Fräulein Else von Arthur Schnitzler: Reclam Lektüreschlüssel XL - Arthur Schnitzler - E-Book

Fräulein Else von Arthur Schnitzler: Reclam Lektüreschlüssel XL E-Book

Arthur Schnitzler

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Beschreibung

Reclam Lektüreschlüssel XL – hier findest du alle Informationen, um dich zielsicher und schnell vorzubereiten: auf Klausur, Referat, Abitur oder Matura! Differenziert, umfassend, übersichtlich! - Präzise Inhaltsangaben zum Einstieg in den Text - Klare Analysen von Figuren, Aufbau, Sprache und Stil - Zuverlässige Interpretationen mit prägnanten Textbelegen - Informationen zu Autor:innen und historischem Kontext - Hilfreiche Infografiken, Abbildungen und Tabellen - Aktuelle Literatur- und Medientipps - Prüfungsaufgaben mit Lösungshinweisen - Zentrale Begriffe und Definitionen als Lernglossar »Fräulein Else« ist Arthur Schnitzlers wohl berühmteste Schilderung eines Frauenschicksals: Die neunzehnjährige Else soll ihren Vater vor dem drohenden Bankrott retten und zerbricht an den Forderungen des Geldgebers. Zeitgenossen des Autors rühmten die präzise Charakterdarstellung, die Erkenntnisse aus der Psychoanalyse verarbeitet.

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Seitenzahl: 118

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Arthur Schnitzler

Fräulein Else

Lektüreschlüssel XL für Schülerinnen und Schüler

Von Bertold Heizmann

Reclam

Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe:

Arthur Schnitzler: Fräulein Else. Novelle. Hrsg. von Sabine Wolf. Stuttgart: Reclam, 2017. (Reclam XL. Text und Kontext, 19380.)

Diese Ausgabe des Werktextes ist seiten- und zeilengleich mit der in Reclams Universal-Bibliothek Nr. 18155.

 

E-Book-Ausgaben finden Sie auf unserer Website

unter www.reclam.de/e-book

 

 

Lektüreschlüssel XL | Nr. 15486

2019 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2019

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961465-6

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015486-1

www.reclam.de

Inhalt

1. Schnelleinstieg2. Inhaltsangabe3. FigurenFiguren des ›Abkommens‹: Else, Dorsday und Elses ElternWeitere Figuren4. Form und literarische TechnikErzähltechnik und AufbauSprache und Stil5. Quellen und Kontexte6. InterpretationsansätzeZum TitelZusammenhang zwischen Elses Außen- und InnenweltDie Begriffe »Matador« und »Filou«Soziale DeterminantenSexualität»Karneval«Lebenswille, Todeswunsch7. Autor und ZeitZeitgeschichtliche Einordnung von Schnitzlers WerkBiographie8. Rezeption9. Prüfungsaufgaben mit LösungshinweisenAufgabe 1: Analyse der Denk- und Verhaltensweise einer FigurAufgabe 2: Interpretation eines literarischen TextesAufgabe 3: Erörterung einer Textvorlage10. Literaturhinweise/MedienempfehlungenWerkausgabenErläuterungen und InterpretationenBiographienFilm- und Hörbuchempfehlungen11. Zentrale Begriffe und Definitionen

1. Schnelleinstieg

Fräulein Else gehört zu den späten Erzählungen Schnitzlers. Wie in der 20 Jahre zuvor entstandenen erfolgreichen Novelle Lieutenant Gustl bedient er sich der Technik des »inneren Technik: Innerer MonologMonologs«. Als ein Bekannter ihm gegenüber später gesteht, bei der Lektüre von Fräulein Else wegen dieser Erzähltechnik große Schwierigkeiten gehabt zu haben, antwortet ihm der Dichter zu dessen Überraschung, selten sei ihm »etwas Erzählendes so leicht von der Hand gegangen«.1 Er wundert sich, angesichts der Leichtigkeit, mit der ihm die Arbeit von der Hand ging, sowie der »ganz außerordentliche[n] Möglichkeiten«, die diese Technik biete, selbst darüber, dies so selten getan zu haben.2 Allerdings räumt er ein, es würden sich »nur wenige Sujets dazu« eignen.3

Das ›Sujet‹ der Novelle, die selbstquälerischen Zweifel der 19-jährigen Else, lässt Schnitzler eine Erzählweise wählen, die die Distanz zwischen Erzähler und Protagonistin verringert, ja fast völlig aufhebt: Elses Monolog ist in hohem Maße subjektiv und erlaubt dem Leser Einblicke in ihr Inneres, ohne durch Reflexionen eines auktorialen Erzählers unterbrochen zu werden. Schnitzler ist oft dafür gerühmt worden, wie überzeugend es ihm, dem mehr als 60-Jährigen, gelungen ist, sich in die Gefühls- und Gedankenwelt eines jungen Mädchens einzufühlen. Er erweist sich einmal mehr als souveräner Schnitzler: Kenner der weiblichen PsycheKenner der weiblichen Psyche; gerade seine persönlichen Erfahrungen mit durchaus problematischen Frauenfiguren – wozu auch seine zum Zeitpunkt der Abfassung der Novelle 15-jährige Tochter Lili zu zählen ist – haben seinen Blick geschärft für die ›weibliche‹ Sichtweise in Bezug auf Erziehung, Moral, Gesellschaft, Sexualität.

Der zu seiner Zeit berühmte, aber wegen der vielen SkandalschriftenSkandale um seine allzu freizügigen Schriften vielfach angefeindete und mit Prozessen überzogene Autor ist lange Zeit auf diese Skandalschriften, insbesondere den Reigen, reduziert worden. Im Nationalsozialismus bediente Schnitzler das Vorurteil, jüdische Schriftsteller brächen sämtliche moralischen Gesetze oder Tabus und seien deshalb als ›undeutsch‹ oder ›entartet‹ abzulehnen. Auch nach 1945 litten Schnitzlers Schriften unter dem Makel, als allzu zeitbezogen zu gelten: Man amüsierte sich eher darüber, dass derartige Darstellungen das damalige Publikum schockieren und empören konnten. Erst in den letzten Jahrzehnten ist die literarisch interessierte Öffentlichkeit bereit, in Schnitzler auch wieder den sensiblen Psychologen und Gesellschaftskritiker zu sehen, dem es in seinen Theaterstücken und Erzählungen gelungen ist, bei aller Zeitgebundenheit grundsätzliche menschliche Darstellung menschlicher VerhaltensweisenVerhaltensweisen in ihrer Problematik zu thematisieren. Einen schönen Beleg liefert der Film Eyes Wide Shut von Stanley Kubrick (1999), der auf Schnitzlers Traumnovelle basiert: Mühelos gelingt es Kubrick, die Thematik der zwanziger Jahre in Wien nach New York des ausgehenden 20. Jahrhunderts zu transponieren – die Dramatik der zwischenmenschlichen Spannungen ist hier wie dort dieselbe.

Auch wenn es heute fraglich erscheint, ob ein junges Mädchen sich in einer vergleichbaren Situation derartigen seelischen Qualen aussetzt, wie es Else: Selbstfindungsprozess in fragiler UmweltElse tut, so ist die Erzählung dennoch mehr als ein bloßes Spiegelbild einer untergegangenen Zeit, sie ist die nachvollziehbare Darstellung des Selbstfindungsprozesses eines jungen Menschen in einer gesellschaftlich und moralisch fragilen Umwelt.

2. Inhaltsangabe

Ort und Zeit: genau bestimmbarOrt und Zeitpunkt des erzählten Geschehens lassen sich aufgrund einiger nachvollziehbarer Daten genau feststellen: Es spielt am 3. September 18964. Die Titelfigur ist um vier Uhr zum Tennis gegangen und hat beinahe drei Stunden gespielt. Also setzt die Handlung gegen 19 Uhr ein, »zwei Stunden bis zum Dinner« (S. 5), und endet wenige Stunden später. Es liegt somit tendenziell eine Zeitdeckung vor, da Erzählzeit und erzählte Zeit weitgehend übereinstimmen. Auch der Ort wird benannt: Das Geschehen findet im Hotel Fratazza in San Martino di Castrozza am Fuße des Cimone, eines Gipfels der Palagruppe in den Südtiroler Dolomiten, statt. (Das Hotel Fratazza existierte im Jahre 1896 allerdings noch nicht, es wurde erst 1908 errichtet.)

Da die Novelle nicht in Kapitel unterteilt ist, orientiert sich die folgende Inhaltsangabe an Sinnabschnitten der Geschichte.

Der Leser lernt die Else, die »arme Verwandte«Titelfigur als ein 19-jähriges Mädchen aus Wien kennen, das seinen Urlaub auf Einladung der »reichen Tante« Emma in dem noblen Hotel verbringt; normalerweise hätte sie, die »arme Verwandte« (S. 6), sich einen solchen Luxus nicht leisten können. Im selben Hotel halten sich auch ihr Cousin Paul sowie die verheiratete Cissy Mohr auf. Mit den beiden, die sie im Verdacht hat, ein Verhältnis miteinander zu haben, hat Else gerade Tennis gespielt, möchte sich jetzt aber zurückziehen. Sie behauptet, nicht in den gut aussehenden Paul verliebt zu sein, er sei ihr zu »affektiert« (S. 5). In Gedanken ist sie bei einem angekündigten Expressbrief, den sie von zu Hause erwartet und der sie in Unruhe versetzt. Um vier Uhr, als sie zum Tennis ging, war er noch nicht da. Sie befürchtet, möglicherweise in die Stadt zurückkehren zu müssen, denn eigentlich genießt sie das luxuriöse Leben. Andererseits wird spürbar, dass sie sich in der Atmosphäre des vornehmen Hotels manchmal fehl am Platze fühlt, denn die reichen Müßiggänger mit ihrem affektierten Gehabe fallen ihr auf die Nerven. Die Frage, ob und wieweit sie zu diesen gehört, spielt in ihren Gedanken eine wesentliche Rolle, da sie ursprünglich aus »besseren Verhältnissen« (S. 6) stammt und sich selbst als »Snob« (S. 7) fühlt, aber verarmt ist. Eine solche luxuriöse Existenz könnte so schön sein, sagt sie sich, denn sie sei »zu einem sorglosen Leben geboren« (S. 7).

Am Abend begegnen ihr im Hotel verschiedene Gäste, mit denen sie kurz ins Gespräch kommt, so auch der reiche jüdische Kunsthändler Dorsday. Das oberflächliche gesellschaftliche Geplauder enthält deutlich herauszuhörende erotische Erotische UntertöneUntertöne. Else fühlt sich körperlich und seelisch unwohl: körperlich, weil ein Ziehen in den Beinen die Menstruation ankündigt, seelisch, weil der verhängnisvolle Brief immer noch nicht da ist. Schließlich übereicht ihr ein Portier den Brief dann doch, den sie aber erst später in unheilvoller Erwartung auf ihrem Zimmer öffnet.

Tatsächlich sind ihre Befürchtungen berechtigt. Ihre Mutter teilt ihr Der verhängnisvolle Briefwortreich mit, dass der Vater, ein mit dubiosen Geschäften betrauter Anwalt in Wien, wieder einmal in große finanzielle Bedrängnis geraten sei und sich nicht mehr zu helfen wisse, da die bisherigen Freunde und Verwandten alle bereits im Übermaß in Anspruch genommen worden oder derzeit nicht verfügbar seien. Er benötige dringend dreißigtausend Gulden, sonst sei »alles verloren« (S. 11). Die Mutter scheint weniger die Insolvenz zu befürchten, als den damit ausgelösten Skandal. In dieser Situation wende man sich jetzt an sie, da sie, die Tochter, in ihrem letzten Brief geschrieben habe, Dorsday getroffen zu haben, den der Vater seit langem kenne, und man bitte sie, doch Dorsday, der Else schon als Kind »immer besonders gern gehabt« habe, um den »Liebesdienst« (S. 13) anzugehen, dem Vater mit dreißigtausend Gulden aus der Not zu helfen. Sollte der Vater die Summe nicht beibringen können, werde er wohl ins Gefängnis wandern müssen, da es sich, wie indirekt durchklingt (und sich später bestätigt), um veruntreute und an der Börse verspekulierte Mündelgelder handele.

Else liest den Brief mit Verbitterung. Ihr geht durch den Sinn, dass die Familie eigentlich schon seit Jahren am Ende ist, aber dennoch nach außen hin eine sorglose Existenz vortäuscht. Sie fühlt sich zerrieben zwischen dem gesellschaftlichen Anspruch einerseits, den insbesondere der Vater aufrechtzuerhalten sucht, und der moralischen Verurteilung der Ursachen dieser Verarmung andererseits. Sie sieht sich außerstande, dem Wunsch der Eltern nachzukommen und Dorsday anzubetteln, zumal sie realistischerweise befürchtet, mit den dreißigtausend Gulden sei es nicht getan (auch das bestätigt sich später); stattdessen gehen ihr einige Alternativen durch den Sinn, die aber allenfalls in der Selbstanklage enden, ihrerseits nicht über die Mittel zu verfügen, die dem Vater aus seiner Klemme helfen könnten. Auch verwirft sie die Möglichkeit, die geizige Tante anzusprechen – diese würde vermutlich solche Mittel auf die Schnelle ohnehin gar nicht flüssigmachen können. Dass sie in dem Ansinnen der Mutter eine Eine unmoralische AufforderungAufforderung zur Prostitution sieht, wird im Weiteren deutlich: Statt den »[w]iderliche[n] Kerl« (S. 17) Dorsday zu fragen, für den sie – befolgte sie den Plan ihrer Eltern – ein tief dekolletiertes Kleid anziehen würde, in dessen Ausschnitt sich dann seine Augen bohren könnten, geht ihr durch den Sinn, den Cousin Paul um die Dreißigtausend anzugehen: er könne dann von ihr haben, was er wolle. Eine solche Szenerie erschiene ihr jedoch wie aus einem schlechten Roman, zumal ein derartiges sexuelles Abenteuer ihr auch noch Vergnügen bereiten könnte. So kommt sie doch auf den Vorschlag der Mutter zurück.

Trotz ihres Abscheus vor den – unterstellten – finanziellen Machenschaften ihres Vaters und des zwischenzeitlich geäußerten Wunsches, dieser möge tot sein (vgl. z.B. S. 14, 36, 37), wächst in ihr dann doch das Bedürfnis der guten Tochter, den Vater zu »»Rettung« des Vatersretten« (S. 16). Und in den nächsten Stunden beginnt sie, sich mit dem Gedanken zu befassen, Dorsday »an[zu]pumpen« (S. 18), obwohl sie sich sehr wohl darüber im Klaren ist, dass dieser eine Gegenleistung fordern werde. Sie beschwört Erinnerungsbilder sowohl aus der eigenen Bekanntschaft als auch aus der Literatur herauf, die ihr – gegen alle Skrupel – das Alltägliche und Gewöhnliche eines solchen Arrangements zeigen sollen. Aber da sie selbst noch über keine Erfahrungen in diesem Gebiet verfügt, helfen ihr diese Vorstellungen nicht weiter. In ihrer Verzweiflung wünscht sie tot zu sein.

Von solchen widersprüchlichen Widersprüchliche EmpfindungenEmpfindungen erfüllt, bereitet sie sich auf ein Treffen mit Dorsday vor. Mehrere Variationen gehen ihr durch den Sinn, wie sie ihn ansprechen könnte. Und immer wieder schweifen ihre Gedanken ab und zeigen ihre ganze Verwirrung. Es sind durchweg erotisch gefärbte Bilder und Emotionen: die Mutter, die sicherlich immer eine treue Gattin war – sie selbst würde aber nicht treu sein; sie will später keine Kinder haben (sie sei nicht »mütterlich«, S. 21), dann aber möchte sie einen Gutsbesitzer heiraten und doch Kinder haben (vgl. S. 21); sie schwankt hin und her zwischen der Zuneigung zu dem (allzu) anständigen Jugendfreund Fred und der Imagination eines »Filous«. Sie stellt sich vor, einen Mann und »tausend Geliebte[]« zu haben, findet aber die Vorstellung, dass Paul und Cissy zusammen im Bett liegen, »[u]nappetitlich« (S. 22). Sie fühlt sich »ganz allein«, »so furchtbar allein« (S. 22).

Sie geht in die Hotelhalle hinunter. Noch ist es nicht Zeit zum Dinner. Paul und Cissy kommen vom Tennis, Cissys Geplapper stört Else, und selbst Pauls Komplimente empfindet sie als lästig, da sie innerlich mit der Begegnung mit Dorsday beschäftigt ist. Endlich verabschiedet sich Paul, und es kommt zum Aufeinandertreffen mit Dorsday, dessen verbale und körperliche Zudringlichkeiten sie im Bewusstsein erduldet, bereits »so tief gesunken« zu sein (S. 29). Größtenteils widerstrebend (»O, Gott, wie ich mich erniedrige«, S. 30) bringt sie die Rede auf den Brief der Mutter, die verzweifelte Situation des Vaters, dessen frühere private und geschäftliche Beziehungen zu Dorsday. Dieser durchschaut die Hintergründe, scheint allerdings anfangs bereit, dem Vater zu helfen, wenngleich er – so wie schon zuvor Else – überzeugt ist, dass dieser finanzielle Kraftakt lediglich »[e]in Tropfen auf einen heißen Stein« sein dürfte (S. 31). Dem widerspricht Else jetzt heftig; aber als sie zu spüren meint, ihre Bitten seien vergeblich, möchte sie das Gespräch beenden. Da zeigt sich Dorsday zu der Maßnahme bereit, »unter einer Dorsdays »Bedingung«Bedingung« (S. 33). Er gibt unumwunden zu, Else zu begehren, und als Gegenleistung für sein finanzielles Entgegenkommen wünscht er, Else solle sich ihm nackt zeigen. Dies solle auf seinem Hotelzimmer geschehen oder auch auf einer Waldlichtung; sie solle sich entscheiden. Er gibt ihr Bedenkzeit und verabschiedet sich.

Diese Bedingung ist zwar weniger, als Else befürchtet hatte, aber sie weiß, dass es ein Sündenfall wäre. In den folgenden Stunden gehen ihr erneut die widersprüchlichsten Elses GedankenchaosGedanken durch den Sinn: Sie stellt sich vor, der Vater sei im Gefängnis und die Familie litte unter der Schande, oder aber er erschieße sich, wenn der Haftbefehl käme. Sie verurteilt zwar die Veruntreuung der Gelder durch ihren Vater, dessen »verbrecherischen Leichtsinn[]« (S. 39), sieht dann aber auch wieder entlastende Gründe für seine Taten, und vielleicht werde der Vater ja auch als unzurechnungsfähig eingeschätzt und freigesprochen. Immer wieder fantasiert sie von alternativen Lösungen für die Situation – vielleicht werde doch irgendein Onkel aushelfen. Aber der Gedanke, dass sie von den eigenen Eltern an Dorsday verkauft worden ist, obwohl diese wissen mussten, dass der reiche Kunsthändler »nicht[s] für nichts und wieder nichts« tue (S. 39), lässt sich nicht verscheuchen. Die Abfolge der durch Assoziationen heraufbeschworenen Bilder nimmt rapide zu: Vater, Mitbewohner des Hotels, Geld, Nacktheit, die Vision ihres eigenen Todes, alles geht Else durch den Sinn, so dass sie hinterher nicht weiß, ob sie geschlafen und diese Bilder geträumt hat.

Die Vorstellung, selbst Imagination des eigenen Todes