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Der Bärtige starrte auf den zerbrochenen Verstärker. Langsam, unmerklich fast, veränderte sich sein Ausdruck. Dann lachte er leise.
Obwohl er dieses menschliche Gehirn für seine Zwecke modifiziert hatte, nachdem er es und den es beherbergenden Körper übernommen hatte, im Grunde blieb es, was es immer gewesen war. Sobald er die Zügel lockerte, fiel es automatisch in die alten Bahnen der Gefühlsreaktion zurück.
Er hatte es gezwungen, nachdem er sich darin festgesetzt hatte, jede seiner rudimentären Fähigkeiten so stark zu entwickeln, bis es jedem anderen Exemplar seiner Art weit überlegen war. Kein menschliches Gehirn, und mochte es noch so begabt sein, konnte sich mit einem vergleichen, das den Vorteil hatte, Wirtsorganismus eines Ceetal-Parasiten zu sein. Nicht einmal er, der Ceetal selbst, war diesem hypertrophen menschlichen Intellekt vergleichbar - er kontrollierte ihn nur, wie ein Mensch eine Maschine dirigiert, die auf einem bestimmten Gebiet um ein Vielfaches mehr leistet als er selbst.
Der Band Agent der Wega enthält drei spannende Weltraum-Agenten-Abenteuer aus der Feder des US-amerikanischen Schriftstellers James H. Schmitz.
Agent der Wega erscheint in der Reihe GALAXIS SCIENCE FICTION aus dem Apex-Verlag, in der SF-Pulp-Klassiker als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden.
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JAMES H. SCHMITZ
AGENT DER WEGA
- Galaxis Science Fiction, Band 11 -
Erzählungen
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
AGENT DER WEGA (Agent Of Vega)
DIE ZWEITE NACHT DES SOMMERS (The Second Night Of Summer)
DIE UNTERWERFUNG CUSHGARS (The Truth About Cushgar)
Der Bärtige starrte auf den zerbrochenen Verstärker. Langsam, unmerklich fast, veränderte sich sein Ausdruck. Dann lachte er leise.
Obwohl er dieses menschliche Gehirn für seine Zwecke modifiziert hatte, nachdem er es und den es beherbergenden Körper übernommen hatte, im Grunde blieb es, was es immer gewesen war. Sobald er die Zügel lockerte, fiel es automatisch in die alten Bahnen der Gefühlsreaktion zurück.
Er hatte es gezwungen, nachdem er sich darin festgesetzt hatte, jede seiner rudimentären Fähigkeiten so stark zu entwickeln, bis es jedem anderen Exemplar seiner Art weit überlegen war. Kein menschliches Gehirn, und mochte es noch so begabt sein, konnte sich mit einem vergleichen, das den Vorteil hatte, Wirtsorganismus eines Ceetal-Parasiten zu sein. Nicht einmal er, der Ceetal selbst, war diesem hypertrophen menschlichen Intellekt vergleichbar - er kontrollierte ihn nur, wie ein Mensch eine Maschine dirigiert, die auf einem bestimmten Gebiet um ein Vielfaches mehr leistet als er selbst.
Der Band Agent der Wega enthält drei spannende Weltraum-Agenten-Abenteuer aus der Feder des US-amerikanischen Schriftstellers James H. Schmitz.
Agent der Wega erscheint in der Reihe GALAXIS SCIENCE FICTION aus dem Apex-Verlag, in der SF-Pulp-Klassiker als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden.
»Wie die Dinge nun einmal liegen«, erklärte der Dritte Koordinator der Wega-Konföderation geduldig, »ist der Ortsagent der Zone siebzehn-zweiundachtzig im Augenblick nicht erreichbar. Bis er mit dem Hauptquartier hier Verbindung aufnimmt, wird auch noch mindestens eine Woche vergehen. Und da die Angelegenheit dringend ist und Sie gerade in der Gegend vorbeikommen, dachte ich an Sie.«
»Ich mag diese kleinen Extrajobs, die ich jedes Mal kriege, wenn Sie an mich denken«, kam es aus dem Telepathie-Transmitter vor ihm. Die Stimme war die eines kleinen drahtigen Mannes mit gelben, ziemlich kalten Augen, der vor einem nur undeutlich wahrnehmbaren dunklen Hintergrund saß. Er hätte ein unbedeutender Krimineller oder der Kapitän eines alten Raumfrachters sein können.
»Nach den letzten beiden Jobs«, fuhr er ironisch fort, »sandte ich Ihnen meinen Abschlussbericht aus dem Intensivbehandlungstank meines Schiffs, wenn ich mich recht erinnere. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass ich längst in meiner eigenen Zone zurück wäre, wenn Sie mich nicht in diese Richtung geschickt hätten - auf der Jagd nach einem Gerücht!«
Mit einem offensichtlich gespielten Ausdruck hoffnungsvoller Erwartung beugte er sich nach vorn. »Doch nicht etwa wieder eine heiße Spur von U-1, oder?«
»Nein, nein! Nichts dergleichen!«, sagte der Koordinator besänftigend. Zonen-Agent Iliff, Zone sechsunddreißig-null-sechs, hieß es in seinen Unterlagen. Unbeschränkte Verwendbarkeit; etwas reizbar... Es kam noch eine ganze Menge, unter anderem:
U-1: Der Misserfolgsschock des Agenten bezüglich dieses Subjekts hat sich in den letzten zwölf Jahren zu einem stark ausgeprägten Angstkomplex entwickelt. Der Agent kann nunmehr mit dem Abschluss dieses Falles betraut werden, sobald sich die Gelegenheit bietet.
Für den Dritten Koordinator, der als Chef des Departements für die Galaktischen Zonen Iliffs unmittelbarer Vorgesetzter war, war das keinesfalls paradox. Er kannte die besonderen Qualitäten seiner Agenten und wusste, wie er sie am wirkungsvollsten einzusetzen hatte - solange sie ihm erhalten blieben.
»Meiner Meinung nach«, erklärte er fröhlich, »ist U-1 seit Jahren tot.«
»Das letzte Mal, als ich in seine Nähe kam«, widersprach Iliff, »erschien mir U-1 bei äußerst guter Gesundheit gewesen zu sein.«
»Nun, das war vor zwölf Standard-Jahren«, murmelte der Koordinator. »Gäbe es ihn noch, dann hätte er uns in der Zwischenzeit einige Kopfschmerzen bereitet. Die Galaxie ist nicht groß genug, um ihm und der Konföderation gleichzeitig Platz zu bieten, hat er erklärt! Er ist nicht der Typ, der sich totstellt.« Er hielt inne. »Oder glauben Sie, Sie hätten ihm das letzte Mal seinen Superioritätswahn ausgetrieben?«
»Kaum«, sagte Iliff. Die Stimme aus dem Transmitter war ebenso ruhig wie der sie tragende Gedanke. »Er hat mich damals ganz schön reingelegt. Für ihn war das sicher nicht mal ein ernsthafter Kampf.«
Der Koordinator zuckte die Achseln. »Ja, ja. Jedenfalls - darum geht es jetzt nicht. Eigentlich handelt es sich um einen ziemlich einfachen Auftrag.«
Iliff zuckte zusammen.
»Nein, das ist mein Ernst! Zu diesem Job ist vor allem Takt nötig - immer schon eine Ihrer Stärken, Iliff.«
Das stimmte nicht ganz. Aber der Agent ging nicht darauf ein, und der Koordinator fuhr feierlich fort:
»...und deswegen habe ich Ihnen alle Informationen über den Fall zukommen lassen. Ihr Schiff wird sie in etwa einer Stunde empfangen. Aber vielleicht haben Sie Fragen; deshalb ganz kurz: Vor zwei Wochen schickte die Interstellare Kriminalbehörde eine Operatorin zu einem Planeten namens Gull im System siebzehnzweiundachtzig - das ist ein Mono-Planetensystem in der Nähe von Lycanno, nicht weit von Ihrer jetzigen Route. Sie sind doch schon dort gewesen?«
»Ja, einmal. Bevölkerung humanoid Klasse A. Politisch Klasse D... Wie weit ist Gull von hier entfernt?«
»Etwa achtzehn Stunden bei normaler Geschwindigkeit. Diese Operatorin sollte einen ehemaligen Raumpiraten namens Tahmey identifizieren, der angeblich dort aufgetaucht war, und ihn ausschalten. Ein Routinefall, aber... Vor vierundzwanzig Stunden meldete die Agentin, die Identifikation sei nicht möglich... und verlangte nach einem Zonen-Agenten.«
Er sah Iliff erwartungsvoll an. Beide wussten sehr wohl, dass die Exekution eines ehemaligen Raumpiraten nicht zu den Aufgaben eines Zonen-Agenten gehörte. Das war auch jeder Interstellaren Operatorin bekannt. Außerdem hätte ein solcher Vorfall zwangsläufig zur Folge haben müssen, dass die Behörde ihre Operatorin zwecks einer sofortigen Überprüfung ihrer geistigen Fähigkeiten mit anschließend mehrmonatigem Erholungsurlaub zurückrief, bevor sie mit einem anderen Auftrag betraut werden konnte.
»Also?«, fragte Iliff geduldig.
»Die Sache ist nur...«, erklärte der Koordinator, »die Operatorin ist eine der von uns ausgebildeten Lannai.«
»Ich verstehe«, sagte der Agent.
Und er verstand tatsächlich. Die Lannai waren hochentwickelte Humanoiden und die ersten ihrer Art, die man einlud, der Wega-Konföderation beizutreten. Bis dahin war die Konföderation nur dem Homo Sapiens und einigen wenigen seiner Mutationen offengestanden.
Die Einladung war vom Departement für die Galaktischen Zonen ausgesprochen worden, gegen den erbitterten Widerstand anderer Stellen. Es bestand die Absicht, das gleiche Vorrecht später auch allen anderen humanoiden und nichtmenschlichen Rassen einzuräumen, welche den Anforderungen der Konföderation genügten.
Wie gewöhnlich lag dem Vorgehen der Behörde ein ganz praktisches Motiv zugrunde. Ihre Aufgabe war, soweit wie möglich jede Gefährdung der achtzehntausend bisher in ihren Zonen registrierten Zivilisationen zu verhindern und sie behutsam auf den Pfad von Recht und Ordnung zu führen.
Es war eine langwierige und gefährliche Arbeit, bei der man sorgfältig jedes Aufsehen vermied, weil dabei - dem Geist wie auch dem Buchstaben nach - jeder der Nichteinmischungsverträge verletzt wurde, den die Konföderation je unterzeichnet hatte. Dazu kam, dass das Departement für diese Aufgabe geradezu lächerlich unterbesetzt war.
Je mehr Rassen, Zivilisationen und politische Systeme es direkt an die Konföderation binden konnte, desto geringer war die Anzahl solcher Systeme, die dieser - zwangsläufig unzureichenden - Beaufsichtigung bedurften. Man bemühte sich, die Bestimmungen über die Mitgliedschaft in diesem Supersystem der Wega großzügig auszulegen. Dennoch blieb jede gefährliche Abweichung von im Wega-System herrschenden Ideen ausgeschlossen.
Und wenn die Behörde dann bei der Verfolgung ihrer titanischen Projekte Gebrauch von den oft erstaunlichen Fähigkeiten nichtmenschlicher Wesen machen konnte...
Das Departement leckte sich gleichsam die Lippen.
Entsprechend ihrer Verwurzelung in alten Rassenvorurteilen war die Opposition gegen dieses Vorhaben stark und erbittert. Die Traditionalisten, die hauptsächlich im Kulturdepartement zu finden waren, wollten mit Rassen, die ihren Ursprung nicht zu Terra selbst zurückverfolgen konnten, nichts zu tun haben. Nichtmenschliche Wesen hatten in den jahrhundertelangen erbarmungslosen Kämpfen, welche das erste Galaktische Reich der Menschen geschwächt und schließlich zerstört hatten, eine wichtige Rolle gespielt.
Dass die Menschheit wie gewöhnlich selbst dafür verantwortlich war, und dass ihre grimmigsten Feinde unter denen zu finden waren, welche die gleiche entfernte Verwandtschaft mit terranischen Wesen beanspruchen konnten, tat diesem Standpunkt keinen Abbruch, demgemäß Wesen jeglicher anderen Art automatisch von der Mitgliedschaft ausgeschlossen waren. Im Hohen Rat der Konföderation hatte das Kulturdepartement, hinter dem eine konservative Mehrheit der Konföderierten stand, natürlich erheblichen Einfluss.
Noch ein wenig mehr Einfluss hatte allerdings das Departement für Galaktische Zonen - obwohl unter fünfzigtausend Bürgern kaum einer von seiner Existenz wusste, und trotz des Umstandes, dass seine Motive und Ziele nicht öffentlich diskutiert werden konnten.
Die Lannai gehörten also dazu - auf Probe.
»Wie Sie sich denken können«, sagte der Dritte Koordinator verdrießlich, »haben sich die Lannai nicht gerade ein Bein ausgerissen, um bei uns aufgenommen zu werden. Vielmehr hatte es ihre Regierung mit einer fast ebenso großen öffentlichen Opposition zu tun wie wir. Insgesamt scheinen sie ja um einiges begabter zu sein als wir. Hochentwickelte Telepathen, wissen Sie. Mit denen kommen wir meistens am besten aus.«
»Und was macht diese Operation bei der Interstellaren Kriminalbehörde?«, wollte Iliff wissen.
»Wir haben in fast jede Regierungsstelle ein paar Lannai gesetzt - in den Galaktischen Zonen natürlich nicht! Wir wollen nämlich beweisen, dass Lannai und Menschen gemeinsam arbeiten und Verantwortung tragen können - kurz, dass wir von Natur aus Verbündete sein müssten.«
»Und der Beweis ist gelungen?«
»Kann man jetzt noch nicht sagen. Die Leute, die man uns geschickt hat, sind selbstverständlich sorgfältig ausgewählt. Und diese Interstellare Operatorin gehört zweifellos zu den Besten. Sie ist mit dem fünfthöchsten Lannai-Herrscher verwandt. Das wäre natürlich ein Nachteil, wenn sie unter großer Belastung versagt hätte. Es könnte ihren Stolz so sehr verletzen, dass das Verhältnis empfindlich gestört würde. Und der Kultur-Koordinator könnte dann im Rat wieder große Reden schwingen!«
»Ja, das ist unangenehm«, räumte Iliff ein. »Da braucht es viel Takt. Aber den haben Sie ja.«
»Durchaus«, stimmte der Koordinator zu. »Aber wenn ich nicht zu viel Gebrauch davon machen müsste, wäre es mir lieber. Also... wenn Sie irgendeine Möglichkeit sähen, diese kleine Affäre auf Gull diskret zu regeln... Übrigens, da Sie ja dann nicht weit entfernt von Lycanno sind... dort soll es neuerdings eine unerwünschte politische Strömung geben. Innerhalb von zehn Jahren sind sie politisch von D auf H zurückgefallen. Näheres erfahren Sie vom Ortsagenten auf Gull. Vielleicht schauen Sie dort vorbei und bringen auch diese Sache in Ordnung.«
»Also schön«, sagte Iliff kühl. »In meiner eigenen Zone werde ich in den nächsten Stunden noch nicht gebraucht. Nicht dringend.«
»Das Laboratorium hat eine neue Gedankenabschirmung, die Sie testen sollen«, fuhr der Koordinator fort. »Auch die werden Sie auf Gull finden.«
Es gab eine kurze Pause.
»Sie erinnern sich doch«, fragte der Agent in mildem Ton, »was das letzte Mal passierte, als ich einen dieser Apparate einem Versuch mit einem Gehirn hohen Potentials unterzog?«
»Ja, natürlich! Aber wenn diese Konstruktion funktioniert«, erklärte der Koordinator in fast schwärmerischem Ton, »dann haben wir etwas, was wir wirklich brauchen. Und bis ich weiß, dass es wirklich funktioniert, und zwar unter extremer Belastung, kann ich die Sache nicht freigeben. Ich habe hundert Agenten für den Versuch ausgewählt.« Er seufzte. »Theoretisch kann dieser Schild jedes vorstellbare geistige Potential in jeder nur denkbaren Stress-Situation abschirmen und dennoch eine beinahe normale Arbeitsweise sicherstellen. Unter Laboratoriums-Bedingungen«, schloss er in ermutigendem Tonfall, »sind Tests unter höchster Belastung erfolgreich verlaufen...«
»Ja, wie immer«' erwiderte Iliff ohne merklichen Enthusiasmus. »Nun, ich werde ja sehen.«
»Gut!«, rief der Koordinator sichtlich erleichtert. »Natürlich wollen wir nicht, dass Sie irgendwelche unnötigen Risiken eingehen...«
Noch Minuten, nachdem der Schirm seines Telepathie-Transmitters nur noch in seinem normalen, schwachgrünen Schein schimmerte, starrte Iliff darauf.
Auf Jeltad, dem vierzehntausend Lichtjahre entfernten Hauptplaneten der Konföderation, wandte der Koordinator seine Aufmerksamkeit irgendeiner anderen scheinbar unendlich unwichtigen, aber doch nicht unbedeutenden Krisis an der Peripherie des Departements zu. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde er an Iliff oder an Zone siebzehn-zweiundachtzig erst wieder denken, wenn Iliffs Abschlussbericht kam - oder aber innerhalb des von den Computern des Departements eingeräumten Zeitraums nicht eintraf.
In beiden Fällen würde sich das Gehirn des Koordinators für die nötigen Sekunden, Minuten oder - wenn erforderlich - sogar Stunden von neuem diesem Problem zuwenden. Es war eines der drei oder vier menschlichen Gehirne in der Galaxie, vor denen Zonen-Agent Iliff so etwas wie Respekt hatte.
»Wie weit noch bis Gull?«, fragte er, ohne den Kopf zu wenden.
Schräg hinter ihm schien sich eine Stimme zu formen.
»Etwas über acht Stunden bei Dauergeschwindigkeit...«
»Sobald wir den Bericht der Taube von Jeltad haben, beschleunigen Sie, so dass wir es in vier Stunden schaffen«, sagte Iliff.
»Die Taube ist eben angekommen«, antwortete die Stimme. Sie war nicht laut, aber seltsam voluminös, und hatte etwas wie die Obertöne eines gewaltigen Bronzegongs. Gleichzeitig klang sie wie eine hallende Verstärkung von Iliffs eigener Stimme.
Der Agent wandte sich einem Bildschirm zu, auf dem ein torpedoähnlicher, gut sechs Meter langer Metallzylinder erschienen war, der im Raum schwebte und sich langsam um seine Achse drehte. Das Objekt befand sich in Wirklichkeit etwa sieben Kilometer vom Schiff entfernt - das war der bei einer heimkehrenden Taube einzuhaltende Sicherheitsabstand - und folgte ihm in gleichbleibendem Abstand, getrieben nur von seinem unwiderstehlichen Drang, wieder zu seinem »Nest« zu gelangen, dessen Kennzeichen seinen Molekülen eingeprägt waren. Das Nest war auf Iliffs Schiff. Dennoch würde die Taube es nie erreichen. Niemand wusste, welche Sub-Dimensionen sie unterwegs durchmessen und welche Veränderungen sie inzwischen durchgemacht hatte. Aber frühere Experimente hatten, sobald sich im Normalraum auch nur der leichteste Kontakt mit irgendwelcher festen Materie ergab, zu verheerenden Explosionen geführt.
Deshalb wurde sie jetzt auf sicherer Entfernung gehalten, während das Schiff die Informationen abnahm. Dann blitzte ein tödlicher Strahl vom Schiff zur Taube, und im nächsten Augenblick war sie verschwunden.
Iliff hatte sich in Dossiers versenkt. Als das Schiff die Zone siebzehn-zweiundachtzig erreichte, ließ sich die Stimme vernehmen:
»Drei Stunden bis Gull.«
»Gut«, antwortete Iliff geistesabwesend.
Fast eine weitere Stunde verging, bis er sagte: »Sende ihr das. Gull ist jetzt wohl nahe genug.«
Er stand auf, streckte sich und gähnte.
»Weißt du«, bemerkte er plötzlich, »es wundert mich gar nicht, dass die Gute wirklich Schwierigkeiten hat. Ich meine... vielleicht braucht sie tatsächlich einen Zonen-Agenten.«
»Wird das wieder so ein kitzliger Auftrag?«, fragte die Stimme.
»Wie immer, wenn der Mann etwas für uns heraussucht. Was war das?«
Einen Augenblick herrschte Stille. Dann sagte die Stimme: »Sie hat deine Nachricht erhalten. Sie erwartet dich.«
»Ging schnell!«, lobte Iliff. »Jetzt hör zu. Auf Gull spielen wir den alten Händler Casselmath mit seinen exotischen Parfüms. Bereite dich also auf deine Rolle vor - aber verschütte diesmal nichts von dem teuren Zeug.«
Der Name des Verdächtigen war Deel. Seit zehn Jahren war er ein respektierter - und respektabler - Bürger und Kaufmann auf dem Monoplanetensystem von Gull. Man nahm an, dass er von seinem Geburtsort, Planet Vier im Nachbarsystem Lycanno, hergekommen war.
Aber die Mikrostrukturanalysen, die die Operatorin vorgenommen hatte, bewiesen, dass es sich bei ihm um den Piraten Tahmey handelte, der, wie anzunehmen war, einmal bei den berüchtigten Ghant Spacers eine nicht ganz unbedeutende Rolle gespielt hatte. Der Interstellaren Kriminalbehörde war er kein Unbekannter; und deren kriminologisches Dogma besagte, dass mikrostrukturelle Identifizierung absolut sicher war. Organische Strukturen konnten nicht ohne Zerstörung des Organismus redupliziert oder in größerem Maße verändert werden.
Die Operatorin gehörte einer telepathisch veranlagten Spezies an und war auf Grund besonderen Trainings auf diesem Gebiet überdurchschnittlich befähigt. Für eine Lannai verstand es sich von selbst, dass sie die technischen Hilfsmittel einer anderen Rasse einer skeptischen Prüfung unterzog. Wäre sie keine solche Expertin gewesen, sie wäre schon beim ersten Versuch geistiger Ausforschung ertappt worden. Der Geist, den sie analysieren wollte, wurde abgeschirmt.
Durch wen oder was - das war eine Frage, die sie nicht beantworten konnte. Es gab da mehrere dieser Wachhunde. Ihre Gedanken zogen sich von ihnen zurück, bevor sie deren Aufmerksamkeit erregen konnten. Sie umgingen sie geschickt und durchbrachen Deel-Tahmeys einfache elektronische Gedankenschilde. Solche Schilde waren ein gängiger Artikel; sie sollten Leute mit nur durchschnittlichem mentalem Training gegen telepathische Kräfte normaler Größenordnung abschirmen und taten das auch. Gegen die telepathischen Kräfte dieser Lannai jedoch waren sie völlig wirkungslos.
Beinahe schockiert stellte sie fest, dass es sich keineswegs um Tahmeys Geist handelte! Dies war der Geist des Mannes namens Deel - seit zehn Jahren Bewohner Gulls, vorher des benachbarten Systems Lycanno.
Zumindest für sie war diese Tatsache ebenso unbestreitbar wie die mikrostrukturellen Beweise, die nur den gegenteiligen Schluss erlaubten. Hier handelte es sich nicht um eine künstlich zusammengefügte Gedankenstruktur aus Erinnerungen und Verhaltensmustern. Dies war die lebendige, gereifte Geistespersönlichkeit Deels. Selbst auf Psychochirurgie - für einen Mann in Deels Alter und Situation völlig normal - wiesen nur wenige Anzeichen hin.
Aber wenn er wirklich Deel war - warum sollte dann jemand ein Interesse daran haben, diese unwichtige Person telepathisch zu überwachen? Sie überlegte, ob sie sich näheren Aufschluss über diese Hintermänner verschaffen sollte. Aber die Aura kalter, unerbittlicher Wachsamkeit, der sie bei ihrem ersten zufälligen Beinahe-Kontakt mit ihnen begegnet war, ließ sie davon Abstand nehmen.
»Ich hatte ja auch keine Möglichkeit, das Potential abzuschätzen, über das sie verfügen«, schloss sie entschuldigend ihren Bericht.
»Nein«, stimmte Iliff zu. »Aber ich glaube nicht, dass es das war, was Sie abhielt.«
Die Lannai-Operatorin sah ihn nachdenklich an. Ihr Name war Pagadan. Obwohl nicht mit der menschlichen Rasse verwandt, war sie für menschliche Augen ein höchst anmutiges Geschöpf. Einigermaßen erstaunlich, wenn man bedachte, dass ihr Interstellares Dossier sie als Kämpfertyp einstufte - was zumindest eine gewisse Rücksichtslosigkeit einschloss - und dass ihre Aufgabe auf Gull unter anderem darin bestand, Exekutionen durchzuführen.
»Wie meinen Sie das?«, fragte sie in einem Ton freundlicher Verwunderung.
»Ich meine«, sagte Iliff, »dass ich jetzt ganz gern die Einzelheiten hören möchte, die Sie dem Koordinator nicht mitgeteilt haben. Beginnen wir mit Lycanno.«
»Ah, ich verstehe«, sagte Pagadan. »Ja, ich war dort, natürlich...« Plötzlich lächelte sie und erschien ihm auf einmal außerordentlich schön, obgleich ihre riesigen silbrigen Augen mit ihren quadratischen schwarzen Pupillen, deren Größe mit jeder Stimmungsveränderung wechselte, hergebrachten menschlichen Schönheitsvorstellungen nicht entsprachen. Das gleiche galt für ihr silbrig schillerndes Haar, das an hauchzarte Federn erinnerte. Aber der Gesamteindruck, stellte Iliff fest, war irgendwie doch der einer bemerkenswert attraktiven Menschenfrau. Den Berichten zufolge, die er gelesen hatte, hatte sie diesen Eindruck auch bei Leuten mit wesentlich konservativerem Geschmack als dem seinen erweckt.
»Sie sind ganz clever, Zonen-Agent«, sagte sie nachdenklich. »Nun, warum soll ich nicht aufrichtig sein. Hätte ich alles, was ich über diesen Fall weiß, berichtet - allerdings habe ich aus Gründen, die ich Ihnen noch nennen werde, sehr wenig herausgefunden -, hätte mich die Interstellare Kriminalbehörde mit Sicherheit zurückgerufen. Sie ist wild entschlossen, dafür zu sorgen, dass mir bei meiner Arbeit nichts zustößt.« Sie sah ihn zweifelnd an. »Sie wissen ja, dass ich als Lannai im Augenblick von spezieller politischer Bedeutung bin?«
Iliff nickte.
»Gut. Also: Auf Lycanno stellte ich fest, dass der Fall für mich allein tatsächlich ein wenig zu kompliziert war.« Ihre schwarzen Pupillen weiteten sich - wahrscheinlich eine Erinnerung an überstandene Schrecken.
»Aber ich wollte nicht, dass man mich zurückrief. Meine Leute werden die vorgeschlagene Allianz nur akzeptieren, wenn sie an ihren Unternehmungen und an ihrer Verantwortung teilhaben können. Schutz verlangen sie nicht, und es würde keinen sehr guten Eindruck auf sie machen, wenn sie erführen, dass wir, die ersten Vertreter ihrer Art bei Ihnen, eines Auftrags entbunden wurden, sobald ein persönliches Risiko für uns dabei war.«
»Ich verstehe«, sagte Iliff ernsthaft. Er erinnerte sich, dass sie königlichen Geblüts war, und schüttelte den Kopf. »Das Departement«, sagte er, »hat es wohl nicht ganz leicht mit Ihnen.«
Pagadan lachte. »Manchmal findet man mich schon ein wenig schwierig. Trotzdem, ich kann mich unterordnen. Aber in diesem Fall schien es mir wichtiger, nicht wieder beschützt zu werden, sondern als vernünftig und absolut zuverlässig zu erscheinen. Also machte ich zum ersten Male von meinem Sonderstatus Gebrauch und bestand darauf, dass man einen Zonen-Agenten hierher schickte. Jedenfalls kann ich Ihnen versichern, dass sich der Fall zu einem Unternehmen entwickelt hat, das die volle Ausschöpfung der Fähigkeiten und technischen Möglichkeiten eines Zonen-Agenten erfordert.«
»Schön«, entgegnete Iliff achselzuckend, »da bin ich also. Was haben Sie auf Lycanno erfahren?«
»Es gab eindeutige Hinweise darauf, dass in den Jahren, wo Tahmey im Weltraum seinem verbrecherischen Treiben nachging, der Mann namens Deel auf dem Vierten Planeten des Lycanno-Systems lebte, dessen atmosphärische Hülle er wegen einer ausgeprägten Raumpsychose kaum jemals verließ.«
Diese Information hatte Pagadan zum Teil aus amtlichen Dokumenten, zum größeren Teil hingegen aus den unbewussten Erinnerungen von etwa zweihundert Leuten, die mit Deel in mehr oder weniger enge Berührung gekommen war. Die Untersuchung schien zweifelsfrei zu erweisen, dass Deel in der fraglichen Zeit auf Lycanno gelebt hatte. Ungeklärt blieb jedoch, wie es zu der phantastischen Wesensidentität mit dem Piraten Tahmey hatte kommen können.
Der Deel, an den man sich erinnerte, war ein großer, blonder, gesunder, gutmütiger und doch cleverer Mann gewesen; körperliche und psychische Details waren wegen der ungeübten Wahrnehmungsfähigkeit derjenigen, die sich an ihn erinnerten, vielfach verzerrt. Die Beschreibung hätte - besonders nach so langer Zeit - genauso gut auch auf Tahmey passen können. Oder genauso wenig.
Weiter war sie in dieser Hinsicht nicht gekommen. Die Behörden waren lax auf Lycanno, und die präzise Identifizierung einzelner Bürger auf Grund von Mikrostrukturen oder dergleichen gab es dort nicht. Deel war dort geboren, aufgewachsen und beruflich erfolgreich gewesen. Dann hatte ein Konkurrent sein Geschäft ruiniert, und man gab ihm zu verstehen, dass man einem Neuaufbau auf diesem Planeten nicht zustimmen würde.