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Studienarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Französische Philologie - Linguistik, Note: 1,0, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Romanistik), Veranstaltung: Französisch: Sprache und Literatur, Sprache: Deutsch, Abstract: Bei Beschäftigung mit der Frage, welche Faktoren langfristig dazu beigetragen haben, eine französische Sprachnorm zu konstituieren, stößt man gleich zu Beginn auf die enge Verbindung zwischen der französischen Sprache und ihrer Literatur. Bereits in frühen Jahrhunderten kristallisierte sich die Funktion der französischen Literatur als Bezugspunkt und Ideal für die Verwendung des Französischen hinaus. In einer wechselseitigen Beziehung war die Literatursprache somit zugleich Ausdruck der herrschenden Norm als auch das Medium, durch das die Konstituierung dieser Norm erfolgte. Während zu einer Zeit relativer kultureller und sprachlicher Einheit innerhalb des Hexagons noch Ideale wie Natürlichkeit, Reinheit und Klarheit der französischen Klassiker als maßgeblich für den bon usage der französischen Sprache galten, lässt sich ab Beginn der postkolonialen Literatur eine deutliche Veränderung dieses Konzepts beziehungsweise auch das Aufbrechen bisheriger Normen feststellen. Die postkolonialen Autoren mussten sich hierbei direkt damit auseinandersetzen, in welcher Weise das Schreiben in der französischen Sprache, der Sprache der ehemaligen Kolonialherren, die Konzeption und Repräsentation der eigenen Identität beeinflusste oder gegebenenfalls auch beeinträchtigte. Es entstand die Frage, inwieweit man kulturelle Eigenidentität einbüßte, indem man sich der Sprache des Landes bediente, das das eigene Land vorher unterworfen und regiert hatte. Ahmadou Kourouma hat seine eigene Methode gefunden, um mit dieser schwierigen Thematik umzugehen. Seine Werke haben unter Literaturkritikern und Sprachwissenschaftlern eine große Debatte ausgelöst. Hierbei wird insbesondere die Frage nach der Sprache Kouroumas aufgeworfen, die das erreichen soll, was dem eigenen Land unter französischer Herrschaft nicht möglich war: die eigene Identität durch das Medium der französischen Sprache zu kreieren, ohne dass die Verwendung des Französischen jedoch die Niederlage ausdrücken würde, die dies vor der Unabhängigkeit noch bedeutet hatte. So wird das Schreiben auf Französisch als eine Möglichkeit „de témoigner d’un peuple qui a été violé dans cette langue-là“ gesehen. In diesem Sinn verwendet Kourouma die französische Sprache, „en [la] colonisant à son tour“, um so die eigene kulturelle Identität zurückzuerobern und zu konstituieren.
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Entstehung frankophoner Literaturen im Postkolonialismus
2.1. Das Konzept des Plurilinguismus im frankophonen Roman
2.2. Plurilinguismus bei Kourouma: Von der Oralität des malinké zur Schriftkultur
3. Le métissage der französischen Sprache: sprachliche Modifikationen in den Werken Kouroumas
3.1. Metaebene der Sprache
3.2. Lexikalische Ebene
3.3. Semantische und grammatische Ebene
4. Schlussbetrachtung
5. Literaturverzeichnis
Bei Beschäftigung mit der Frage, welche Faktoren langfristig dazu beigetragen haben, eine französische Sprachnorm zu konstituieren, stößt man gleich zu Beginn auf die enge Verbindung zwischen der französischen Sprache und ihrer Literatur. Bereits in frühen Jahrhunderten kristallisierte sich die Funktion der französischen Literatur als Bezugspunkt und Ideal für die Verwendung des Französischen hinaus. In einer wechselseitigen Beziehung war die Literatursprache somit zugleich Ausdruck der herrschenden Norm als auch das Medium, durch das die Konstituierung dieser Norm erfolgte.
Während zu einer Zeit relativer kultureller und sprachlicher Einheit innerhalb des Hexagons noch Ideale wie Natürlichkeit, Reinheit und Klarheit[1] der französischen Klassiker als maßgeblich für den bon usage der französischen Sprache galten, lässt sich ab Beginn der postkolonialen Literatur eine deutliche Veränderung dieses Konzepts beziehungsweise auch das Aufbrechen bisheriger Normen feststellen. Die postkolonialen Autoren mussten sich hierbei direkt damit auseinandersetzen, in welcher Weise das Schreiben in der französischen Sprache, der Sprache der ehemaligen Kolonialherren, die Konzeption und Repräsentation der eigenen Identität beeinflusste oder gegebenenfalls auch beeinträchtigte. Es entstand die Frage, inwieweit man kulturelle Eigenidentität einbüßte, indem man sich der Sprache des Landes bediente, das das eigene Land vorher unterworfen und regiert hatte. Doch auch das Schreiben in der eigenen, indigenen Sprache stellte sich insofern als problematisch heraus, als dass die Plattform dieser Literatur begrenzt war: der Kreis der Sprecher, die in der Lage waren, diese Sprachen zu verstehen, hatte häufig aufgrund ihres oralen Charakters kein Interesse daran, diese auch zu lesen.[2]
Ahmadou Kourouma, ivorischer Autor und Inhaber des Prix Renaudot und des Prix Goncourt des lycéens, hat seine eigene Methode gefunden, um mit dieser schwierigen Thematik umzugehen. Trotz der Tatsache, dass Kourouma während seines Lebens nur vier Werke veröffentlicht hat, haben diese unter Literaturkritikern und Sprachwissenschaftlern eine große Debatte ausgelöst. Hierbei wird insbesondere die Frage nach der Sprache Kouroumas aufgeworfen, die das erreichen soll, was dem eigenen Land unter französischer Herrschaft nicht möglich war: die eigene Identität durch das Medium der französischen Sprache zu kreieren, ohne dass die Verwendung des Französischen jedoch die Niederlage ausdrücken würde, die dies vor der Unabhängigkeit noch bedeutet hatte. So wird das Schreiben auf Französisch als eine Möglichkeit „de témoigner d’un peuple qui a été violé dans cette langue-là“[3] gesehen. In diesem Sinn verwendet Kourouma die französische Sprache, „en [la] colonisant à son tour“, um so die eigene kulturelle Identität zurückzuerobern und zu konstituieren.[4]
Diese Hausarbeit wird sich mit der Frage auseinandersetzen, welche Auswirkungen die Entstehung von frankophonen Literaturen auf die bisher geltende französische Sprachnorm hatte. Ausgehend von der Entstehung dieser Literaturen werde ich erläutern, inwiefern plurilinguistische Konzepte in ihren Werken zunehmend einen integralen Bestandteil ausmachen und an Bedeutung gewinnen. Nach dieser Einleitung wird untersucht, welches genaue sprachliche Konzept den Werken Kouroumas zugrunde liegt. Hierbei werde ich zuerst darauf eingehen, warum seine Werke Zeichen von Plurilinguismus tragen, welche Ansätze und Strategien er beim Schreiben verfolgt und warum Kritiker seiner Werke von einer „Malinkisierung“ des Französischen sprechen. Außerdem ist relevant, inwieweit die Merkmale der Oralität aufgegriffen und verarbeitet werden. Abschließend wird analysiert, inwiefern und auf welchen Ebenen Kourouma die französische Sprache modifiziert, und was für Auswirkungen dies auf die Gesamtkonzeption seiner Werke hat. Der Fokus wird hierbei auf dem letzten während seines Lebens veröffentlichten Werk, Allah n’est pas obligé, liegen.
Nachdem viele Jahrhunderte lang nur von „französischer“ Literatur gesprochen wurde, stellte sich nach der Unabhängigkeit vieler ehemaliger französischer Kolonien die Frage, wie die in diesen Ländern entstehenden Literaturen, die in französischer Sprache geschrieben wurden, klassifiziert werden sollten. Da die französische Sprache und ihre literarische Schrifttradition in Frankreich von jeher an die Konstituierung der französischen Nationalidentität gekoppelt waren, entstand nun die Notwendigkeit, für die Literaturen der Länder, die das kulturelle französische Erbe nicht teilten, eine neue Möglichkeit der Klassifizierung zu schaffen.[5]