Für eine Nacht der Liebe - Sara Orwig - E-Book

Für eine Nacht der Liebe E-Book

Sara Orwig

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Beschreibung

Zu den zärtlichen Klängen der Hotelband tanzt Erin sinnlich mit einem Mann, den sie erst vor wenigen Stunden kennen gelernt hat. Was macht es schon, dass sie seinen Namen nicht weiß? Ein prickelndes Gefühl verrät ihr, dass er der Richtige ist: für einen Abend voller Verlockungen, für eine Nacht der Liebe! Am nächsten Morgen werden sie wieder getrennte Wege gehen, und nur eine süße, unbeschwerte Erinnerung an diese erotische Begegnung soll bleiben! Alles ist genauso aufregend, wie Erin es sich vorgestellt hat. Bis der unbekannte Fremde ihr seinen Namen verrät ...

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Seitenzahl: 207

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IMPRESSUM

Für eine Nacht der Liebe erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2004 by Sara Orwig Originaltitel: „Standing Outside The Fire“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1353 - 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Johannes Heitmann

Umschlagsmotive: GettyImages_nd3000

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733745745

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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1. KAPITEL

Was bin ich nur für ein Glückspilz! dachte Boone Devlin schon zum hundertsten Mal, als er aus seinem Mietwagen stieg.

Es war der siebte Juli gegen elf Uhr abends. Der nasse Asphalt des fast leeren Parkplatzes vor dem schicken Hotel in San Antonio glänzte. Mit zügigen Schritten lief Boone über den Parkplatz und wich dabei den Pfützen aus.

Die Blitze eines Sommergewitters zuckten über den Himmel, danach versank alles wieder im Dunkel der texanischen Nacht.

Boone konnte es immer noch nicht fassen: Er hatte eine riesige Erbschaft gemacht. Nicht nur über eine Million Dollar, sondern noch dazu eine berühmte Pferderanch, auf der die kraftvollen Quarter Horses gezüchtet wurden. Boone war in die Stadt gekommen, um sich mit der Managerin der Ranch zu treffen, denn er wollte den Betrieb verkaufen. Er wollte so viel Geld wie möglich in seine kleine, noch junge Charterfluglinie investieren.

Das Klacken hochhackiger Schuhe riss Boone aus seinen Gedanken. Ein paar Meter vor ihm eilte eine Frau auf das Hotel zu. Anerkennend glitt Boones Blick über ihre perfekte Figur, als plötzlich ein Mann aus dem Schatten trat und sie anpöbelte.

Boone konnte nicht verstehen, was der Mann sagte. Er bekam nur mit, wie die Frau den Kopf schüttelte, ein sehr deutliches „Nein“ ausstieß und weiterging. Der aufdringliche Kerl lief neben ihr her und redete mit leiser Stimme auf sie ein. Die Frau drehte sich heftig weg, doch der Mann packte sie am Arm und hielt sie fest.

Boone ballte die Fäuste und beschleunigte seinen Schritt.

Die Frau wusste sich aber selbst zu wehren. Sie hieb dem Kerl ihren Absatz auf den Fuß. Fast gleichzeitig verpasste sie ihm einen gut platzierten Schlag auf die Schläfe und schubste ihn von sich.

„Nein!“, rief sie noch einmal laut, und während der Mann nach hinten taumelte, verschwand sie im Hotel.

Boone lachte leise, und der Mann drehte sich um.

„Was ist denn so verdammt lustig?“ Drohend kam er auf Boone zu. An irgendjemandem wollte er wohl seine Wut auslassen.

Boone baute sich breitbeinig vor dem Mann auf. „Willst du noch mehr Schläge?“ Seine Stimme klang leise, aber dadurch umso bedrohlicher. Boone sah seinem Gegenüber direkt ins Gesicht.

Wieder erhellte ein Blitz den Himmel.

Der Mann holte einmal tief Luft, dann wandte er sich ganz unvermittelt ab und verschwand in der Dunkelheit.

Gelassen schlenderte Boone in die elegante Eingangshalle des Hotels mit ihren Ledersofas und polierten Mahagonitischen. Er ging zum Empfangstresen und checkte ein. Vor den Fahrstühlen wartete die Frau vom Parkplatz auf den Aufzug. Sie stiegen gemeinsam ein.

Kurz zuvor auf dem düsteren Parkplatz hatte Boone die Frau kaum sehen können. Erst jetzt, in der hell erleuchteten Kabine, erkannte er, wie umwerfend schön sie war. Sein Blick glitt über einen Frauenkörper, von dem jeder Mann träumte. Sie trug ein ärmelloses smaragdgrünes Kleid, das ihre weiblichen Kurven und die schmale Taille betonte. Ihre Arme waren schlank, aber trainiert, und Boone vermutete, dass sie regelmäßig Fitnesstraining betrieb. Offenbar mit Erfolg, wie der Vorfall auf dem Parkplatz bewiesen hatte.

Ihre vollen roten Lippen weckten Boones Neugier. Wie mochten sie sich beim Küssen anfühlen? Unwillkürlich sah er zu ihren schmalen Händen, entdeckte aber keinen Ehering. Die Frau hielt den Kopf leicht gesenkt, weil sie gerade ihre Handtasche schloss. Dichtes schulterlanges rotes Haar fiel ihr übers Gesicht. Nun hob sie den Kopf, und Boone blickte in die grünsten Augen, die er je gesehen hatte.

Ihre Wimpern waren lang und dicht, und der Blick ihrer katzenhaften Augen hielt Boone gefangen. Das Grün wirkte kühl und geheimnisvoll, leicht spöttisch und unsagbar sinnlich. Selbstsicher erwiderte sie Boones Blick.

„Ich wollte Ihnen draußen auf dem Parkplatz schon zu Hilfe kommen, aber das war ja gar nicht nötig.“

„Trotzdem vielen Dank.“ Ihre Stimme klang voll und leicht heiser.

„Dürfte ich Sie zu einem Drink in der Hotelbar einladen?“ Boone suchte einen Weg, um noch länger mit ihr zusammen zu sein.

Flüchtig lächelte sie ihn an. „Vielen Dank. Eigentlich will ich mich auf meinem Zimmer nur kurz frisch machen und dann ins Restaurant gehen. Ich habe noch nichts zu Abend gegessen.“

„Prima. Ich bin gerade erst angekommen und habe auch noch nichts gegessen. Darf ich Sie zum Dinner einladen? Lassen Sie uns zusammen feiern.“

Fragend hob sie die Augenbrauen. „Was sollen wir denn feiern? Dass Sie heil in der Stadt angekommen sind?“

Boone lächelte. „Nein, Ihren Sieg über den Kerl da draußen. Sie sind nicht in Panik geraten und haben sich sehr wirkungsvoll zur Wehr gesetzt. Ich war ehrlich beeindruckt.“

„Danke.“ Sie wandte sich zur Fahrstuhltür, die sich gerade öffnete. „Dann sehen wir uns vielleicht gleich im Restaurant.“ Über die Schulter hinweg lächelte sie Boone noch einmal an, bevor die Fahrstuhltüren sich wieder schlossen.

„Das werden wir bestimmt“, antwortete Boone noch. Er fuhr weiter nach oben und beeilte sich, zu seinem Zimmer zu kommen, um seine Reisetasche abzustellen und sich ein bisschen frisch zu machen.

Danach ging er ins Restaurant und suchte sich einen kleinen Fenstertisch mit Blick auf den verwaisten Swimmingpool. In dem gedämpft beleuchteten Restaurant waren zu dieser späten Stunde kaum Gäste, sodass sogar die Live-Musik aus der angrenzenden Hotelbar zu hören war.

Keine fünf Minuten später betrat die Frau das Restaurant. Bei ihrem Anblick setzte Boones Herz einen Schlag lang aus. Er stand auf und winkte sie zu sich, und nach einer Sekunde des Zögerns kam sie lächelnd auf ihn zu. Geschickt schlängelte sie sich zwischen den weiß gedeckten Tischen hindurch.

Boone konnte den Blick nicht von ihren wiegenden Hüften abwenden. Ihm wurde heiß.

„Sie geben wohl nicht leicht auf, oder?“ Sie lachte leise.

„Nein. Zusammen zu essen ist doch sicher netter als allein. Aber ich will Sie zu nichts überreden.“

„An Selbstbewusstsein mangelt es Ihnen jedenfalls nicht.“ Sie klang belustigt.

„Das hat doch mit Selbstbewusstsein nichts zu tun. Das ist eine Tatsache. Mir jedenfalls würde es viel mehr Spaß machen, mit Ihnen gemeinsam zu essen.“ Er zog einen Stuhl vom Tisch zurück.

„Ein Dinner mit einem Fremden kommt für mich sonst eigentlich nicht infrage. Sie könnten ja schließlich verheiratet sein.“

„Ein Dinner im Hotel, das ist doch kein Rendezvous.“ Boone lächelte die Frau an, als sie sich setzte. „Ich war nie verheiratet, bin es nicht und werde es auch niemals sein.“

„Ihnen liegt wohl viel an Ihrer Unabhängigkeit?“

„Haargenau.“ Boone setzte sich ebenfalls und schaute die Frau an. „Außerdem sind wir uns doch gar nicht mehr fremd. Wir kennen uns jetzt schon fast eine halbe Stunde.“ Über den Tisch hinweg streckte er die Hand aus. „Ich bin B…“

Hastig schüttelte sie den Kopf. „Keine Namen, bitte. Halten wir dieses Treffen lieber ganz anonym.“

„Sie wollen meinen Namen nicht wissen?“

„Nein, denn nach dem heutigen Abend werden wir uns ohnehin nicht wieder sehen. Nach dem Essen geht jeder wieder seiner Wege, also brauche ich Ihren Namen gar nicht zu erfahren.“

Interessiert legte er den Kopf zur Seite. „Wollen wir wetten, dass Sie mir Ihren Namen verraten, bevor wir heute Abend auseinander gehen?“

Lächelnd nickte sie, und ihre grünen Augen funkelten. „In Ordnung. Die Wette nehme ich an. Was bekommt der Gewinner?“

„Was hätten Sie denn gern?“ Er wusste genau, was er sich als Siegerprämie wünschte, aber das wollte er lieber nicht sagen.

Ein lauter Donnerschlag ließ die Wände des Hotels erbeben.

„Sagen Sie schon. Was möchten Sie haben, wenn Sie gewinnen?“

Nachdenklich blickte die Frau an ihm vorbei ins Leere. Boone kämpfte gegen die Versuchung an, sich über den Tisch zu lehnen und diesen verführerischen Mund zu küssen. Schließlich schaute sie ihn wieder an. „Ich liebe Schokolade. Wenn ich gewinne, wünsche ich mir ein Schoko-Dessert. Und wenn es das nicht gibt, hätte ich gern einen Schokoriegel. So was haben sie bestimmt irgendwo hier im Hotel.“

„Einverstanden.“

„Und was wollen Sie, falls Sie gewinnen? Sie können sich bestimmt denken, welche Wünsche tabu sind.“ Ihr Tonfall klang warnend.

„Dann möchte ich vier Tatsachen über Sie erfahren, zusätzlich zu allem, was ich bis dahin selbst schon herausgefunden habe.“

Wieder lächelte sie. „Falls Sie aufregende Geheimnisse vermuten, dann muss ich Sie enttäuschen. Ich bin eine ganz gewöhnliche Frau.“

„Das glaube ich nicht. Vier Tatsachen, abgemacht?“

„Einverstanden. Ich freue mich schon auf mein Schoko-Dessert.“

„Heute Abend haben wir doppelten Grund zum Feiern.“

„Was ist denn der zweite Grund zum Feiern?“

Wieder zuckte draußen ein Blitz über den Himmel.

„Dass ich mit einer der schönsten Frauen von ganz Texas an einem Tisch sitze. Und das will schon was heißen, denn gerade in Texas gibt es viele umwerfende Frauen.“

Lachend schüttelte sie den Kopf. „Jetzt tragen Sie aber ein bisschen dick auf.“

„Sehen Sie? Ihr Lächeln ist der beste Beweis. Sie haben sogar ein Grübchen, und Ihre weißen Zähne sind makellos. Mit diesem Lächeln machen Sie jeden Mann verrückt. Und dann noch diese grünen Augen …“ Er machte eine Pause, als ein Kellner frisches Wasser servierte.

Boone bestellte Weißwein, ließ die Frau gegenüber dabei aber keine Sekunde aus den Augen. Er meinte es sehr ernst mit dem, was er gerade gesagt hatte. Diese Frau behielt nicht nur in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf, sie sah auch noch fabelhaft aus und war umwerfend sexy. Diese Kombination brachte Boones Blut zum Kochen. Leider wirkte die Frau nicht übermäßig begeistert von ihm. Anscheinend hatte er auf sie so gut wie überhaupt keine Wirkung, und das erlebte Boone bei Frauen sehr selten.

Sobald der Kellner wieder fort war, beugte Boone sich vor. „Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, große grüne Augen, sinnliche Lippen und feuerrotes Haar.“ Behutsam berührte er eine ihrer seidig weichen Strähnen.

„Wem haben Sie all dieses Zeug denn gestern erzählt?“ Die Frau lehnte sich etwas zurück und entzog ihm dadurch ihr Haar. Ihr Tonfall klang zwar spöttisch, doch Boone spürte nur zu genau, wie es zwischen ihnen beiden knisterte.

„Ich könnte zwar behaupten, so was sonst nie zu sagen, aber das würden Sie mir ohnehin nicht glauben. Aus Ihrem Verhalten auf dem Parkplatz kann man eine Menge über Ihren Charakter schließen.“

„Und jetzt soll ich Sie bestimmt fragen, wie Sie meinen Charakter einschätzen, stimmt’s?“ Sie musste leise lachen.

„Ich halte Sie für einen praktisch denkenden Menschen. Sie sind intelligent, ruhig und selbstsicher. Über meine Komplimente lachen Sie nur, also verfügen Sie über ein gesundes Selbstbewusstsein und sind nicht auf Schmeicheleien angewiesen. Sie lachen auch über sich selbst und halten es für Unsinn, dass Sie eine der tollsten Frauen von Texas sind, obwohl das stimmt.“

„Jetzt übertreiben Sie schon wieder maßlos.“ Sie lachte herzlich, und Boone fragte sich unwillkürlich, wie viele Männer diesem unwiderstehlichen Lachen schon verfallen sein mochten. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Schönheitswettbewerb gewonnen.“

„An wie vielen haben Sie denn teilgenommen?“

„An keinem.“

„Und wie liege ich sonst mit meiner Einschätzung? Habe ich recht?“

Sie presste die Lippen zusammen und dachte konzentriert nach, bevor sie schließlich nickte. „Praktisch denkender Mensch, da stimme ich Ihnen zu. Ich kann nur hoffen, dass ich intelligent bin, allerdings ist es wahrscheinlich nicht sehr klug, mit einem Fremden zu essen. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur sagen, dass ich gleich anschließend in mein Zimmer gehen werde und Sie in Ihres. Sie werden mich auch nicht zu meinem Zimmer begleiten und meine Zimmernummer nicht erfahren. Sie werden nicht einmal meinen Namen erfahren. Ich habe ein Handy bei mir und kann jederzeit Hilfe holen. Und was meine Ruhe und Selbstsicherheit angeht: Das trifft zwar zu, aber nicht immer. Im Großen und Ganzen liegen Sie mit Ihrer Einschätzung allerdings ziemlich richtig.“

„Und ich habe auch recht damit, dass Sie eine tolle Frau sind.“ Boone lehnte sich zurück, als der Kellner den Wein servierte und die Speisekarten brachte.

Boone hob sein Glas. „Darauf, dass Sie eine kritische Situation blendend gemeistert haben.“ Beim Anstoßen schaute er seinem Gegenüber in die Augen. Der trockene Wein schmeckte vorzüglich. Und die Nähe dieser aufregenden Frau ließ Boones Herz immer schneller schlagen.

Als sie nach einem weiteren Schluck das Glas abstellte, donnerte es wieder laut.

„Da haben wir ja Glück gehabt, dass wir es noch vor dem Regen hierher geschafft haben“, stellte Boone mit einem Blick nach draußen fest.

„Hier hat es heute schon einmal ziemlich stark geregnet.“ Die Frau sah ebenfalls aus dem Fenster, und für einen Moment schien sie Boones Gegenwart vollkommen vergessen zu haben.

„Woher wissen Sie das?“ Er wurde immer neugieriger. Durch jede Antwort dieser Frau konnte er mehr über sie erfahren.

„Das hat mir der Portier am Empfang erzählt.“

Während sie sprach, ergriff Boone ihre Hand. Sie fühlte sich weich und glatt an. Er spürte ein seltsames Prickeln bei der Berührung. „Ich kann da keinen Verlobungs- oder Ehering entdecken“, stellte er mit leiser Stimme fest.

„Stimmt, Sherlock Holmes.“ Lächelnd sah sie wieder nach draußen, als würde das Wetter sie mehr interessieren als Boone.

„Und ihrem Tonfall nach zu urteilen gibt es auch keinen festen Freund in Ihrem Leben.“

„Wieder richtig. Als Hellseher könnten Sie bestimmt eine Menge Geld verdienen.“

„Ich kann gut raten. Aber nicht nur das.“ Die letzten Worte sprach er ganz leise aus, und die Frau hob die Augenbrauen. „Lassen Sie uns noch mal auf die tolle rothaarige Frau anstoßen, die ich niemals vergessen werde.“

Während sie mit ihm anstieß, zog sie die Hand aus seiner zurück. „Niemals? Damit meinen Sie wohl, bis Ihnen die nächste hübsche Frau über den Weg läuft.“

„Nein, nein.“ Lachend schüttelte er den Kopf und beugte sich zu ihr vor. „Ich hoffe sehr, dass Sie den heutigen Abend auch nicht vergessen werden.“

Entschieden schüttelte sie den Kopf. „Machen Sie sich da mal keine Hoffnungen. Dieses Abendessen werden wir beide schnell vergessen. Aber von mir aus können Sie sich das gern einreden.“

„Ich werde dafür sorgen, dass das nicht geschieht.“ Mit jeder Minute interessierte diese Frau ihn mehr. „Tja, ich habe Ihnen gesagt, wie ich Sie einschätze. Jetzt möchte ich natürlich auch wissen, wie Sie mich finden.“

„Egozentrisch.“

„Au, das tut weh. Ich habe doch kaum über mich gesprochen. Wie kommen Sie darauf, ich sei egozentrisch?“

Sie lachte leise. „Sie sind sich Ihrer Wirkung sehr bewusst. Selbstsicher, entschlossen, fast ein bisschen überheblich, aber irgendwie auch charmant.“

„Danke für das Letzte, sonst müsste ich mir wohl einen anderen Tisch suchen, um mich Ihnen nicht länger aufzudrängen. In gewisser Weise charmant? Wie meinen Sie das?“

„Sie wissen sehr genau, wie Sie auf Frauen wirken.“ Es klang sehr sachlich. „Da muss ich Ihnen nicht noch schmeicheln. Ihre Selbstsicherheit kommt bestimmt nicht daher, dass Sie ständig zurückgewiesen wurden.“

Während sie in der Speisekarte las, betrachtete Boone sie sehr genau. „Wie wär’s mit Steaks?“, fragte er, und die Frau nickte zustimmend.

„Klingt ausgezeichnet. Ehrlich gesagt, habe ich das Mittagessen ausfallen lassen und seit meinem mageren Frühstück nichts mehr in den Magen bekommen. Ein Steak wäre genau das Richtige.“

Kurz darauf nahm ein Kellner ihre Bestellungen auf und servierte auf einem Holzbrett frisches knuspriges Weißbrot.

Boone beobachtete genau, wie sie geschickt zwei Scheiben abschnitt und ihm eine davon anbot. Er legte die Scheibe auf seinen Vorspeisenteller. Im Moment wollte er viel lieber mit dieser Frau reden als etwas essen. Sie hatte nur ein paar Schlucke Wein getrunken, doch Boone schenkte ihr nach.

„Danke, ich habe genug. Ehrlich gesagt, ist dies mein erstes Glas Alkohol seit Weihnachten.“

„Seit Weihnachten? Gehen Sie denn nie aus? Sie bleiben lieber in Ihren vier Wänden, stimmt’s?“

Die Frau lachte. „Ich komme sogar sehr oft aus dem Haus.“

„Wenn dies seit Weihnachten der erste Wein ist, dann gönnen Sie sich ruhig ein zweites Glas.“ Auffordernd blickte er sie an.

Die Frau atmete tief durch und nickte. „Einverstanden. Ich habe einen entsetzlichen Tag hinter mir.“

„Hat sich dieser entsetzliche Tag wenigstens in der letzten halben Stunde ein bisschen verbessert?“ Er schenkte nach und stellte die Flasche zurück in den Eiskübel. „Was ist denn so Schreckliches geschehen?“

„Ach, ich hatte ein geschäftliches Meeting.“ Ihre Stimme klang mit einem Mal kühl, und sie sah an Boone vorbei. „Jemand, der auch zu diesem Treffen kommen sollte, hatte einen entsetzlichen Autounfall und liegt jetzt auf der Intensivstation. Das hat meiner Stimmung einen ziemlichen Dämpfer versetzt.“

„Tut mir leid. War es jemand, den Sie kannten?“

„Ja, aber nur flüchtig. Und dann hatte mein Rückflug wegen des Sturms Verspätung. Drei Stunden saßen wir auf der Rollbahn fest.“

„Das klingt wirklich nach einem entsetzlichen Tag. Und obendrein noch der Kerl auf dem Parkplatz. Aber jetzt ist der schlimme Teil vorüber. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Sie aufzuheitern.“

„Das haben Sie bisher ganz gut hingekriegt.“

„Danke, das höre ich gern.“

„Jetzt muss ich hier im Hotel übernachten, weil ich wegen des Unwetters nicht nach Hause fahren konnte.“ Sie trank einen Schluck.

„Ihrem Akzent nach zu urteilen kommen Sie nicht aus dem Norden. Mal sehen: Wo lebt diese hübsche Lady?“

„Sie sind ja sehr wissbegierig. Aber wo ich wohne, werden Sie genauso wenig erfahren wie meinen Namen.“ Als die Frau lächelte, zeigte sich wieder ihr Grübchen.

„Mag sein.“ Auch Boone lächelte. Am rechten Handgelenk der Frau entdeckte er ein zierliches goldenes Armband, das er vorsichtig berührte. „Ist das ein Geschenk von einem Freund?“

„Nein. Von einer Freundin.“

Fragend blickte er zu der Goldkette an ihrem Hals, an der ein mit Smaragden besetztes kleines Kreuz hing. „Und diese Kette?“ Boone lehnte sich nach vorn und nahm das Kreuz zwischen zwei Finger. Ganz sachte streifte er dabei die Kehle der Frau und spürte die Berührung bis in die Zehenspitzen. Dem leisen Flackern in ihrem Blick nach zu urteilen fühlte sie es auch. „Stammt die Kette von derselben Freundin?“

„Nein. Dieses Kreuz ist ein Familienerbstück. Haben Sie jemals von Stallion Pass in Texas gehört?“

„Ja, das habe ich.“ Boone gab sich nach außen hin gelassen, doch seine Aufregung wuchs. Offenbar gab es irgendeine Verbindung zwischen der Frau und Stallion Pass in Texas. Wahrscheinlich lebte sie dort. Die Ranch, die er geerbt hatte, lag ebenfalls in der Nähe von Stallion Pass. Vielleicht konnte Boone die geheimnisvolle Fremde doch noch dazu bringen, ihm ihre Adresse zu verraten. „Das ist ein kleiner texanischer Ort ganz in der Nähe.“ Er drehte das Kreuz in der Hand hin und her. Immer wieder berührte er dabei die Kehle der Frau, und jeder Kontakt wirkte auf ihn wie ein leichter elektrischer Schlag. Die Frau wirkte etwas atemlos, und beim Blick in ihre Augen spürte er die Spannung zwischen ihnen beiden wachsen.

Also reagiert sie doch auf mich, dachte er. Die sanften Berührungen und das Flirten erregen sie, auch wenn sie es sich nicht eingestehen will.

„Kennen Sie die Legende von Stallion Pass?“, hakte sie nach.

„Irgendwas mit einem Pferd. Die Einzelheiten weiß ich aber nicht.“ Boone erinnerte sich daran, dass sein Freund Jonah Whitewolf zur Hochzeit einen weißen Hengst geschenkt bekommen hatte. Bei dieser Gelegenheit war auch die Legende erwähnt worden, doch Boone hatte sich nicht sonderlich dafür interessiert.

„Es ist eine uralte Legende“, erklärte die Frau. „Es heißt, ein Krieger der Apachen habe sich in die Tochter eines Kavalleriesoldaten verliebt. Er hat sie überredet, mit ihm durchzubrennen und seine Frau zu werden. In jener Nacht aber, als der Apache sie abholen wollte, wurde er von Weißen getötet. Man sagt, sein Geist habe sich in einen weißen Hengst verwandelt, der bis in alle Ewigkeit umherstreift und nach seiner verlorenen Liebe sucht. Die Legende besagt, dass der Mensch, der den weißen Hengst fängt und zähmt, die wahre Liebe findet.“

„Daher hat dieser Ort also seinen Namen?“ Boone schaute ihr unverwandt in die Augen, während sie die Geschichte erzählte. Kam ihm der Tisch nur so schmal vor, oder war ihm die Frau wirklich so nah? Boone konnte sich kaum auf ihre Worte konzentrieren, weil ihre Nähe ihn so erregte. Ihre Stimme klang immer heiserer und tiefer. Sie wandte den Blick keine Sekunde lang von Boone ab. Der einzige Kontakt zwischen ihnen waren Boones Finger, die immer noch den Smaragd an ihrem Hals festhielten, doch Boone sehnte sich inständig danach, die Frau zu küssen.

„Stimmt“, antwortete sie langsam. „Im Laufe der Jahre sind hier in der Gegend immer wieder weiße Hengste gesehen worden, und das hat die Legende am Leben erhalten.“

Sanft strich er über das Schmuckstück. „Und wie hängt das alles mit diesem Kreuz zusammen?“

„Der Tochter des Soldaten brach es das Herz, als sie vom Tod des Apachen erfuhr, und sie ging ins Kloster. Laut unserer Familiengeschichte gehörte dieses Kreuz ihr. Der Bruder der jungen Frau heiratete und bekam Kinder, und sie vererbte das Kreuz an ihre Nichte. So kam es über Generationen hinweg zu mir.“

„Dann ist dieses Kreuz auch ein Zeichen dafür, dass die alte Legende stimmt.“ Boone fuhr wieder über das grüne Kreuz. Auf der Rückseite fühlte er eine Gravur, und als er genau hinsah, konnte er „Bryony“ lesen. Fragend sah er seinem Gegenüber in die Augen und strich ihr mit den Knöcheln über das Kinn, ohne das Kreuz loszulassen. „Dann heißen Sie Bryony?“

„Nein. Bryony war der Name der Soldatentochter.“

Der Kellner brachte den Salat, und Boone lehnte sich wieder zurück. Dabei ließ er die Kette los und strich der Frau noch flüchtig über den Ansatz der Schulter.

Bevor er die ersten Blätter des Salats verspeiste, sagte er: „Sie sind Texanerin. Vielleicht leben Sie in Austin.“

Sie lächelte nur geheimnisvoll, und Boone merkte, dass er weder Zustimmung noch Verneinung hören würde. „Offenbar kennen Sie diese Gegend hier, und Sie konnten wegen des Sturms nicht nach Hause fahren. Weiter nördlich ist das Wetter ruhig, von dort bin ich gekommen. Die Sturmfronten kommen von Westen und Osten, deshalb tippe ich darauf, dass Sie in Austin leben und notgedrungen die Nacht hier verbringen.“

„Und Sie kommen aus …?“

„Aus der Nähe von Kansas City.“ Fast hätte er über ihren Versuch, das Gespräch von sich abzulenken, gelacht. „Bestimmt arbeiten Sie beim Fernsehen. Sie stehen in irgendeiner Funktion vor der Kamera.“

„Glauben Sie? Der Salat schmeckt köstlich.“

„Ja. Sie sind viel zu hübsch, um in irgendeinem Büro über Aktenordnern zu brüten.“

„Das ist doch Unsinn! Meinen Sie, ich sei zu so einer Arbeit nicht fähig? Wie kommen Sie denn darauf, dass es keine hübschen Büroangestellten gibt?“ Sie klang empört, aber immer noch umspielte ein Lächeln ihre Lippen.

„Es gibt bestimmt bildschöne Büroangestellte. Und Sie können sicher alles, was Sie sich in den Kopf setzen. Aber ich glaube einfach nicht, dass Sie tagaus, tagein am Schreibtisch sitzen. Sind Sie Nachrichtenmoderatorin? Moderatorin einer Show? Oder bei der Wettervorhersage?“

„Sie werden es nie herausbekommen.“ Belustigt beugte die Frau sich vor. „Ich werde unsere Wette gewinnen.“

Bei dieser angedeuteten Herausforderung beschleunigte Boones Pulsschlag sich noch mehr. „Wir werden ja sehen. Zuerst will ich mal herausfinden, wie viel Sie mir von sich verraten. Haben Sie Geschwister?“

„Eine Schwester. Sie ist geschieden, lebt in Kalifornien, ist sehr hübsch und brütet täglich in einem Büro über Aktenordnern.“

Leicht verlegen lächelte Boone. „Schon gut, das war ein Fettnäpfchen, aber ich habe schließlich auch nicht behauptet, dass es keine hübschen Büroangestellten geben kann. Ich glaube lediglich nicht, dass Sie eine sind. Wie heißt denn Ihre Schwester?“

„Mary. Sie ist älter als ich. Bei Ihnen tippe ich auf Einzelkind. Oder Sie sind der einzige Bruder mit mehreren Schwestern.“

„Wie kommen Sie darauf?“

„Sie wirken auf mich wie ein Mann, der von klein auf immer seinen Willen durchgesetzt hat. Besonders bei Frauen.“

„Wieso sollte ich besonders bei Frauen immer meinen Willen durchsetzen?“ Ihm gefiel das Flirten immer besser.

„Sie wissen sehr genau, welche Wirkung Sie auf die meisten Frauen haben.“

„Auf die meisten? Heißt das, Sie gehören nicht zu denen?“

Sie zuckte nur mit den Schultern, aber immer noch lag ein Lächeln auf ihren Lippen. „Es ist interessant, mit Ihnen heute Abend zu essen, und ich habe einen langen anstrengenden Tag hinter mir.“

„Interessant, ja? Auf einer Skala von eins bis zehn liegt ‚interessant‘ ungefähr bei fünf.“

„Ja, und? Ein interessanter Abend kann doch ganz nett sein. Eine Fünf ist nicht schlecht.“