Friedrich Schillers Prosa. Ausgewählte Werke I - Friedrich Schiller - E-Book

Friedrich Schillers Prosa. Ausgewählte Werke I E-Book

Friedrich Schiller

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Beschreibung

»In der ganzen Geschichte des Menschen ist kein Kapitel unterrichtender für Herz und Geist als die Annalen seiner Verirrungen.« Leidenschaftliche und verwickelte Situationen. Menschen unter dem Druck äußerer und innerer Zwänge. Beschwörungen, Geheimnisse und Rätsel zuhauf im prachtvollen Sensationsroman Der Geisterseher. Was ist wahr? Maskenspiele, Trugbilder und Wirklichkeit sind kaum zu entwirren! (siehe Nachwort des Herausgebers Joerg K. Sommermeyer, S. 157 ff.)

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RAT ACBO

Reihe

Alte Tradition

Azurcelesteblueoscuro

herausgegeben

von

Joerg K. Sommermeyer & Orlando Syrg

Exemplarische Werke der Weltliteratur

herausgegeben von

Joerg K. Sommermeyer

Über dieses Buch

»In der ganzen Geschichte des Menschen ist kein Kapitel unterrichtender für Herz und Geist als die Annalen seiner Verirrungen.« Leidenschaftliche und verwickelte Situationen. Menschen unter dem Druck äußerer und innerer Zwänge. Beschwörungen, Geheimnisse und Rätsel zuhauf im prachtvollen Sensationsroman Der Geisterseher. Was ist wahr? Maskenspiele, Trugbilder und Wirklichkeit sind kaum zu entwirren! (siehe Nachwort des Herausgebers Joerg K. Sommermeyer, unten S. → ff.)

Der Autor

Johann Christoph Friedrich Schiller, Sohn des württembergischen Offiziers, Wundarztes und späteren Verwalters der herzoglichen Hofgärten auf der Solitude, Johann Caspar Schiller (1723-96), und der Gastwirtstochter Elisabeth Dorothea Schiller, geb. Kodweiß (1732-1802), erblickt das Licht der Welt am 10. November 1759 in Marbach am Neckar; er stirbt am 9. Mai 1805 in Weimar. Arzt, Dichter, Dramatiker, Lyriker, Essayist, Philosoph und Historiker; Fürsprecher der Freiheit, Verteidiger bürgerlicher Gesittung. Mit Goethe in einem Atemzug genannt, sein unzertrennlicher Bruder im Geiste. Zusammen bilden sie das Dioskurenpaar von Idealismus, Sturm und Drang und Weimarer Klassik.

Fünf Schwestern. Besuch der Ludwigsburger Lateinschule. Strenge militärische Zucht, von der Außenwelt abgeschlossen. Jurastudium, Wechsel zur Medizin, Promotion. 1780 schlechtbezahlter Regimentsarzt in Stuttgart.

1781-84 sozialkritische Sturm-und-Drang-Dramen Die Räuber, Fiesco, Kabale und Liebe. 1782 Erfolg der Räuber in Mannheim, wegen nicht erlaubter Reise dorthin aber Arreststrafe, Schreibverbot. Flucht über Mannheim, Frankfurt nach Thüringen, Rückkehr nach Mannheim, Theaterdichter des Nationaltheaters. Chronische Erkrankung (krupöse Pneumonie), häufige Rückfälle, ständige Todesnähe. Finanzielle Notlagen. 1785-1795 historische, ästhetische, philosophische Studien. Künstlerische Wandlung (Don Carlos, 1787 ff, immer wieder umgearbeitet; mittlere Schaffensperiode). 1789 Professor für Geschichte in Jena. 1790 Heirat mit Charlotte von Lengefeld. 1794 sich vertiefende Freundschaft mit Goethe. Ab 1796 idealististische Jambendramen seiner Reifezeit (Wallenstein, Maria Stuart, Die Jungfrau von Orleans, Wilhelm Tell), Balladen (Der Taucher, Die Kraniche des Ibykus, Der Ring des Polykrates, Die Bürgschaft, Das Lied von der Glocke). Im Herbst 1799 Übersiedelung nach Weimar.

Seine Werke, voller sprachgewaltiger Verse und pointensicherer Dialoge, grandioser Ausdruck des sehnsüchtigen Freiheits- und Humanitätsdrangs des 18. Jahrhunderts, in ganz Europa und darüber hinaus enthusiastisch aufgenommen.

Der Herausgeber

Joerg K. Sommermeyer (JS), * 14.10.1947 in Brackenheim, Sohn des Physikers Prof. Dr. Kurt Hans Sommermeyer. Kindheit in Freiburg. Studierte Jura, Philosophie, Germanistik, Geschichte und Musikwissenschaft. Klassische Gitarre bei Viktor v. Hasselmann und Anton Stingl. Unterrichtete in den späten Sechzigern Gitarre am Kindergärtnerinnen-/Jugendleiterinnenseminar und in den Achtzigern Rechtsanwaltsgehilfinnen in spe an der Max-Weber-Schule in Freiburg. 1976 bis 2004 Rechtsanwalt in Freiburg. Setzte sich für eine Verstärkung des Rechtsschutzes bei Grundrechtseingriffen ein (Unterbringungsrecht, Untersuchungshaft, Durchsuchungsrecht). Zahlreiche Veröffentlichungen in juristischen Fachzeitschriften sowie Artikel in Musikblättern. Gründer und Vorsitzender der Internationalen Gitarristischen Vereinigung, Organisator und Künstlerischer Leiter der Freiburger Gitarren- und Lautentage, Herausgeber und Redakteur der Zeitschrift Nova Giulianiad: Saitenblätter für die Gitarre und Laute. Juror beim Schlesischen Gitarrenherbst in Tychy und Internationalen Gitarrenkongress Freiburg/Basel/Straßburg. Songs, Liedtexte, Arrangements, Instrumentalmusik. 7 CDs, u. a.: Total Overdrive, Those Rocks & Lieders, Nel Cuore Romanzo Rock, Ergo, 7 Celebrities. Prosa: Anton Unbekannt, Pathoaphysischer Antiroman, Tragigroteskenfragment, 2008/2009; Vernimm mein Schreien, 2017/2018. Lieblingsmärchen, 2017/2018. Editionen u. a. von Werken Hugo Balls, Carl Einsteins, Franz Kafkas, Heinrich von Kleists, Robert Müllers, Joseph von Eichendorffs, Adelbert von Chamissos, Annette von Droste-Hülshoffs, Jeremias Gotthelfs, Georg Büchners, Christian Morgensterns, Heinrich Heines, Rainer Maria Rilkes, Eduard von Keyserlings, August Stramms, Joseph Conrads, Gottfried August Bürgers und Lukians von Samosata.

Orlando Syrg, Berlin, 16. April 2019

Inhalt

Über dieses Buch

Der Autor

Der Herausgeber

Merkwürdiges Beispiel einer weiblichen Rache

[nach Denis Diderots Manuskript

Jacques le fataliste et son maître]

Eine großmütige Handlung aus der neuesten Geschichte

Der Verbrecher aus verlorener Ehre

Der Geisterseher

Erstes Buch

Zweites Buch

Das philosophische Gespräch aus dem Geisterseher

Herzog von Alba bei einem Frühstück auf dem Schlosse zu Rudolstadt, im Jahr 1547

Spiel des Schicksals

Nachwort des Herausgebers Joerg K. Sommermeyer

Für H. K. S., wo immer sie jetzt sein mögen, in Liebe, Verehrung und Dankbarkeit

Merkwürdiges Beispiel einer weiblichen Rache

[nach Denis Diderots Manuskript Jacques le fataliste et son maître;Thalia, 1. Jahrgang, Heft 1, Leipzig 1785]

Der Marquis von A*** war ein junger Mann, der seinem Vergnügen lebte, liebenswürdig und angenehm, der aber übrigens so so von der weiblichen Tugend dachte. Dennoch fand sich eine Dame, die ihm ziemlich zu schaffen machte; sie nannte sich Frau von P***, eine reiche Witwe von Stande, voll Klugheit, Artigkeit und Welt, aber stolz und von hohem Geist.

Der Marquis brach alle seine vorige Verbindungen ab, um nur allein für diese Dame zu leben. Ihr machte er den Hof mit der größten Geflissenheit, brachte ihr alle ersinnliche Opfer, sie von der Heftigkeit seiner Neigung zu überzeugen, und trug ihr endlich sogar seine Hand an. Aber die Marquise, die es noch nicht vergessen konnte, wie unglücklich ihre erste Heirat gewesen, wollte sich lieber jedem andern Ungemach des Lebens als einer zweiten aussetzen.

Diese Frau lebte sehr zurückgezogen. Der Marquis war ein alter Bekannter ihres verstorbenen Mannes gewesen; sie hatte ihm damals den Zutritt gestattet, und auch nachher verschloss sie ihm ihre Türe nicht.

Die weibische Sprache der Galanterie konnte an einem Manne von Welt nicht missfallen. Die Beharrlichkeit seiner Werbung, von seinen persönlichen Eigenschaften begleitet, seine Figur, seine Jugend, der Anschein der innigsten wahrhaftigsten Liebe, und dann wiederum die einsame Lebensart dieser Dame, ein Temperament, zur zärtlichen Empfindung geschaffen, mit einem Wort alles, was ein weibliches Herz nur verführen kann, tat auch hier seine Wirkung. Frau von P*** ergab sich endlich nach einer monatlangen fruchtlosen Gegenwehr und dem hartnäckigsten Kampf mit sich selber. Unter den gehörigen Formalitäten eines heiligen Schwurs war der Marquis der Glückliche – er wäre es auch geblieben, hätte anders sein Herz den zärtlichen Gesinnungen, die es damals so feierlich gelobte und die ihm so zärtlich erwidert wurden, treu bleiben wollen.

Einige Jahre waren so hingeflossen, als es dem Marquis einfiel, die Lebensart der Dame etwas einförmig zu finden. Er schlug ihr vor, in Gesellschaft zu gehen, sie tats – Besuche anzunehmen, sie willigte ein – Tafel zu geben, auch darin gab sie ihm nach. Endlich und endlich fing ein Tag, fingen mehrere Tage an zu verstreichen, und kein A*** ließ sich sehen. Er fehlte bei der Mittagtafel – beim Abendessen. Geschäfte drängten ihn, wenn er bei ihr war, er fand es für nötig, seinen Besuch diesmal abzukürzen. Wenn er kam, murmelte er ein, zwei Worte, streckte sich auf dem Sofa, ergriff etwa diese oder jene Broschüre, warf sie weg, schäkerte mit ihrem Hund oder schlief zuletzt gar ein. Es wurde Abend – seine schwächliche Gesundheit riet ihm, zeitig nach Hause zu gehen, das hatte ihm Tronchin ausdrücklich befohlen, und Tronchin, das ist wahrhaftig und wahr, Tronchin ist ein unvergleichlicher Mann – und damit nahm er Stock und Hut und wischte fort, vergaß in seiner Zerstreuung auch wohl gar, Madame beim Abschied zu umarmen. Frau von P*** empfand, dass sie nicht mehr geliebt ward, aber sie musste sich überzeugen, und das machte sich ungefähr auf folgende Art:

Einmal, als sie eben abgespeist hatten, fing sie an:

»Warum so in Gedanken, Marquis?«

»Warum Sie, gnädige Frau?«

»Es ist auch wahr, und noch dazu in so traurigen.«

»Wie denn das?«

»Nichts.«

»Das ist nicht wahr, Madame, frei heraus« – und dabei gähnte er – »gestehen Sie mir, was ist Ihnen? – das wird uns beide aufmuntern.«

»Hätten Sie das hier so nötig?«

»Nicht doch – Sie wissen ja – Man hat so gewisse Stunden –«

»Wo man verdrießlich sein muss?«

»Nein, Madame, nein, nein – Sie haben unrecht, bei meiner Ehre, Sie haben unrecht. Es ist nichts. Ganz und gar nichts. Es gibt manchmal so Augenblicke – Ich weiß selbst nicht, wie ich mich ausdrücken soll.«

»Lieber Freund, schon eine Zeitlang drückt mich etwas auf dem Herzen, das ich Ihnen sagen wollte, aber immer war mir bange, es würde Sie beleidigen.«

»Mich beleidigen? Sie?«

»Vielleicht – aber Gott ist mein Zeuge, dass ich unschuldig bin. Ohne meinen Willen, ohne mein Wissen hat sich das nach und nach so ergeben. Es kann nicht anders – es muss ein Fluch Gottes sein, der dem ganzen Menschengeschlecht gilt, weil auch ich – ich selbst so gar keine Ausnahme mache.«

»Ah Madame – Sie besorgen etwa – hm – und was ist es denn?«

»Was es ist? – O ich bin unglücklich – auch Sie werd ich unglücklich machen. – Nein, Marquis, besser, ich schweige still.«

»Reden Sie frei, meine Liebe. Sollten Sie vor mir Geheimnisse haben? Sollten Sie nicht mehr wissen, dass es die erste Bedingung unsrer Vertraulichkeit war, einander nichts zu verschweigen?«

»Das eben ist's, was mir Kummer macht. Was Sie mir jetzt vorwerfen, Marquis, hat noch vollends gefehlt, meine Strafbarkeit aufs Höchste zu treiben. – Finden Sie nicht, dass meine vorige Munterkeit ganz dahin ist? – Ich habe keine Lust zum Essen und Trinken mehr. Auch sogar schlafen mag ich nicht mehr. Unser vertrauter Umgang fängt nachgerade an, mir zuwider zu werden. Oft um Mitternacht frage ich mich selbst: Ist er denn nicht mehr so liebenswürdig? – Er ist, wie er war. Hast du Ursache, dich über ihn zu beklagen? – Nicht die mindeste. Vielleicht besucht er verdächtige Häuser? – Nichts weniger. Oder findest du ihn vielleicht minder zärtlich als ehedem? – Ganz und gar nicht. Aber wenn dein Freund noch der alte ist, so müsstest du ja verwandelt sein? – Du bist's, o gestehe dir's, du bist's. Da ist kein Funke der Sehnsucht mehr, mit der du sonst ihn erwartetest, kein Schatten der Freude mehr, womit du ihn damals empfingest – keine Spur der süßen Beklemmung mehr, wenn er ausblieb, der süßeren Aufwallung, wenn er wieder kam, wenn du hörtest seiner Tritte Klang, wenn man ihn meldete, wenn er hereintrat – O das alles ist vorbei – es ist dahin, er ist dir fremder geworden.« –

»Wie, Madame?«

Hier drückte die Dame beide Hände vors Gesicht, ließ den Kopf herabsinken und schwieg eine Zeitlang still. Endlich sagte sie wieder:

»Ich weiß, was Sie mir antworten können. Ich bin darauf gefasst, Sie erstaunt zu sehen – mir das Bitterste von Ihnen sagen zu lassen – aber schonen Sie, Marquis – doch nein, nein, schonen Sie nicht. Sagen Sie mir alles. Ich hab' es verdient. Ich muss mir's gefallen lassen. Ja, lieber Marquis, so ist es – es ist wahr – aber ist es nicht schrecklich genug, dass es so weit kommen musste – sollte ich auch noch zu der Schande herabgesunken sein, Ihnen geheuchelt zu haben? – Sie sind, was Sie waren, aber ich bin die nämliche nicht mehr. Noch zwar verehr' ich Sie, verehre Sie so sehr und mehr noch als ehedem, aber – – aber eine Frau, wie Sie mich kennen, eine Frau, die gewohnt ist, die geheimsten Regungen ihres Herzens zu prüfen, sich nirgends zu täuschen, diese Frau kann sich nicht mehr verhehlen, dass die Liebe daraus geflohen ist. Dieses Bekenntnis – o ich fühl es – es ist das entsetzlichste, aber dennoch nicht minder wahr. – Ich eine Wankelmütige, eine Lügnerin! – Wüten Sie, lieber Marquis. Verwünschen Sie mich. Verdammen Sie mich. Brandmarken Sie mich mit den verhasstesten Namen. Ich hab' es selbst schon getan. Alles, alles kann ich von Ihnen anhören, nur das Einzige nicht, dass ich heuchle, denn das verdien' ich nicht.«

Hier drehte sich Frau von P*** auf dem Sofa herum und fing laut an zu weinen.

Der Marquis warf sich ihr zu Füßen.

»Treffliche Frau! Göttliche Frau! Frau, wie man keine mehr finden wird. Ihre Freimütigkeit, Ihre Rechtschaffenheit beschämen mich, rühren mich – ich möchte vor Scham sterben. Wie groß stehen Sie in diesem Augenblick neben mir, wie klein steh ich neben Ihnen, Sie haben den Anfang gemacht zu bekennen – ich machte den Anfang zu fehlen. Ihre Offenherzigkeit reißt mich hin – ein Ungeheuer müsst' ich sein, wenn ich einen Augenblick anstünde, sie zu erwidern. Ja, Madame, ich kann es nicht leugnen; die Geschichte Ihres Herzens ist Wort für Wort auch die Geschichte des meinigen. Alles, alles, was Sie sich gesagt haben, hab ich auch mir gesagt. Doch ich duldete und schwieg – hätte vielleicht noch lange geschwiegen – hätte vielleicht nie den Mut gehabt, mich zu erklären.«

»Ist das wirklich wahr, Marquis?«

»Wahr, Madame – und wir können uns also beide Glück wünschen, dass wir zu gleicher Zeit über eine Leidenschaft Meister wurden, die so vergänglich wie die unsrige war.«

»In der Tat, Marquis, ich würde sehr zu beklagen sein, wenn meine Liebe später erloschen wäre als die Ihrige.«

»Sie können sich darauf verlassen, Madame – ich war der erste, bei dem sie aufhörte.«

»Wirklich, mein Herr! Ich fühle so etwas.«

»O meine beste Marquise! Noch nie fand ich Sie so reizend, so liebenswürdig, so schön wie in dem jetzigen Augenblick. Machten mich meine bisherigen Erfahrungen nicht schüchtern, wer weiß, ob ich Sie nicht heftiger lieben würde als jemals.«

Er nahm, indem er dies sagte, ihre beiden Hände und küsste sie lebhaft. Frau von P*** unterdrückte den tödlichen Gram, der ihr Herz zerriss, und nahm das Wort:

»Aber was nun anfangen, Marquis? – Wir beide, dächte ich, hätten uns keinen Betrug vorzuwerfen. Sie haben noch die nämlichen Ansprüche auf meine Achtung wie ehedem – auch ich hoffe mein Recht auf die Ihrige nicht ganz vergeben zu haben. Wollen wir fortfahren, uns zu sehen? Wollen wir unsre Liebe in die zärtlichste Freundschaft verwandeln? – Das wird uns künftig alle die traurigen Auftritte ersparen, alle die kleinen Treulosigkeiten, alle die kindischen Neckereien, all den mutwilligen Humor, der eine flüchtige Leidenschaft zu begleiten pflegt. Wir werden das einzige Beispiel in unserer Gattung sein. Sie – haben Ihre vorige Freiheit wieder, mir – geben Sie die meinige zurück. So reisen wir zusammen durch die Welt. Sie machen mich bei jeder neuen Eroberung zu Ihrer Vertrauten. Ich werde Ihnen kein Geheimnis aus den meinigen machen – versteht sich, wenn ich welche erlebe, denn ich fürchte sehr, lieber Marquis, dass Sie mich in dem Punkt ein klein wenig scheu gemacht haben – Und so müsst' es denn ganz unvergleichlich gehen. Sie unterstützen mich zuweilen mit Ihrem Rat, ich Sie mit dem meinigen – Und am Ende, wer weiß, was geschehen kann?«

»Allerdings, Madame, und es ist dann so gut wie schon ausgemacht, dass Sie bei jeder Vergleichung gewinnen – dass ich von Tag zu Tag wärmer und zärtlicher zu Ihnen zurückkehre, dass mich zuletzt alles, alles wird überzeugt haben, die Marquise von P*** sei die einzige Frau, die mich glücklich machen kann. Und wenn ich dann wieder umkehre, so ist es auch heilig gewiss, dass Sie mich zeitlebens in Ihren Banden behalten.«

»Wie aber, wenn Sie bei Ihrer Wiederkehr mich nicht mehr fänden? – Denn Sie wissen ja, man ist oft wunderlich, Marquis – der Fall könnte kommen, dass mich Eigensinn – Laune – Leidenschaft für einen andern anwandelte, der nicht einmal so viel in Ihren Augen gälte.«

»Allerdings würde mich das kränken, Madame, aber beklagen dürfte ich mich darum nie. Ich müsste mich einzig und allein an das Schicksal halten, das uns trennte, weil es wollte, und uns wieder zu vereinigen wissen wird, wenn das so sein soll.«

Auf dieses Gespräch folgte eine langweilige Predigt über den Unbestand des menschlichen Herzens, über die Nichtigkeit der Schwüre, über den Zwang der Ehen. Nach kurzen Umarmungen schieden beide voneinander.

So groß der Zwang gewesen, den sich die Dame in Gegenwart ihres Liebhabers auferlegen musste, so fürchterlich war der Ausbruch ihres Schmerzens, als er fortgegangen war. »Also ist es wahr«, schrie sie laut aus, »es ist mehr als zu wahr, er liebt mich nicht mehr!« – Nachdem ihre ersten Aufwallungen vorüber waren und sie in stiller Wut über dem erlittenen Schimpfe gebrütet hatte, beschloss sie eine Rache, die ohne Beispiel war, eine Rache zum Schrecken aller Männer, die sich gelüsten lassen, eine Frau von Ehre zu betrügen, und diese Rache führte sie aus.

Die Marquise hatte ehemals mit einer gewissen Frau aus der Provinz in Bekanntschaft gestanden, die eines Prozesses wegen mit ihrer Tochter, einem Mädchen von großer Schönheit und guter Erziehung, nach Paris gezogen war. Jetzt hatte sie erfahren, dass diese Frau mit ihrem Prozess ihr ganzes Vermögen verloren hatte und dahin gebracht worden war, ein Haus der Freude zu unterhalten. Man kam da zusammen, man spielte, man speiste zu Abend, und gemeiniglich blieb einer oder zwei von den Gästen die Nacht über dort, mit Mutter oder Tochter, wie er nun Lust hatte, sich ein Vergnügen zu machen.

Die Marquise ließ durch einige Bediente diesen Weibspersonen nachspüren; sie wurden ausfindig gemacht und zur Frau von P*** – ein Name, den sie sich kaum noch zurückrufen konnten – auf einen Besuch gebeten. Die Frauenzimmer, welche sich zu Paris für eine Madame und Mademoiselle Aisnon ausgaben, nahmen die Einladung mit Vergnügen an. Gleich den andern Morgen fand sich die Mutter bei der Marquise ein, welche das Gespräch sogleich auf ihre jetzige Lebensart zu lenken wusste.

»Frei heraus, gnädige Frau«, antwortete die Alte, »wir leben von einem Handwerk, das leider sehr wenig einträgt, gefährlich und misslich und noch obendrein eins von den schimpflichsten ist. Mir selbst ist es noch dazu in den Tod zuwider, aber Not bricht Eisen, wie das Sprichwort sagt. Ich war schon halbwegs entschlossen, meine Tochter bei der Opera anzubringen, aber ihre Stimme taugt höchstens für eine Kammersängerin, und außerdem tanzt sie schlecht. Auch habe ich sie, während meines Prozesses und auch nachher, bei den Vornehmen dieser Stadt, bei den obrigkeitlichen Personen, bei den Pächtern und geistlichen Herren herumgeführt der Reihe nach; aber die Herren, wie das nun geht, akkordierten immer nur auf eine Zeitlang, und am Ende blieb sie mir denn so sitzen. Nicht etwa, meine gnädige Frau, als ob sie nicht schön wäre wie ein Engel – auch fehlt es ihr weder an Verstand noch Manieren, aber der eigentliche Pfiff für das Gewerbe mangelt ihr ganz und gar, und alle die kleinen Kunstgriffchen, die man anwenden muss, das Männervolk in Atem zu halten.«

»Sind Sie denn sehr bekannt hier?« frug die Marquise.

»Leider Gottes, nur zu sehr«, sagte die Alte.

»Und, wie ich merke, scheinen Sie beide wenig Lust und Liebe zu Ihrem Gewerbe zu haben?«

»Ganz und gar nicht, und am wenigsten meine Tochter, die mir ohne Aufhören in den Ohren liegt, sie davon wegzunehmen oder lieber ums Leben zu bringen. Obendrein hat sie noch ihre melancholische Stunden, wo sie vollends gar nicht zu brauchen ist.«

»Wenn ich mir also zum Beispiel in den Kopf setzen wollte, Ihr Schicksal auf eine glänzende Art zu verbessern, würden Sie mir wohl beide wenig Schwierigkeiten machen?«

»Das meint' ich auch.«

»Aber die Frage ist, ob Sie mir werden versprechen können, allen Vorschriften, die ich für gut finden könnte, Ihnen zu geben, mit der strengsten Genauigkeit nachzuleben?«

»Darauf können Sie zählen, Madame. So hart sie auch sein mögen.«

»Und Ihr Gehorsam ist mir also gewiss, so oft es mir einfallen wird zu befehlen?«

»Wir werden mit Ungeduld darauf warten.«

»Das ist gut. Jetzt, Madame, gehen Sie nach Hause, Sie sollen gleich meine fernern Verfügungen hören. Unterdessen schaffen Sie alles fort, was Sie an Hausgerät haben; auch Ihre Kleider schaffen Sie fort, die besonders, welche von frecher oder schreiender Farbe sind, das alles würde mir nur meinen Anschlag vereiteln.«

Jene ging. Frau von P*** warf sich in den Wagen und ließ sich in die Vorstädte fahren, welche ihr von der Wohnung der Aisnon am weitesten entlegen schienen. Hier mietete sie nicht weit von der Pfarrkirche eine schlechte Wohnung in einem ehrbaren Bürgershause und ließ solche auf das Sparsamste möblieren. Dahin lud sie die beiden Aisnon, übergab ihnen Haus und Wirtschaft und legte ihnen einen schriftlichen Aufsatz von den Lebensregeln vor, die sie künftighin zu befolgen hatten. Sie waren folgende:

»Auf keinen öffentlichen Spaziergang gehen Sie mehr, denn es liegt daran, dass Sie von niemand entdeckt werden.

Sie nehmen keine Besuche an, auch selbst aus Ihrer Nachbarschaft nicht, denn es muss das Ansehen haben, als hätten Sie der Welt gänzlich entsagt.

Gleich von dem morgigen Tag an müssen Sie andächtige Kleider tragen.

Zu Hause werden keine anderen als geistliche Bücher geduldet, dass Sie ja keinem Rückfall sich aussetzen.

Ihrem Gottesdienst müssen Sie jeden Werk- und Feiertag mit brünstigem Eifer obliegen.

Sie müssen dahin trachten, dass Sie sich in das Sprechzimmer dieses oder jenes Klosters Eingang verschaffen. Die Plaudereien der Mönche können von Nutzen für Sie werden.

Mit dem Pfarrherrn und den übrigen Geistlichen müssen Sie genau bekannt werden; der Fall könnte kommen, dass man ein Zeugnis von Ihnen verlangte.

Des Monats müssen Sie wenigstens zweimal zur Beichte und zum Abendmahl gehen.

Ihren Familiennamen nehmen Sie wieder an, weil er ehrbarer ist und Nachfrage deswegen geschehen könnte.

Von Zeit zu Zeit streuen Sie kleine Almosen aus, aber ich verbiete Ihnen schlechterdings, welche anzunehmen. Man soll Sie weder für reich noch für dürftig halten.

Zu Hause beschäftigen Sie sich mit Nähen, Stricken, Spinnen und Sticken, und Ihre Arbeiten verkaufen Sie dann in ein Armenhaus.

Ihre Lebensordnung sei äußerst mäßig. Einige schmale Portionen aus dem Gasthaus sind alles, was ich Ihnen erlauben kann.

Die Tochter geht nie ohne die Mutter, die Mutter nie ohne die Tochter aus. Überhaupt, wo Sie Gelegenheit finden, etwas Erbauliches zu tun, ohne dass es Kosten verursacht, so unterlassen Sie es nie.

Aber ein für alle Mal: weder Pfaffen noch Mönche noch fromme Brüder in Ihren vier Pfählen.

Gehen Sie über die Gasse, so schlagen Sie die Augen jederzeit sittsam zu Boden. In der Kirche sehen Sie nirgends hin als auf Gott.

Ich will gern glauben, dass diese Einschränkung hart ist, aber in die Länge kann sie nicht dauern, und die Entschädigung wird außerordentlich sein. Gehen Sie nun mit sich selbst zu Rat. Wenn Sie besorgen, dass Ihre Kräfte diesen Zwang nicht aushalten, so gestehen Sie es jetzt frei heraus. Es kann mich weder beleidigen noch befremden – Ich vergaß vorhin noch anzumerken, dass es sehr wohlgetan sein würde, wenn Sie sich die Sprache der Mystiker angewöhnten und die Redensarten der heiligen Schrift recht geläufig machten. Bei jeder Gelegenheit lassen Sie Ihren Groll gegen die Weltweisen aus, und Voltairen erklären Sie für den Antichrist. – Nunmehr leben Sie wohl. Hier in Ihrem Hause werden wir uns schwerlich wiedersehen. Ich bin ja nicht würdig, mit so heiligen Frauen in Gesellschaft zu leben. Doch seien Sie deswegen unbesorgt. Sie sollen mich desto öfter in der Stille besuchen, und dann wollen wir das Verlorene bei verschlossenen Türen hereinbringen.

Aber, um was ich Sie bitte – sehen Sie ja zu, dass Sie mir über dem heilig Tun nicht im Ernst heilig werden. Die Auslage für Ihre kleine Wirtschaft wird meine Sorge sein. Glückt unser Anschlag, so bedürfen Sie meines Beistands nicht wieder. Sollte er, ohne Ihr Verschulden, misslingen, so habe ich Vermögen genug, Ihr Schicksal erträglich zu machen, und unendlich erträglicher, als dasjenige war, dem Sie jetzt mir zu Gefallen entsagen. Aber vor allen Dingen – Gehorsam, blinden unumschränkten Gehorsam gegen meine Befehle, oder ich kann Ihnen weder für jetzt noch fürs Künftige einstehen.«

Unter der Zeit, während unsre zwei Andächtigen nach Vorschrift die Welt erbauten und der gute Geruch ihrer Heiligkeit sich ringsum verbreitete, fuhr Frau von P*** nach ihrer Gewohnheit fort, jeden äußerlichen Schein von Achtung und vertraulicher Freundschaft gegen den Marquis zu beobachten. – Willkommen, sooft er sich sehen ließ, nie mürrisch oder ungleich von ihr empfangen, selbst dann nicht, wenn er sich lange hatte vermissen lassen, kramte er alle seine kleinen Abenteuer bei ihr aus, welche sie mit der unbefangensten Lustigkeit anhörte. In jeder Verlegenheit schenkte sie ihm ihre Teilnahme, ihren Rat – unter der Hand ließ sie auch ein Wort von Verheiratung fallen, jedoch immer mit dem Tone der uneigennützigsten Freundschaft, der auf sie selbst nicht die geringste Beziehung zu haben schien. Wandelte es den Marquis in gewissen Augenblicken an, galant gegen sie zu sein und ihr etwas Schmeichelhaftes zu erweisen – Dinge, worüber man bei Frauenzimmern von so genauer Bekanntschaft sich nie ganz hinwegsetzen kann – so antwortete sie mit einem Lächeln oder schien gar nicht einmal darauf merken zu wollen. Ein Freund wie er, behauptete sie dann, reiche zur Glückseligkeit ihres Lebens hin – ihre erste Jugend wäre vorüber, ihre Leidenschaften ausgelöscht.

»Wie, Madame!« antwortete er voll Verwunderung, »Sie sollten mir also nichts mehr zu beichten haben?«

»Nicht das Mindeste mehr.«

»Auch von dem kleinen Grafen nichts, der mir sonst gefährlich war?«

»Diesem habe ich meine Türe verschlossen. Ich seh ihn nimmermehr.«

»Das ist aber wunderlich, Madame, und warum denn?«

»Weil er mir zuwider ist.«

»Gestehen Sie, Madame. Gestehen Sie. Ich lese in Ihrem Herzen. Sie lieben mich noch immer?«

»Das könnte wohl sein.«

»Und zählen auf meine Wiederkehr?«

»Warum sollt ich nicht dürfen?«

»Und wenn mir also das Glück – oder das Unglück? – begegnete, rückfällig in meiner Liebe zu werden, würden Sie sich ohne Zweifel nicht wenig darauf zugute tun, über meine vorige Unart einen Schleier zu ziehen?«

»Sie haben eine große Meinung von meiner Gefälligkeit.«

»O Madame, nach dem, was Sie bereits schon getan haben, traue ich Ihnen jede Heldentat zu.«

»Das soll mir unendlich lieb sein.«

»Auf Ehre, Madame. Sie sind eine gefährliche Frau. Das ist ausgemacht.«

So standen die Sachen noch, als schon der dritte Monat verstrichen war; endlich glaubte die Dame, dass der Zeitpunkt erschienen sei, ihre Federn einmal spielen zu lassen. An einem schönen Sommertag, wo der Marquis bei ihr zu Mittag erwartet wurde, befahl sie den beiden Aisnon, im königlichen Garten spazierenzugehen. Der Marquis erschien bei der Tafel, man trug früher auf als gewöhnlich, man speiste kostbarer, die Unterhaltung war die munterste. Nach Tische brachte die Dame einen kleinen Spaziergang in Vorschlag, wenn anders der Marquis nichts Wichtigeres darüber versäumte. Es traf sich gerade, dass an ebendem Tag weder Schauspiel noch Opera war. Dies gab Gelegenheit, dass der Marquis zuerst auf den Einfall kam, das königliche Kabinett zu besehen. Nichts konnte der Dame willkommener sein. Die Bestellung wird gemacht ohne Zeitverlust. Die Pferde sind vorgespannt. Man wirft sich in den Wagen. Man eilt nach dem Garten und findet sich auf einmal in einem Gedränge von Welt, begafft alles und sieht nichts, wie das gemeiniglich zu geschehen pflegt.

Nachdem beide das königliche Kabinett verlassen hatten, mischten sie sich unter die andern Spazierenden. Der Weg führte sie durch eine Allee zur Baumschule, wo Frau von P*** auf einmal ein lautes Geschrei erhub: »Sind sie's? Sie sind's! Nein, ich täusche mich nicht? – Es sind wirklich dieselben«, und mit den Worten entspringt sie dem Marquis und fliegt unsern beiden frommen Schwestern entgegen. Die junge Aisnon war heute zum Bezaubern; der bescheidene Anzug erlaubte es den Blicken, ganz in das Anschauen der Person hinzuschmelzen.

»Ah! Sind Sie es, Madame?«

»Ich bins! Ja freilich. Und wie leben Sie denn? Und wie ist es Ihnen die ganze lange Ewigkeit her ergangen?«

»Sie wissen unser Unglück, Madame. Was war zu tun? Wir haben uns eingeschränkt, haben uns nach der Decke gestreckt, weil wir mussten, und einer Welt Lebewohl gesagt, in welcher wir mit dem vorigen Anstand nicht mehr auftreten konnten.«

»Aber mich zu verlassen, mich, die doch auch nicht mehr zu der Welt gehört und sie nachgerade so abgeschmackt findet, als sie es auch in der Tat ist! Das war nicht artig, meine Kinder.«

»Misstrauen, gnädige Frau, ist von jeher die Begleitung des Unglücks gewesen. Die Unwürdigen fürchten so gern, überlästig zu sein –«

»Überlästig? Sie mir? Wissen Sie auch, dass ich Ihnen das mein Leben lang nicht mehr vergeben werde?«

»Mir geben Sie die Schuld nicht, gnädige Frau. Wohl hundertmal habe ich die Mama an Sie erinnert, aber da hieß es immer: Frau von P***? Lass es gut sein, meine Tochter. An uns denkt kein Mensch mehr.«

»Wie ungerecht! Aber setzen wir uns. Lassen Sie uns den Handel gleich auf der Stelle ausmachen. – Hier meine Freundinnen. Der Marquis von A*** – ein sehr guter Freund von mir, und der uns nicht im Mindesten stören wird. Aber sieh doch, wie Mademoiselle groß geworden ist, wie schön, seitdem wir uns das letzte Mal sahen!«

»Das danken wir unsrer Armut, Madame, die wenigstens unsre Gesundheit behütet. Schauen Sie ihr in die Augen, betrachten Sie diese Arme. – Das können Ordnung und Mäßigkeit, Schlaf und Arbeit und ein gutes Gewissen, und das ist auch nichts Kleines, gnädige Frau.« –

Man setzte sich, man plauderte vertraulich zusammen; die ältere Aisnon sprach gut, die jüngere wenig. Beide beobachteten den Ton der geistlichen Demut, doch ohne sich zu zieren oder zu übertreiben. Lange vorher, eh es noch Abend wurde, machten die beiden frommen Schwestern den Aufbruch. Man drang in sie zu bleiben – man stellte vor, dass es noch hoch am Tage wäre, aber die Mutter lispelte der Marquise – ziemlich laut, versteht sich – in das Ohr, dass sie noch eine Andachtsübung zu verrichten hätten, die sie niemals versäumten. Sie waren schon eine ziemliche Strecke voneinander, als Frau von P*** sich auf einmal besann, nicht nach ihrer Wohnung gefragt zu haben. Gleich sprengte der Marquis zurück, dieses Versehen wiedergutzumachen. Die Adresse der gnädigen Frau ward mit Bereitwilligkeit angenommen, aber alle Bemühungen des Marquis waren umsonst, die ihrige zu erfragen. Er hatte nicht einmal den Mut, ihnen seinen Wagen anzubieten – ein Umstand, der ihm doch, wie er der Frau von P*** nachher selbst gestand, oft genug auf der Zunge schwebte.

Sein Erstes war, dass er sich bei der Marquise umständlicher erkundigte. Wer denn eigentlich diese Frauenzimmer wären. – »Zwei Geschöpfe«, war die Antwort, »die wenigstens glücklicher sind als Sie und ich. Sahen Sie die blühende Gesundheit? Die Heiterkeit auf ihrem Angesicht? Die Unschuld, die Sittsamkeit in ihren Reden? Dergleichen erlebt man nicht, sieht man nicht, hört man in unsern Zirkeln nicht. Wir bedauern die Andächtige, die Andächtigen bedauern uns, und am Ende – wer weiß, ob sie Unrecht haben?«

»Aber ich bitte Sie, Madame – Sie werden doch nicht selbst eine Betschwester werden wollen?«

»Warum das nicht?«

»Ich beschwöre Sie, Madame – Ich will doch nicht hoffen, dass unser Bruch, wenn es ja einer sein soll, Sie bis zu der Raserei führen werde?«

»Also sähen Sie es lieber, wenn ich dem kleinen Grafen meine Türe wieder öffnete?«

»Tausendmal lieber.«

»Und rieten mir's am Ende wohl noch selbst an?«

»Ohne Bedenken.«

Frau von P*** erzählte dem Marquis, was sie von dem Herkommen und den Schicksalen ihrer Freundinnen wusste, und mischte so viel Interesse, als nur möglich war, in diese Geschichte. Endlich setzte sie hinzu:

»Sie finden hier zwei weibliche Geschöpfe, wie man wenige finden wird, vorzüglich aber die Tochter. Eine Gestalt, wie das Mädchen sie hat, sehen Sie selbst ein, würde ihre Besitzerin zu Paris nie Not leiden lassen, wenn sie Lust hätte, Gebrauch davon zu machen; aber diese Frauenzimmer haben eine ehrenvolle Dürftigkeit einem schimpflichen Überfluss vorgezogen. Der Rest ihres Vermögens ist so klein, dass ich bis zu dieser Stunde nicht begreifen kann, wie sie nur damit auskommen mögen. Da ist Tag und Nacht zu tun. Armut ertragen, wenn man arm geboren worden, ist eine Tugend, deren tausend Menschen fähig sind – aber von dem höchsten Überflusse plötzlich zur höchsten Notdurft heruntersinken und zufrieden sein und sich obendrein noch glücklich schätzen, ist eine Erscheinung, die ich nimmermehr erklären kann – Sehen Sie, Marquis, so etwas kann nur die Religion. Die Weltweisen haben gut schwatzen. Die Religion ist etwas Herrliches.«

»Für den Unglücklichen ganz gewiss.«

»Und wer ist das nicht – mehr oder weniger – früher oder später?«

»Ich will sterben, Marquise, wenn Sie nicht noch eine Heilige werden.«

»Als wenn das Unheil so entsetzlich wäre! Wie wenig bedeutet mir dies Leben, wenn ich es mit einer ewigen Zukunft auf die Waage lege.«

»Aber Sie reden ja schon wie ein Apostel.«

»Ich rede wie eine Überzeugte. Wie, mein lieber Marquis, antworten Sie mir doch einmal – aber wahr und ohne Rückhalt – Wenn uns die Freuden und Schrecken jener Welt lebhafter vorschwebten, wie klein würden die Reichtümer dieser Erde vor unsern Augen zusammenschrumpfen? – Wer sonst als ein Rasender würde Lust bekommen, ein junges Mädchen oder eine liebende Gattin an der Seite ihres Gemahls zu verführen, wenn der Gedanke ihn anwandelte: ich kann in ihrer Umarmung sterben und ewig verdammt sein?«

»Und doch ist dies etwas Alltägliches.«

»Weil man nicht mehr an Gott glaubt, weil man von Sinnen ist.«

»Oder, Madame, weil unsre Sitten mit unsrer Religion nichts zu schaffen haben. Aber, liebe Marquise, wie kommen Sie mir vor? Sie tummeln sich ja über Hals und Kopf zu dem Beichtstuhl?«

»Ich sollte freilich wohl etwas Klügeres tun.«

»Gehen Sie, Sie sind eine Närrin. Sie haben noch schöne zwanzig Jahre ganz allerliebst wegzusündigen. Lassen Sie die erst genossen sein, und dann bereuen Sie meinethalben oder prahlen damit bei Ihrem Beichtiger – Aber unser Gespräch hat eine so schwermütige Wendung genommen. Ihre Phantasie, Madame, wird ganz unerträglich finster, und das kommt bei meiner Ehre von nichts als dem abscheulichen Klosterleben. Folgen Sie mir, Madame – lassen Sie den kleinen Grafen wieder zurückkommen, und ich verwette Seligkeit und Seele, Sie sehen weder Hölle noch Teufel mehr und sind auf einmal wieder liebenswürdig wie zuvor. Fürchten Sie etwa, dass ich Ihnen ein Verbrechen daraus machen möchte, wenn es mit uns wieder auf den alten Fuß kommen sollte? – Es könnte aber nun nie mehr dahin kommen, dann hätten Sie sich ja, einem eigensinnigen Traum zu Gefallen, um die süßeste Zeit ihres Lebens betrogen – und – soll ich's gerade heraussagen, Madame? – der Triumph, es mir zuvorgetan zu haben, ist so viel Aufopferung nicht einmal wert.«

Noch einige Gänge durch die Allee, und sie stiegen wieder in den Wagen. Eine Weile darauf fing Frau von P*** von neuem an.

»Wie einen das doch alt machen kann! Es denkt mir noch, wie das nicht viel höher war als ein Kohlhaupt, als es zum ersten Mal nach Paris kam.«

»Sie meinen das junge Frauenzimmer, das uns vorhin mit ihrer Mutter begegnete?«

»Das nämliche. Sehen Sie, Marquis, das erinnert mich an einen Garten, wo frische Rosen immer die verwelkten ablösen. Haben Sie sie auch recht ins Aug' gefasst?«

»Ich habe nicht ermangelt.«

»Nun – und was halten Sie von ihr?«

»Es ist der Kopf einer Mutter Gottes von Raphael, auf den Leib seiner Galathee gestellt – O, und die unaussprechlich melodische Stimme –«

»Und die Bescheidenheit im Auge!«

»Und der Anstand, die Grazie in jeder Gebärde!«

»Und die Würde ihres Vortrags, die man doch sonst an keinem Mädchen ihresgleichen findet. Sehen Sie, was eine gute Erziehung tut!«

»Ja, wenn die Anlage schon so trefflich ist.«

Der Marquis brachte Frau von P*** nach Hause. Diese konnte es kaum erwarten, ihren beiden Kreaturen die Zufriedenheit zu bezeugen, welche sie über die glückliche Eröffnung des Possenspiels empfand.

Von dieser Zeit fing der Marquis an, seine Besuche bei der Dame zu verdoppeln. Sie schien es nicht bemerken zu wollen. Niemals leitete sie das Gespräch auf die beiden Frauenzimmer, er musste immer zuerst davon anfangen, und dieses tat er auch mit Ungeduld – doch zugleich mit einer künstlichen Gleichgültigkeit, welche ihm aber immer verunglückte.

»Sahen Sie heute Ihre zwei Freundinnen?«

»Nein.«

»Wissen Sie aber, dass Sie gar nicht artig sind, meine gnädige Frau? – Sie haben Vermögen, diese zwei Frauenzimmer leiden Mangel, und Sie sind nicht einmal so höflich, ihnen zuweilen Ihren Tisch anzubieten?«

»Ich hätte doch gemeint, der Marquis von A*** sollte sich mit meiner Denkungsart besser bekannt gemacht haben. Vor Zeiten wohl mochte die Liebe mir hie und da eine Tugend borgen, jetzt aber hilft mir die Freundschaft nur mit Schwachheiten aus. Wohl zehnmal habe ich sie indessen zu Tische bitten lassen, aber immer schlugen sie es aus. Sie haben ihre besondern Gründe, mein Haus zu meiden, und wenn ich ihnen einen Besuch gebe, so tut es Not, dass ich meinen Wagen am Ende der Gasse halten lasse und zuvor Schmuck und Schminke und jede Kostbarkeit von mir lege. Wundern Sie sich über diese grillenfängerische Behutsamkeit nicht. Eine zweideutige Auslegung könnte nur gar zu leicht den guten Willen ihrer Wohltäter abkühlen. Heutzutage, Marquis, gehört viel dazu, Gutes zu tun.«

»Bei den Frommen besonders.«

»Wo der geringste Vorwand davon lossprechen kann. Erführe man, dass ich mich hineinmischte, gleich würde es heißen: Frau von P*** ist ihre Gönnerin – sie brauchen keine Beisteuer mehr – und die Almosen hörten auf«

»Was? die Almosen?«

»Ja, mein Herr, die Almosen.«

»Diese Frauenzimmer sind Ihre Bekannte und leben vom Almosen?«

»Dacht' ich's doch! – lieber Marquis, da seh ich's ja deutlich, dass Sie aufgehört haben, mich zu lieben. Mit Ihrer Zärtlichkeit hab ich ein gutes Teil Ihrer Achtung zugleich verloren. Wer sagt Ihnen denn, dass die Schuld mein sein muss, wenn diese Frauenzimmer vom Opfergeld leben?«

»Verzeihung, Madame. Ich war voreilig. Ich bitte tausendmal um Verzeihung. Aber was für Ursachen hätten sie denn, den Beistand einer guten Freundin auszuschlagen?«

»O mein lieber Marquis. Wir Weltkinder verstehen uns auf die wunderlichen Bedenklichkeiten der Heiligen nicht. Sie halten es nicht für schicklich, Wohltaten von fremder Hand ohne Unterschied anzunehmen.«

»Aber da berauben sie uns ja des einzigen Mittels, unsere unsinnigen Verschwendungen hie und da wieder gutzumachen?«

»Das seh' ich nicht ab. Gesetzt, dass der Marquis von A*** das Schicksal dieser zwei Geschöpfe sich zu Herzen nähme, könnte er seine Gaben nicht durch würdigere Hände an sie gelangen lassen?«

»Würdigere – Nicht wahr? und desto weniger sichere?«

»Das könnte wohl sein.«

»Was meinen Sie, Madame – wenn ich ihnen zum Beispiel zwanzig Louis schicken wollte – würde man mein Geschenk wohl zurückweisen?«

»Nichts gewisser – und Ihnen, mein lieber Marquis, würde ein solcher Eigensinn bei der Mutter eines so schönen Kindes ohne Zweifel übel angebracht scheinen?«

»Glauben Sie, dass ich in Versuchung war, hinzugehen?«

»O ja, sehr gerne – Marquis, Marquis! Seien Sie auf Ihrer Hut! – es regt sich ein Mitleid in Ihrem Herzen, das mir sehr unerwartet und verdächtig scheint.«

»Mag's – aber sagen Sie mir, hätte man meinen Besuch angenommen?«

»Zuverlässig nicht. Schon der Glanz Ihrer Equipage, die Pracht Ihrer Kleider, das Aufsehen von Bedienten, der Anblick eines schönen jungen Mannes – mehr hätte es nicht gebraucht, um die ganze Nachbarschaft in Alarm zu bringen und die armen Unschuldigen zugrunde zu richten.«

»Sie tun mir weh, Madame, denn auf meine Ehre, das waren meine Absichten nicht. Also muss ich mir das Vergnügen versagen, sie zu sehen und ihnen Gutes zu tun.«

»So scheint es.«

»Aber, wenn ich meine Geschenke durch Ihre Hand gehen ließe?«

»Ich mag mich zu einer Wohltätigkeit nicht hergeben, die so zweideutig aussieht.«

»Das ist aber ja ganz abscheulich.«

»Abscheulich! Sie haben ganz recht.«

»Was für Einbildungen! Ich glaube, Sie wollen mich foppen, Madame? – Ein junges Mädchen, das ich in meinem Leben einmal gesehen habe –«

»Nehmen Sie sich in Acht, sag' ich Ihnen. Sie sind auf dem Wege, sich unglücklich zu machen. Lassen Sie mich lieber jetzt Ihren Schutzengel als nachher Ihre Trösterin sein – Meinen Sie etwa, dass Sie es hier mit Kreaturen zu tun haben, wie Sie deren sonst kennenlernten? – Verwechseln Sie nichts, guter Marquis. Frauenzimmer wie diese versucht man nicht – überrumpelt man nicht – erobert man nicht. Sie verstehen den Wink nicht. Sie laufen nicht in die Falle.«

Auf einmal besann sich der Marquis, dass er noch etwas Drängendes zu verrichten habe. Er stand mit Ungestüm auf und ging mürrisch aus dem Zimmer.

Viele Wochen lang dauerte das fort. Der Marquis ließ keinen Tag verstreichen, ohne Frau von P*** zu sehen; aber er kam, warf sich auf das Sofa, gab keinen Laut von sich; Frau von P*** führte das Wort allein, der Marquis blieb eine Viertelstunde und verschwand. Endlich blieb er einen ganzen Monat aus dem Hause. Nach Verfluss dessen zeigte er sich wieder, aber schwermutsvoll und zugerichtet wie eine Leiche. Frau von P*** erschrak bei seinem Anblick.

»Wie sehen Sie aus, Marquis? Woher kommen Sie? – Haben Sie diese ganze Zeit über in Ketten gelegen?«

»Schier so, bei Gott! – Aus Verzweiflung stürzt ich mich in das abscheulichste Schlaraffenleben.«

»Wie das? aus Verzweiflung?«

»Nicht anders, Madame – aus Verzweiflung.«

Mit den Worten lief er hastig durch das Zimmer, dahin, dorthin, trat er an ein Fenster, blickte nach den Wolken, kam zurück, blieb auf einmal vor ihr stehen, ging zur Tür, rief einen seiner Leute, hieß ihn wieder gehen, stellte sich aufs Neue vor die Dame, wollte reden, aber konnte nicht – Frau von P*** saß mittlerweile still an ihrem Arbeitstisch, ohne ihn bemerken zu wollen, endlich hatte sie Erbarmen mit seinem Zustand und fing an:

»Was haben Sie denn, Marquis? Einen ganzen Monat lang sieht man Sie nicht, und nun kommen Sie und sehen aus wie einer, der dem Leichentuch entsprungen ist, und treiben sich herum wie eine Seele im Fegfeuer!«

»Ich halt es nicht länger aus. Ich will – ich muss – Sie sollen alles hören. Jenes Mädchen, die Tochter Ihrer Freundin – o sie hat eine tiefe Wirkung auf mein Herz gemacht. Alles, alles hab ich angewandt, sie zu vergessen, doch umsonst – Je mehr ich sie bekämpfte, desto tiefer grub sich die Erinnerung. Dieser Engel hat mich ganz dahin – Sie müssen mir einen großen Dienst erweisen.«

»Nun?«

»Es ist umsonst. Ich muss – ich muss sie wieder sehen, und Ihnen, o nur Ihnen kann ich das zu danken haben. Ich habe meine Bediente in fremde Kleider gesteckt – ich habe ihnen auflauern lassen. Ihr ganzer Aus- und Eingang ist in die Kirche und aus der Kirche, aus ihrem Hause und in ihr Haus zurück. Zehnmal hab ich mich ihnen zu Fuß in den Weg gestellt, sie haben mich auch nicht einmal eines Blicks gewürdigt. Unter ihre Haustüre habe ich mich vergebens gepflanzt. Sie zu vergessen, bin ich auf eine Zeitlang der liederlichste Bube geworden – ihnen zu gefallen wieder fromm und heilig wie ein Märtyrer, und fünfzehn Tage hat mich keine Messe vermisst – O welche Gestalt, meine Freundin! Wie reizend! Wie unaussprechlich schön!«

Frau von P*** war von allem unterrichtet. – »Das heißt«, gab sie dem Marquis zur Antwort, »Sie haben alles angewandt, um gescheit zu werden, und nichts unterlassen, um ein Narr zu sein, und das letztere ist Ihnen gelungen.«

»O ganz recht, gelungen, und in einem fürchterlichen Grade. Werden Sie mich bedauern, Madame? Werden Sie mir die Seligkeit verschaffen, diesen Engel wiederzusehen?«

»Die Sache will Überlegung – ich werde sie schlechterdings nicht übernehmen, Sie versprechen mir denn auf das Heiligste, diese arme Unglückliche in Ruhe zu lassen und Ihre Verfolgungen aufzugeben. Auch will ich Ihnen nicht verhehlen, Marquis, dass man sich sehr empfindlich über Ihre Zudringlichkeit gegen mich schon geäußert hat – Wollen Sie diesen Brief ansehen?«

Der Brief, den man dem Marquis hier in die Hände spielte, war unter den drei Frauenzimmern verabredet. Es musste das Ansehen haben, als hätte die jüngere Aisnon ihn auf ausdrücklichen Befehl ihrer Mutter geschrieben. Zugleich unterließ man nicht, so viel Edles und Zärtliches, so viel Geist und Geschmack einzuweben, als nötig war, dem Marquis den Kopf zu verrücken. Auch begleitete er jeden Gedanken mit einem Freudenruf, jedes Wort las er wieder, und Tränen der Entzückung flossen aus seinen Augen.

»Gestehen Sie nun selbst, dass man nicht göttlicher schreiben kann. O Madame, ich verehre das Frauenzimmer, das so schreibt und empfindet.«

»Das ist auch Ihre Pflicht.«

»Ich will Ihnen Wort halten, ich schwöre es Ihnen, aber ich bitte Sie, ich beschwöre Sie, tun Sie ein Gleiches.«

»Wahrlich, Marquis. Ich komme mir bald als der größere Narr von uns beiden vor. Es ist nicht anders – Sie müssen eine unumschränkte Gewalt über mich haben, und das erschreckt mich.«

»Wann seh ich sie also?«

»Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Vor allen Dingen muss man es so vorbereiten, dass kein Verdacht dabei aufsteigt. Die Frauenzimmer wissen um Ihre Leidenschaft – Überlegen Sie selbst, in welchem Lichte meine Freundschaft erscheinen würde, wenn sie nur entfernt auf den Argwohn kämen, dass ich mit Ihnen einverstanden sei. – Aber offenherzig, lieber Marquis – wofür auch die ganze Verlegenheit? Was geht das mich an, ob Sie lieben oder nicht lieben? Ob Sie ein Tor sind oder ein Kluger? – Lösen Sie selbst Ihren Knoten auf. Die Rolle, die Sie mich wollen spielen lassen, ist wahrlich auch sehr sonderbar.«

»Ich bin verloren, meine Beste, wenn Sie