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Jules Verne bei Null Papier Komplett neu überarbeitet; reichhaltig illustriert und kommentiert Der erste große Roman Jules Vernes, der auch seinen Ruhm mitbegründete. Der bekannte Weltreisende Dr. Samuel Fergusson behauptet, das Problem des lenkbaren Ballons gelöst zu haben, was Aufregung in der Königlichen Geografischen Gesellschaft in London verursacht. Fergusson will die letzten Geheimnisse des Inneren Afrikas erforschen, zu denen auch die sagenumwobenen Quellen des Nils gehören. Sein treuer Diener Joe und sein Freund Dick Kennedy sollen ihn begleiten. Doch natürlich (wie man Verne kennt) verläuft die Luftreise nicht ohne Zwischenfälle. Es kommt zu Abenteuern mit Raubtieren, unfreiwilligen Zwischenlandungen, Rettungsaktionen und wilden Kannibalen. In vielen neuen Veröffentlichungen wurden aus Jugendschutzgründen die grausameren Details und Vorkommnisse kurzerhand weggelassen. Hier haben Sie die Gelegenheit, wieder die vollständige, unzensierte und überarbeitete Erstausgabe für Erwachsene zu lesen. Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 434
Jules Verne
Fünf Wochen im Ballon
Illustrierte und unzensierte Komplettübersetzung
Jules Verne
Fünf Wochen im Ballon
Illustrierte und unzensierte Komplettübersetzung
(Cinq semaines en ballon)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]: Édouard Riou, Henri de MontautÜbersetzung und Fußnoten: Jürgen Schulze 2. Auflage, ISBN 978-3-962814-80-9
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Inhaltsverzeichnis
Jules Verne – Leben und Werk
Erstes Kapitel – Das Ende einer sehr beifällig aufgenommenen Rede. – Vorstellung des Dr. Samuel Fergusson. – »Excelsior!« – Standbild des Doktors. – Ein überzeugter Fatalist. – Diner im Traveller’s Club. – Zahlreiche Gelegenheitstoaste.
Zweites Kapitel – Ein Artikel des »Daily Telegraf«. – Gelehrter Federkrieg. – Herr Petermann unterstützt seinen Freund, den Doktor Fergusson. – Antwort des Gelehrten Koner. – Abschluss von Wetten. – Dem Doktor werden verschiedene Vorschläge gemacht.
Drittes Kapitel – Der Freund des Doktors. – Geschichte ihrer Freundschaft. – Dick Kennedy in London. – Ein unerwarteter, aber keineswegs beruhigender Vorschlag. – Das wenig tröstlich klingende Sprichwort. – Einige Worte über die afrikanische Märtyrerliste. – Vorteile eines Luftschiffes. – Das Geheimnis des Doktor Fergusson.
Viertes Kapitel – Erforschungsreisen in Afrika. – Barth, Richardson, Overweg, Werne, Brun-Rollet, Peney, Andrea Debono, Miani, Guillaume Lejean, Bruce, Krapf und Rebmann, Maizan, Roscher, Burton und Speke.
Fünftes Kapitel – Träume Kennedys. – Artikel und Pronomina in der Mehrzahl. – Dicks Verdächtigung. – Spaziergang auf der Karte von Afrika. – Was zwischen den beiden Spitzen des Zirkels bleibt. – Gegenwärtige Expeditionen. – Speke und Grant. – Krapf, von Decken, von Heuglin.
Sechstes Kapitel – Ein undenklicher Bedienter. – Er bemerkt die Trabanten des Jupiter. – Dick und Joe im Streit. – Zweifel und Glaube. – Das Wiegen. – Joe. – Wellington. – Er erhält eine halbe Krone.
Siebentes Kapitel – Geometrische Einzelheiten. – Berechnung der Tragfähigkeit des Ballons. – Das doppelte Luftschiff. – Die Hülle. – Die Gondel. – Der geheimnisvolle Apparat. – Lebensmittel. – Noch eine Zugabe.
Achtes Kapitel – Joes Selbstgefühl. – Der Befehlshaber des Resolute. – Kennedys Arsenal. – Einrichtungen. – Das Abschiedsessen. – Die Abreise am 21. Februar. – Wissenschaftliche Sitzungen des Doktors. – Duveyrier, Livingstone. – Einzelheiten der Luftreise. – Kennedy wird zum Schweigen gebracht.
Neuntes Kapitel – Das Kap wird umfahren. – Das Halbverdeck. – Kosmografischer Kursus des Professors Joe. – Von der Lenkung des Ballons. – Von der Erforschung der atmosphärischen Ströme. – Εὔρηχα.
Zehntes Kapitel – Frühere Versuche. – Die fünf Kästen des Doktors. – Das Knallgasgebläse. – Der Heizapparat. – Handhabungsweise. – Sicherer Erfolg!
Elftes Kapitel – Ankunft in Sansibar. – Der englische Konsul. – Ungünstige Stimmung der Einwohner. – Die Insel Kumbeni. – Die Regenmacher. – Schwellung des Ballons. – Abreise am 18. April. – Letztes Lebewohl. – Der Victoria.
Zwölftes Kapitel – Fahrt über die Meerenge. – Der Mrima. – Reden Dicks und Vorschlag Joes. – Kaffee-Rezept. – Usaramo. – Der unglückliche Maizan. – Der Duthumi-Berg. – Die Karten des Doktors. – Nachtaufenthalt über einem Nopal.
Dreizehntes Kapitel – Wetterveränderung. – Kennedys Fieber. – Die Medizin des Doktors. – Reise auf festem Boden. – Das Becken von Imendsche. – Der Rubeho-Berg. – 6000 Fuß hoch. – Eine Tagesrast.
Vierzehntes Kapitel – Der Gummibaumwald. – Die blaue Antilope. – Das Signal zum Sammeln. – Ein unerwarteter Angriff. – Kanyenye. – Eine Nacht im Äther. – Wabunguru. – Dschihue-la-Mkoa. – Der Wasservorrat. – Ankunft in Kaseh.
Fünfzehntes Kapitel – Kaseh. – Der geräuschvolle Markt. – Erscheinung des Victoria. – Die Wanganga. – Die Söhne des Mondes. – Spaziergang des Doktors. – Die Bevölkerung. – Das königliche Tembe. – Die Frauen des Sultans. – Eine königliche Trunkenheit. – Joe wird angebetet. – Wie man auf dem Monde tanzt. – Plötzlicher Umschlag. – Zwei Monde am Firmament. – Unbeständigkeit der göttlichen Größe.
Sechzehntes Kapitel – Anzeichen eines Sturmes. – Das Mondland. – Die Zukunft des afrikanischen Kontinents. – Die Maschine des Jüngsten Gerichtes. – Ansicht des Landes bei Sonnenuntergang. – Die Flora und Fauna. – Der Sturm. – Die Feuerzone. – Der gestirnte Himmel.
Siebzehntes Kapitel – Die Mondberge. – Ein grüner Ozean. – Der Anker wird ausgeworfen. – Der Elefant als Bugsierschiff. – Ein wohl unterhaltenes Feuer. – Tod des Dickhäuters. – Der Bratofen auf freiem Felde. – Mahlzeit im Grünen. – Eine Nacht auf festem Boden.
Achtzehntes Kapitel – Karagwah. – Der Ukerewe-See. – Eine Nacht auf einer Insel. – Der Äquator. – Überfahrt über den See. – Die Wasserfälle. – Ansicht des Landes. – Die Nilquellen. – Die Benga-Insel. – Namenszug Andrea Debonos. – Die Flagge mit dem Wappen Englands.
Neunzehntes Kapitel – Der Nil. – Der Zitterberg. – Erinnerungszeichen an das Land. – Die Erzählungen der Araber. – Die Nyam-Nyam. – Verständige Gedanken Joes. – Der *Victoria* laviert. – Luftschifffahrten. – Madame Blanchard.
Zwanzigstes Kapitel – Die himmlische Flasche. – Die Feigen-Palmbäume. – Die »mammouth trees.« – Der Kriegsbaum. – Das geflügelte Gespann. – Kämpfe zweier Völkerstämme. – Blutbad. – Göttliche Dazwischenkunft.
Einundzwanzigstes Kapitel – Seltsames Geräusch. – Ein nächtlicher Angriff. – Kennedy und Joe in dem Baume. – Zwei Schüsse. – Zu Hilfe! Zu Hilfe! – Antwort in französischer Sprache. – Der Morgen. – Der Missionar. – Der Rettungsplan.
Zweiundzwanzigstes Kapitel – Das Lichtbüschel. – Der Missionar. – Entführung in einem Lichtstrahl. – Der Lazaristen-Priester. – Wenig Hoffnung. – Des Doktors Sorge. – Ein Leben der Entsagung. – Überschreiten eines Vulkans.
Dreiundzwanzigstes Kapitel – Joes Zorn. – Der Tod eines Gerechten. – Die Leichenwache. – Trockenheit. – Das Begräbnis. – Die Quarzblöcke. – Joe in Verzückung. – Kostbarer Ballast. – Aufnahme der Goldberge. – Joes Verzweiflung beginnt.
Vierundzwanzigstes Kapitel – Der Wind legt sich. – Herannahen der Wüste. – Wassermangel. – Die Nächte unter dem Äquator. – Darlegung der gegenwärtigen Lage. – Kennedys und Joes energische Antworten. – Noch eine Nacht.
Fünfundzwanzigstes Kapitel – Ein wenig Philosophie. – Eine Wolke am Horizont. – Im Nebel. – Der unerwartete Ballon. – Die Signale. – Genaue Ansicht des Victoria. – Die Palmbäume. – Spuren einer Karawane. – Der Brunnen inmitten der Wüste.
Sechsundzwanzigstes Kapitel – 113 Grad. – Erwägungen des Doktors. – Verzweifeltes Suchen. – Das Knallgasgebläse erlischt. – 122 Grad. – Betrachtung der Wüste. – Ein Spaziergang während der Nacht. – Öde. – Ohnmacht. – Joes Pläne. – Um einen Tag aufgeschoben.
Siebenundzwanzigstes Kapitel – Übergroße Hitze. – Sinnesverwirrung. – Die letzten Wassertropfen. – Eine Nacht der Verzweiflung. – Selbstmordversuch. – Der Samum. – Die Oasen. – Löwe und Löwin.
Achtundzwanzigstes Kapitel – Ein köstlicher Abend. – Joes Küche. – Erörterung über rohes Fleisch. – Geschichte von James Bruce. – Das Biwak. – Joes Träume. – Das Barometer fällt. – Das Barometer steigt wieder. – Vorbereitungen zum Aufbruch. – Der Orkan.
Neunundzwanzigstes Kapitel – Symptome der Vegetation. – Fantastischer Gedanke eines französischen Schriftstellers. – Ein herrliches Land. – Das Königreich Adamova. – Die Forschungsreisen Spekes und Burtons mit denen Barths verknüpft. – Die Atlantika-Berge. – Der Benoué-Fluss. – Die Stadt Yola. – Der Bagele. – Der Berg Mendif.
Dreißigstes Kapitel – Mosfeia. – Der Scheik. – Denham, Clapperton, Oudney, Vogel. – Die Hauptstadt von Loggoum. – Toole. – Windstille über Kernak. – Der Gouverneur und sein Hof. – Der Angriff. – Die Tauben als Brandstifter.
Einunddreißigstes Kapitel – Nächtliche Abreise. – Alle drei. – Kennedys Instinkt. – Vorsichtsmaßregeln. – Der Lauf des Shari. – Der Tschad-See. – Das Wasser des Sees. – Das Nilpferd. – Eine nutzlos verschossene Kugel.
Zweiunddreißigstes Kapitel – Die Hauptstadt von Bornu. – Die Inseln der Biddiomahs. – Die Lämmergeier. – Die Besorgnisse des Doktors. – Seine Vorsichtsmaßregeln. – Ein Angriff hoch in der Luft. – Riss in der Hülle des Ballons. – Der Fall. – Erhabene Aufopferung. – Die Nordküste des Sees.
Dreiunddreißigstes Kapitel – Mutmaßungen. – Wiederherstellung des Gleichgewichts des Victoria. – Neue Berechnung des Doktor Fergusson. – Kennedys Jagd. – Vollständige Erforschung des Tschad-Sees. – Tangalia. – Rückkehr. – Lari.
Vierunddreißigstes Kapitel – Der Orkan. – Gezwungene Abreise. – Verlust eines Ankers. – Trübe Erwägungen. – Ein Entschluss. – Die Sandhose. – Die verschüttete Karawane. – Widriger und günstiger Wind. – Rückkehr nach dem Süden. – Kennedy auf seinem Posten.
Fünfunddreißigstes Kapitel – Die Geschichte Joes. – Die Insel der Biddiomahs. – Anbetung. – Die verschlungene Insel. – Die Ufer des Sees. – Der Schlangenbaum. – Fußreise. – Leiden. – Moskitos und Ameisen. – Hunger. – Vorüberziehen des Victoria. – Verschwinden des Victoria. – Verzweiflung. – Der Morast. – Ein letzter Schrei.
Sechsunddreißigstes Kapitel – Ein dunkler Punkt am Horizont. – Eine Arabertruppe. – Die Verfolgung. – Er ist’s! – Sturz vom Pferde. – Der erwürgte Araber. – Eine Kugel Kennedys. – Manöver. – Entführung im Fluge. – Joe gerettet.
Siebenunddreißigstes Kapitel – Die Straße nach Westen. – Joes Erwachen. – Sein Eigensinn. – Ende von Joes Geschichte. – Tagelel. – Kennedys Besorgnisse. – Straße im Norden. – Eine Nacht bei Aghades.
Achtunddreißigstes Kapitel – Rasche Fahrt. – Vorsichtige Entschließungen. – Karawanen. – Beständige Regengüsse. – Gao. – Der Niger. – Golberry, Geoffroy, Gray. – Mungo Park. – Laing. – René Caillié. – Clapperton. – John und Richard Lander.
Neununddreißigstes Kapitel – Das Land in der Biegung des Niger. – Fantastische Ansicht der Hombori-Berge. – Kabra. – Timbuktu. – Plan des Doktor Barth. – Verfall. – Wohin der Himmel will.
Vierzigstes Kapitel – Besorgnisse des Doktor Fergusson. – Beharrliche Richtung nach Süden. – Eine Wolke von Heuschrecken. – Ansicht von Dschenna. – Ansicht von Sego. – Windveränderung. – Joes Bedauern.
Einundvierzigstes Kapitel – Herannahen des Senegal. – Der *Victoria* fällt immer mehr. – Es wird noch mehr ausgeworfen. – Der Marabut Al-Hadschi. – Die Herren Pascal, Vincent, Lambert. – Ein Nebenbuhler Mahomeds. – Die schwer übersteigbaren Berge. – Kennedys Waffen. – Ein Manöver Joes. – Station über einem Walde.
Zweiundvierzigstes Kapitel – Edler Wettstreit. – Letztes Opfer. – Der Ausdehnungsapparat. – Geschicklichkeit Joes. – Mitternacht. – Die Wache des Doktors. – Die Wache Kennedys. – Er schläft ein. – Der Brand. – Das Geheul. – Außer dem Bereich.
Dreiundvierzigstes Kapitel – Die Talibas. – Verfolgung. – Ein verwüstetes Land. – Gemäßigter Wind. – Der *Victoria* fällt. Die letzten Vorräte. – Die Sprünge des Victoria. – Verteidigung mit Flintenschüssen. – Der Wind wird heftiger. – Der Senegal. – Die Katarakte von Gouina. – Die erwärmte Luft. – Überfahrt über den Fluss.
Vierundvierzigstes Kapitel – Schluss. – Das Protokoll. – Die französischen Niederlassungen. – Der Posten von Medine. – Der Basilic. – Saint-Louis. – Die englische Fregatte. – Rückkehr nach London.
Ein Nachwort
Danke, dass Sie dieses E-Book aus meinem Verlag erworben haben.
Jules Verne gehört zu den Autoren, die jeder schon einmal gelesen hat. Eine Behauptung, die man nicht über viele Schriftsteller aufstellen kann. Die Geschichten von Verne sind unterhaltend, lehrreich und immer sehr atmosphärisch.
In unregelmäßiger Folge wird mein Verlag die Werke von Verne veröffentlichen – die bekannten wie die unbekannten. Immer in der überarbeiteten Erstübersetzung, um den (sprachlichen) Charme der Zeit beizubehalten.
Korrigiert und kommentiert werden Orts- und Personennamen oder offensichtlich falsche Angaben. Sie finden die Erläuterungen in Fußnoten.
Ich habe es mir auch nicht nehmen lassen, die ursprünglichen Namen zu verwenden: Aus dem Johann wird so wieder der ursprüngliche Jean, aus Ludwig wieder Louis und aus Marianne wieder Marie. Ich denke, das tut den Geschichten nur gut.
Sollten Sie Hilfe benötigen oder eine Frage haben, schreiben Sie mir.
Ihr Jürgen Schulze null-papier.de/kontakt
Reise um die Erde in 80 Tagen
Michael Strogoff - Der Kurier des Zaren
Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer
Eine Idee des Doktor Ox
Eine Überwinterung im Eis
Schwarz-Indien – Oder: Die Stadt unter der Erde
Fünf Wochen im Ballon
Robur der Eroberer
Der Herr der Welt
Von der Erde zum Mond
und weitere …
Beinahe wäre Klein-Jules als Schiffsjunge nach Indien gefahren, hätte eine Laufbahn als Seemann eingeschlagen und später unterhaltsames Seemannsgarn gesponnen, das vermutlich nie die Druckerpresse erreicht hätte.
Jules Verne
Verliebt in die abenteuerliche Literatur
Glücklicherweise für uns Leser hindert man ihn daran: Der Elfjährige wird von Bord geholt und verlebt weiterhin eine behütete Kindheit vor bürgerlichem Hintergrund. Geboren am 8. Februar 1828 in Nantes, wächst Jules-Gabriel Verne in gut situierten Verhältnissen auf. Als ältester von fünf Sprösslingen soll er die väterliche Anwaltspraxis übernehmen, weshalb er ab 1846 in Paris Jura studiert.
Viel spannender findet er schon zu dieser Zeit allerdings die Literatur. Verne freundet sich sowohl mit Alexandre Dumas als auch mit seinem gleichnamigen Sohn an. Gemeinsam mit Vater Dumas verfasst er Opernlibretti und erste dramatische Werke. Nach dem Abschluss seines Studiums beschließt er, nicht nach Nantes zurückzukehren, sondern sich völlig der Dramatik zu widmen.
Zwar schreibt er nicht ganz erfolglos – drei seiner Erzählungen erscheinen in einer literarischen Zeitschrift. Doch zum Leben reicht es nicht, weshalb der junge Autor 1852 den Posten eines Intendanz-Sekretärs am Théâtre lyrique annimmt. Immerhin wird diese Arbeit zuverlässig vergütet und Verne darf sich als Dramatiker betätigen. In seiner Freizeit verfasst er weiterhin Erzählungen, wobei ihn abenteuerliche Reisen am meisten interessieren.
Als er 1857 eine Witwe heiratet, die zwei Töchter in die Ehe mitbringt, muss sich der Literat nach einer besser bezahlten Einkommensquelle umsehen. Während der nächsten zwei Jahre schlägt er sich als Börsenmakler durch, wobei er genug Zeit findet, längere Schiffsreisen zu unternehmen, bevor 1861 sein Sohn Michel geboren wird.
Verliebt ins literarische Abenteuer
Letztlich ist es einer besonderen Begegnung im Jahr 1862 geschuldet, dass alles, was der Autor bisher »geistig angesammelt« hat, in seinen künftigen Romanen kulminieren darf: Der Jugendbuch-Verleger Pierre-Jules Hetzel veröffentlicht Vernes utopischen Reiseroman »Fünf Wochen im Ballon«. Dieses von ihm ohnehin bevorzugte Sujet wird den Schriftsteller nie wieder loslassen – die abenteuerlichen Reisen, auf welcher Route auch immer sie absolviert werden. Hetzel verlegt Vernes noch heute beliebteste Schriften: 1864 »Reise zum Mittelpunkt der Erde«, im folgenden Jahr »Von der Erde zum Mond«, 1869 »Reise um den Mond« und »Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer«. Mit »Reise um die Erde in 80 Tagen« erscheint 1872 Jules Vernes erfolgreichster Roman überhaupt.
Die Zusammenarbeit mit Hetzel, der gleichzeitig als sein Mentor fungiert, sorgt in den späten 1860er Jahren dafür, dass der höchst produktive Schriftsteller seiner Familie einigen Wohlstand bieten und sich selbst »jugendtraumhafte« Reisewünsche erfüllen kann. Sein Verleger stellt ihn namhaften Wissenschaftlern vor – in Kombination mit den erwähnten Reisen entsteht auf diese Weise ein ungeheurer Fundus der Inspiration: Jules Vernes Zettelkasten enthält angeblich 25.000 Notizen!
Zwar ist er seit »Reise um den Mond« gleichermaßen wohlhabend und geachtet; er engagiert sich seit den späten 1880er Jahren sogar als Stadtrat in Amiens, wohin er 1871 mit seiner Familie übergesiedelt war. Der »Ritterschlag« aber bleibt aus: In der Académie française möchte man den Jugendbuchautor nicht haben, er gilt als nicht seriös genug.
Den Zenit seines Schaffens hat der Literat bereits überschritten, als er 1888 bleibende Verletzungen durch den Schusswaffen-Angriff eines geistesgestörten Verwandten davonträgt. Dennoch arbeitet der Autor ununterbrochen weiter. Als Jules Verne im März 1905 stirbt, hinterlässt er ein gewaltiges Gesamtwerk: 54 zu Lebzeiten erschienene Romane, weitere elf Manuskripte bearbeitet sein Sohn Michel nach dem Tod des Vaters. Ergänzt wird Vernes Œuvre durch Erzählungen, Bühnenstücke und geografische Veröffentlichungen.
Geliebt und missachtet
Jenes zwiespältige Verhältnis, das sich bereits in der Ablehnung der Akademiemitglieder äußert, kennzeichnet die akademische Rezeption bis heute: Jules Verne ist eben »nur ein Jugendbuchautor«. Weniger befangene Rezipienten freilich schreiben ihm eine ganz andere Bedeutung zu, die dem Visionär und leidenschaftlichen Erzähler besser gerecht wird.
Wenngleich der alternde Literat zum Ende seines Schaffens durchaus nicht mehr in gläubiger Technikbegeisterung aufgeht, bleiben uns doch genau jene Werke in liebevoller Erinnerung, in denen technische und menschliche Großtaten die Handlung bestimmen: »Reise um die Erde in 80 Tagen« oder »Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer« beispielsweise. Wer als Kind von Nemo und seiner Nautilus liest, wird unweigerlich gefangen von diesem technischen Wunderwerk und dessen Kapitän. Vernes Romane gehören zu jenen Jugendbüchern, die man als Erwachsener gerne nochmals zur Hand nimmt – und man staunt erneut, erinnert sich, lässt sich wiederum einfangen und fragt sich, warum man eigentlich so selten Verne liest…
So wie der Autor sich selbst durch Reisen und Wissenschaft inspirieren lässt, dienen seine Werke seit jeher der Inspiration seiner Leserschaft. Wie präsent dieser exzellente Unterhalter in den Köpfen seiner Leser bleibt, belegen Benennungen in See- und Raumfahrt: Das erste Atom-U-Boot der Geschichte ist die amerikanische USS Nautilus. Ein Raumtransporter der Europäischen Raumfahrtagentur heißt »Jules Verne«, ein Asteroid und ein Mondkrater tragen ebenfalls den Namen des Schriftstellers. Die »Jules Verne Trophy« wird seit 1990 für die schnellste Weltumsegelung verliehen, was dem begeisterten Jachtbesitzer Verne gewiss gefallen hätte.
Der kommerzielle Literaturbetrieb sowie die Filmwirtschaft betrachten den französischen Vater der Science-Fiction-Literatur ebenfalls mit Wohlwollen: Unzählige Neuauflagen der Romanklassiker, Hörbücher und Verfilmungen der rasanten, stets mitreißenden Handlungen sprechen Bände. Mittlerweile gelten die ältesten Verfilmungen selbst als kulturelle Meilensteine, die keineswegs nur ein junges Publikum erfreuen.
Jules Vernes Bedeutung für die Literatur
Der Einfluss Vernes auf nachfolgende Science-Fiction-Autoren ist gar nicht hoch genug einzuschätzen: Aus heutiger Sicht ist er einer der Vorreiter der utopischen Literatur Europas, der noch vor H. G. Wells (»Krieg der Welten«) und Kurd Laßwitz (»Auf zwei Planeten«) das neue Genre begründet. Seinerzeit gibt es diesen Begriff noch nicht, weshalb Hetzel die Romane seines Erfolgsschriftstellers als »Außergewöhnliche Reisen« vermarktet
Der Franzose sieht, anders als Wells und ähnlich wie Laßwitz, im technischen Fortschritt das künftige Wohl der Menschheit begründet. Trotzdem ist Jules Verne vor allem Erzähler: Er will weder warnen wie Wells noch belehren wie Laßwitz, sondern in erster Linie unterhalten. Im Vergleich zum spröden Realismus eines Wells wirken seine Romane für moderne Leser ausufernd, vielleicht sogar geschwätzig. Dennoch sind sie leichter zugänglich als das stilistisch ähnliche Schaffen des Deutschen Laßwitz, weil sie Utopie und Technikbegeisterung nicht zum Zweck ihres Inhalts machen, sondern lediglich zu dessen Träger: Schließlich ist es einfach aufregend, in einem Ballon eine Weltreise anzutreten oder Kapitän Nemo in sein geheimes Reich zu folgen.
Fünf Wochen im Ballon
Am 14. Januar 1862 hatte sich eine große Anzahl von Zuhörern zur Sitzung der Königlich Geografischen Gesellschaft in London, Waterlooplace 3, eingefunden. Der Präsident Sir Francis M… machte in einer häufig von Beifall unterbrochenen Rede seinen ehrenwerten Kollegen eine wichtige Mitteilung.
Diese seltene Probe seiner Beredsamkeit endete schließlich mit einigen schnarrenden Phrasen, in welchen der Patriotismus sich in vollen Strömen ergoss:
»England hat sich immer durch die Unerschrockenheit seiner Reisenden auf der Bahn geografischer Entdeckungen an der Spitze der Nationen bewegt; denn, wie man bemerkt, muss von den Nationen immer eine der anderen voraus sein. (Zahlreiche Zustimmung.) Der Doktor Samuel Fergusson, eins der glorreichen Kinder dieses Landes, wird seinen Ursprung nicht verleugnen. (Von allen Seiten: ›Nein! Nein!‹) Dieser Versuch wird, wenn er glückt, die zerstreuten Kenntnisse der afrikanischen Kartologie vervollständigen und verbinden (Stürmischer Beifall), und, wenn er missglücken sollte (›Niemals! Niemals!‹), so wird man ihn wenigstens als eine der kühnsten Unternehmungen des menschlichen Geistes anstaunen. (Wütendes Trampeln mit den Füßen.)«
»Hurra! Hurra!« schrie die von diesen zündenden Worten elektrisierte Gesellschaft.
»Ein Hurra dem unerschrockenen Fergusson!« rief eins der angeregtesten Mitglieder des Auditoriums.
Begeisterte Rufe ließen sich hören. Der Name Fergusson ertönte aus aller Munde, und wir haben allen Grund zu glauben, dass er, indem er durch englische Kehlen ging, ganz außerordentlich gewann.
Der Sitzungssaal wurde davon erschüttert. Sie waren zahlreich versammelt, die gealterten, erschöpften, kühnen Reisenden, sie, die ihr lebhaftes Temperament in allen fünf Weltteilen herumgeführt hatte; alle waren sie mehr oder weniger, physisch oder moralisch, Schiffbrüchen, Feuersbrünsten, den Tomahawks der Indianer, den Keulen der Wilden, dem Marterpfahl und Magen der Polynesier entronnen! Aber nichts konnte ihr Herzklopfen während der Rede von Sir M… unterdrücken, und seit Menschengedenken war dies gewiss der höchste oratorische Erfolg in der Königlich Geografischen Gesellschaft zu London.
Aber in England bleibt der Enthusiasmus nicht bei Worten stehen; er schlägt noch rascher Geld als der Prägstock der »Royal mint«.1
Noch in derselben Sitzung wurde bestimmt, dem Doktor Fergusson eine anerkennende Gratifikation zur weiteren Ermutigung zukommen zu lassen. Dieselbe belief sich auf 2500 Pfund Sterling. Die Größe der Summe stand im richtigen Verhältnis zur Wichtigkeit des Unternehmens.
Eins der Mitglieder der Gesellschaft interpellierte2 den Präsidenten in Betreff der Frage, ob Doktor Fergusson nicht offiziell vorgestellt werden würde.
»Der Doktor steht der Gesellschaft zur Verfügung«, antwortete Sir Francis M…
»So möge er eintreten!« rief man. »Einen Mann von so außerordentlicher Kühnheit sieht man gern mit eigenen Augen.«
»Vielleicht hat dieser unglaubliche Vorschlag«, sagte ein alter, gelähmter Commodore, »keinen anderen Zweck gehabt, als uns zu mystifizieren!«
»Und wenn dieser Doktor Fergusson überhaupt nicht existierte!« ließ sich eine boshafte Stimme vernehmen.
»So müsste man ihn erfinden«, sagte ein launiges Mitglied der ernsten Gesellschaft.
»Lasst den Doktor Fergusson hereinkommen«, sprach Sir Francis M… einfach, und der Doktor trat inmitten eines Beifallssturmes ein, ohne auch nur die geringste Erregung blicken zu lassen.
Er war ein Mann von etwa 40 Jahren, von gewöhnlicher Statur und Konstitution. Die erhöhte Färbung seines Gesichtes verriet ein sanguinisches Temperament; er hatte kalte, regelmäßige Züge, und eine starke, einem Schiffsschnabel ähnlich sehende Nase schien ihn zu Entdeckungsreisen prädestiniert zu haben. Seine sanften, mehr intelligenten als kühnen Augen verliehen seiner Physiognomie einen großen Reiz, seine Arme waren von ungewöhnlicher Länge, und an der Art, wie er seine Füße auf den Boden setzte, erkannte man den großen Fußreisenden.
Die ganze Erscheinung des Doktors atmete einen ruhigen Ernst, und man dachte nicht daran, dass er das Werkzeug der unschuldigsten Mystifikation3 sein könnte.
Auch hörten die Hurras und das Beifallklatschen nicht eher auf, als bis Dr. Fergusson mit einer liebenswürdigen Handbewegung Stillschweigen gebot. Er wandte sich nach dem zu seiner Vorstellung herbeigeschafften Lehnsessel, erhob, hoch aufgerichtet, mit energischem Blick den Zeigefinger seiner rechten Hand gen Himmel, öffnete den Mund und sprach dies einzige Wort:
»Excelsior!«
Der alte Commodore, vollständig für diesen sonderbaren Mann eingenommen, verlangte die ungekürzte Aufnahme der Rede Fergussons in die Nachrichten der Königlich Geografischen Gesellschaft zu London.
Wer war denn dieser Doktor? Und welcher Unternehmung wollte er seine Kräfte widmen?
Der Vater des jungen Fergusson, ein wackerer Kapitän der englischen Marine, hatte seinen Sohn vom zartesten Alter an mit den Gefahren und Abenteuern seines Berufes vertraut gemacht.
Das ausgezeichnete Kind, welches Furcht nie gekannt zu haben scheint, verriet frühzeitig einen lebhaften Geist, einen regen Forschungssinn, eine bemerkenswerte Neigung zu wissenschaftlichen Arbeiten und zeigte außerdem eine wunderbare Geschicklichkeit, sich in schwierigen Fällen aus der Affäre zu ziehen und sich im Leben durchzuschlagen. Es geriet niemals in Verlegenheit, selbst nicht, als es sich zum ersten Mal der Gabel bedienen sollte, wobei Kinder im Allgemeinen so wenig Glück haben.
Bald entzündete sich seine Fantasie an der Lektüre von kühnen Unternehmungen und Erforschungen des Meeres, ja, der Knabe verfolgte mit leidenschaftlichem Interesse die Entdeckungen, welche den ersten Teil des 19. Jahrhunderts auszeichneten. Er träumte von den Erfolgen eines Mungo-Park, eines Bruce, Caillié, Levaillant und, wie ich glaube, auch nicht wenig von den Mühen und Kämpfen Selkirks, des Robinson Crusoe, dessen Ruhm ihm nicht geringer erschien. Wie viel wohlangewandte Stunden brachte er bei ihm auf seiner Insel Juan Fernandez zu! Oft fanden die Gedanken des verlassenen Matrosen seine Billigung, bisweilen aber unterzog er seine Pläne einer eingehenden Erörterung. Er hätte vieles anders gemacht. Manches vielleicht besser oder mindestens ebenso gut, aber niemals hätte er gewiss dieser glückseligen Insel den Rücken gewandt, auf der er glücklich gewesen war wie ein König ohne Untertanen …; niemals, und wenn es sich darum gehandelt hätte, erster Lord der Admiralität zu werden!
Diner im Traveller’s Club
Ich überlasse euch zu erwägen, ob diese Neigungen sich in der Zeit seiner abenteuerlichen Jugend entwickelten, während welcher er in allen fünf Weltteilen herumgestoßen wurde; übrigens versäumte es sein Vater als gebildeter Mann nicht, diesem lebhaften Geist durch ernste Studien auf dem Gebiete der Hydrografie, der Physik und Mechanik einen festen Boden zu geben und ihm zugleich eine oberflächliche Kenntnis der Botanik, Medizin und Astronomie beizubringen. Als der würdige Kapitän starb, hatte Samuel Fergusson, 22 Jahre alt, schon eine Reise um die Welt gemacht; er ließ sich bei dem Bengalischen Ingenieurkorps anwerben und zeichnete sich bei verschiedenen Gelegenheiten aus; aber das Soldatenleben behagte ihm nicht, es lag ihm wenig daran zu befehlen, und er liebte nicht zu gehorchen.
Er nahm seine Entlassung und zog jagend und botanisierend4 nach dem Norden der indischen Halbinsel. Diese durchstreifte er von Kalkutta bis Surate. Ein einfacher Spaziergang aus Liebhaberei.
Von Surate sehen wir ihn nach Australien wandern, und im Jahre 1845 an der Expedition des Kapitän Stuart teilnehmen; dieser hatte den Auftrag, jenes Kaspische Meer zu entdecken, das angeblich im Innern von Neuholland existieren soll.
Samuel Fergusson kehrte 1850 nach England zurück, und mehr als je von dem Dämon der Entdeckungslust besessen, begleitete er bis zum Jahre 1853 den Kapitän Mac Clure auf der Expedition, durch welche die Küste des Kontinents von Amerika von der Beringstraße bis zum Kap Farewell erforscht werden sollte.
Sowohl bei den ärgsten Strapazen wie in jedem Klima hielt die Konstitution Fergussons vortrefflich stand, und unter den furchtbarsten Entbehrungen fühlte er sich ganz behaglich. Kurz, man sah in ihm den Typus eines Reisenden, dessen Magen nach Wunsch zusammenschnurrt oder sich ausdehnt, dessen Beine sich nach dem improvisierten Lager verlängern oder kürzer werden und der zu jeder Tageszeit einschlafen und zu jeder beliebigen Stunde der Nacht erwachen kann.
Können wir uns nach alledem etwa wundern, wenn wir unseren unermüdlichen Reisenden in den Jahren 1855 bis 1857 dabei wiederfinden, das ganze westliche Tibet in Gesellschaft der Gebrüder Schlagintweit5 zu durchstreifen, um von dieser Reise im höchsten Grade interessante ethnografische Beobachtungen heimzubringen?
Während dieser verschiedenen Ausflüge war Samuel Fergusson der tätigste und anziehendste Korrespondent des »Daily Telegraf«, dieser Penny-Zeitung, die täglich in einer Höhe von 140.000 Exemplaren abgezogen6 wird und kaum für mehrere Millionen Leser ausreicht. Auch kannte man unseren Doktor überall, obgleich er Mitglied keines gelehrten Instituts war und weder den Königlich Geografischen Gesellschaften zu London, Paris, Berlin, Wien oder St. Petersburg angehörte noch zu den Mitgliedern des Klubs der Reisenden oder der »Royal Polytechnic Institution« zählte, in welcher sein Freund, der Statistiker Kokburn, den Vorsitz führte.
Dieser Gelehrte gab ihm eines Tages, in der Hoffnung, sich ihm angenehm zu machen, folgende Aufgabe zu lösen: Wenn die Zahl der von dem Doktor auf seinen Reisen um die Welt zurückgelegten Meilen gegeben ist, einen wie viel weiteren Weg hat – in Anbetracht der Verschiedenheit der Radien – sein Kopf gemacht als seine Füße? Und ferner: Wenn die Zahl der von den Füßen und dem Kopf des Doktors gemachten Meilen bekannt ist, sei die Körpergröße desselben bis auf die Linie genau zu berechnen.
Fergusson indessen hielt sich stets von den gelehrten Körperschaften fern, denn er rechnete sich zu den Streitern, die mit Taten, nicht mit Worten kämpften.
Unser Doktor wandte seine Zeit lieber zu Forschungen und Entdeckungen an als zu langatmigen Erörterungen.
Man erzählt, dass eines Tages ein Engländer in Genf eintraf, um dort den See zu besichtigen, und sich zu diesem Zweck in eine der alten, omnibusartigen Kutschen setzte, in denen die Plätze für die Passagiere an beiden Seiten angebracht sind. Nun traf es sich aber unglücklicherweise, dass der Reisende dem See den Rücken zukehrte, und so kam es, dass er seine Rundreise in aller Gemütsruhe vollendete, ohne auch nur einen Schimmer vom Genfer See erblickt zu haben, denn an die Möglichkeit, sich auch nur einmal umzuwenden, hatte er nicht gedacht; trotzdem kehrte er, vom Genfer See entzückt, nach London zurück. Was nun Doktor Fergusson anbetraf, so hatte er sich auf seinen Reisen mehr als einmal umgewandt, und zwar so gut, dass er viel von der Welt gesehen hatte.
Er folgte hierbei übrigens nur seiner Natur, und wir haben guten Grund anzunehmen, dass er ein wenig Fatalist war. Er huldigte jedoch einem sehr orthodoxen Fatalismus, denn er rechnete auf sich selbst und auf die Vorsehung. Er behauptete, dass er viel mehr in seine Reisen hineingeschleudert würde, als dass sie ihn anzögen, und dass er mit einer Lokomotive zu vergleichen sei, die sich nicht selbst lenkt, sondern deren Richtung vom Schienenwege bestimmt wird.
»Ich verfolge nicht meinen Weg«, sagte er oft, »mein Weg verfolgt mich.«
Nach alledem wird man sich nicht über die Kaltblütigkeit verwundern, mit welcher Doktor Fergusson die Beifallsrufe der Königlich Geografischen Gesellschaft entgegennahm; er war über dergleichen Erbärmlichkeiten erhaben, da er weder Stolz noch irgendwelche Eitelkeit besaß, und fand den Vorschlag, welchen er dem Präsidenten Sir Francis M… gemacht hatte, im höchsten Grade einfach. Die ungeheure Wirkung, welche derselbe hervorgebracht hatte, war er nicht einmal gewahr geworden.
Nachdem die Sitzung geschlossen war, wurde der Doktor im Triumph zum Traveller’s Club nach Pall Mall7 geführt, wo ein prächtiges Festmahl in Bereitschaft war. Der Umfang der servierten Schüsseln stand im Verhältnis zur Bedeutung der gefeierten Persönlichkeit, und der Stör, welcher bei diesem glänzenden Diner figurierte,8 maß nicht drei Zoll weniger an Länge, als Samuel Fergusson selbst.
Zahlreiche Toasts wurden mit französischen Weinen auf die großen Reisenden ausgebracht, welche sich auf Afrikas Erde einen berühmten Namen gemacht hatten. Man trank auf ihre Gesundheit oder auf ihr Andenken, und zwar in echt englischer Manier nach alphabetischer Ordnung: auf Abbadie, Adams, Adamson, Anderson, Arnaud, Baikie, Baldwin, Barth, Batouda, Beke, Beltrame, du Berba, Bimbachi, Bolognesi, Bolwik, Bolzoni, Bonnemain, Brisson, Browne, Bruce, Brun-Rollet, Burchell, Burckhardt, Burton, Caillaud, Caillié, Campbell, Chapman, Clapperton, Clot-Bey, Colomieu, Courval, Cumming, Cuny, Debono, Decken, Denham, Desavanchers, Dicksen, Dickson, Dochard, Duchaillu, Duncan, Durand, Duroulé, Duveyrier, Erhardt, d’Escayrac de Lauture, Ferret, Fresnel, Galinier, Galton, Geoffroy, Golberry, Hahn, Halm, Harnier, Hecquart, Heuglin, Hornemann, Houghton, Imbert, Kaufmann, Knoblecher, Kraff, Kummer, Lafargue, Laing, Lajaille, Lambert, Lamiral, Lamprière, John Lander, Richard Lander, Lefebvre, Lejean, Levaillant, Livingstone, Maccarthie, Maggiar, Maizan, Malzac, Moffat, Mollien, Monteiro, Morrisson, Mungo-Park, Neimans, Overwey, Panet, Partarrieau, Pascal, Pearse, Peddie, Peney, Petherick, Poncet, Prax, Raffenel, Rath, Rebmann, Richardson, Riley, Ritchie, Rochet d’Héricourt, Rongäwi, Roscher, Ruppel, Saugnier, Speke, Steidner, Thibaud, Thompson, Thornton, Toole, Tousny, Trotter, Tuckey, Tyrwitt, Vaudey, Veyssière, Vincent, Vinco, Vogel, Wahlberg, Warington, Washington, Werne, Wild und endlich auf den Doktor Fergusson, der die Arbeiten dieser Reisenden durch seinen unglaublichen Versuch miteinander vereinen und die Reihe der Entdeckungen in Afrika vervollständigen sollte.
Die Royal Mint ist die Münzprägeanstalt des Vereinigten Königreichs <<<
dazwischenfahren <<<
Verschleierung, Verdunkelung <<<
Pflanzen zu Studienzwecken sammeln <<<
Als Gebrüder Schlagintweit bekannt wurden drei der fünf Söhne (Hermann, Adolf, Eduard, Robert und Emil) des Augenarztes Joseph Schlagintweit. Sie waren unterwegs als Wissenschaftler, Forschungsreisende und Bergsteiger. <<<
gedruckt <<<
Pall Mall ist eine Straße im Stadtteil City of Westminster in London. Bekannt ist Pall Mall als Heimat zahlreicher Gentlemen’s clubs, die dort im 19. und frühen 20. Jahrhundert gebaut wurden. <<<
(hier) serviert wurde <<<
Am folgenden Tage veröffentlichte der »Daily Telegraf« in seiner Nummer vom 15. Januar einen so lautenden Artikel: »Das Geheimnis der ungeheuren afrikanischen Einöden wird endlich offenbart werden; ein moderner Ödipus wird uns die Lösung dieses Rätsels bringen, das die Gelehrten von sechs Jahrtausenden nicht zu entziffern vermochten. Ehedem wurde eine Aufsuchung der Nilquellen, fontes Nili quaerere, als ein wahnsinniges Beginnen, ein nicht zu verwirklichendes Hirngespinst betrachtet.
Indem der Doktor Barth die von Denham und Clapperton vorgezeichnete Straße bis Sudan verfolgte, Doktor Livingstone seine unerschrockenen Nachforschungen von dem Kap der Guten Hoffnung bis zu dem Flussbecken des Zambesi ununterbrochen betrieb, die Kapitäne Burton und Speke die großen Binnenseen entdeckten, haben sie der modernen Zivilisation drei Bahnen geöffnet; der Durchschnittspunkt, nach dem noch kein Reisender hat gelangen können, ist das eigentliche Herz Afrikas; daraufhin müssen sich nunmehr alle Anstrengungen richten.
Jetzt aber werden die Arbeiten dieser unerschrockenen Pioniere der Wissenschaft durch den kühnen Versuch des Doktor Samuel Fergusson untereinander verknüpft werden.
Dieser verwegene Entdecker, dessen so herrliche Forschungen unsere Leser so oft mit Interesse verfolgt haben, hat sich vorgenommen, über ganz Afrika von Osten bis Westen in einem Ballon hinwegzufahren. Sind wir recht unterrichtet, so würde der Ausgangspunkt dieser wunderbaren Reise die Insel Sansibar an der Ostküste sein. Was ihren beabsichtigten Endpunkt anbetrifft, so ist die Kenntnis desselben allein der Vorsehung vorbehalten.
Der Vorschlag zu dieser wissenschaftlichen Forschungsreise ist gestern offiziell der Königlich Geografischen Gesellschaft gemacht worden und eine Summe von 2500 Pfund von derselben ausgeworfen, um die Kosten des Unternehmens zu decken.
Wir werden unsere Leser beständig in Kenntnis über den Verlauf dieser staunenswerten Entdeckungsreise halten, von der sich in den Annalen der Geografie kein Präzedenzfall vorfindet.«
Wie man sich denken kann, machte dieser Artikel ein ungeheures Aufsehen; zuerst stieß er auf allgemeinen Unglauben; der Doktor Fergusson galt bei vielen für ein in der Idee existierendes, nur fingiertes Wesen von der Erfindung des Herrn Barnum,1 der, nachdem er in den Vereinigten Staaten gearbeitet hatte, sich nunmehr anschickte, die Britischen Inseln zu »machen«.
Eine scherzhafte Antwort erschien in Genf in der Februar-Nummer des Bulletins de la Société Géographique; dieselbe verspottete in geistreicher Weise die Königlich Geografische Gesellschaft2 zu London, den Traveller’s Club und den riesigen Stör.
Aber Herr Petermann brachte die Genfer Zeitschrift in seinen zu Gotha3 veröffentlichten »Mitteilungen« gründlich zum Schweigen, denn er kannte den Doktor Fergusson persönlich und leistete für die Unerschrockenheit seines kühnen Freundes Gewähr.
Bald mussten übrigens alle Zweifel verstummen; die Vorbereitungen zu der Reise gingen in London vor sich; Lyoner Fabriken hatten bedeutende Taffetbestellungen4 für den Bau des Luftschiffes erhalten, und endlich stellte die Regierung von Großbritannien das Transportschiff »The Resolute«, Kapitän Pennet, dem Doktor zur Verfügung.
Alsbald ließen sich von vielen Seiten Äußerungen der Ermutigung vernehmen, und tausend Glückwünsche wurden laut. Die Einzelheiten der projektierten Reise wurden des langen und breiten in den »Bulletins de la Société Géographique« zu Paris besprochen, und ein interessanter Artikel über diesen Gegenstand in den »Nouvelles Annales des voyages, de la géographie, de l’histoire et de l’archéologie de M. V.–A. Malte-Brun« abgedruckt. Eine äußerst sorgfältige Arbeit des Doktor W. Koner, die in der »Zeitschrift für allgemeine Erdkunde«5 veröffentlicht wurde, wies siegreich die Möglichkeit der Reise, ihre Aussichten auf Erfolg, die Natur der Hindernisse und die unermesslichen Vorteile der Beförderungsweise auf dem Luftwege nach; er tadelte nur den Anfangspunkt und gab Masuah, einem kleinen Hafenorte Abessiniens, den Vorzug, von welchem aus James Bruce im Jahre 1768 zu der Erforschung der Nilquellen ausgezogen war. Übrigens bewunderte er rückhaltlos den energischen Geist des Doktor Fergusson und das mit dreifachem Erz umschlossene Herz, welches den Plan zu einer solchen Reise entwerfen und sie zur Ausführung bringen konnte.
Die »North American Review« sah nicht ohne Missvergnügen einen solchen Ruhm England vorbehalten, nahm den Vorschlag des Doktors von einer scherzhaften Seite und lud ihn ein, da er dann einmal auf dem Wege sei, gleich weiter bis nach Amerika zu fahren.
Kurz, ohne die Zeitschriften der ganzen Welt aufzählen zu wollen, können wir versichern, dass es vom »Journal des missions évangéliques« bis auf die »Revue Algérienne et coloniale«, von den »Annales de la propagation de la foi« bis auf den »Church missionary intelligencer« keine wissenschaftliche Zeitschrift gab, welche diese Tatsache nicht in allen Variationen berichtet hätte.
Beträchtliche Wetten wurden in London wie in ganz England eingegangen, 1. über die wirkliche oder nur vermutete Existenz des Doktor Fergusson; 2. über die Reise selbst, die nach der Behauptung der einen nicht angetreten, nach der Meinung der anderen unternommen werden würde; 3. über die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit einer Rückkehr des Doktor Fergusson.
Man trug bedeutendere Summen in das Wettbuch ein, als wenn es sich um ein Epsom-Rennen gehandelt hätte.
So waren die Augen von Gläubigen und Ungläubigen, von Unwissenden und Gelehrten auf den Doktor gerichtet, und er wurde der Löwe des Tages, ohne eine Ahnung davon zu haben, dass er eine Mähne trüge. Er gab bereitwillig Auskunft über die Expedition, denn er war der natürlichste und zugänglichste Mensch von der Welt. Mehr als ein kühner Abenteurer bot sich an, den Ruhm und die Gefahren seines Versuchs zu teilen, aber Fergusson wies alle solche Anerbietungen ab, ohne die Gründe hierzu anzugeben.
Außerdem stellten sich eine Menge Erfinder von allerhand Mechanismen bei ihm ein, um ihr System für die Direktion des Ballons zu empfehlen; er ließ sich jedoch auf nichts ein, und wenn man ihn fragte, ob er selbst in dieser Beziehung etwas entdeckt habe, weigerte er sich hartnäckig, eine bestimmte Erklärung abzugeben, und beschäftigte sich eifriger als je mit den Vorbereitungen zu seiner Reise.
Phineas Taylor Barnum (1810 – 1891) war ein US-amerikanischer Zirkuspionier und Politiker. <<<
Die Londoner Royal Geographical Society von 1830 ist eine Gelehrtengesellschaft, die sich der Förderung von Forschung und Lehre und der Verbreitung von Wissen zur Geografie verschrieben hat. Sie finanzierte u.a. die Reisen von Scott und Shackleton in die Arktisregionen und von Livingstone in Afrika. <<<
Adelsführer <<<
Taffet=Taft, Stoff aus Seide oder Kunstseide <<<
Auch im Französischen Original ein deutscher Titel <<<
Doktor Fergusson besaß einen Freund. Derselbe war nicht etwa sein zweites Ich, kein alter ego – zwischen zwei vollkommen gleichartigen Wesen hätte wirkliche Freundschaft nicht existieren können – aber wenn Dick Kennedy und Samuel Fergusson auch verschiedene Eigenschaften und Fähigkeiten, ja sogar ein verschiedenes Temperament besaßen, so waren sie doch ein Herz und eine Seele und wurden dadurch nicht weiter gestört – im Gegenteil.
Besagter Dick Kennedy war ein Schotte im vollen Sinne des Worts; offen, entschlossen und beharrlich. Er wohnte in der kleinen Stadt Leith bei Edinburg, eine richtige Bannmeile von dem »alten Rauchnest«1 entfernt. Bisweilen trieb er die Fischerei, aber immer und überall war er dem Jägerhandwerk mit Leib und Seele ergeben; und das war bei einem Kinde Kaledoniens, das gewohnt ist, in den Bergen des Hochlands umherzustreifen, nicht eben zu verwundern. Man rühmte ihn als einen vorzüglichen Schützen mit dem Karabiner und sagte ihm nach, dass er die Kugel beim Schuss auf eine Messerklinge nicht nur durchschnitt, sondern sie auch auf diese Weise in so gleiche Hälften teilte, dass beim Wiegen kein Unterschied zwischen ihnen gefunden werden konnte.
Dick Kennedy
Die Physiognomie Kennedys erinnerte lebhaft an diejenige Halbert Glendinnings, wie sie Walter Scott im »Kloster« gezeichnet hat; seine Größe überstieg sechs englische Fuß;2 obgleich graziös und behände, war er mit einer herkulischen Körperkraft ausgerüstet; ein wettergebräuntes Antlitz, lebhafte schwarze Augen, eine natürliche, ausgeprägte Kühnheit, kurz eine gewisse Güte und Solidität in der ganzen Person des Schotten nahm von vornherein zu seinen Gunsten ein.
Die beiden Freunde hatten sich in Indien, als beide bei demselben Regiment dienten, kennengelernt; während Dick sich auf der Tiger- und Elefantenjagd vergnügte, erbeutete Samuel Pflanzen und Insekten. Dieser wie jener konnte sich in seiner Sphäre eines guten Erfolges rühmen, und dem Doktor fiel gar manche Pflanze in die Hände, deren Wert einem Paar Elfenbeinhauern gleich zu schätzen war.
Die beiden jungen Leute hatten niemals Gelegenheit gehabt, einander das Leben zu retten oder sich sonstige Dienste zu erweisen; daher erhielt sich unter ihnen eine ungetrübte, gleichmäßige Freundschaft. Das Geschick trennte sie zuweilen voneinander, aber immer führte sie ihre Sympathie wieder zusammen.
Seitdem sie nach England zurückgekehrt waren, wurden sie oft durch die Expeditionen des Doktors geschieden; wenn er indessen heimkam, verfehlte er niemals, ungebeten bei seinem Freunde vorzusprechen und ihm einige Wochen zu widmen.
Dick plauderte dann von der Vergangenheit, und Samuel machte Zukunftspläne; der eine sah vorwärts, der andere schaute zurück, und so kam es, dass der Geist des einen die personifizierte Aufregung, der des anderen die vollkommenste Ruhe war.
Nachdem der Doktor von Tibet zurückgekommen war, sprach er fast zwei Jahre lang nicht von neuen Forschungsreisen, und Dick gab sich der Hoffnung hin, dass sein Reisetrieb und seine Sucht nach Abenteuern nun endlich befriedigt wären. Er war von diesem Gedanken entzückt. »Wenn man auch noch so gut mit den Menschen umzugehen versteht«, sagte er zu sich, »muss es doch früher oder später ein schlechtes Ende nehmen; man begibt sich nicht ungestraft unter Menschenfresser und wilde Tiere.« So forderte denn Kennedy seinen Freund auf, ein Ende mit seinen Reisen zu machen, und stellte ihm vor, dass er für die Wissenschaft genug und für die Dankbarkeit der Menschen bereits viel zu viel geleistet habe.
Hierauf erhielt er von dem Doktor keine Antwort; derselbe war in der nächsten Zeit nachdenklich, beschäftigte sich insgeheim mit Berechnungen, verbrachte die Nächte mit minutiösen Arbeiten, über Zahlen brütend; ja, er stellte sogar Experimente mit allerlei sonderbaren Maschinerien an, von denen man nicht wusste, was sie zu bedeuten hatten. So viel aber war klar ersichtlich: Es gärte ein neuer, großer Gedanke in dem Hirn Samuel Fergussons.
»Worüber mag er so gegrübelt haben?« fragte sich Kennedy, als sein Freund ihn im Monat Januar verlassen hatte, um nach London zurückzukehren.
Da wurde ihm die Beantwortung dieser Frage eines Morgens aus dem bereits mitgeteilten Artikel des »Daily Telegraf«.
»Barmherziger Himmel!« rief er aus, »ist der Mensch wahnsinnig geworden! Afrika in einem Ballon durchreisen! Weiter fehlte nichts! Also darüber hat er in diesen beiden Jahren nachgesonnen!«
Denkt euch anstatt aller dieser Ausrufungszeichen kräftige, auf das eigene Hirn geführte Faustschläge und ihr werdet euch einen ungefähren Begriff von der körperlichen Motion machen können, in welcher unser wackerer Dick seine Erregung austobte.
Als seine alte Vertraute, Frau Elspeth, ihm zu bedenken gab, dass dies alles nur eine Mystifikation sein könne, antwortete er:
»Unsinn! Ich werde doch meinen Mann kennen? Das sieht ihm ähnlich, ganz ähnlich! Durch die Lüfte reisen! Jetzt wird er gar eifersüchtig auf die Vögel! Nein, daraus soll nichts werden! Ich werde es zu verhindern wissen! Ja, wenn man ihn gewähren ließe; wer könnte einem dafür gutsagen, dass er sich nicht eines schönen Tages nach dem Monde aufmachte!«
Noch am Abend desselben Tages setzte sich Kennedy voll großer Unruhe und Erbitterung in ein Coupé der Eisenbahn nach der General Railway Station und langte am folgenden Morgen in London an.
Drei Viertelstunden später setzte ihn eine Droschke vor dem kleinen Hause des Doktors, Soho Square, Greek Street ab.
Er schritt über den Vorplatz und kündigte sich durch fünf nachdrückliche Schläge gegen die Tür an, worauf Fergusson öffnete.
»Dick?« fragte er, ohne irgendwelches Erstaunen zu verraten.
»Dick selber«, erwiderte Kennedy kurz.
»Du hältst dich zur Zeit der Winterjagden in London auf? Was führt dich hierher?«
»Eine grenzenlose Torheit, die ich verhindern will.«
»Eine Torheit?«
»Ist das, was in dieser Zeitung steht, wahr?« rief jetzt Kennedy, indem er die betreffende Nummer des Daily Telegraf hervorholte und sie seinem Freunde entgegenhielt.
»Ach davon sprichst du! Diese Zeitungen schwatzen doch wirklich alles aus! Aber setze dich doch, lieber Dick.«
»Nein, ich werde mich nicht setzen. Sage mir, ob du wirklich und wahrhaftig die Absicht hast, diese Reise zu unternehmen?«
»Ganz entschieden; meine Vorbereitungen sind schon im Gange, und ich …«
»Wo hast du deine Vorbereitungen? In tausend Stücke will ich sie zerschlagen! Her damit!«
Der würdige Schotte geriet jetzt ernstlich in Zorn.
»Beruhige dich, mein lieber Dick«, versetzte der Doktor; »ich begreife deine Gereiztheit sehr wohl. Du zürnst mir, dass ich dir meine neuen Pläne noch nicht mitgeteilt habe.«
»Das nennt er neue Pläne!«
»Ich bin nämlich sehr beschäftigt gewesen«, fuhr Samuel fort; »es gab in der letzten Zeit viel für mich zu tun. Aber trotzdem wäre ich nicht abgereist, ohne dir zu schreiben …«
»Ach, was liegt mir daran …«
»Weil ich die Absicht habe, dich mitzunehmen.«
Der Schotte machte einen Satz, der einem Gemsbock zur Ehre gereicht haben würde.
»Ach so!« sagte er; »du gehst also darauf aus, uns beide nach Bedlam zu bringen!«
»Ich habe mit voller Bestimmtheit auf dich gerechnet, lieber Dick, und mit Ausschluss von vielen anderen dich zu meinem Reisegefährten erwählt.«
Kennedy war ganz starr vor Staunen.
»Wenn du mich zehn Minuten lang angehört hast, wirst du mir dafür dankbar sein«, fuhr der Doktor fort.
»Sprichst du wirklich im Ernst?«
»Vollständig im Ernst.«
»Und wenn ich mich nun weigere, dich zu begleiten?«
»Das wirst du nicht tun.«
»Wenn ich mich nun aber doch weigere?«
»Dann reise ich allein.«
»Setzen wir uns«, sagte der Jäger, »und sprechen wir ohne alle Leidenschaft. Von dem Augenblick an, wo ich weiß, dass du nicht scherzest, ist die Sache wenigstens einer Unterredung wert.«
»Wenn du nichts dagegen hast, können wir dabei frühstücken, lieber Dick.«
Die beiden Freunde setzten sich einander gegenüber an einen kleinen Tisch, auf dem rechts ein stattlicher Berg von Butterbroten und links eine ungeheure Teekanne stand.
»Mein lieber Samuel, dein Plan ist geradezu verrückt; an seine Durchführung ist nicht zu denken, er ist mit einem Wort unmöglich!«
»Das werden wir erst genau wissen, wenn wir den Versuch gemacht haben.«
»Aber ebendieser Versuch soll ja nicht gemacht werden!«
»Und warum nicht, wenn’s beliebt?«
»Denke doch an die Gefahren, die Hindernisse aller Art!«
»Hindernisse«, versetzte Fergusson sehr ernst, »sind erfunden, um besiegt zu werden; und was die Gefahren betrifft – wer kann sich schmeicheln, ihnen zu entgehen? Alles im Leben ist Gefahr! Es kann das größte Unglück herbeiführen, wenn man sich an einem Tische niederlässt oder auch nur seinen Hut aufsetzt. Überdies muss man sich sagen, dass alles, was bereits geschehen ist, auch wiederum geschehen wird, dass die Zukunft nur eine etwas entferntere Gegenwart ist.«
»Ich kenne deine Ansichten«, schob Kennedy ein, indem er mit den Achseln zuckte, »du bist Fatalist!«
»Immer, aber im besten Sinne des Wortes. Beschäftigen wir uns also nicht mit dem, was das Geschick uns möglicherweise vorbehalten hat, sondern halten wir uns an das gute englische Sprichwort: Wer zum Hängen geboren ist, wird nie den Tod des Ertrinkens sterben.«
Hierauf war nichts zu erwidern, doch hinderte dies Kennedy nicht, eine Menge naheliegender Gründe gegen die beabsichtigte Unternehmung aufzuzählen, deren nähere Erörterung uns hier zu weit führen würde.
»Warum willst du denn aber«, sagte er nach einer Stunde lebhaftester Debatte, »wenn diese Bereisung Afrikas absolut zu deinem Lebensglück gehört, nicht dieselben Bahnen einschlagen wie andere gewöhnliche Sterbliche vor dir?«
»Warum?« rief der Doktor, in Eifer geratend; »weil bis jetzt alle Versuche scheiterten! Weil von Mungo Parks Ermordung am Niger bis zum Verschwinden Vogels in Wadaï, von Oudneys und Clappertons Tod in Murmur und Sackatu bis auf den Franzosen Maizan, der in Stücke gehauen wurde, von dem Major Laing, der durch die Hand der Tuaregs sein Ende fand, bis zur Ermordung Roschers aus Hamburg im Anfang des Jahres 1860 zahlreiche Opfer in die afrikanische Märtyrerliste eingetragen worden sind! Weil es ganz unmöglich ist, gegen die Elemente, gegen den Hunger, den Durst, das Fieber, gegen die wilden Tiere und die noch viel wilderen Völkerstämme anzukämpfen! Weil man das, was nicht auf eine Weise zu erreichen ist, auf eine andere Art versuchen muss, und endlich, weil man da, wo nicht gerade durchzukommen ist, nebenher oder darüber hinweg gehen muss.«
»Wenn es sich nur darum handelte, darüber hinweg zu gehen!« äußerte Kennedy; »aber du willst ja hoch darüber fort fliegen.«
»Nun«, argumentierte der Doktor mit der größten Kaltblütigkeit weiter, »was habe ich denn zu fürchten? Wie du dir wohl denken kannst, habe ich meine Vorsichtsmaßregeln dergestalt getroffen, dass ein Fall meines Ballons nicht besorgt werden darf. Sollte das Luftschiff mich trotz alledem im Stich lassen, so würde ich mich auf der Erde noch immer in gleichen Verhältnissen mit anderen Entdeckungsreisenden befinden; aber mein Ballon wird sich bewähren, wir können fest darauf rechnen.«
»Wir dürfen im Gegenteil nicht darauf rechnen.«
»Doch wohl, mein lieber Dick; ich beabsichtige, mich nicht eher von meinem Luftschiff zu trennen, als bis ich auf der Westküste Afrikas angekommen bin. Mit diesem Ballon ist alles möglich; ohne ihn aber fiele ich wieder den Gefahren und natürlichen Hindernissen solcher Expeditionen zum Opfer. Mit ihm gedenke ich ebenso der Hitze, den Strömen und Stürmen, wie dem Samum und dem ungesunden Klima zu trotzen; weder wilde Tiere noch Menschen können mir etwas anhaben. Ist mir zu heiß, so steige ich; wird es zu kalt, so lasse ich mich herab. Über einen Berg fliege ich hinweg, über jeden Abgrund schwebe ich hin; ich schieße über Flüsse und Ströme wie ein Vogel, und entlädt sich ein Gewitter, so erhebe ich mich über dasselbe und beherrsche es von oben herab. Ich komme vorwärts, ohne zu ermüden, und halte an, ohne der Ruhe zu bdürfen! Ich schwebe über den Städten und fliege mit der Schnelligkeit des Orkanes bald hoch oben in den Lüften, bald nur 100 Fuß vom Erdboden entfernt; und unter meinen Augen entrollt sich die Karte von Afrika im großen Atlas der Welt!«
Der wackere Kennedy begann eine gewisse Bewegung und Rührung zu verspüren, und doch schwindelte ihm bei dem vor seinen Augen entrollten Schauspiel. Er betrachtete Samuel mit einem Gemisch von Bewunderung und Sorge; fast fühlte er sich schon schwebend im Weltenraum.
»Nach alledem, mein lieber Samuel«, sagte er endlich, »hast du das Mittel ausfindig gemacht, den Ballon zu lenken?«
»Nein! Das ist eine Unmöglichkeit.«
»Aber dann wirst du reisen …«
»Wohin es der Vorsehung beliebt, aber jedenfalls von Osten nach Westen, denn ich gedenke mich der Passatwinde, die eine durchaus beständige Richtung haben, zu bedienen.«
»Oh, freilich!« sagte Kennedy überlegend; »die Passatwinde … gewiss … Man kann im Notfall … Es wäre immerhin möglich …«
»Es wäre möglich? Nein, mein wackerer Freund, es ist sogar gewiss. Die englische Regierung hat mir ein Transportschiff zur Verfügung gestellt, und es ist abgemacht, dass zu der voraussichtlichen Zeit meiner Ankunft drei oder vier Schiffe an der Westküste kreuzen sollen. In drei Monaten spätestens werde ich in Sansibar sein, um die Füllung des Ballons zu bewerkstelligen, und von dort aus wollen wir uns in die Lüfte schwingen …«
»Wir!« rief Dick.
»Hast du mir noch den leisesten Einwand zu machen, so sprich, Freund Kennedy.«
»Nicht einen Einwand, sondern tausend! Aber sage mir unter anderem: Wenn du das Land zu besichtigen und dich nach Belieben zu erheben oder herabzulassen gedenkst, so kannst du das nicht, ohne von deinem Gas einzubüßen. Schon dieser Umstand hat bis jetzt alle langen Reisen in Luftballons verhindert.«
»Mein lieber Dick, ich will dir nur dies eine Wort sagen: Ich werde auch nicht das kleinste Atom, kein Molekül Gas einbüßen.«
»Und doch willst du nach Belieben steigen und fallen können? Wie willst du das machen?«
»Das ist mein Geheimnis, Freund Dick. Habe nur Vertrauen zu mir, und lass mein Losungswort auch das deinige sein: ›Excelsior!‹«
»Gut, also Excelsior«, antwortete der Jäger, der kein Wort lateinisch verstand.
Er war fest entschlossen, sich mit allen erdenklichen Mitteln der Abreise des Doktors zu widersetzen; vorläufig aber gab er sich den Anschein, als sei er der Meinung desselben beigetreten. Er begnügte sich damit, den Freund zu beobachten. Dieser machte sich jetzt daran, die Zurüstungen für seine Reise zu beaufsichtigen.
Auld Reekie, Spitzname Edinburgs. <<<
Ungefähr fünf Fuß acht Zoll <<<
Die Luftlinie, welcher der Doktor Fergusson zu folgen gedachte, war nicht aufs Geratewohl gewählt worden. In Bezug auf den Anfangspunkt seiner Reise hatte er tiefgehende Studien gemacht und nach reiflicher Überlegung beschlossen, von der Insel Sansibar aufzusteigen. Dieselbe liegt an der Ostküste von Afrika unter dem 6. Grad südlicher Breite, d.h. gegen 430 geografische Meilen südlich vom Äquator. Von hier aus war soeben die letzte Expedition aufgebrochen, welche über die großen Seen zur Entdeckung der Nilquellen abgesandt war.
Es dürfte jedoch an der Zeit sein, hier die Forschungsreisen, welche Doktor Fergusson miteinander zu verknüpfen gedachte, näher zu beleuchten. Die beiden hauptsächlichsten derselben waren die des Doktor Barth im Jahre 1849 und ferner diejenige der Lieutenants Burton und Speke im Jahre 1858.
Doktor Barth, aus Hamburg gebürtig, erhielt für seinen Landsmann Overweg und sich die Erlaubnis, die Expedition des Engländers Richardson begleiten zu dürfen, der mit einer Sendung nach dem Sudan betraut war. Dieses ausgedehnte Land liegt zwischen dem 15. und 10. Grad nördlicher Breite, d.h., wenn man dorthin gelangen will, muss man über 1500 Meilen weit in das Innere Afrikas dringen.