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Die Komödie einer Privatbank, die Gaunerei zur Geschäftsgrundlage gemacht hat und Pleite zum rentabelsten Geschäft. Eine prophetische Vision von Friedrich Dürrenmatt, heute aktueller denn je.
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Seitenzahl: 130
Friedrich Dürrenmatt
Frank der Fünfte
Komödie einer Privatbank Neufassung 1980
Diogenes
Es ging mir, im Gegensatz zu den verschiedenen Fassungen, die vorher einzeln im Arche-Verlag erschienen sind, bei den Fassungen für die Werkausgabe nicht darum, die theatergerechten, das heißt die gestrichenen Fassungen herauszugeben, sondern die literarisch gültigen. Literatur und Theater sind zwei verschiedene Welten: Außer den Komödien, die ich nur für die Theater schrieb, Play Strindberg und Porträt eines Planeten, die Übungsstücke für Schauspieler darstellen und die ich als Regisseur schrieb, gebe ich im Folgenden – die ersten Stücke tastete ich nicht an – die dichterische Fassung wieder, eine Zusammenfassung verschiedener Versionen.
F.D.
Komödie einer Privatbank Mit Musik von Paul Burkhard Neufassung 1980
Frank V.
seine Frau Ottilie
sein Sohn Herbert
seine Tochter Franziska
der Prokurist Emil Böckmann
der Personalchef Richard Egli
Frieda Fürst
der Schalterbeamte Lukas Häberlin
der Schalterbeamte Gaston Schmalz
der Schalterbeamte Theo Kappeler
Päuli Neukomm
Heini Zurmühl
der Kellner Guillaume
der Maschinenfabrikant Ernst Schlumpf
die Hotelbesitzerin Apollonia Streuli
der Uhrenfabrikant Piaget
der Staatspräsident Traugott von Friedemann
Pfarrer Moser
Trauergemeinde
Diener
eine Krankenschwester
Pause nach dem elften Bild
Geschrieben 1958
Uraufführung im Schauspielhaus Zürich
am 19. März 1959
Das Bühnenbild: In der Mitte der Bühne auf einigen Stufen ein riesiges Bankportal, von zwei Atlassen getragen, wie ein zweites Bühnenportal, mit einem schwarzen Zwischenvorhang. Auf dem Portalgiebel in goldenen Lettern: ›Handelt, bis ich wiederkomme (Luk. 19, 13)‹. Durch das Bankportal auf den Stufen entsteht eine Vorbühne, auf der ebenfalls gespielt werden kann. Die Überschriften der einzelnen Szenen können auf den Zwischenvorhang projiziert werden.
Der Personalchef Richard Egli tritt in feierlicher Kleidung vor den Zwischenvorhang des Bankportals und schiebt den Hut etwas nach hinten.
EGLI
Leider habt ihr stets vernommen
Daß die Welt nicht nach dem Wunsch der Frommen
Daß die Reichen reich und die Armen arm
Und Gott erbarm
In Bälde sich unserer Kälte.
Doch nun laßt den romantischen Quark
Der Mensch ist nicht frei, er lebt im Geschäft
Von Wölfen umstellt, von Hunden umkläfft
Im Kollektiv gefangen
Vom Nächsten beschattet, den er selber bewacht
Mit allen gehangen
Wird er über Nacht
Um seine Menschlichkeit gebracht.
Seid daher stark
Seht teils als Tragödie, teils als Schwank
Die Komödie einer Privatbank
Die Geschichte des Fünften Frank
Personen: Die ganze Bande
Vom Stift bis zum Prokurist
Ja, selbst den Direktor und dessen Frau
Seht ihr leiden in dieser Schau
Sowie einige Kunden, doch die nur am Rande.
Der Grund?
Kommt man euch mit Bettlern, heult jeder Hund
Nur vor unsresgleichen seid ihr objektiv
Mitleid verzerrt und Tränendunst
Armut macht schief
Erst von einer Million aufwärts gibt es klassische Kunst.
Erfahre denn, o Christenheit
Was wir hoffen und lieben
Vernimm, wie wir morden, schau, wie wir schieben
Und zieh den Hut ab, wenn wir fallen
Ehre sei uns allen.
Nicht nur Könige haben’s arg getrieben
Nicht nur Minister, nicht nur Generale
Wateten durch Blut, stanken Skandale
Ich bin der Personalchef, ich muß es ja wissen
Es saust mit uns die Welt des Schwindelns und der Wucherzinsen
Unaufhaltsam in die Binsen
Wir sind die letzten Schurken weit und breit
Nach uns nur böse, öde Ehrlichkeit.
Drum
O Publikum
Freu dich noch ob uns auf Erden
Was jetzt nur schändlich ist, wird unerträglich werden.
Wag dich selbst zu sehn in unserem Handeln
Die wir wie du hienieden wandeln
Verstrickt in Börsenstrategie
Angepöbelt wie noch nie
Von jedem sozialen Wicht
Stehn wir fürchterlich vor dir
Henker zwar, doch Götter schier
Minder groß und blutig nicht
Als die Helden von Shakespeare.
Durch den Zwischenvorhang ab.
Von rechts vorne rollt sich Frank V. in einem Rollstuhl auf die Vorbühne herein.
FRANK V.
Ich bin Frank der Fünfte, und man nennt mich Frank den Menschenfreund. Ich bin alt. Hinter mir das Leben, vierzig Jahre Bankgeschäft usw., vor mir der Tod, die Unendlichkeit usw.; denn kaum ist der vierte Herzinfarkt mit knapper Not überstanden, hat sich schon der fünfte angemeldet. Doch es sei. Ich bin Idealist und kenne höhere Werte. Pfarrer Moser.
Von links kommt Pfarrer Moser.
PFARRER MOSER
Mein Sohn.
FRANK V.
Beichten.
PFARRER MOSER
Ich höre, mein Sohn.
FRANK V.
Ich habe die Witwen und Waisen zu wenig unterstützt.
PFARRER MOSER
Nicht der Rede wert.
FRANK V.
Die Armen und Obdachlosen.
PFARRER MOSER
Nicht der Rede wert.
FRANK V.
Die Gefängnisseelsorge.
PFARRER MOSER
Nicht der Rede wert.
FRANK V.
Die Mohammedaner-Mission.
PFARRER MOSER
Nicht der Rede wert.
FRANK V.
Ich besuchte die Bibelstunden Christlicher Bankiers gar zu selten.
PFARRER MOSER
Nicht der Rede wert.
FRANK V.
Bevor ich sterbe, möchte ich noch eine gute Tat vollbringen.
PFARRER MOSER
Vollbringe sie, mein Sohn.
FRANK V.
Prokurist.
Von links kommt Böckmann.
BÖCKMANN
Herr Direktor?
FRANK V.
Laß die beiden Burschen hereinkommen, die uns die Jugendfürsorge zuschickte.
BÖCKMANN
Hereinkommen.
Von links kommen schüchtern Heini Zurmühl und Päuli Neukomm.
HEINI
Herr Direktor. Verneigt sich.
PÄULI
Grüß Gott. Ist verlegen.
FRANK V.
Näher. Donnerwetter, habt ihr denn noch nie einen Sterbenden gesehen?
Die beiden treten ehrfürchtig näher.
HEINI
Noch nie, Herr Direktor.
FRANK V.
Nun seht ihr einen. Name?
HEINI
Heini Zurmühl, Herr Direktor.
PÄULI
Päuli Neukomm.
FRANK V.
Woher?
HEINI
Aus Drosseldorf, Herr Direktor.
PÄULI
Aus Amseldingen.
FRANK V.
Da seid ihr beide aus der gleichen Gegend hergeflattert. Delikte?
HEINI
Mit einer Dreizehnjährigen geschlafen.
PÄULI
Hundert Franken dem Meister gestohlen.
FRANK V.
Da heißt es, väterlich eingreifen, liebreich lenken, sachte auf die gute Bahn hinweisen. Meine jungen Herren, ich will mich kurz fassen. Wem der Tod nach der Gurgel greift, liebt nicht viele Worte. Wir haben Mitarbeiter nötig. Unserem diskreten Gewerbe fehlt der idealistische Nachwuchs. Die Zeit ist nur dem Tüchtigsten günstig. Ich stelle euch probeweise an. Das Geschäftsleben wird aus euch echte Männer schaffen, die Börse wird euch formen, die Kasse stählen, das Kapital erziehen. Ab!
BÖCKMANN
Marsch zum Personalchef.
Böckmann und die beiden links ab.
PFARRER MOSER
Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.
FRANK V.
Amen. Ich rolle hin und sterbe.
Rollt sich nach rechts hinaus.
PFARRER MOSER
Vater unser, der du bist im Himmel.
Überblendung: Während Frank V. sich nach rechts hinausrollt und Pfarrer Moser betet, kommt von links und rechts hinten, um das Bankportal herum, die Trauergemeinde auf die Vorbühne. Während die erste Strophe des Chorals gesungen wird, tragen die Schalterbeamten Häberlin, Kappeler und Schmalz sowie der Personalchef Egli den Sarg von links hinten herein, offensichtlich niedergeschlagen durch den Tod ihres menschenfreundlichen Chefs. Sie setzen den Sarg in der Mitte des Vordergrunds ab, treten dann auf der Vorbühne still nach rechts, sie bilden eine Gruppe, unmittelbar gefolgt von Trauergästen, die nach links treten, dort eine weitere Gruppe bilden, zu der Pfarrer Moser tritt. Die Trauergemeinde ist feierlich gekleidet, schwarze Mäntel und Hüte, einige Zylinder.
ALLE
O Mensch, der du gekrochen
Nach Monden und nach Wochen
Aus deiner Mutter Bauch
Was suchst du, Narr, hienieden
Gerechtigkeit und Frieden
Verlache all dein Planen
Du sausest zu den Ahnen
Und deine Kinder sausen auch.
Der Prokurist Emil Böckmann führt die verschleierte Witwe Ottilie Frank, die sich auf Frieda Fürst stützt, von links herein, führt sie zum Sarg, tritt dann zu Egli, ebenso Frieda.
ALLE
Den wir hier fromm versenken
Der lenkte unser Denken
Als Präsident und Boss
Geehrt von allen Banken
Stand er, wenn andre sanken
Dann ging’s ihm wie uns allen
Er fiel, der nie gefallen
Der Mensch ist klein, der Tod ist groß.
OTTILIE
Frank der Fünfte. Ich bin dein Weib und weiß, was sich schickt. Keine Träne an deinem Grab, Anerkennung des Unabänderlichen, sich beugen unter das göttliche Gesetz, Haltung.
Man nimmt Haltung an.
OTTILIE
Es hat keinen Sinn, sich etwas vorzumachen. Die Zeit, die dich prägte, ist versunken. Dein Vater regierte die Wallstreet, dein Großvater hatte ganz China in Händen, du vermochtest am Ende deiner Herrschaft nicht einmal mehr ein mittleres Elektrizitätswerk zu finanzieren. Deine Macht schwand, und dein Herz brach. Damit erlosch deine Dynastie. Wir, die wir bleiben, müssen nun in einer Welt von Zwergen ausharren. Herr Direktor der Staatsbank, Herr Direktor der Vereinigten Banken, Herr Direktor der HandelsAG, Ihr Herren Aufsichtsräte, Freunde, Mitarbeiter: Ich nehme Abschied vom letzten großen Privatbankier unserer Zeit: Gottfried, lebe wohl. In die Familiengruft mit dir!
Die drei Schalterbeamten und Egli tragen den Sarg nach rechts hinaus.
Überblendung: Der Zwischenvorhang teilt sich. Zwischen dem Bankportal ein großer, reichgedeckter Tisch: weißes Tischtuch, Fruchtschalen, halbvolle Rotweingläser, Kognakgläser usw. Darüber hängt ein brennender Lüster. Ottilie, Frieda Fürst, Böckmann begeben sich zum Tisch, später auch die drei Schalterbeamten und Richard Egli, während sich die Trauergäste beim Schlußchor verziehen.
ALLE
So sinken Dynastien,
Verstummen, die da schrien
So narrte sie das Licht.
O Fünfter Frank, wie mächtig
War dein Geschlecht, wie prächtig
Du letzter all der Großen
Bist nun ins Grab gestoßen
Und eine Rückkehr gibt es nicht.
Von links kommt Päuli Neukomm mit einem Köfferchen.
PÄULI
Kondoliere, Frau Direktor, von ganzem Herzen.
OTTILIE
Du willst schon gehen, Päuli Neukomm?
PÄULI
Habe dem Herrn Personalchef gekündigt, Frau Direktor.
OTTILIE
Nach drei Tagen.
FRIEDA
Sieh mal an.
PÄULI
Möchte nach Amseldingen zurück.
BÖCKMANN
Möchtest?
PÄULI
Mein Vater betreibt dort die Käserei.
HÄBERLIN
Ein ehrliches Handwerk.
PÄULI
Ich mache mir bloß Sorgen um meinen Freund Heini Zurmühl.
KAPPELER
Wir vermissen ihn auch beim Totenmahl.
OTTILIE
Informieren wir die Polizei.
PÄULI
Ich verstehe nicht, Frau Direktor.
EGLI
Dein Freund Heini Zurmühl war bloß ein ehemaliger Herrenschneiderlehrling.
PÄULI
Was hat das mit mir zu tun, Herr Personalchef?
FRIEDA
Dein Vater besitzt in Amseldingen eine Schlosserei, ich komme auch aus der Gegend.
PÄULI
Spielt doch keine Rolle, Fräulein Frieda.
HÄBERLIN
Meinst du.
KAPPELER
Vielleicht spielt es doch eine Rolle.
SCHMALZ
Du bist nämlich auch Schlosser, mein Junge.
OTTILIE
Päuli Neukomm, greif mal in deine rechte Seitentasche und übergib mir den Tresorschlüssel. Er ist zwar nicht das Original, sondern nach einem Abdruck hergestellt, doch da du ein tüchtiger Schlosser bist, auch so ganz brauchbar.
PÄULI
Bitte, Frau Direktor.
Gibt den Schlüssel.
BÖCKMANN
Den Zahlenkode zum Tresor ließ ich gestern absichtlich auf dem Schreibtisch liegen.
PÄULI
Ich habe ihn abgeschrieben, Herr Prokurist.
EGLI
Du wolltest dich heute in unserer Bank einschließen lassen, deinem Freund Heini nachts die Tür öffnen und dich mit ihm und den Millionen aus dem Staube machen. Stimmt’s?
PÄULI
Stimmt, Herr Personalchef.
OTTILIE
Das Verschwinden Heini Zurmühls machte dir einen Strich durch die Rechnung.
PÄULI
Ich gebe alles zu, Frau Direktor. Setzt sich gebrochen auf sein Köfferchen. Ich habe versagt, rufen Sie die Polizei.
Alle außer Päuli Neukomm erheben sich.
OTTILIE
Päuli Neukomm. Du bist definitiv in unsere Bank aufgenommen. Dein Einbruchsversuch war lobenswert, wenn auch dilettantisch geplant, der Tresorschlüssel tadellose Arbeit.
Sie setzen sich wieder, gleichzeitig springt Päuli Neukomm hoch.
PÄULI
Ihr seid eine Gangsterbank.
EGLI
Natürlich sind wir eine Gangsterbank.
PÄULI
Mein Gott, in welchen Sumpf bin ich geraten!
OTTILIE
Von uns wurde noch nie ein ehrliches Geschäft abgewickelt.
BÖCKMANN
Wir arbeiten in einem Staat, dessen Bürgerfleiß sprichwörtlich geworden ist.
HÄBERLIN
Die Polizei ist vorbildlich organisiert.
FRIEDA
Besonders die Sittenpolizei.
PÄULI
Und zu Hause betet eine Mutter für mich.
KAPPELER
Die Mühe kann sie sich sparen.
PÄULI
Wo ist mein Freund?
SCHMALZ
In unseren Kreisen gibt es keine Freunde.
PÄULI
Mein Freund Heini Zurmühl?
EGLI
Geht dich nichts an.
PÄULI
Es geht mich was an. Ich bin ein vollwertiges Mitglied eurer verfluchten Bande und will die Wahrheit wissen.
OTTILIE
Gottfried, komm raus.
Aus dem Hintergrund kommt Frank V. als Priester verkleidet, grüßt.
PÄULI
Frank, der Menschenfreund.
FRANK V.
Ich bin’s.
PÄULI
Heini? Was habt ihr mit meinem Freund Heini Zurmühl gemacht?
FRANK V.
Wir brauchten dringend eine männliche Leiche, mein Sohn. Unsere Geschäftsmethoden lassen sich nicht mehr länger verheimlichen, die staatlichen Kontrollen sind strenger, die Computer unfehlbar; irren sie, meistens zugunsten der Kunden: Wir beschlossen daher, die Bank zu liquidieren. In wenigen Wochen feiert unsere Firma das zweihundertjährige Bestehen. Kurz darauf wird auch meine liebe Gattin sterben. Wie ich. An einem Herzinfarkt. Nach ihrer Beerdigung verbringen wir den Lebensabend gemeinsam unter einem anderen Namen in einem humaneren Klima.
EGLI
Auch das Personal wird verschwinden.
BÖCKMANN
Der Staat übernimmt die Schulden, wir haben unsere Ersparnisse in Sicherheit gebracht, und es kommt alles in Ordnung.
FRANK V.
Bis dahin will ich ein rein geistiges Dasein führen. Ich bin ein durch und durch religiöser Mensch.
OTTILIE
Quatsch nicht, Gottfried. Päuli Neukomm, du hast Glück gehabt.
FRIEDA
Eigentlich hatten wir dich dazu ausersehen, im Sarge zu liegen.
HÄBERLIN
Doch Heini Zurmühl wollte uns erpressen.
KAPPELER
Wir mußten ihn umlegen.
SCHMALZ
Ich. Im Keller.
PÄULI
Mörder.
FRANK V.
Geschäftsleute in Bedrängnis, mein Sohn.
OTTILIE
Und du, Päuli, kommst in die große Lehre.
EGLI
Im Innendienst.
BÖCKMANN
Marsch, deine Laufbahn beginnt.
PÄULI
Das ist ungerecht! Ich wollte nur mit einem großen Dreh reich werden wie ihr, ein einziges Mal, und dann anständig bleiben.
OTTILIE
Neukomm, welch geschwollner Ton!
FRANK V.
Fälsche erst mal einen Check
BÖCKMANN
Bring ein Defizit mir weg
EGLI
Stiehl die Aktien von Herrn Kohn
HÄBERLIN
Geh erst brav den krummen Pfad
KAPPELER
Tausche erst mal falsches Geld
SCHMALZ
Schaff ’ne Leiche in die Welt
FRIEDA
Armut scheint dir dann als Gnad
PÄULI
Welcher Hohn!
FRANK V.
Duck dich, Sohn!
OTTILIE
Eines mußt du endlich wissen
PÄULI
Was muß ich denn endlich wissen?
DIE EINEN
Was wir schieben und erraffen
DIE ANDEREN
Was erpressen wir und schaffen
DIE EINEN
Morden, prellen und betrügen
DIE ANDEREN
Wuchern, stehlen, hehlen, lügen
ALLE
Tun wir nur, weil wir es müssen
Möchten Gutes tun. Doch eben
Wollen wir im Wohlstand leben
Müssen wir Geschäfte machen
Und in dieser rohen Welt
Hat der Arme nur zu lachen
Für sein Geld.
PÄULI
Ach, in dieser rohen Welt
Hat der Arme nur zu lachen.
ALLE
Für sein Geld.
Zwischenvorhang geschlossen.
Links stellt der Kellner Guillaume einen Tisch mit zwei Stühlen auf die Vorbühne, rechts wird ein Bartisch hereingeschoben. Auf dem freundlich gedeckten Tisch steht eine leere Vase.
Von links Frieda Fürst, von rechts Richard Egli mit einer Rose.
EGLI
Frieda.
FRIEDA
Richard.
EGLI
Ich lag im ›Imperial‹ bei der Millionärin aus Milwaukee
Die Vorhänge bewegten sich im Mondlicht
Doch ich dachte nur an dich.
FRIEDA
Mein Leib ist noch warm vom Leibe des Tiefbauingenieurs
Ein Käuzchen klagte, und im Hofe stand ein blauer Chevrolet
Doch ich war nur bei dir.
EGLI
Ich wünsche dir einen schönen Morgen.
FRIEDA
Ich dir auch.
EGLI
Eine Rose.
FRIEDA
Ich danke dir.
EGLI
Mit wem ich auch schlief im Luxushotel
Wer auch die Kundin war
FRIEDA
Mit wem ich auch lag im kleinen Hotel
Wer auch der Kunde war
EGLI
Geb ich dich auch her für die Bank
gibst du dich auch hin für das Geld
FRIEDA
Wir wollen sein Bräutigam und Braut in dieser Welt
EGLI
Uns treu sein immerdar.
Sie setzen sich an den Tisch links.
FRIEDA
Wie immer, Guillaume.
EGLI
Mir auch.
GUILLAUME serviert
Schwarztee und Yoghurt.
Frieda stellt die Rose in die Vase.
FRIEDA
Vergiß deine Tropfen nicht.
Er tropft etwas in ein Glas Wasser, sie schenkt Tee ein.
FRIEDA
Zucker?
EGLI
Zwei.
FRIEDA
Toast?
EGLI
Einen.
Sie rühren im Tee.
FRIEDA
Meine Schwester in Anderthal hat ihr fünftes Kind bekommen. Einen Knaben.
EGLI
Mein Bruder in Maibrugg ist Gemeindepräsident geworden. Er hat es geschafft.
Sie trinken Tee.
FRIEDA
Zwanzig Jahre sind wir jetzt bei Frank.
EGLI
Zweiundzwanzig.
FRIEDA
Jedes Jahr wollten wir heiraten.
EGLI
Das Geschäft kam immer dazwischen.
FRIEDA