Freiheit und Ehre - Roman nach der wahren Geschichte eines dänischen Freiheitskämpfers - Pernille Juhl - E-Book

Freiheit und Ehre - Roman nach der wahren Geschichte eines dänischen Freiheitskämpfers E-Book

Pernille Juhl

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Beschreibung

Freiheit und Ehre ist ein packender Roman und ein ebenso spannendes wie authentisches Stück Zeitgeschichte.Auf der Grundlage tatsächlicher Ereignisse erzählt Pernille Juhl vom Schicksal eines dänischen Freiheitskämpfers während des Zweiten Weltkriegs.Christian Fries wuchs in Kollund an der dänisch-deutschen Grenze auf. Niemand konnte ahnen, dass er im Alter von nur sechsundzwanzig Jahren den Verlauf des Krieges in Dänemark entscheidend beein ussen würde. Nach der Besatzung Dänemarks durch die Deutschen baute er unter dem Dach des Studentischen Nachrichtendienstes den Militärischen Nachrichtendienst auf.Freiheit und Ehre schildert Christian Fries' gefährliches Leben in einer Zeit, in der sich die Spielregeln Tag für Tag änderten.`Ein echter Pageturner´Ole Sørensen, Flensborg avis`Es ist nicht einfach, Fakten und Fiktion zu einem Roman zu verknüpfen. Und es ist schwierig, eine reale Person der dänischen Geschichte zu einer Roman gur zu machen. Beides gelingt Pernille Juhl in ihrem vierten Roman ganz ausgezeichnet´Hans Christian Davidsen, Flensborg avis`Eine fesselnde Erzählung voller Spannung und stimmiger Charaktere´ Arne Mariager, Jyske Medier-

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Pernille Juhl

Freiheit und Ehre

Roman

Saga

Freiheit und EhreAus dem Dänischen von Patric Zöller nachFrihed og æreCopyright © 2018 Pernille Juhl und Lindhardt og Ringhof Forlag A/SAll rights reservedISBN: 9788726029345

 

1. Ebook-Auflage, 2018Format: EPUB 2.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nachAbsprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

 

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

Vorwort

An einem eiskalten Tag im Dezember 2014 habe ich mir einige Dokumente ausgedruckt, die im Eingangsfach auf meinem Mailkonto angekommen waren. Mit dem Stapel Papiere, einer dampfenden Tasse Tee und einer warmen Wolldecke habe ich es mir dann vor dem Kaminofen gemütlich gemacht.

In den Unterlagen ging es um einen jungen Mann, Christian Fries, geboren 1916 in Bov. Er wuchs als Pflegekind bei seinem Onkel und seiner Tante auf, machte eine Ausbildung zum Bäckergesellen und ging danach zum Militär. Nachdem Dänemark 1940 von den Deutschen besetzt wurde, baute er unter dem Dach des Studentischen Nachrichtendienstes den illegalen Militärischen Nachrichtendienst auf.

Warum entschied sich ein so junger Mann, dem eine vielversprechende Karriere bevorstand, sein Leben so einschneidend zu verändern? Ganz zweifellos war es ein äußerst gefährlicher Entschluss. Er muss also tatsächlich für die Sache gebrannt haben. Was trieb ihn an, die Bedrohung durch die Besatzungsmacht und die geltenden Gesetze seines Landes in den Wind zu schlagen und das zu tun, was er für richtig hielt? Außer Mut und Willensstärke muss sehr viel Leidenschaft dazugehört haben, gepaart mit der Überzeugung der Jugend, unverwundbar zu sein. Alle wussten, dass illegale Aktivitäten sehr riskant sein und nicht zuletzt das Leben kosten konnten.

Es war eine Mail von Poul Agertoft, der in der Zeitung Jydske Vestkysten einen Artikel über mein Buch Efter mørket / Nach der Dunkelheit gelesen hatte, die mich dazu brachte, mich mit der Person Christian Fries zu befassen und meiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Schnell war mir klar, ich musste die Geschichtsbücher hervorkramen und mehr über diesen jungen Freiheitskämpfer herausfinden.

Das Ergebnis halten Sie in Händen. Der Roman schildert, wie Christian Fries' Leben verlaufen sein könnte und basiert zum Teil auf historischen Fakten, zum Teil auf meinen Vermutungen und Annahmen. Glücklicherweise hatte ich umfangreiches Quellenmaterial zur Verfügung, darunter Briefe, die mir Poul Agertoft, übrigens entfernt verwandt mit Christian Fries, übergeben hat. Außerdem hatte ich das Vergnügen, mich ein paar Mal mit Poul zu treffen, und darüber hinaus haben wir uns regelmäßig per Mail ausgetauscht. Im Stadtarchiv in Bov findet man ebenfalls viele interessante Briefe und weitere Unterlagen, die über das Leben von Christian Fries Aufschluss geben. Außerdem gibt es einiges an Fachliteratur, in der Christian Fries erwähnt wird.

Die Geschichte Südjütlands hat mich schon immer in ihren Bann gezogen, nicht zuletzt wegen des besonderen Verhältnisses zwischen den Südjüten und dem Rest Dänemarks. Die Tatsache, das Südjütland 1864 von Deutschland vereinnahmt und erst im Zuge der Wiedervereinigung 1920 erneut dänisch wurde, hatte zur Folge, dass Worte wie Gott, König und Vaterland in diesem Teil des Landes eine ganz besondere Bedeutung haben. Und das passt sehr gut zur Geschichte von Christian Fries.

Ein großes Dankeschön geht an Poul Agertoft, der mein Interesse für dieses spannende Projekt geweckt hat. Es war faszinierend – und eine Herausforderung!

Haderslev, 1937

„Kompanie aufstehen!“

Fast im selben Moment sprang Christian aus dem Bett. Der erste Morgen in der Haderslev Kaserne. Draußen vor dem Fenster schien eine gutgelaunte Sonne, obwohl es erst halb sechs war. Die übrigen elf Kameraden auf seiner Stube waren ebenfalls aufgestanden und sahen sich schlaftrunken um.

Eine Tür am anderen Ende der Stube führte in den Waschraum. Der Boden war aus Zement, die Wände weiß getüncht, und die Mitte des Raums dominierte eine Art längliches Waschbecken mit einer Reihe Hähne darüber. Christian schob sich zwischen einigen seiner Kameraden, die sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzten, rasierten oder im einzigen Spiegel mit einem raschen Blick Frisur und Scheitel überprüften, hindurch und stellte sich in die kleine Schlange vor der einzigen Dusche, die nur eiskaltes Wasser bereithielt. Feixend warteten er und die anderen, während ihr Kamerad unter der Dusche vor Kälte keuchte und japste.

Zurück auf der Stube war es höchste Zeit, das Bett zu machen.

„Das kann doch jeder“, flüsterte ihm einer der Kameraden zu, aber nur wenige Augenblicke später wurden sie eines Besseren belehrt.

Gefreiter From war die Freundlichkeit in Person, als er sie im Bettenbau unterwies. Eine Seegrasmatratze, ein Betttuch, ein Keilkissen, ein Plumeau und zwei Decken waren zu arrangieren. Es schien ganz einfach zu sein, und Christian und seine Kameraden waren schnell fertig. Kurz darauf stand From vor ihm und sagte mit weniger freundlicher Stimme: „257, nennen Sie diesen Kasten da etwa ein gemachtes Bett?“

Christian blickte zu Boden und versuchte es erneut, wobei ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Als sie sich endlich auf den Weg zum Frühstück machten, war er sich darüber im Klaren, dass es sich beim Bettenbau offensichtlich um eine Disziplin handelte, die einiges an Übung verlangte, wollte man einen Gefreiten zufriedenstellen.

Das Frühstück war überraschend gut. Zunächst aßen sie schweigend, dann löste sich allmählich die Anspannung und erste Bemerkungen wurden ausgetauscht. Eine optimistische Stimmung breitete sich am Tisch aus. Es würde schon alles gut laufen, er hatte die richtige Entscheidung getroffen, man musste sich nur erst einmal zurechtfinden. Und wenn er an die Bäckerei dachte, verflogen ohnehin die letzten Zweifel. Wenn es mal schwierig werden sollte, dann erinnere dich einfach an Ivar, sagte er zu sich selbst und musste lächeln.

Dann rief einer der Gefreiten: „Antreten auf dem Exerzierplatz!“

Ein wenig kam er sich vor wie ein Schüler in der ersten Klasse. Er und seine Kameraden wussten nichts, mussten das militärische Grüßen lernen, in Reih' und Glied zu stehen und zu marschieren. Der Vormittag verging mit der Ausgabe der Uniformen und der Waffen. Beinahe ehrfürchtig traten die Rekruten vor der Waffenkammer an, und stolz nahm Christian ein Gewehr, ein Bajonett im Futteral und einen ledernen Gürtel mit zwei Magazintaschen entgegen. Das Gewicht des Gewehrs überraschte ihn. Er konnte es kaum heben und stellte sich vor, wie es sein würde, damit zu exerzieren, wie die lang gedienten Soldaten es taten. Hantierten sie mit dem Gewehr, sah alles spielerisch leicht aus.

Ob das Soldatenleben so werden würde, wie er es sich vorgestellt hatte? Jeden einzelnen Tag seiner Lehre als Bäckergeselle hatte er davon geträumt, Kollund den Rücken zu kehren. Während er Teig knetete, verwandelte sich die Backstube in seiner Fantasie in ein umkämpftes Schlachtfeld, auf dem die Guten auf die Bösen trafen. Schwitzend schob er Bleche in den Ofen und zog sie mechanisch wieder heraus, während vor seinem geistigen Auge ein Film ablief, der das Militär als eine einfache, aber harmonische Gemeinschaft mit klaren Regeln zeigte. Er sah sich in einer langen Reihe Kameraden in schneidigen Uniformen marschieren, Männer, die zusammenstanden und Dänemark und ihre Familien verteidigten. Freiheit und Ehre waren unverbrüchliche Werte für sie. Sie hatten eine Mission.

Es galt, Südjütland zu verteidigen! Oma würde stolz auf ihn sein. Als Kind hatte er es geliebt, auf der Eckbank in ihrer mollig warmen Küche zu sitzen und ihr zuzuhören, während sie Töpfe, Schüsseln, Pfannen und alles Mögliche aufräumte. Sie erzählte immer wieder die gleichen Geschichten. Über die Grenze, die entlang des Kongeå, des Königsbachs, verlief, damals, 1916, als er geboren wurde. Über die Zeit, in der Sütjütland ein Teil Deutschlands gewesen war, und über den Tag, als sie darüber abstimmen durften, ob ihre Heimat wieder zu Dänemark gehören sollte. Die Straßen waren mit Fahnen geschmückt, und als das Ergebnis bekanntgegeben wurde, feierten sie tagelang.

Oft tauchte ihr Lieblingslied in seiner Erinnerung auf, und dann war er mit einem Mal zurück in der Küche, spürte die Wärme des Herds, der mit Holz beheizt wurde, und roch den Duft von Kaffee und Zimt.

„Na, Kedde, wollen wir singen?“, würde Oma fragen.

„Gerne“, hätte Christian geantwortet und die kurzen Beine von der Bank baumeln lassen.

Und dann hätten sie gesungen, Oma mit einer hohen, klaren Stimme, als seien sie in der Kirche, und Christian mit der zerbrechlichen Stimme des Jungen, der er war.

Regen fällt in dichten Schauern,

Sturm peitscht über unser Land und Grund.

Fegt über Zäune und Mauern,

sein Joch im Nacken, und stumm unser Mund.

Doch das Jahr nimmt seinen Lauf,

bald leuchtet hell das Laub,

ach, nicht lange, und wieder ist alles des Sturmes Raub.

Schon als kleines Kind hatte er das Lied auswendig gekannt und begriffen, wie viel Oma ihr geliebtes Südjütland bedeutete.

„Wir dürfen dieses Lied nie vergessen“, sagte sie ein paar Mal. „Es wurde gegen Ende des letzten Jahrhunderts geschrieben, als Südjütland noch deutsch war und man von der Polizei verhaftet wurde, wenn man auf Dänisch sang.“

Wie oft hatte er es vor sich hingesummt, während er in der Bäckerei seinen Tagträumen nachhing?

Vier Jahre lang überließ er sich beinahe täglich seine Träumereien, und einige Monate bevor er den Gesellenbrief in Händen hielt, hatte er eine Bewerbung ans Militär geschickt. Jeden Tag brannte er darauf, nach Hause zu kommen, und jeden Tag fragte er Alma, ob ein Brief für ihn gekommen sei. Sie lachte und sagte: „Lieber guter Kedde, ich werde es dir schon sagen, wenn Post für dich da ist.“

An dem Tag, als der Brief endlich eintraf, kam sie ihm schon auf dem Hof entgegen und schwenkte das weiße Kuvert in der Luft. Sie strahlte. Nicht weil sie meinte, er solle zum Militär gehen, sondern weil sie wusste, dass es sein größter Wunsch war.

Sie umarmten sich, und er rief „Hurra!“, bevor er zur Hühnerfarm hinüber rannte, um es Onkel Jes zu erzählen.

Nicht mehr lange, und er würde seinen Gesellenbrief überreicht bekommen, und dann würde er als Rekrut in die Haderslev Kaserne einrücken. Sie lag ganz in der Nähe von Lindholm Herregård. Ganz in Gerdas Nähe. An dem Tag, als er zum letzten Mal die Bäckerei verließ und daran dachte, dass er nie wieder in einer Backstube arbeiten würde, spürte er ein sonderbares Kribbeln im Magen.

Haderslev, 1937

Acht Tage sollten vergehen, bevor sie die Erlaubnis erhielten, die Kaserne zu verlassen. Er hatte den militärischen Gruß gelernt, rechte Hand an die Nahtkante der Mütze, alle Finger durchgestreckt. Die Grußpflicht war Teil seines Bewusstseins geworden, und er reagierte ohne Zögern, sobald er eine Uniform sah. Genauso war ihm der Befehl „Stillgestanden!“ in Fleisch und Blut übergegangen. Er hatte gelernt, dass Offiziere mit silbernen Sternen bestickte Schulterklappen trugen, die der Unteroffiziere zierten braune Dienstgradabzeichen und Feldwebel trugen Balken. Die Gefreiten hatten keine Schulterklappen. Christian schwor sich, seine Schultern sobald wie möglich mit Dienstgradabzeichen auszustatten.

Intensive Tage voller neuer Erfahrungen, aber auch Wiederholungen lagen hinter ihm, trotzdem waren seine Gedanken immer wieder zu Gerda gewandert. Wann würde er Gelegenheit haben, raus nach Lindholm Herregård zu radeln? Ob sie sich diesmal küssten? Jedenfalls würde er sie einladen, einen Film anzuschauen, in einem dunklen Kino. Es gab so vieles, wovon er träumte.

Dann, am ersten freien Nachmittag, verließ er die Kaserne in der vorgeschriebenen khakifarbenen Ausgehuniform. Er war glücklich. Die Sonne schien wunderbar, und es war der perfekte Tag, um Gerda zu treffen. Im Waschraum nahm er sich reichlich Zeit, stand so lange unter der kalten Dusche, bis ihm beinahe der Atem stockte. Er rasierte sich gründlich und strich prüfend mit der Hand über die glatte Haut. Ein paar Minuten lang putzte er sich die Zähne und konsultierte schließlich den Spiegel. Er war zufrieden. Das dunkle Haar war modisch kurz geschnitten, die Uniform strahlte Autorität aus, und von den vielen Stunden an der frischen Luft war seine Haut sonnengebräunt. Gerda würde Augen machen.

Fröhlich pfeifend rollte er auf einem geliehenen Fahrrad durch das Kasernentor.

Während seiner Zeit in der Bäckerei war er Gerda ab und zu begegnet, wenn sie zu Hause in Kollund gewesen war. Sie trafen sich an einer Straßenecke oder in einem Laden, und ein paar Mal hatte er sie besucht. Starr wie Salzsäulen saßen sie im Wohnzimmer und führten nichtssagende Gespräche über Wind und Wetter, während Gerdas Geschwister um sie herumwuselten und ihre neugierige Mutter sie überwachte. Sie saß in ihrem Sessel und las in einem Wochenmagazin oder strickte unaufhörlich, wobei sie so tat, als höre sie ihnen gar nicht zu. Unterdessen hockte Christian auf dem Sofa und fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut, obwohl Gerda neben ihm saß.

Sie sprachen über Lindholm und die Bäckerei. Er erzählte von der Arbeit, malte alles schöner aus, als es war und tat so, als sei er ein beliebter und geschätzter Mitarbeiter. Seinen Kollegen Ivar, der ihn hartnäckig ignorierte, erwähnte er nicht, und auch die Bewerbung beim Militär behielt er für sich.

Manchmal verließ Gerdas Mutter für ein paar Augenblicke das Zimmer. Dann hatten sie einige Minuten für sich, ignorierten die störenden Kinder, die auf dem Fußboden spielten, und ihre Blicke trafen sich. Die Zeit stand still. Sie errötete ein wenig und sah zu Boden, hob dann aber wieder den Kopf und sah ihm in die Augen. Er meinte, Verlangen und Zärtlichkeit in ihrem Blick zu lesen, und fühlte sich innerlich zerrissen. Am liebsten hätte er die Hand ausgestreckt, um sie zu berühren, ihre warme Haut, spürte Lust, aufzustehen und sie an sich zu ziehen, aber er widerstand der Versuchung.

Dann gerieten sich die Kleinen in die Haare, und einen Moment später war Gerdas Mutter wieder da, um sie auseinanderzuhalten und zu fragen, ob Christian noch eine Tasse Kaffee wolle. Gerda und er glitten zurück in die Wirklichkeit, in der es nichts Unbedeutenderes als Kaffee gab. Er brachte ein blasses Lächeln zustande und lehnte höflich dankend ab. „Aber Ihr Kaffee ist sehr gut, Frau Madsen.“

Ein paar Wochen bevor der Brief vom Militär gekommen war, hatten sie sich das letzte Mal im Wohnzimmer der Familie Madsen getroffen. Er hatte nichts darüber gesagt. Wenn er nach Haderslev kam, konnte er Gerda überraschen. Und sich vielleicht ohne all die anderen Madsens mit ihr treffen!

Gerda wurde zu einer Art Besessenheit für ihn. Ständig tauchte sie in seinen Gedanken auf. Während der Stunden in der Backstube verdrängte sie immer öfter sogar das Militär aus seinen Fantasien. Und wenn er ins Bett ging oder nachts aufwachte, materialisierte sie sich förmlich vor seinen Augen. Mal hielt sie ihn wach, mal versank er in intensiven Träumen. Er wollte allein mit ihr sein, sie umarmen, sie küssen.

Dass es tatsächlich passieren könnte, obwohl Frau Madsen und der Rest der Sippschaft zu Hause waren, ging über seine Vorstellungskraft. Aber Gerda brachte ihn zur Tür, nachdem er ihrer Mutter zum Abschied höflich eine klamme Hand gereicht hatte. Sorgfältig schloss Gerda die Tür zum Wohnzimmer, und als sie hinter der matten Glasscheibe der Haustür standen, lehnte sie sich an ihn. Sein Herz schlug heftig. Er nahm sie in die Arme und ihre Münder begegneten sich in einem kurzen, feuchten Kuss. Dann blickte sie zu Boden und flüsterte „Auf Wiedersehen.“ An diesem Tag hatte sein Rad den Weg nach Hause wie von allein gefunden, und das in Rekordgeschwindigkeit.

Die Erinnerung daran ließ ihn stärker in die Pedale treten.

Schon von Weitem raubte ihm die Schönheit des Lindholm Herregård beinahe den Atem. Weiße, herrschaftliche Gebäude mit Zinnen und Spitzen thronten zwischen gepflegten, grünen Wiesen, die sich erstreckten, so weit das Auge reichte. Hinter einem der Häuser konnte er einen kleinen See erahnen, und exotisch bepflanzte Terrassen und Gärten vervollständigten das Bild. Er fuhr jetzt langsamer. Vielleicht war es doch keine so gute Idee? Vielleicht hätte er doch besser anrufen oder einen Brief schreiben sollen. Konnte er hier einfach so unangemeldet aufmarschieren?

Schließlich blieb er am Ende der Allee stehen, stieg vom Rad und schaute hinüber zu der pompösen Einfahrt, die zu den Gebäuden führte. Das hier war nichts für ihn, und er entschied sich, umzukehren. Er fühlte sich fehl am Platz in seiner Uniform, die er doch sonst voller Stolz trug, konnte sich nicht vorstellen, zu dem prächtigen Eingangsbereich des Hauptgebäudes zu gehen und die Türglocke zu betätigen. Im selben Moment hörte er Motorengeräusche und drehte sich um. Ein schwarzer, blank polierter Wagen näherte sich. War es die Polizei? Sein Herz schlug schneller, und er fühlte sich, als habe er etwas Verbotenes getan.

Der Wagen kam neben Christian zum Stehen, und der Fahrer öffnete die Tür. „Suchen Sie jemanden?“, fragte er freundlich und sah ihn forschend an. Der Mann trug eine karierte Schirmmütze und einen dunklen, kurz geschnittenen Oberlippenbart und machte einen ausgesprochen aristokratischen Eindruck. Christian entschied sich, dass er den Gutsbesitzer vor sich haben musste.

„Ja … Nein … Ich ...“. Er drehte sein Fahrrad in die andere Richtung.

„Junger Mann, sind Sie sicher, dass ich Ihnen nicht vielleicht doch behilflich sein kann?“

„Nun ja, ich hatte nur eine etwas verrückte Idee“, murmelte Christian und blickte dabei zu Boden. „Eine Bekannte von mir arbeitet auf dem Hof.“ Er sah hinüber zu den Gebäuden.

„Und wer, wenn man fragen darf?“ Der Mann sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.

„Ja, also ... Fräulein Gerda Madsen“, antwortete Christian und ärgerte sich darüber, dass er errötete.

„Aha.“ Der Mann schien sich jetzt zu amüsieren. „Ein richtig nettes Mädchen. Wollen wir mal sehen, ob wir sie finden? Schließlich haben Sie den ganzen Weg auf sich genommen. Kommen Sie am Besten einfach mit.“

Christian zögerte. Er wünschte, er wäre nie gekommen. Was in aller Welt sollte er zu Gerda sagen, wenn ausgerechnet der Gutsbesitzer dabeistand? Wie war er auf den Gedanken verfallen, er könne einfach so an der Tür klingeln und Gerda würde öffnen? Und was dann? Was hatte er sich bloß dabei gedacht?

Zwei große Hunde kamen bellend und mit aufgestellten Nackenhaaren auf sie zu. Der Gutsbesitzer fuchtelte kurz mit den Armen und sagte ein paar Worte, und die Tiere legten sich schwanzwedelnd in den Kies der Einfahrt. Der Mann stieg die breite Treppe zum Eingang hinauf, schob die Tür weit auf und winkte Christian, ihm zu folgen.

„Jemand zu Hause?“, rief er in die große Halle. Christian widerstand der Versuchung, nach oben zu schauen und den riesigen Kronleuchter zu bewundern. Eine breite, weiß gestrichene Treppe führte in die erste Etage.

In einer Tür erschien eine dünne, gut gekleidete Frau. „Musst du so einen Lärm machen, Mogens?“ Dann bemerkte sie Christian.

Er wäre am liebsten im Boden versunken. Kurz überlegte er, unter dem Vorwand, er habe noch etwas Wichtiges zu erledigen, zur Tür hinauszustürzen. Aber das wäre nur noch peinlicher gewesen.

Der Gutsbesitzer deutete auf Christian und entgegnete der Dame, die vermutlich seine Frau war: „Wo ist Gerda? Sie hat Herrenbesuch.“ Schelmischer Tonfall, ein Lächeln in den Mundwinkeln. Herrenbesuch! Die Götter mochten wissen, was sie darunter verstanden.

„Guten Tag.“ Lächelnd reichte die Dame Christian eine zerbrechlich wirkende, parfümierte Hand. Nachdem er ihren Gruß erwidert hatte, sagte sie: „Ich glaube, sie hilft in der Küche. Ich sehe mal nach.“

Kurz darauf stand er alleine in der Halle und fühlte sich mehr denn je klein und völlig fehl am Platz. Immerhin konnte er nun ungestört den Blick durch die Eingangshalle wandern lassen, wagte sich an ein großes Gemälde heran und betrachtete die zahlreichen Jagdtrophäen, die an den Wänden hingen.

Plötzlich hörte er Gerdas helle Stimme hinter sich. „Kedde! Bist du es wirklich?“

Sein Puls beschleunigte, als er sich zu ihr umdrehte.

Sie trug eine weiße Schürze und lächelte, sodass man ihre perfekten Zähne sehen konnte. Das kastanienbraune Haar war zu einem Knoten im Nacken geflochten.

Vor lauter Verlegenheit rang er beinahe die Hände. „Ja … Ich … Ich wollte nicht, dass … Ich dachte ...“

Sie streckte die Hand aus und sie begrüßten sich förmlich. Mit einem anerkennenden Blick musterte sie ihn. Vielleicht war es doch keine so schlechte Vorschrift, die Ausgehuniform tragen zu müssen.

„Wollen wir uns nicht auf die Terrasse setzen? Möchtest du etwas trinken? Einen Kaffee vielleicht?“

„Öh, ein Kaffee wäre ...“

„Schön. Komm, ich zeige dir die Terrasse.“

Wenig später saß er auf der Kante eines Gartenstuhls und sah sich verstohlen um, während er darauf wartete, dass sie zurückkam. Ob der Graf oder was er nun auch immer sein mochte irgendwo hinter einer Gardine stand und ihn beobachtete? Und was dachten sie von Gerda und ihm? Dass sie verlobt waren?

Sie balancierte Tassen, Teller, eine geblümte Kaffeekanne im selben Muster und ein paar Plätzchen auf einem Tablett, als sie die Terrasse betrat.

„Wie schön“, sagte sie und arrangierte hektisch das Gedeck. Peinlich berührt, stellte er fest. Wie er selbst.

„Kannst du denn einfach so … Ich meine, während der Arbeitszeit …?“

„Ja, das geht schon. Sie sind sehr nett. Tatsächlich hat die Dame des Hauses vorgeschlagen, ob ich nicht eine Stunde freinehmen wolle.“ Jetzt lächelte sie wieder, und die Grübchen machten ihr Gesicht noch anmutiger.

„Ich bin in der Haderslev Kaserne stationiert“, erzählte er und versuchte, eine ernste Miene aufzusetzen. Das konnte sie sich wahrscheinlich selbst denken.

„Wirklich?“ Ihre Augen funkelten.

„Bist du gerne hier?“, wechselte er das Thema.

Sie nickte und trank einen Schluck Kaffee. Er bemühte sich, seinen Blick nicht allzu ungeniert über ihren wohlgeformten Körper wandern zu lassen. Sie war jetzt zwanzig Jahre alt, wie er auch, war eine Frau geworden. Eine attraktive Frau! Seit fünf Jahren hatte sie die Stellung auf Lindholm inne. Wollte sie etwa den Rest ihres Lebens als Haushälterin verbringen, so wie seine Mutter? Sie schien sich wohlzufühlen. Aber was war mit den guten Noten, die sie in der Schule bekommen hatte? Sie hatte doch Ärztin werden wollen.

Warum in aller Welt hatten sie sich immer nur bei ihr zu Hause getroffen, wenn die Familie dabei gewesen war? Warum hatte er sie nie eingeladen, mit ihm auszugehen? Ein vertrauenswürdiger Bewerber brauchte ja wohl keine Anstandsdame. Vielleicht hielt Frau Madsen ihn einfach nur für einen alten Schulkameraden. Wofür hielt Gerda ihn?

„Mir geht es hier sehr gut“, antwortete sie.

Sie gehört zu mir. Wir sind füreinander bestimmt, dachte er. Aber was, wenn sie schon einen anderen hat? Ein kalter Schrecken durchzuckte ihn eine Sekunde lang. Was wusste er schon über Gerda?

„Schön zu hören.“ Er richtete sich auf seinem Stuhl auf.

Sie sprachen über Peter, die Mittelschule, die sie verlassen hatte. Über ihre Familien. Über Kollund und Haderslev. Sein neues Leben als Rekrut. Die Stunde verging wie im Flug.

„Komm bald wieder her, ja?“, sagte sie, als sie ihm die Hand gab. Er genoss ihre feuchte Wärme und hielt sie einen Moment zu lange.

Auf dem Weg zurück zur Kaserne ließ er seinen Gedanken freien Lauf. Ein ganzer Film lief vor seinem geistigen Auge ab. Er in inniger Umarmung mit Gerda, dann kniete er vor ihr und sie heirateten in der Kirche in Bov. Alma und Jes waren unglaublich stolz. Onkel Jes war ganz rot im Gesicht, wie jedes Mal, wenn er begeistert war, lächelte breit und fuhr sich mit seinem Taschentuch über den kahlen Schädel. Gab der Wahl seines Pflegesohns seinen Segen. Nach der Trauung umarmte Alma ihn, sichtlich gerührt, und voller Inbrunst schloss sie ihre neue Schwiegertochter in die Arme, denn als solche sahen sie Gerda. Sie wären überzeugt, seine Wahl sei perfekt und würden sich auf Enkelkinder freuen, die sie ebenso als ihre eigenen betrachten würden. Oma und seine Mutter, Tidde, würden natürlich da sein und beide vor Stolz strahlen. Und er würde über seinen Schatten springen und seiner Mutter zeigen, dass er sie liebte. Dass es kein Problem für ihn war, mehrere Mütter in seinem Leben zu haben. Und auch Gerda würde es hinbekommen, Schwiegertochter zweier Mütter zu sein. Onkel Jacob und Vetter Georg würden da sein, und nicht zuletzt Vetter Nicolaj, grün vor Neid. Peter und Hans mussten sie natürlich auch einladen.

Der Gedanke an die Freunde Peter und Hans rief die Erinnerung an die Zeiten der Mittelschule wach, an die er gerne zurückdachte. Johannes Fosmark, einer der Lehrer, hatte sein erwachendes Interesse für Literatur gefördert. In den übrigen Fächern lief es nicht so gut, aber Alma und Jes sprachen die Zeugnisnoten nie an, weshalb er davon ausging, dass sie leidlich zufrieden mit ihnen waren.

Die Zeit verrann wie Sand zwischen den Fingern, und eines schönen Frühlingstags – sie gingen bereits zwei Jahre auf die Mittelschule –, den er nie vergessen würde, war alles anders als gewöhnlich. Gerda blickte den ganzen Tag mürrisch drein, und Christian war froh, dass Peter auf direktem Weg nach Hause fuhr, weil er seinen Eltern bei irgendetwas helfen musste. So hatte er das letzte Stück des Schulwegs Gerda für sich allein.

„Wollen wir noch bei den Pferden vorbeischauen?“, fragte er und sah Gerda von der Seite an, die die ganze Zeit über schweigend in die Pedale getreten hatte. Die Aprilluft war ungewöhnlich mild und die Sonne lugte grüßend zwischen den freundlichen Wolken hervor.

„Gerne.“ Sie starrte weiter vor sich auf die Straße, die Lippen fest zusammengekniffen. Sie nahmen sich viel Zeit für ihr Ritual, die Räder gegen die Hecke lehnen und die Pferde füttern, die träge mit dem Schweif nach Fliegen schlugen und zufrieden das Gras aus ihren ausgestreckten Händen kauten. Christian hätte zu gerne gewusst, warum Gerda in so selten schlechter Stimmung war.

„Komm, legen wir uns ins Gras. Ist dir kalt? Du kannst meine Jacke haben, wenn du willst.“

„Danke.“

Ihre Einsilbigkeit beunruhigte ihn immer mehr. Der traurige Blick, die hängenden Schultern.

Eine Weile sahen sie stumm in den Himmel, lauschten dem Zwitschern der Vögel und genossen den Duft des noch jungen Frühjahrs. Dann drehte Christian den Kopf, sah sie an und brach die Stille: „Was ist denn los mit dir?“

„Ich gehe nicht mehr auf die Duborg Schule.“ Gerda starrte weiter ausdruckslos hinauf zu den Wolken.

„Was meinst du damit?“ Christian setzte sich unwillkürlich auf.

Gerda sah ihn immer noch nicht an. „Ich komme nicht mehr zur Schule.“

„Nicht mehr zur Schule?“, echote er und bemerkte ein Schimmern in ihren Augenwinkeln.

Mit dem Handrücken wischte sie ein paar Tränen weg und sah ihn immer noch nicht an. „Mein Vater sagt, ich soll eine Lehre als Zimmermädchen machen.“ Sie schniefte und tupfte sich die Nase mit dem Zipfel ihres Ärmels ab.

„Als Zimmermädchen?“, fragte er und bemerkte, dass er einmal mehr wiederholte, was sie gesagt hatte. Dann fügte er hinzu: „Wo? Warum?“

„Auf Lindholm Herregård, bei Haderslev. Mein Vater sagt, es sei eine sehr gute Stellung.“ Sie sprach immer noch zu dem Himmel über ihnen. Konnte sie ihn nicht wenigstens ansehen?

„Aber wieso denn?“, rief er beinahe. „Du musst doch erst die Schule fertig machen.“

Endlich schaute sie ihn mit feucht glänzenden Augen an. „Wir brauchen das Geld. Es ist teuer, mich zu Hause zu haben, und Mädchen studieren ja doch nicht.“

„Aber du wolltest doch Ärztin werden“, setzte er zaghaft nach, hielt aber inne, als er bemerkte, wie sehr es sie schmerzte. Er wünschte, er hätte es nicht gesagt.

„Es ist entschieden“, sagte sie mit tonloser Stimme und wandte den Blick ab, starrte wieder in die Wolken, die plötzlich schwer und bedrohlich wirkten, als solle es gleich Regen geben; ein Spiegelbild der Stimmung, die über ihnen lag. Gerda zog ihre Jacke zu.

Ein Pferd wieherte. Unten auf der Straße fuhr ein Auto vorbei. Christian hatte einen Kloß im Hals. Er wollte die Hand ausstrecken und sie trösten, hielt dann aber inne. Es würde doch nur unbeholfen wirken. Sie hatten sich nie berührt. Stattdessen sagte er: „Ich würde so gerne weiter mit dir zur Schule gehen. Ohne dich ist es nicht dasselbe.“ Er hörte sein eigenes Seufzen.

Er ließ sich wieder neben sie ins Gras sinken. Wartete darauf, dass sie etwas sagte.

„Wir können uns doch trotzdem hin und wieder sehen, oder nicht?“, fragte sie schließlich.

Wieder richtete er sich auf. „Natürlich. Ich besuche dich, wenn du frei hast. Du kannst dir Bücher von mir leihen, und vielleicht können wir mal ins Kino gehen.“ Seine Stimme klang beinahe begeistert.

Gerda lächelte vorsichtig, setzte sich auf und wandte sich ihm zu. „Du bist sehr nett, Kedde“, sagte sie, und sein Herz schlug etwas schneller. Ärgerlich, dass er Peter nicht davon erzählen konnte. Peter wäre ganz sicher selber gerne alleine mit Gerda gewesen. Das Problem war, dass Peter gerne mit ihr, aber auch mit ihm zusammen war, nur eben am liebsten alleine mit jedem von ihnen. Und Christian ging es genauso. Das würde sich nun ändern. Peter und Christian würden weiter zur Schule gehen, ohne Gerda.

Mit der Erinnerung kam die Traurigkeit. Er versuchte, sich auf das Positive zu konzentrieren. Die Zukunft. Er würde Gerda heiraten und eine glänzende Karriere beim Militär machen, General oder vielleicht Major werden. Er sah bereits die Orden an seiner Brust und dachte an das viele Geld, das er verdienen würde. Sie würden in ein großes Haus ziehen, und er würde Alma und Jes Geld schicken, sodass sie es sich endlich ein wenig gutgehen, ihr Haus renovieren lassen und einen Helfer für die Hühnerfarm einstellen konnten. Alma würde sich weiße Paneelen fürs Esszimmer und ein neues Badezimmer leisten können, wovon sie seit ihrem Einzug träumte.

Er lächelte still, überzeugt, dass er Gerda schon nächsten Samstag ins Kino einladen und in der Dunkelheit ihre Hand halten würde. Und danach, wenn sie noch ausgingen, würde er ihr von seinen Plänen erzählen. Zumindest von einem Teil seiner Pläne. Er wollte keinesfalls mit der Tür ins Haus fallen, aber sie sollte wissen, dass er ehrliche Absichten hatte. Und er war überzeugt, dass er ihr einen Kuss geben würde, sollte sich die Gelegenheit bieten.

Haderslev, 1937

Christian fand sich in seinem neuen Leben als Rekrut gut zurecht. Die Tage flogen nur so dahin, und auch der Samstag glitt schnell vorüber. Er nahm sich vor, Gerda am nächsten Samstag einzuladen.

Kurz darauf bekamen er und einige Kameraden früh am Nachmittag dienstfrei und schlenderten gemeinsam die Hauptstraße in Haderslev entlang. Zu seiner Überraschung entdeckte er Gerda, und eine Sekunde später kam es ihm vor, als habe ihm jemand in die Brust geschossen. Er sank beinahe zusammen. Sie war nicht allein. Ein hochgewachsener, dunkelhaariger Kerl ging neben ihr, und die Blicke zwischen ihnen und das Lächeln auf ihren Gesichtern ließen keinen Zweifel zu. Ihre Körper sprachen dieselbe Sprache, ohne dass sie sich berührten. Ihm wurde übel und er meinte, sich übergeben zu müssen.

Sie winkte. Er konnte unmöglich so tun, als habe er sie nicht gesehen, und winkte ihr seinerseits zu.

Bis zu dieser Begegnung hatte es ihm auf der Seele gelegen, nach Sønderborg versetzt zu werden, um die Ausbildung zum Feldwebel zu absolvieren. Aber jetzt konnte es nicht schnell genug gehen, Haderslev den Rücken zu kehren. An einem seiner letzten Tage vor der Versetzung traf er sie noch einmal. Sie ging auf der anderen Straßenseite, überquerte die Fahrbahn und kam auf ihn zu, sodass er ihr nicht ausweichen konnte.

„Guten Tag, Christian. Ist schon ein bisschen her, dass wir uns gesehen haben.“

„Da hast du recht.“ Sein Blick ruhte auf ihrem hübschen Gesicht. Sie war ganz offensichtlich froh, ihn zu sehen, und sein Herz machte einen kleinen Sprung.

Einen langen Moment sahen sie sich schweigend an, dann nahm er seinen Mut zusammen. „Hast du Zeit für eine Tasse Kaffee?“

„Ja, gerne“, antwortete sie prompt.

Sie betraten ein kleines Café, setzten sich an einen Tisch am Fenster und Christian bestellte Kaffee und Kuchen für sie beide. Er kam sich vor wie in einer Blase, in der es nur Gerda und ihn gab. Die übrigen Gäste und die Bedienung waren wie Schatten in einem pantomimischen Schauspiel.

„Du bist gar nicht mehr nach Lindholm gekommen“, stellte sie fest und biss ein Stück von ihrem Kuchen ab.

„Die Zeit vergeht so schnell und wir dürfen die Kaserne kaum verlassen. Tja, ich habe es einfach nicht geschafft.“

Sah sie ihn skeptisch an?

„Sehr schade, ich hätte mich sehr gefreut.“

„Ja.“

Sie hoben beide ihre Kaffeetasse, und Christian sah aus dem Fenster. Draußen gingen zwei kichernde Mädchen vorbei, gefolgt von einer alten Dame mit Gehstock.

„Wie geht es dir denn draußen auf Lindholm?“, fragte er.

„Ganz ausgezeichnet.“

Er spürte, dass etwas sie beschäftigte.

„Wir hatten es richtig schön, damals, als wir noch Kinder waren, nicht wahr?“, wechselte sie das Thema. „Wir waren richtig gute Freunde, oder?“

Er nickte ernst, und plötzlich vermisste er die gemeinsamen Stunden mit ihr bei den Pferden. Bekämpfte den Impuls, den Arm auszustrecken und ihr über die Wange zu streicheln. Am liebsten hätte er ihr gesagt, dass er sie heiraten wolle, aber erst einmal mussten sie miteinander reden. Vielleicht hatte er das mit dem dunkelhaarigen Kerl ja falsch verstanden. Er wünschte, es wäre so.

„Erinnerst du dich, wie wir uns auf dem Weg von der Schule nach Hause ins Gras gelegt und über Gott und die Welt geplaudert haben? Das war eine schöne Zeit.“

„Ja, das war es“, flüsterte er beinahe. Fühlte sich gerührt und traurig zugleich.

„Reitest du noch manchmal?“ Sie hob das Kinn und sah ihm in die Augen, und fast hätte er vergessen zu antworten.

„Nur ganz selten, seit ich von Zuhause weg bin, aber ich würde gerne.“

„Vielleicht ergibt sich ja mal wieder eine Gelegenheit.“ Es war die Annäherung an das, was sie eigentlich sagen wollte, und es war nichts Gutes, so viel war ihm klar.

„Ja, vielleicht, obwohl der Dienst mir nicht viel Zeit lässt.“ Er wandte den Blick ab, irritiert über seine Unbeholfenheit. Hätte er nicht strotzen müssen vor Selbstbewusstsein? Er hätte ein paar witzige Soldatengeschichten erzählen können. Sie könnten hier sitzen und gemeinsam lachen. Er liebte es doch, sie zum Lachen zu bringen. Und jetzt hockte er da wie das Leiden Christi, steif und unsicher und wusste nicht, was er sagen sollte, kaum in der Lage, die kleine Porzellantasse zu halten vor lauter Angst, sie könnte zerbrechen. Nachher, wenn sie sich verabschiedet hatten, dann würden ihm all die charmanten Bemerkungen einfallen, die er hätte machen können.

„Vermisst du das manchmal? Also Kind zu sein und keinerlei Verpflichtungen zu haben? Einfach nur zur Schule zu gehen und das Leben zu genießen?“ Sie sah ihn mit ernstem Blick an, versuchte sich dann aber doch an einem sanften Lächeln.

Er legte den Kopf ein wenig schief. „Und ob ich das vermisse, das kannst du mir glauben … genauso wie dich.“ Die letzten Worte hatte er nicht aussprechen wollen, sie rutschten ihm heraus, ohne dass er etwas dagegen tun konnte.

Sie sah auf den Tisch zwischen ihnen. „Du sollst wissen, dass ich das auch als eine wunderschöne Zeit empfunden habe.“ Sie atmete tief ein, und er dachte, dass es jetzt endlich soweit war.

Er wartete. Aß etwas von seinem Kuchen, obwohl es schien, als verwandele er sich in seinem Hals zu einem Klumpen, den er kaum schlucken konnte.

Sie schaute ihn mit einem Anflug von Verzweiflung an.

„Ich höre auf auf Lindholm.“

„Was?“ Sein Ausbruch überraschte ihn selbst.

„Es ist so, dass ich im Sommer heiraten werde.“

Schweigen. Es dauerte eine Zeit lang, bis er sich gesammelt hatte und eine Antwort zustande brachte.

„Ja, also, was sagt man …? Herzlichen Glückwunsch. Das ist mal eine ...“ Er konnte sich nicht erinnern, jemals einen solchen Unsinn von sich gegeben zu haben.

„Du bist ihm übrigens schon begegnet. Er heißt Hans-Jørgen, mein Vater hat ihn mir vor einigen Jahren vorgestellt. Ja, und seitdem … na ja, hat es sich weiterentwickelt, und nun hat er also bei meinem Vater um meine Hand angehalten.“

Tausend Gedanken schossen Christian durch den Kopf. Warum hatte er sich nicht zusammengenommen und war schon viel früher zu ihr nach Haderslev gefahren? Er hätte Gerda schon vor Jahren sagen können, dass es doch nur sie beide gab. Dass er ohne sie nicht leben konnte und kein Tag verging, an dem er nicht an sie dachte. Dass er nachts von ihr träumte. Er wusste ja, dass ihr Vater Pläne hatte, sie in eine vornehme Familie zu verheiraten – aber das entschied doch wohl nicht ihr Vater! Hans-Jørgen konnte unmöglich ihre eigene Wahl sein.

Er spürte den Impuls, zu schreien und auf den Tisch zu schlagen und sie zu fragen: ,Willst du das wirklich? Ich sehe dir doch an, dass du dir etwas anderes wünschst! Deine Augen verraten dich. Wir sind doch füreinander bestimmt. Ich bin nur langsam. Viel zu langsam!?

Er räusperte sich, versuchte, den Kloß herunterzuschlucken, der sich in seinem Hals festgesetzt hatte. „Glückwunsch“, wiederholte er. „Das ist … Das ist mal eine Überraschung.“

Sie lächelte kaum merklich.

Einige Augenblicke lang saßen sie schweigend da. Er drehte seine halbleere Tasse zwischen den Händen. Stocherte mit der Kuchengabel herum. Hilflos sah sie aus dem Fenster.

„Ich werde demnächst Unteroffiziersanwärter“, sagte er dann. Die Bemerkung schien völlig deplatziert.

Sie schaute ihn überrascht an.

„Wenn ich fertig bin, gehe ich nach Sønderborg und mache die Ausbildung zum Feldwebel“, fuhr er fort und fingerte an seiner Tasse herum.

Kurz darauf musste sie nach Hause. Er versuchte, sich an den letzten Teil ihres Gesprächs zu erinnern, aber er war voll und ganz aus seinem Gedächtnis gelöscht. Als habe er nicht stattgefunden. Als hätten zwei andere Menschen an dem Tisch im Café gesessen und über Sønderborg und andere Belanglosigkeiten gesprochen. An ihren Abschied konnte er sich wiederum erinnern. Sie standen sich gegenüber, gaben sich die Hand. Hielten sie, als hinge ihr Leben davon ab, bis beide meinten, jetzt sähe es doch etwas sonderbar aus, wir sollten besser loslassen.

Dann gingen sie beide ihrer Wege, ohne sich noch einmal umzusehen.

Sønderborg, 1938

Christian war beeindruckt von der Sønderborg Kaserne. Das schöne, rote Gebäude bot einen wunderschönen Ausblick auf den Als Sund. Er stellte sich vor, wie er Spaziergänge am Wasser entlang unternahm und versuchte, die innere Stimme in ihre Schranken zu weisen, die ihm sagte, dass dazu wohl kaum Zeit bleiben würde. Stimmten die Gerüchte, war der Dienst hier hart und dauerte oft vierzehn, fünfzehn Stunden am Tag. Und bevor die Rede von Spaziergängen am Meer oder durch die Stadt oder von anderem Luxus sein konnte, waren Briefe zu schreiben. Das hatte höchste Priorität unter den privaten Angelegenheiten. Briefe an Oma, Alma und Jes, Tidde und Tanta Adda. Sie verstanden nicht, dass er nur selten Gelegenheit fand, sie zu besuchen, obwohl er doch nicht weit von zu Hause weg war. Aber stolz waren sie auf jeden Fall. Als er nach Sønderborg kam, war er Unteroffizier, wenn er die Kaserne verließ, würde er Feldwebel sein. Für sie war es so, als sei er Leutnant. Christian musste lächeln, wenn er daran dachte.

Im Speisesaal war ihm ein blonder Hüne aufgefallen. Der Mann hatte etwas Ruhiges und Sympathisches an sich und schien ebenso auf sich allein gestellt wie er selbst. Meistens saßen sie nicht weit voneinander entfernt. Jetzt war der Speisesaal bereits halbleer, die meisten waren gegangen, und der Mann saß alleine an seinem Tisch. Christian entschied sich, ihn anzusprechen. Er nahm sein Tablett und setzte sich ihm gegenüber.

„Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt“, sagte Christian, reichte seinem Gegenüber die Hand und nannte seinen Namen.

„Peter Østergaard“, entgegnete der andere, begleitet von einem festen Händedruck. Er war ein außergewöhnlich gutaussehender Mann, schlank, große graue Augen und hohe Wangenknochen. Sie lächelten beide.

Peter Østergaard fragte, woher er komme, und Christian antwortete und gab die Frage zurück.

„Tønder“, erwiderte der andere.

Sie sprachen über ihre Familien, und Peter erzählte von Solvej und dass sie bald heiraten wollten. Gerne hätte Christian ihm von Gerda berichtet, aber darüber gab es nichts zu sagen. Dennoch hatte er ein gutes Gefühl. Vielleicht würde sich eine Freundschaft zwischen Peter und ihm entwickeln.

„Und? Was hast du vor, wenn du hier fertig bist?“, fragte Peter. Ihre Mahlzeit hatten sie längst beendet, und ausnahmsweise warteten keine dienstlichen Pflichten auf sie.

„Vielleicht gehe ich nach Kopenhagen und mache die Ausbildung zum Offizier, vielleicht bleibe ich hier und werde Ausbilder. Ich weiß es noch nicht. Und du?“

Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht seines neuen Freundes aus. „Ich werde wahrscheinlich auf die andere Seite der Grenze gehen, zum deutschen Militär. Da unten gehen zurzeit ein paar richtig interessante Dinge vor sich.“

Christians Lächeln erstarrte zur Grimasse. Unwillkürlich kniff er die Augen zusammen, als er sagte:

„Ich verstehe nicht.“

„Hitler ist ein wahrer Teufelskerl. Er macht seine Sache hervorragend. Die Arbeitslosigkeit ist so gut wie ausgerottet, Deutschland ist es nie besser gegangen. Ich könnte mir vorstellen, in seinem Heer zu dienen. Hast du nie darüber nachgedacht?“ Seine Augen strahlten beinahe, während er über den deutschen Reichskanzler sprach.

Christians Herz hämmerte. Die Wendung, die ihr Gespräch nahm, traf ihn völlig unvorbereitet, und er wünschte, er hätte nie an diesem Tisch Platz genommen.

„Nein, daran habe ich wirklich noch nie gedacht“, antwortete er scharf, sodass der andere die Botschaft nicht überhören konnte. Dennoch fuhr Peter unverdrossen und mit Begeisterung in der Stimme fort: „Hitler ist das Beste, was Deutschland seit Jahren passiert ist, ja sogar das Beste, was ganz Europa passieren konnte. Wart's ab, du wirst sehen ...“

Christians Gesicht war jetzt wie versteinert, und es fiel ihm schwer, ruhig zu bleiben, als er sagte: „Solange du dänischer Soldat bist, kannst du doch nicht Hitler und den Nationalsozialismus unterstützen. Ist dir Dänemarks Zukunft vollkommen egal?“ Seine Stimme zitterte, als er fortfuhr: „Die Deutschen haben sich Österreich einverleibt. Und jetzt erheben sie Anspruch auf das Sudetenland an der Grenze zur Tschechoslowakei. Was glaubst du, was sie mit Dänemark im Sinn haben, wenn es soweit ist? Du bist doch Südjüte, oder etwa nicht? Viele hier befürchten, Deutschland könnte die alte Grenze wieder herstellen und alles wird so wie vor der Vereinigung. Viele haben Angst, dass sie sich auch Südjütland einverleiben. Wie kannst du da mit einem Mann wie Hitler sympathisieren?“

Die letzten Worte schrie er nahezu. Alle, die noch im Speisesaal waren, glotzten ihn an, aber es war ihm gleichgültig. Wütend und herausfordernd starrte er sein Gegenüber an.

„Du scheinst ja wirklich für deine Sache zu brennen“, antwortete Peter kühl und fügte hinzu: „Ich bin nicht sicher, ob es schlecht wäre, wenn wir wieder zu Deutschland gehören würden. Hitler ist ein Mann mit Visionen. Er stellt Deutschland wieder auf die Beine, nachdem Europa alles getan hat, um das Land niederzuhalten. Die deutsche Wirtschaft wird immer stärker, seit er die Macht übernommen hat, und nicht zuletzt packt er das Judenproblem an. Davon könnten sich andere Länder eine Scheibe abschneiden.“

Christian runzelte die Stirn. „Das kann nicht dein Ernst sein. Das Judenproblem?“

„Du wirst ja wohl zugeben, dass die Juden nichts als gierige Teufel sind. Schwindler und Betrüger allesamt. Sie akzeptieren nur ihresgleichen, und ihr Ziel ist es, die Welt zu regieren. Es gibt nur eine Art, mit ihnen fertig zu werden, und zwar so, wie Hitler es macht.“

Christian stand so ruckartig auf, dass sein Stuhl nach hinten kippte. Seine Wut steigerte sich noch, und eine Sekunde lang packte ihn ein selten erlebtes Gefühl: Er wollte zuschlagen, aber im nächsten Moment ergriff eine kalte Ruhe Besitz von ihm. Wozu noch mehr Zeit an diesen Fantasten verschwenden? An einen Arier, der bestens in Hitlers Weltbild passte. Er würde nie wieder mit diesem Mistkerl reden! Es lohnte sich nicht einmal, auch nur ein Wort über einen idiotischen Schreihals wie Hitler zu verlieren, der immer häufiger im Radio und in den Zeitungen auftauchte. Gott bewahre! Christian schaltete jedes Mal ab, wenn er die Stimme des deutschen Reichskanzlers hörte.

Noch immer schlug sein Herz schneller als gewöhnlich, und sein Brustkasten hob und senkte sich. „Wir haben uns nichts mehr zu sagen“, knurrte er und wandte Peter Østergaard den Rücken zu, bevor der etwas erwidern konnte.

Die Hände zu Fäusten geballt, verließ er den Speisesaal. Wenn das die Art von Freundschaft war, die man hier schließen konnte, verzichtete er liebend gerne darauf.

 

Alle Ausbilder in den militärischen Fächern waren Offiziere. Schon nach kurzer Zeit in Sønderborg stand für Christian fest, dass auch er einmal Offizier und Ausbilder sein würde.

An einem der ersten Tage kam er mit Petersen und Aksel ins Gespräch, die sich schon seit ihrer gemeinsamen Zeit an der Grundschule Sønderborg kannten. In der Mittagspause zwischen der praktischen Ausbildung am Vormittag und der Theorie am Nachmittag steuerten sie im Speisesaal zielstrebig Christians Tisch an und ließen sich auf den Stühlen ihm gegenüber nieder. Christian waren die ungleichen Freunde schon am ersten Tag in der Kaserne aufgefallen. Petersen war schlank und tat sich besonders in den physischen Disziplinen hervor, beim Sport und draußen im Feld ebenso wie beim Exerzieren. Aksel dagegen war rundlicher, stämmiger und behäbiger als Petersen, hielt sich aber dennoch gut, wenn es um körperliche Anstrengungen ging. Er war ein offener und redseliger Mensch, lachte gern und viel, und auf eine sonderbare Weise hatte Christian das Gefühl, er würde die beiden Freunde schon lange kennen.

„Aksel Lykkegaard mein Name, und das hier ist mein Kamerad Klaus Petersen, genannt Petersen“, sagte Aksel und schaufelte sich dabei das Mittagessen in den Mund.

„Christian Fries“, antwortete Christian mit einem Nicken und fuhr fort: „Alle nennen mich Kedde.“ Letzteres hätte er sich eigentlich sparen können, in Südjütland wurden alle mit seinem Namen so genannt.

„Du bist doch der, der was gegen Hitler hat, oder?“, fragte Aksel mit einem verschmitzten Lächeln.

„Richtig.“ Christian hob den Kopf.

„Da geht es dir wie uns“, sagte Aksel.

Sie lachten alle drei.

„Du siehst nach einem ganz brauchbaren Kerl aus, und als wir von dem kleinen Auftritt neulich hier in diesem wunderschönen Speisesaal hörten, wollten wir gerne mal mit dir reden.“ Aksel blinzelte vergnügt, bevor er weitersprach: „Also zur Sache. Wir suchen nach einem dritten Kameraden, um ein Zimmer zu mieten. Wär' das was für dich?“ Das Kinn entschlossen vorgeschoben, sahen ihn Aksels dunkle Augen unter den buschigen Brauen und den ungekämmten Haaren einladend an. Christian hatte den Eindruck, dass er wie geschaffen war für die Bühne. Er würde die Menschen zum Lachen bringen und musste sich nicht einmal Mühe dabei geben.

Sein Freund Petersen war zurückhaltender, ähnlich wie Christian. Das blonde Haar über dem blassen Gesicht war bereits auf dem Rückzug und machte hohen Schläfen Platz. Nicht mehr lange, und er hat eine Glatze, dachte Christian. Aber Petersens Augen sahen ihn freundlich an. Offenbar stürzte er sich nicht so vorbehaltlos in Gespräche mit Leuten, die er nicht kannte, wie sein Freund Aksel.

„Ein Zimmer mieten?“ Christian runzelte die Stirn. Soviel er wusste, wohnten alle auf den Stuben in der Kaserne.

„Du weißt schon, Damenbekanntschaften und so weiter. Da muss man was in petto haben.“ Aksel lachte schallend, als er Christians Gesichtsausdruck sah. Petersen und Christian konnten nicht anders und brachen ebenfalls in Gelächter aus.

„Keine Angst, wir meinen es ernst mit der Ausbildung, und du siehst so aus, als wolltest du es ebenfalls zu was bringen. Mein Bruder war auch hier in Sønderborg, und er hat mir geraten, mir ein Zimmer zu besorgen, wo man in Ruhe lernen und sich auf die Prüfungen vorbereiten kann. Zu dritt müsste das mit der Miete hinzukriegen sein.“

Christian dachte nach. Wenn jemand die Ausbildung hier ernst nimmt, dann ich! Konnte er sich das leisten? Möglicherweise. Die fünfzig Kronen Sold im Monat waren nicht viel, andererseits hatte er auch keine großen Ausgaben.

„Was soll so ein Zimmer denn kosten?“, fragte er.

„Fünfzehn Kronen im Monat“, antwortete Aksel.

„Danke, dass ihr dabei an mich gedacht habt. Warum eigentlich nicht? Versuchen wir's einfach mal.“

„Ausgezeichnet. Außerdem kannst du nach einem Monat ja auch wieder aussteigen, wenn dir das Ganze doch nicht passt“, sagte Aksel lächelnd. „Tatsächlich haben wir schon was in Aussicht, in der Heloglandsgade, das Zimmer, das auch mein Bruder hatte. Und ein Kaffee am Abend ist sogar inbegriffen.“

Christian konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass es ganz bestimmt nicht langweilig werden würde.

„Ein bisschen umständlich ist es schon“, meinte Petersen mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln. „Immerhin müssen wir jedes Mal Ausgehuniform tragen, wenn wir die Kaserne verlassen.“

Auch Christian fand diese Vorschrift albern. „Ja, und die weißen Handschuhe nicht vergessen ...“

„ … und Gürtel und Stiefel immer auf Hochglanz poliert“, fügte Aksel in einem Tonfall hinzu, als hielte er sich die Nase zu und klang dabei genau wie ihr Ausbilder Berg.

Wieder lachten sie alle drei.

„Ich finde, es ist schon allerhand, dass sie uns vorschreiben, in welche Kneipen wir gehen dürfen und in welche nicht“, ereiferte Aksel sich.

„Als hätten wir Zeit, in die Kneipe zu gehen“, ergriff Petersen wieder das Wort. „Aber es kann sein, dass hin und wieder einer der Offiziere in unserem Zimmer vorbeischaut, Christian. Nicht, dass wir am Ende noch Karten spielen oder uns mit jungen Damen vergnügen.“

„Das wäre ja wirklich allerhand“, sagte Christian und stimmte in das Lachen der beiden anderen ein.

„Wartet erst mal ab, wenn am Sonntag Pimmel-Parade ist“, sagte Aksel mit einer Miene, als warte er nur auf ihre Reaktion. Petersen kam Christian zuvor.

„Pimmel-Parade?“

„Jeden Sonntag kommt ein Oberstleutnant zur Kontrolle. Dann haben wir in Unterhose und mit nackten Füßen vor unseren frisch gemachten Betten zu stehen und die Hände auszustrecken. Und dann wird der Herr Oberstleutnant kontrollieren, ob die Zeh- und die Fingernägel auch ordentlich sauber sind.“

„Das ist ja schlimmer als zu Hause bei Mama“, sagte Christian, und sie lachten wieder.

Schlimmer als in Haderslev kann es ja wohl nicht werden, dachte er, musste aber bald feststellen, dass er sich geirrt hatte.

Schon am Nachmittag spürte Christian die Veränderung. Er hatte zwei neue Freunde, und sie tauschten diskrete Blicke aus, als sie Ausbilder Berg gegenüberstanden, der genauestens die Regeln für die Grußpflicht außerhalb der Kaserne und noch ein paar andere seltsame Dienstvorschriften durchging.

 

Das Zimmer in der Helgolandsgade erwies sich sehr schnell als Glücksfall für Christian. Er hielt sich häufig dort auf, um in Ruhe oder gemeinsam mit seinen neuen Freunden pauken zu können. Sie mussten nur um 22.00 Uhr zurück in der Kaserne sein und auf ihrer Stube im Bett liegen.

Es war ein strammes Programm, das Christian im Frühjahr 1938 in der Sønderborg Kaserne zu absolvieren hatte, dennoch blieb ihm genug Zeit darüber nachzudenken, wie er Gerdas famose Hochzeit mit diesem Hans-Jørgen verhindern konnte. Natürlich war es Zeitverschwendung. Während des Sommers und ein Jahr später, im September, verbrachte er einige Tage zu Hause auf der Hühnerfarm bei Alma und Jes, die ihn nach Kräften verwöhnten.

Sonntags traf sich die ganze Familie bei Oma, wie in den guten alten Zeiten. Christian freute sich darauf. Natürlich war er ein paar Mal bei ihr gewesen, aber die Familientreffen am Sonntag waren ein Ritual, das ihn an seine Kindheit erinnerte.

Bei einem seiner unzähligen Besuche als Kind hatte Oma einmal gesagt: „Dein sonniges Gemüt hast du von Tidde geerbt. Das ist ein Geschenk, Kedde.“

Er hatte die Bemerkung nie vergessen. Es war wie eine Verpflichtung, ein Geschenk in Form eines sonnigen Gemüts. Aber für ihn hieß es auch, dass er ein Geschenk für die Familie war. Schon damals, als er noch ein kleiner Junge war, gab er sich alle Mühe, ein Geschenk zu sein, besonders für Tidde. Damals glaubte er, er werde eines Tages mit Oma Botilla über die ungewöhnlichen Familienverhältnisse sprechen, unter denen er aufwuchs, aber es war nie dazu gekommen.

Für die anderen Kinder in der Schule war es viel einfacher. Es war schwierig, zu erklären, wie das alles zusammenhing mit seiner Familie. Er war von Frauen umgeben, Tidde, Botilla samt Tante Alma und Tante Adda. Tidde war seine richtige Mutter, und doch auch wieder nicht. Sie hatte ihn zur Welt gebracht, konnte sich aber nicht um ihn kümmern, weil sie als Haushälterin bei einem Fuhrunternehmer in Tinglev arbeitete.

Als Kind hatte er unzählige Male darüber nachgedacht. Wenn er und Tidde sich nur sonntags bei den gemeinsamen Essen der Familie bei Oma sahen, wie konnte sie dann seine Mutter sein? Niemand von den anderen sah seine Mutter nur am Sonntag. Manchmal machte es ihn wütend. Es fühlte sich an, als sei er ein Ballon, in den jemand zu viel Luft geblasen hatte und der kurz davor war, zu zerplatzen. Er spürte den Drang, Tidde anzuschreien, sie sei nicht seine Mutter und dass er nicht von ihr umarmt werden wollte. Nicht ihr Seufzen hören und nicht die sehnsüchtigen Blicke sehen wollte, mit denen sie ihn anschaute.

Damals wünschte er sich nichts mehr, als dass Alma und Jes seine Eltern wären. Schließlich wohnte er bei ihnen, und das schon sein ganzes Leben. Er war ihr Kind. Oma sagte oft zu ihm: „Was für ein Glück, dass Alma und Jes dich aufnehmen konnten. Sie haben sich so sehr ein Kind gewünscht, und dann kamst du, Kedde.“

Bei ihr klang es, als sei es ganz leicht. Aber seine Kinderlogik sagte ihm, er würde in der Schule nicht dauernd geärgert, wenn Tidde nicht seine Mutter wäre. Alles wäre viel einfacher ohne Tidde. Er hätte Alma und Jes Mama und Papa nennen können, nicht Tante und Onkel, und alle hätten es verstanden.

Sonntag für Sonntag trabte er mit ordentlichem Scheitel und in frisch gewaschenen Sachen zum Familientreffen bei Oma und benahm sich, wie man es von ihm erwartete. Er ließ sich küssen und umarmen und beobachtete, wie die Erwachsenen sich bestätigende Blicke zuwarfen. Ja, ihr Kedde war ein Geschenk. Von seiner inneren Zerrissenheit sahen sie nichts, sahen nicht, dass er Tidde am liebsten angeschrien hätte: „Du sollst sonntags nicht mehr kommen! Du sollst mich nicht so ansehen! Ich bin nicht dein Sohn! Warum bleibst du nicht einfach in Tinglev?“

Das war viele Jahre her, und jetzt freute er sich darauf, die Familie zu sehen. Er vermisste sie, allesamt, und fühlte sich geliebt, wenn Tidde und Oma ihn an sich drückten und lange festhielten. Seine Onkel und Tanten waren da, und natürlich Vetter Nicolaj. Vor dem Essen schlenderten er und Nicolaj durch den Garten. Der Spätsommer hielt sich, und die Sonne zeigte sich von ihrer großzügigen Seite und verwöhnte sie mit ihren angenehm warmen Strahlen. Die Äste der Apfelbäume waren voller roter Früchte und hingen fast bis zur Erde. Wespen umkreisten die reifen Pflaumen, und Christian pflückte sich einen Apfel, während er versuchte, mit Nicolaj Schritt zu halten.

Die zunehmende Unruhe in Europa beschäftigte den Vetter, der das Gesicht in ernste Falten legte.

„Was zum Teufel geht da vor sich?“, fragte er beinahe wütend und machte sich daran, seine Pfeife zu stopfen.

Christian schüttelte den Kopf. „Tja, es ist wirklich beängstigend. Der deutsche Kanzler ist ganz sicher nicht mein Fall.“ Plötzlich fiel ihm die Begegnung mit Peter Østergaard an einem seiner ersten Tage in der Sønderborg Kaserne ein, aber vielleicht war es besser, Nicolaj nicht auch noch davon zu erzählen.

„Das ist mal eine Untertreibung!“, schnaubte sein Vetter. „Er ist vollkommen verrückt! Allein, wenn man ihn im Radio rumbrüllen hört weiß man schon, dass er nicht alle Tassen im Schrank hat. Bevor man sich umsieht, hat er verdammt noch mal ganz Europa mit Krieg überzogen! Du wirst mir ja wohl recht geben, wenn ich sage, dass im letzten Monat so einiges passiert ist.“ Nicolaj kaute auf dem Pfeifenstiel herum, und dichte Rauchwölkchen stiegen auf. „Deutschland ist in Polen einmarschiert, und ein paar Tage später erklären England und Frankreich Deutschland den Krieg … Ein deutsches U-Boot versenkt ein englisches Passagierschiff. Wo soll das enden, kannst du mir das sagen?“

„In den Nachrichten hieß es zuletzt, die deutschen Truppen hätten Warschau erreicht, und Kanada hat Deutschland ebenfalls den Krieg erklärt.“

„Ha, Deutschland gegen den Rest der Welt!“

Sie mussten beide lachen.

„Sie haben eine ordentliche Tracht Prügel verdient, diese Deutschen“, sagte Nicolaj. „Immer halten sie sich für was Besseres. Dass Südjütland sich für Dänemark entschieden hat, daraus sind sie auch nicht schlauer geworden.“

„Neulich habe ich in irgendeinem Blatt eine Karikatur gesehen“, sagte Christian. „Darin ging es um den Nichtangriffspakt zwischen Dänemark und Deutschland. Hitler steht auf einem riesigen Panzer mit Hakenkreuz und diesem ganzen Zeugs an der Seite. Die Kanone zielt auf einen kleinen Mann, der seinen Hut in den Händen hält: unser Außenminister P. Munch. Ich finde, das trifft den Nagel auf den Kopf.“

„Mit dem Pakt können sie sich genauso gut den Hintern abwischen“, sagte Nicolaj und spuckte auf den Boden.

Dann rief Oma, das Essen sei fertig. Christian hätte ihr Gespräch gerne fortgesetzt, aber solche Themen war bei Tisch tabu.

Vor dem Essen sangen sie 'In Jesu Namen kommen wir zu Tisch', und Christian spürte mit einem Mal, wie sehr er das Singen vermisste.

Jes erzählte von der Hühnerfarm und einer neuen Epidemie, die alle Hühnerzüchter teuer zu stehen kommen würde. Es galt, schnell und klug zu handeln, ansonsten könnte es fatale Folgen für die Tiere haben. Er hatte die wenigen kranken Hühner sofort von den gesunden getrennt. Alma und Jes lächelten sich über den Tisch hinweg an, und Christian wurde warm ums Herz. Hier zu Hause bei seinen Pflegeeltern war die Welt noch in Ordnung. Endlich lief der Betrieb besser, und Jes hatte seinen sonstigen Arbeitgebern gekündigt und konnte sich ausschließlich um die Hühnerfarm kümmern. Alma schien regelrecht glücklich zu sein. Es gab keinen Grund, die gute Stimmung zu zerstören und von den neuesten Entwicklungen in Deutschland und vom Krieg zu reden. Die meisten am Tisch erinnerten sich noch gut an den Großen Krieg, und keiner von ihnen wollte daran denken, es könnte noch einmal zu einer ähnlichen Katastrophe kommen.

Nicolaj und er warfen sich verständnisvolle Blicke zu.

Sie sprachen über Christians Karriere beim Militär. Oma, Tidde und Alma strahlten vor Freude über ihren „kleinen Kedde“, und tatsächlich fühlte er einen gewissen Stolz. Er musste erzählen, wie die Tage in der Kaserne abliefen und was er sein würde, wenn er mit seiner Ausbildung fertig war. Alle möglichen Fragen prasselten auf ihn ein. Dann redeten sie über Nicolajs Ausbildung zum Buchdrucker in Fredericia.

Das Essen schmeckte ausgezeichnet, und alles war wunderbar, bis Oma sagte: „Sag mal, Kedde, du hast doch früher immer mit Gerda gespielt, der Tochter von Zimmermann Madsen, oder?“

Er räusperte sich. „Öh, ja.“

„Wusstest du, dass sie geheiratet hat? Letztes Jahr, in der Kirche in Bov.“

„Nein, wusste ich nicht.“

„Ich bin da gewesen, neugierig wie ich nun mal bin.“ Typisch Oma. Sie lächelte zufrieden und fuhr fort. „Ihr Vater ist ja ein Fall für sich. Nichts ist gut genug für seine kleine Gerda, und er platzte fast vor Stolz über seinen neuen Schwiegersohn. Hans-Jørgen Holst heißt er und ist wohl der Sohn eines der großen Gutsbesitzer bei Haderslev.“

Gerda Holst, du lieber Gott!

„Aha. Wie schön für sie.“

Nicolaj sah ihn forschend an, und es schien, als wisse er alles.

Oma bemerkte nichts, und unbekümmert sprach sie weiter. „Jetzt läuft sie mit dickem Bauch herum, ist wohl schon ein paar Tage überfällig. Sie war letzte Woche auf Besuch zu Hause bei ihren Eltern. Sehr hübsches Mädchen, muss man schon sagen.“

Den Rest des Tages musste Christian sich zusammenreißen. Es fiel ihm schwer, an den richtigen Stellen zu lächeln, und ein ums andere Mal überzogen dunkle Falten sein Gesicht.

Er wünschte, Oma hätte nicht von Gerda und dem dicken Bauch erzählt. Immer wieder tauchten Bilder von Gerda als schöner Braut und werdender Mutter vor seinem inneren Auge auf. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendwo in diesem Land eine Frau gab, die ihn genauso beeindrucken würde wie sie.

Sønderborg, Winter '39 / '40

Christian widmete sich mit Leib und Seele der Infanterie-Unteroffiziersschule in Sønderborg. Seine Zeit verbrachte er entweder in der Kaserne oder in Gesellschaft von Aksel und Petersen in ihrem gemeinsamen Studierzimmer. Er war fest entschlossen, Gerda zu vergessen und die Prüfungen mit Bestnoten zu bestehen.

Die Ausbildung gestaltete sich so, wie er es erwartet hatte, anspruchsvoll und hart. An den sechs Werktagen der Woche absolvierten sie vormittags Übungen draußen im Feld oder auf dem Kasernengelände. Er mochte es, seine Muskeln zu spüren, sein Körperbau konnte mittlerweile mit dem einer griechischen Statue konkurrieren, und auch die Übungen auf der Schießbahn im Sønderskoven, dem nahegelegenen Waldgebiet, bereiteten ihm keinerlei Probleme, ganz im Gegensatz zu dem korpulenten Aksel, der sich mit diesen Teilen der Ausbildung zunehmend schwertat. Einige der Ausbilder scheuchten ihre Schützlinge besonders gerne zur Schießbahn, um irgendwelche Übungen durchzuführen. Schon der Weg dorthin glich einem Gewaltmarsch, und in der Nähe gab es eine drei Meter hohe Mauer, die die Soldaten mit vollem Gerödel überklettern mussten.

In diesen Augenblicken, in denen ihm alles abverlangt wurde, erkannte Christian, dass es ihm nicht gelingen würde, Gerda voll und ganz aus seinen Gedanken zu verbannen. So manches Mal ertappte er sich bei dem Gedanken: Wenn du mich jetzt sehen könntest …, während er die Mauer überquerte und sich dabei stark wie ein Ochse fühlte, während Aksel als einer der letzten den anderen hinterherstolperte.