von hinten bewundern konnte.
„Was hast du vor?“, fragte ich, mir die Augen reibend.
„Stadtlauf!“, sagte der Gerd und grinste.
Ich war erstaunt.
„Echt, hast du die ganze Zeit trainiert? Das hab ich ja gar nicht mitgekriegt.“