Focusing und Märchen - Martin Gottstein - E-Book

Focusing und Märchen E-Book

Martin Gottstein

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  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Martin Gottstein führt uns freilassend in die Weisheit und in die Tiefendimension der Märchen. (Klaus Renn, Psychotherapeut, Leiter des Deutschen Ausbildungsinstituts für Focusing und Focusing Therapie, Autor und Coach) Der Autor stellt Möglichkeiten vor, die über den Weg des Focusing hilfreiche körperliche Wahrnehmungen ermöglichen können. (Brigitta Schieder, Anerkannte Erzählerin und Seminarleiterin der Europäischen Märchengesellschaft, Dipl. Logotherapeutin, Autorin) Während des Lesens entsteht in mir ein wohliges, freundliches, warmherziges Gefühl … sehr positiv und sehr heilsam. (Dr. Johannes Wiltschko, Gründer und Leiter des Deutschen Ausbildungsinstituts für Focusing und Focusing Therapie, Psychotherapeut, Klinischer Psychologe, Autor)

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Seitenzahl: 132

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Focusing und Märchen

Finde den Schlüssel zu deinem inneren Schatz

Martin Gottstein

Gewidmet dem größten Schatz,

der mir in diesem Leben geschenkt ist:

Edda, Nadja, Julian

Impressum

Focusing und Märchen - Finde den Schlüssel zu deinem inneren Schatz © 2016 Martin Gottstein

Umschlag, Illustration:

Gabriele Heininger

Lektorat, Korrektorat:

Tony Hofmann

Weitere Mitwirkende:

Michi Krämer (CD Produktion und Arrangements),

Isabel Schröder (Gesang)

Verlag: tredition GmbH, Hamburg ISBN:

978-3-7345-3966-4 (Paperback)

978-3-7345-3967-1 (e-Book)

Umsetzung:

Tony Hofmann

www.tonyhofmann.com

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Focusing

1.1 Wie ich selbst zum Focusing kam

1.2 Was ist Focusing?

1.3 Kurze Geschichte des Focusing

1.4 Focusing im Überblick

1.4.1 Was machen wir im Focusing? (Die Schritte)

1.4.2 Wie machen wir es im Focusing? (Die Haltung)

1.4.3 Das Wichtigste ist, da zu sein

2 Märchen

2.1 Wie ich selbst zu den Märchen kam

2.2 Märchen beschreiben und begleiten Wandlungsprozesse

2.3 Märchen und Focusing

3 Focusing im Märchen

3.1 Der goldene Schlüssel (Freiraum schaffen)

3.2 Goldmaries Focusing Prozess

3.2.1 Goldmaries heilsame Beziehung zu sich selbst (Achtsamkeit, Akzeptanz, Absichtslosigkeit)

3.2.2 Goldmarie folgt dem Kernprozess der Veränderung (Felt Sense, Symbol finden, Vergleichen)

3.3 Pechmaries Missverständnis (Was Focusing nicht ist)

3.4 Die Fragen des Königs an das Eselein (Fragen an den Felt Sense)

3.5 Der Wolf und die sieben jungen Geißlein (Annehmen und Schützen)

4 Focusing mit Märchen

4.1 In die Märchenwelt gelangen

4.2 Einen Helfer finden

4.3 Focusing mit dem Märchen „Die Skelettfrau“

4.3.1 Fragen zur Handlung

4.3.2 Fragen zu den Charakteren

4.3.3 Bedeutung der Personen (oder Bedeutung der Tiere, Pflanzen, Gegenstände)

4.3.4 Diese Person (oder das Tier, die Pflanze, der Gegenstand) sein

4.3.5 Entwicklungsmöglichkeit: Kindheit

4.3.6 Entwicklungsmöglichkeit: Persönliches Wachstum

4.3.7 Entwicklungsmöglichkeit: Sexualität

4.3.8 Entwicklungsmöglichkeit: Spiritualität

4.3.9 Zu den Organen summen

4.3.10Hände auflegen

4.3.11Für unser Leben singen

4.4 Sich beim Körper bedanken

5 Von der heilenden Kraft, sein eigenes Märchen zu schreiben

5.1 Ein Elfchen

5.2 Sein eigenes Lebensmärchen schreiben

5.2.1 Der Alltag

5.2.2 Ereignisse im Leben

5.2.3 Verweigerung

5.2.4 Hilfen

5.2.5 Der erste kleine Schritt

5.2.6 Prüfungen und Abenteuer, Verbündete und Feinde

5.2.7 Die entscheidende Prüfung

5.2.8 Belohnung

5.2.9 Rückweg und Heimkehr

5.2.10Rückkehr zum Alltag

Nachwort

Anhang

Verwendete und empfohlene Literatur

Discographie von Martin Gottstein

Empfohlene Adressen und Websites

Haftungsausschluss

Vorwort

Es ist das Wichtigste, was wir im Leben lernen können:Das eigene Wesen zu finden und ihm treu bleiben.Allein darauf kommt es an, dass wir begreifen, wer wir selber sind, und den Mut gewinnen, uns selber zu leben.

Denn es gibt Melodien, es gibt Worte, es gibt Bilder, es gibt Gesänge, die nur in uns, in unserer Seele schlummern, und es gibt die Aufgabe unseres Lebens, sie auszusagen und auszusingen.

Einzig zu diesem Zweck sind wir gemacht, und keine Aufgabe ist wichtiger, als herauszufinden, welch ein Reichtum in uns liegt.

(Eugen Drewermann)

Mir ist bewusst, dass es schon eine Menge Bücher über Focusing und haufenweise über Märchen gibt. Warum dann noch eines? Nun, meines Wissens ist dies das Erste und Einzige, das Focusing und Märchen zusammen bringt. Zudem finde ich, dass Focusing sowieso der Königsweg ist, um die Botschaft der Märchen zu entschlüsseln.

Beides, Focusing und Märchen, sind für mich Herzensangelegenheiten und so ist dieses Buch entstanden. Jedoch nicht ohne die Mut machende „Initialzündung“ und Unterstützung von Michaela Breit! Ich hoffe, dass du, liebe Leserin und du lieber Leser, Freude bei der Lektüre hast. Ich habe die „Du“ Anrede gewählt, weil sie die Herzens- und Seelenebene unmittelbar erreicht und besonders bei den Übungen und Anleitungen nützlich ist. Vielleicht wird dir das eine oder andere etwas klarer und vielleicht macht dir die eine oder andere Geschichte sogar Mut oder bringt dir Hoffnung oder schafft Vertrauen in das Leben.

Im Buch gibt es auch verschiedene Focusing Anleitungen. Auch bei der Märchendeutung gibt es noch ein weites Feld, das es zu entdecken gibt. Ich möchte dich dazu einladen, das Eine oder Andere auszuprobieren und zu schauen, was dabei herauskommt. So werde ich einen ersten, kleinen Geschmack davon geben, was Focusing eigentlich ist. Um Focusing zu lernen, sind Bücher eigentlich nicht das geeignete Mittel. Hierfür braucht es Übungen und eigene Erfahrungen, die durch erfahrene BegleiterInnen unterstützt und angeleitet werden. Da es aber viel schöner ist, im Focusing auditiv angeleitet zu werden, findest du auf der CD im Anhang (oder auf unserer Website1) zwei Freiraum Übungen, die du dir in einer ruhigen Stunde zu Gemüte führen kannst. Ebenso ist es viel schöner, Märchen vorgelesen oder gar erzählt zu bekommen, als sie selber zu lesen. Aus diesem Grunde ist auf der CD auch ein Klangmärchen zu hören. Drei Lieder runden die CD dann ab. Hier ist besonders Michi Krämer zu danken, der mit seiner Kreativität und seinem einfühlsamen musikalischen Wissen sowohl die Lieder mit entscheidend arrangiert hat, als auch die Aufnahmen mit seiner Genauigkeit mit produziert hat. Auch der zu Herzen gehende Gesang von Isabel Schröder macht aus jedem Lied ein Schmuckstück.

Ein besonderes Highlight in diesem Buch sind die Bilder und Illustrationen von Gabriele Heininger. Sie hat in einfühlsamer Weise die Essenz der Märchen erfasst und künstlerisch wunderbar umgesetzt!

Mein besonderer Dank gilt Tony Hofmann, dem Lektor und Gestalter dieses Buches. Kein anderer hätte diese Aufgabe so stimmig, einfühlsam und mit großem Fachwissen, dabei aber auch sehr persönlich und engagiert gemeistert. Hut ab!

Vor allem möchte ich aber auch meiner Frau Edda danken, die (schon immer) meine Inspiration und auch meine schärfste Kritikerin ist. Sie hat immer und immer wieder die verschiedensten Versionen des Manuskripts durchgelesen und mir wertvolle Tipps gegeben.

Dieses Buch ist ein Substrat aus gut 50 Jahren Lebenserfahrung. Darin eingeflossen sind u.a. ein Studium der Religionspädagogik, eine Ausbildung zum Focusing Therapeuten, zum Märchenerzähler, unzählige Seminare, Bücher, Vorträge, DVDs usw. Von daher ist es für mich nicht mehr bei allen Inhalten zurückzuführen, woher dieser oder jener Gedanke und sogar Zitat stammt. Die Inhalte des Buches sind also nicht nur auf meinem eigenen Mist gewachsen, sondern vieles davon wurde schon mal gedacht, gesagt oder aufgeschrieben. Ich habe es lediglich auf meine Weise zusammengetragen. Ich bitte daher die Urheber dieser Gedanken um Verständnis, wenn ich sie nicht jedes Mal nenne. Vielmehr danke ich ihnen für die Bereicherung, die sie mir haben zuteilwerden lassen.

Dennoch sind im Folgenden verschiedene Menschen und im Anhang deren Bücher aufgelistet, die mich sehr geprägt und beeinflusst haben und von denen ich viel für dieses Buch übernommen habe. Besonders sind hierzu zu nennen:

Dr. Johannes Wiltschko, Klaus Renn, Ernst Juchli, Christiane Geiser, Brigitta Schieder und natürlich Prof. Gene Gendlin.2

Viel Vergnügen beim Lesen, Schauen, Hören und Üben!

1Auf www.praxis-am-kyberg.deund auf www.klangmaerchen.dekannst du die Anleitungen und das Märchen anhören.

2Wenn sich noch jemand finden sollte, den ich unordentlich zitiert habe, so möge er sich bitte melden, so dass wir dies bei weiteren Auflagen berücksichtigen können.

1 Focusing

Die Wahrheit, die sichin Worten ausdrücken lässt,ist nie die endgültige Wahrheit.

(Laotse)

1.1 Wie ich selbst zum Focusing kam

Während meines Studiums für Religionspädagogik und Kirchliche Bildungsarbeit musste ich ein Praktikumsjahr in einer Kirchengemeinde und der Schule absolvieren. Das Ganze war ziemlich öde. Während die Vorlesungen noch einigermaßen interessant waren, war dieser Teil der Ausbildung doch sehr ernüchternd für mich. Gut, ich wollte Religionspädagogik nur deswegen studieren, weil meine Noten für Sozialpädagogik zu schlecht waren und ich unbedingt aus dem verschlafenen Berchtesgaden weg nach München ziehen wollte, wo meine Freundin Edda schon lebte. Ich hatte einen eher politischen und weltverbesserischen Ansatz und war nicht besonders fromm. Die einzige Möglichkeit, in meiner Heimatstadt etwas zu unternehmen, war die evangelische Jugend. So etwas wollte ich auch anderen Jugendlichen ermöglichen. Außerdem hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon meine erste Liedermacher-Schallplatte veröffentlicht und spielte in den verschiedensten Münchner Musikkneipen, hatte eine Band und wollte am liebsten in dieser Hinsicht Karriere machen. Und dann dieses Praktikum!

Zum großen Glück war aber in der Gemeinde, in der ich arbeitete, auch eine junge Vikarin namens Reinhilde. Sie hatte wunderbare lange blonde Haare und eine ansteckend fröhliche Art. Sie machte gerade eine Ausbildung in personenzentrierter Gesprächstherapie mit Focusing. Im Rahmen ihrer Ausbildung musste sie mit Probeklienten arbeiten und als sie mich eines Tages fragte, ob ich an so etwas Interesse hätte, sagte ich sofort zu. Das war auch meine Rettung. Die Stunden bei ihr taten mir sehr gut, so gut, dass ich auch anfing, mich dafür zu interessieren, wie sie denn unsere Gespräche führte. Reinhilde wurde später auch bedeutend für mich, weil sie mich und meine Frau traute und sie Edda den Einstieg in die Feldenkraisausbildung wies, aber das ist eine andere Geschichte. Reinhilde machte die Focusing Ausbildung bei Johannes Wiltschko. Er lebte in München Schwabing in einer Altbauwohnung im 5. Stock. Vor seiner Wohnungs- und Praxistür türmen sich Berge von Bier- und Weinflaschen und man musste Acht geben, dass man nichts umwarf. Hier musste jemand wohnen, der das Leben liebt und zu feiern versteht! Ich kann mich heute nur noch an seine strahlenden Augen erinnern, dass wir auf dem Boden saßen und Tee tranken und wir vereinbarten, dass ich bei der nächsten Ausbildung mit dabei sein kann. Was für ein Glück, denn das Focusing hat mir nicht nur geholfen, mich wahrzunehmen, auf mich zu achten und einen guten Kontakt zu anderen Menschen aufzubauen, es hat mir auch geholfen, mich in meinem Beruf als Religionspädagoge einzufinden. Begriffe wie „Gnade“, „Erlösung“, „Buße“, „Umkehr“ usw. hatte ich im Studium zwar auswendig gelernt und mit dogmatischen Inhalten besetzt, nun aber hatte ich bei manchen Focusing Übungen selber erfahren, was es heißt angenommen zu werden, wie man ist. Auch dafür was Heil sein in einem größeren Verständnis als „nur“ gesund sein bedeuten kann, bekam ich eine Ahnung. Selbst eine Praxis der Achtsamkeit habe ich über das Focusing gelernt.

1.2 Was ist Focusing?

Focusing ist eine uralte und zugleich hochaktuelle Menschheitserfahrung. Schon immer konnten sich die Menschen auf ihre Instinkte und ihre Intuition verlassen. Die spürbaren Antworten des Körpers zu existentiellen Fragen des (Über-)Lebens wurden nicht selten den Göttern zugeschrieben. Und heutzutage beweisen und erklären uns die neuesten Forschungen aus der Neurobiologie, dass wir nur zum Teil mit unserem Gehirn denken. Wir „denken“ immer auch mit unserem Körper. Unser Körper hat ein „Gedächtnis“, das noch viel umfangreicher ist, als das im Hirn. Ja, denken ohne den Körper geht gar nicht! Im achtsamen, unmittelbaren Gewahrsein und Erleben von dem, was jetzt im Moment gerade da ist, geht eine immense Kraft aus. Wenn es uns gelingt, in ein Zwiegespräch mit unserem Körper zu treten, sozusagen mit Kopf und Bauch präsent zu sein, entsteht der nächste Lebensschritt ganz wie von selbst. Das geht von banalen alltäglichen Entscheidungen bis hin zu so großen Worten wie seiner Lebensaufgabe zu folgen. Das alles entsteht organisch, wenn wir unserem Gespür Gelegenheit geben, sich zu entfalten. Es ist so, als ob der nächste Schritt schon da ist, wir müssen ihn nur wahrnehmen und danach handeln.

Lassen wir Gene Gendlin, den Begründer von Focusing, dazu selber zu Wort kommen: „Was ich selber Focusing nenne ist, wenn man eine gewisse Zeit mit etwas ist, das man körperlich spürt und von dem man – obwohl es etwas noch Unklares ist – weiß, dass es mit irgend etwas im eigenen Leben zu tun hat.“1

Johannes Wiltschko schreibt dazu:

„Diese Aussage enthält wesentliche Aspekte von Focusing:

Man braucht ein bisschen Zeit (ein paar Sekunden, ein paar Minuten, eine halbe Stunde). Das nennen wir ’Freiraum’.

Man ist mit etwas (d.h. man richtet seine Aufmerksamkeit auf ’etwas’ und verweilt dabei, ohne etwas zu tun). Das nennen wir ’Innere Achtsamkeit’ und ’Absichtslosigkeit’.

Dieses ’Etwas’ spürt man im Körper, es ist noch unklar und es hat mit irgend etwas zu tun, bezieht sich auf etwas, es ist nicht einfach nur für sich da. Dieses unklare ’Etwas’ im Körper nennen wir ’Felt Sense’. Das, worauf sich der ’Felt Sense’ bezieht, nennen wir ’Thema’.“2

Hören wir weiter Gene Gendlin:

„Das körperliche Gefühl kann sich auf die Vergangenheit beziehen, es kann von jetzt sein, ja man weiß vielleicht nicht einmal genau, worauf es sich bezieht. Aber man spürt, es hat etwas zu tun mit einer Situation oder mit dem Leben; es kommt nicht nur daher, dass der Gürtel zu eng ist oder dass man zu viel gegessen hat. Gewöhnlich weiß man, womit dieses Gefühl zu tun hat, es hat aber zusätzlich noch immer irgendeine Bedeutung dabei, die man noch nicht kennt.

So ein körperliches Gefühl kann man zu jeder Sache bekommen: zu irgend etwas Kleinem oder zu einer Idee oder zu einem anderen Menschen oder zu etwas, was man tun will oder zu einer bestimmten Situation, oder was immer es ist. Man kann z.B. alles mögliche über eine bestimmte Situation denken, immer aber hat man gleichzeitig auch noch ein körperliches Gefühl zu dieser ganzen Situation. Dieses körperliche Gefühl ist ein guter Führer. Ich nenne es Felt Sense.

Der Felt Sense kommt aber selten von selber. Mit Focusing kann man in ein paar Minuten oder manchmal auch in einem Augenblick so ein körperliches Gefühl bekommen.

Wenn man das macht, dann kommen kleine Schritte der Änderung, es öffnet sich alles mögliche und man findet eine Menge heraus. Aber das nenne ich nicht mehr Focusing. Das ist das, was durch Focusing kommt.“3

Wenn du magst, probiere es gleich einmal selber aus:

Bevor du schnell im Buch weiterliest, verlangsame für ein paar Minuten dein Tun. Setzte oder lege dich gemütlich hin und hole ein paar tiefe, frische Atemzüge. Richte dann deine Aufmerksamkeit Richtung Körpermitte, in deinen Brust-, Bauch- und Beckenraum und frage dich dabei: Wie ist es da jetzt gerade? Tu dies, ohne dabei etwas zu wollen. Nachdem du dir nun ausreichend Zeit gegeben hast, um dorthin zu spüren, kannst du z.B. die banale Frage in dein Inneres fallen lassen: „Wie geht es mir jetzt?“ Vielleicht hast du dir die Frage schon öfter mal gestellt. Nehme dir dieses Mal jedoch erst einmal Zeit dazu, diese Frage in deinem Körper ankommen zu lassen. Achte dabei darauf, was sich eventuell innerlich zu dieser Frage regt. Das kann etwas Kleines, Unscheinbares, Unklares sein. Nimm es wahr und begrüße es wohlwollend, was immer auch kommt. Sei einfach eine Weile damit. Habe es gern, was da kommt. Du musst jetzt auch gar nichts erklären oder herausfinden. Es reicht, wenn du bemerkst, was ist. . . Und wenn die paar Minuten, die Du Dir nehmen wolltest, vorbei sind, bedanke dich zum Schluss dieser kleinen Übung bei deinem Körper. Nimm wieder ein paar tiefe Atemzüge und kehre wieder ins Alltagsbewusstsein zurück.

1.3 Kurze Geschichte des Focusing

Das Wissenschaftsmagazin des Bayerischen Rundfunks brachte 1997 einen Beitrag über die Lebensgeschichte von Gene Gendlin anlässlich dessen siebzigsten Geburtstags:

„Gene Gendlin, der ursprünglich den Namen Eugen Gendelin trug, ist 1926 als Kind jüdischer Eltern in Wien geboren. Mit knapper Not gelang der Familie die Flucht vor den Nazis in die USA. Gendlin erinnert sich gut an die nächtelangen Gespräche seiner Eltern in dieser Zeit: ’Da war ich immer wach, und da hab ich gehört, wie mein Vater gesagt hat: Schsch, das Kind schläft... und dann sind sie endlich schlafen gegangen und dann war ich ganz allein in der Nacht wach und das war beinahe immer so. Da habe ich den ganzen Tag Themen gesammelt, um sie dann zu behandeln und etwas zu haben um nachzudenken. Ich habe auch oft meine Mutter gefragt: Worüber soll ich träumen? Hätte ich gesagt: Worüber soll ich nachdenken? hätte sie gesagt: Schlaf doch ein. Vielleicht bin ich auf diese Weise Philosoph geworden.’ Antworten auf seine Fragen suchte er zunächst in der Physik und später im Philosophiestudium.

Bereits Anfang der 50er Jahre hatte er in Chicago Kontakt zu dem bekannten Gesprächstherapeuten Carl Rogers aufgenommen. ’Er hat sich sehr gefreut, dass ein Philosoph in sein Praktikum kommen will und hat gleich gesagt: Ja, das wäre gut für uns, wenn wir einen Philosophen mit dabei hätten. Er hat sich dann zu mir vorgebeugt und gesagt: