Gargantua. Pantagruel - François Rabelais - E-Book

Gargantua. Pantagruel E-Book

François Rabelais

0,0
29,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mit seinem Romanzyklus um die Riesen Gargantua, den Vater, und Pantagruel, seinen Sohn, hat François Rabelais ein unvergleichliches Werk geschaffen: phantastisch, grotesk, satirisch und obszön, voll überbordendem Witz und von einer sprachlichen Virtuosität, die in der französischen Literatur einzigartig ist, dabei geprägt von einer zutiefst humanen Gesinnung. Wolf Steinsieck gelingt es auf brillante Weise, Rabelais' Fabulierkunst, die alle Register zieht vom ernsten Pathos bis zur derbsten Komik, ins Deutsche zu übertragen und dem heutigen Leser zugänglich zu machen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 790

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



François Rabelais

Gargantua

Pantagruel

Mit 29 Holzstichen von Gustave Doré

Aus dem Französischen übersetzt und

kommentiert von Wolf Steinsieck

Übersetzung der Verse und Nachwort

von Frank-Rutger Hausmann

Reclam

2013 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Die Holzstiche von Gustave Doré sind entnommen aus:

Rabelais, Œuvres, illustrations de Gustave Doré, 6 Bde., Paris:

Michel de l’Ormeraie, 1971, einem Nachdruck der Ausgabe von 1873

Umschlaggestaltung: Cornelia Feyll und Friedrich Forssman

Made in Germany 2017

RECLAM ist eine eingetragene Marke

der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-960239-4

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-010874-1

www.reclam.de

Inhaltsübersicht

Gargantua

Pantagruel

Anhang

Literaturhinweise

Abkürzungen

Kommentar

Nachbemerkung des Übersetzers

Nachwort

Hinweis zur E-Book-Ausgabe

[7] Das höchsterstaunliche Leben

des großen

Gargantua,

Vater des Pantagruel.

Verfasst von Alcofribas Nasier,

Abstraktor der Quintessenz.

Ein Buch voller Pantagruelismen.

Inhalt

Vorwort des Verfassers

Erstes KapitelÜber die Herkunft und über das alte Geschlecht des Gargantua

Zweites KapitelFirlefanz mit Gegengift, gefunden in einem altehrwürdigen Denkmal

Drittes KapitelWie Gargantua elf Monate im Mutterleib getragen wurde

Viertes KapitelWie Gargamelle, als sie mit Gargantua schwanger war, eine Unmenge Kutteln aß

Fünftes KapitelDie Reden der Zecher

Sechstes KapitelWie Gargantua auf höchst seltsame Art zur Welt kam

Siebtes KapitelWie Gargantua seinen Namen erhielt, und wie er Wein schlürfte

Achtes KapitelWie man Gargantua kleidete

Neuntes KapitelKleidung und Farben Gargantuas

Zehntes KapitelWas die Farben Weiß und Blau bedeuten

Elftes KapitelÜber die Jugendzeit Gargantuas

Zwölftes KapitelÜber die künstlichen Pferde Gargantuas

Dreizehntes KapitelWie Grandgousier anhand der Erfindung eines Arschwischs die außergewöhnliche Intelligenz Gargantuas erkannte

Vierzehntes KapitelWie Gargantua von einem Sophisten in Latein unterrichtet wurde

Fünfzehntes KapitelWie Gargantua anderen Erziehern anheimgegeben wurde

Sechzehntes KapitelWie Gargantua nach Paris geschickt wurde, und von der riesengroßen Stute, die er ritt, und wie sie die Schmeißfliegen der Beauce vernichtete

Siebzehntes KapitelWie Gargantua den Parisern den Willkommensgruß entbot, und wie er die großen Glocken aus der Kirche Notre-Dame wegnahm

Achtzehntes KapitelWie Janotus von Bragmardo entsandt wurde, um von Gargantua die großen Glocken wiederzubekommen

Neunzehntes KapitelDie Ansprache, die Meister Janotus von Bragmardo vor Gargantua hielt, um die Glocken wiederzubekommen

Zwanzigstes KapitelWie der Sophist sein Tuch davontrug, und wie es kam, dass er mit den anderen Magistern prozessierte

Einundzwanzigstes KapitelGargantuas Studium nach der Methode seiner sophistischen Lehrer

Zweiundzwanzigstes KapitelGargantuas Spiele

Dreiundzwanzigstes KapitelWie Gargantua von Ponokrates derart erzogen wurde, dass er nicht eine einzige Stunde des Tages vertat

Vierundzwanzigstes KapitelWie Gargantua seine Zeit verbrachte, wenn es regnete

Fünfundzwanzigstes KapitelWie zwischen den Fladenbäckern von Lerné und den Leuten Gargantuas ein großer Streit entstand, der schwere Kriege nach sich zog

Sechsundzwanzigstes KapitelWie die Einwohner von Lerné auf Geheiß ihres Königs Pikrocholos die Hirten Gargantuas überraschend angriffen

Siebenundzwanzigstes KapitelWie ein Mönch von Seuilly den Weingarten der Abtei vor der Plünderung durch die Feinde bewahrte

Achtundzwanzigstes KapitelWie Pikrocholos La Roche-Clermault im Sturm einnahm, und wie schwer Grandgousier sich tat, Krieg zu führen

Neunundzwanzigstes KapitelDer Inhalt des Briefes, den Grandgousier an Gargantua schrieb

Dreißigstes KapitelWie Ulrich Gallet zu Pikrocholos gesandt wurde

Einunddreißigstes KapitelDie Rede von Gallet an Pikrocholos

Zweiunddreißigstes KapitelWie Grandgousier um des Friedens willen die Fladen zurückgeben ließ

Dreiunddreißigstes KapitelWie einige Hofmeister des Pikrocholos diesen durch voreiligen Ratschlag in allergrößte Gefahr brachten

Vierunddreißigstes KapitelWie Gargantua Paris verließ, um seinem Land zu Hilfe zu eilen, und wie Gymnastes auf die Feinde traf

Fünfunddreißigstes KapitelWie Gymnastes mit Geschick Hauptmann Tripet und andere Leute von Pikrocholos ums Leben brachte

Sechsunddreißigstes KapitelWie Gargantua die Burg an der Vède-Furt zerstörte, und wie sie durch die Furt setzten

Siebenunddreißigstes KapitelWie Gargantua die Kanonenkugeln aus den Haaren fielen, als er sich kämmte

Achtunddreißigstes KapitelWie Gargantua sechs Pilger im Salat verspeiste

Neununddreißigstes KapitelWie der Mönch von Gargantua festlich bewirtet wurde, und über die schönen Reden, die er während des Abendessens hielt

Vierzigstes KapitelWarum alle Welt die Mönche meidet, und warum einige eine größere Nase haben als andere

Einundvierzigstes KapitelWie der Mönch Gargantua zum Schlafen brachte, und über sein Stunden- und Gebetbuch

Zweiundvierzigstes KapitelWie der Mönch seinen Gefährten Mut zusprach, und wie er an einem Baum hing

Dreiundvierzigstes KapitelWie Gargantua auf den Erkundungstrupp von Pikrocholos stieß, und wie der Mönch Hauptmann Tyravant tötete und dann von den Feinden vor Beginn der Schlacht gefangen genommen wurde

Vierundvierzigstes KapitelWie der Mönch sich seiner Wachen entledigte, und wie der Trupp von Pikrocholos besiegt wurde

Fünfundvierzigstes KapitelWie der Mönch die Pilger mitbrachte, und welch freundliche Worte Grandgousier ihnen sagte

Sechsundvierzigstes KapitelWie großmütig Grandgousier den gefangenen Toucquedillon behandelte

Siebenundvierzigstes KapitelWie Grandgousier seine Legionen zu den Fahnen rief, und wie Toucquedillon Hastiveau tötete und dann auf Befehl von Pikrocholos getötet wurde

Achtundvierzigstes KapitelWie Gargantua Pikrocholos in der Festung La Roche-Clermault angriff und das Heer des besagten Pikrocholos besiegte

Neunundvierzigstes KapitelWie Pikrocholos auf der Flucht das Unglück ereilte, und was Gargantua nach der Schlacht tat

Fünfzigstes KapitelDie Ansprache, die Gargantua an die Besiegten hielt

Einundfünfzigstes KapitelWie die siegreichen Gargantisten nach der Schlacht belohnt wurden

Zweiundfünfzigstes KapitelWie Gargantua für den Mönch die Abtei von Thélème bauen ließ

Dreiundfünfzigstes KapitelWie die Abtei der Thelemiten gebaut und ausgestattet wurde

Vierundfünfzigstes KapitelInschrift über dem Tor von Thélème

Fünfundfünfzigstes KapitelWie das Haus der Thelemiten beschaffen war

Sechsundfünfzigstes KapitelWie die Ordensbrüder und Ordensschwestern von Thélème gekleidet waren

Siebenundfünfzigstes KapitelWie die Lebensweise der Thelemiten geregelt war

Achtundfünfzigstes KapitelRätselprophezeiung

[15] An die Leser

O Leser, die ihr lest in diesem Buch,

lasst fahren alle eure Leidenschaften,

und wenn ihr’s lest, so sprecht mir keinen Fluch,

kein Übel bringt’s, noch macht es abgeschlafft.

Fürwahr, hier lernt ihr keine Meisterschaft,

es sei denn in des Lachens hoher Kunst,

denn andrer Stoff fand bei mir niemals Gunst,

da ich den Schmerz sah, der euch höhlt und narrt.

Von Lachen schreib’ man, nicht von Tränenbrunst,

denn Lachen ist der Menschen Eigenart.

[17]Vorwort des Verfassers

Erlauchte Zecher und ihr, teure Syphilitiker – denn euch und niemand sonst sind meine Schriften gewidmet –, in Platons Dialog Das Gastmahl sagt Alkibiades zum Lobe seines Lehrmeisters Sokrates, der unbestritten aller Weisen Oberhaupt ist, unter anderem, dass dieser den Silenen gleiche. Silene nannte man einst kleine Dosen, wie wir sie heutzutage in den Läden der Apotheker finden: von außen bemalt mit allerhand lustigen und reizenden Figuren, als da sind: Harpyien, Satyrn, gezäumte Gänschen, Hasen mit Hörnern, gesattelte Enten, fliegende Böcke, Hirsche, die in der Deichsel gehen, und manch andere aus der Phantasie gemachte Darstellungen, die die Leute zum Lachen bringen sollen, so wie Silen es tat, des guten Bacchus Erzieher. Aber in ihrem Inneren bewahrte man feine Spezereien auf wie Balsam, grauen Ambra, Amomum, Moschus, Zibet, Edelsteine und andere kostbare Dinge. So, sagt Alkibiades, sei Sokrates gewesen, denn, hättet ihr ihn gesehen und ihn nach seiner äußeren Erscheinung beurteilt, so hättet ihr keinen Pfifferling für ihn gegeben: so hässlich war er von Gestalt und so lächerlich in seinem Auftreten. Seine Nase war spitz, stierartig sein Blick, sein Gesicht war das eines Narren; sein Benehmen war einfältig, bäurisch seine Kleidung, Vermögen hatte er so gut wie keins, war ohne Glück bei den Frauen, untauglich für jedes Amt im Staate, immerzu lachend und immerfort bereit, einem jeden zuzutrinken, immerzu spottend und immer sein göttliches Wissen verbergend.

Aber hättet ihr diese Dose geöffnet, so hättet ihr darinnen eine himmlische und unschätzbare Spezerei gefunden: übermenschlichen Verstand, wunderbare Tugend, unüberwindlichen [18] Mut, eine Nüchternheit ohnegleichen, unumstößliche Zufriedenheit, unerschütterliche Zuversicht und eine unglaubliche Nichtachtung all der Dinge, nach denen Menschen sich nächtelang verzehren, um derentwillen sie laufen, arbeiten, zur See fahren und kämpfen.

Wozu dies Präludium, warum diese Zueignung, so werdet ihr fragen. Nun, weil ihr, meine wackeren Jünger und einige andere müßige Narren, vorschnell urteilt, wenn ihr die lustigen Titel einiger Bücher unserer Erfindung lest, als da sind Gargantua, Pantagruel, Saufbold, Die Würde der Hosenlätze, Speckerbsen mit Kommentar, und dann annehmt, es sei in ihnen nichts anderes enthalten als Spöttelei, Späße und lustige Lügenmärchen, da das Aushangschild, will sagen der Titel, als Hohn und Spott verstanden wird, ohne dass man dies auf seine Richtigkeit hin überprüft. Es geziemt sich nicht, mit solcher Leichtfertigkeit Menschenwerk zu beurteilen. Sagt ihr doch selber, die Kutte mache nicht den Mönch aus; denn mancher trägt ein Mönchsgewand und ist in seinem Innersten alles andere als ein Mönch; und mancher trägt einen spanischen Mantel und hat mit Spanien nicht das geringste zu tun.

Deshalb muss man das Buch aufschlagen und sorgsam abwägen, was hier ausgeführt ist. Und so werdet ihr erkennen, dass die darin enthaltene Spezerei von wahrlich anderem Wert ist, als die Dose es versprach, will sagen: die Dinge, von denen hier die Rede ist, sind bei weitem nicht so närrisch, wie der Titel des Buches vorgibt. Gesetzt den Fall, ihr fändet Dinge darin, die im buchstäblichen Sinne sehr lustig sind und dem Titel entsprächen, so dürft ihr euch nicht daran aufhalten, wie beim Gesang der Sirenen, sondern ihr müsst diese Stelle, von der ihr meint, dass sie vielleicht [19] nur aus Übermut geschrieben worden sei, in einem übertragenen Sinn auslegen.

Habt ihr jemals eine Flasche geköpft? Ja verdammt noch mal! dann erinnert euch doch daran, wie ihr euch dabei angestellt habt. Habt ihr jemals einen Hund beobachtet, der einen Markknochen findet? Platon sagt im zweiten Buch der Politeia, der Hund sei das philosophischste Tier der Welt. Wenn ihr es getan habt, so werdet ihr bemerkt haben, wie sorgsam er ihn hütet, mit welcher Inbrunst er ihn festhält, wie umsichtig er ihn anbeißt, ihn zerbricht und wie geschickt und emsig er ihn aussaugt. Wer bringt ihn dazu, dies so zu tun? Was erhofft er sich von diesem Eifer? Welchem Gut strebt er nach? Es geht ihm nur um ein bisschen Mark. Und in der Tat: dieses bisschen ist köstlicher als viele andere Speisen, zumal das Mark, wie Galen in Buch IIIDe Facultatibus naturalibus und in Buch XIDe usu partium corporis humani sagt, eine Nahrung ist, die die Natur als eine vollkommene erzeugt hat.

Es ziemt euch, nach des Hundes Vorbild klug zu sein, auf dass ihr diese wohlgenährten Bücher wittert, riecht und schätzt; dabei müsst ihr behende sein im Aufspüren und kühn im Zugriff; durch aufmerksames Lesen und gründliches Nachdenken brecht ihr dann den Knochen auf und saugt das Wesentliche, das Mark, heraus – also das, was ich unter diesen pythagoräischen Symbolen verstehe – in der sicheren Hoffnung, dass die Lektüre euch gewitzt und klug macht. Ihr findet hier einen gänzlich anderen Geschmack und eine sehr viel verborgenere Lehre, die euch großartige und ungeheuerliche Geheimnisse offenbaren wird, sowohl was unsere Religion angeht als auch die Lage des Staatswesens wie die der häuslichen Geschäfte.

Glaubt ihr denn allen Ernstes, Homer habe, als er die Ilias und [20] die Odyssee schrieb, jemals an die Allegorien gedacht, die Plutarch, Heraklides Pontikos, Eustathios und Phornutus ihm untergeschoben haben und die hernach Poliziano von ihnen gestohlen hat? Wenn ihr dies glaubt, so seid ihr meilenweit von meiner Meinung entfernt: ich bin überzeugt, dass Homer an jene so wenig dachte wie Ovid in seinen Metamorphosen an die heiligen Lehren des Evangeliums, auch wenn ein gewisser Bruder Lubin, ein richtiger Nassauer, justament dies zu beweisen versucht hat, und zwar für den Fall, dass er ebenso rappelköpfige Leute träfe, wie er selber einer war; denn wie das Sprichwort sagt, das richtige Deckelchen auf das richtige Töpfchen.

Wenn ihr es aber nicht glaubt, wie ist es zu erklären, dass ihr beim Durchlesen glauben wollt, dass meine Chroniken mit Allegorien befrachtet sind, obgleich ich bei der Niederschrift so wenig an dergleichen Dinge dachte wie ihr, die ihr vielleicht auch beim Trinken saßt, so wie ich. Denn um dieses herrliche Buch zu schreiben, habe ich nur die Zeit verwendet, die ich brauche, um mich zu regenerieren, damit meine ich die Zeit fürs Essen und Trinken. Das ist der rechte Augenblick, um solch anspruchsvolle Materie und Stoffe zu behandeln, so wie es Homer zu tun verstand, das Urbild aller Philologen, und desgleichen Ennius, Vater der lateinischen Dichter, wie Horaz bezeugt, wenngleich eine Missgestalt behauptet hat, seine Dichtung röche mehr nach Wein als nach Öl.

Dasselbe sagt solch ein Lump auch von meinen Büchern, aber ich scheiß ihm was! Ist denn der Duft des Weines nicht um ein Vielfaches lieblicher, freundlicher, verlockender, himmlischer und köstlicher als der des Öles? Und wenn man von mir sagte, ich hätte mehr für Wein als für Öl ausgegeben, so rechnete ich mir [21] dies ebenso zur Ehre an wie Demosthenes, von dem man allerdings das Gegenteil behauptete.

Mir bedeutet es wirklich nur Ehre und Ruhm, spricht man von mir als von einem lustigen Zechkumpan, der zu leben versteht. Als solcher bin ich allen guten Gesellschaften von Pantagruelisten herzlich willkommen.

Ein alter Griesgram warf Demosthenes vor, seine Reden stänken wie der Wischlappen eines grauslich verdreckten Ölkrämers. Daher legt alles, was ich tu und sage, aufs beste aus; verehrt dies käseförmige Hirn, das euch mit diesen schönen Gespinsten versorgt, und, sofern ihr könnt, nehmt mich immer von der rechten Seite.

Amüsiert euch, meine Lieben, und lest fröhlich, was jetzt kommt. Aber Moment noch, ihr Eselspimmel, auf dass euch der Schanker die Beine wegzieht, wenn ihr vergesst, zu gegebener Zeit auf meine Gesundheit zu trinken – dann aber gebe ich euch auf der Stelle Genugtuung.

[23]Erstes Kapitel

Über die Herkunft und über das alte Geschlecht des Gargantua

Ich verweise euch auf die große pantagruelinische Chronik, in der ihr euch über die Genealogie und über das alte Geschlecht des Gargantua kundig machen könnt. Dort werdet ihr des längeren darüber unterrichtet, wie die Riesen auf diese Welt kamen, und wie Gargantua, der Vater des Pantagruel, in direkter Linie von jenen abstammt. Lasst es euch nicht verdrießen, wenn ich momentan hiervon Abstand nehme, obwohl es sich ja so verhält, dass, je häufiger man diese Geschichten erzählt, desto größere Freude sie Ew. Herrlichkeiten bereiten. Denn bereits Platon – in Philebos und Gorgias – und auch Flaccus haben darauf hingewiesen, dass es Geschichten gibt, die umso köstlicher sind, je öfter man sie erzählt.

Wollte Gott, dass ein jeder seinen Stammbaum so genau kennte, von der Arche Noah an bis zum heutigen Tage. Ich glaube schon, dass heutzutage manch ein Kaiser, König, Herzog, Fürst und Papst auf dieser Erde von irgendwelchen Ablasskrämern und Kiepenkerlen, wie umgekehrt manch ein armer Teufel, Habenichts und Elender aus dem Blute und Geschlecht großer Könige und Kaiser abstammt, wenn man bedenkt, auf welch wundersame Weise Königtümer und Kaiserreiche

von den Assyrern auf die Meder,

von den Medern auf die Perser,

von den Persern auf die Mazedonier,

von den Mazedoniern auf die Römer,

von den Römern auf die Griechen,

von den Griechen auf die Franzosen

übergegangen sind.

[24] Um euch über mich, der ich zu euch spreche, aufzuklären, so glaube ich, dass ich von irgendeinem reichen König oder Fürsten vergangener Zeiten abstamme. Denn es ist schier unmöglich, jemanden zu finden, der versessener darauf ist, König und reich zu sein, als ich es bin, auf dass ich tüchtig tafeln kann, nicht zu arbeiten und mich nicht zu sorgen brauche, und meine Freunde und alle tugendhaften und gelehrten Leute reich ausstatten kann. Aber was das angeht, so tröste ich mich damit, dass ich das im Jenseits sein werde, ja selbst noch mehr, als ich es augenblicklich zu wünschen wage. Tröstet euch bei Missgeschick mit diesen und noch besseren Gedanken und, wenn möglich, tut einen frischen Trunk.

Kommen wir zu unserem Thema zurück: ich sage euch, nur dank einer göttlichen Fügung unseres Herrn ist uns die Herkunft und Genealogie des Gargantua lückenloser erhalten als andere – außer der des heiligen Messias. Hierüber zu sprechen steht mir jedoch nicht zu, außerdem sind die Teufel, will sagen die Verleumder und Heuchler, dagegen.

Nun, die Genealogie hat Jean Audeau auf einer Wiese gefunden, die er unweit des Gualeau-Bogens besaß, unterhalb der Olive in Richtung Narsay, und deren Gräben er gerade ausschlämmen ließ. Die Landarbeiter stießen mit ihren Hacken auf ein gewaltiges bronzenes Grab, dessen Ausmaße nicht festzustellen waren, da sie ein Ende desselben nicht finden konnten. Dieses reichte weit unter die Schleusen der Vienne hinaus.

Als sie das Grab an einer bestimmten Stelle öffneten, die durch einen Becher gekennzeichnet war, um den herum in etruskischen Buchstaben geschrieben stand: HIC BIBITUR, fanden sie neun Flaschen, die so angeordnet waren, wie man in der Gascogne die Kegel aufstellt. Unter der mittleren Flasche lag ein Büchlein; dick, [25] umfangreich, groß, grau, niedlich, klein, schimmelig, das stärker, aber nicht besser als Rosen roch.

Hierin wurde der fragliche Stammbaum gefunden, der, durchweg in Kanzleischriftlettern, nicht etwa auf Papier geschrieben war noch auf Pergament oder Wachs, sondern auf Ulmenrinde; diese waren aber vom hohen Alter so verwittert, dass man kaum drei Buchstaben hintereinander erkennen konnte.

Man rief mich herbei (obwohl ich dessen unwürdig bin), und bewaffnet mit einer Brille übte ich mich in der Kunst, unsichtbare Buchstaben zu lesen, so wie Aristoteles es lehrt; ich übertrug den Stammbaum, den ihr, wenn ihr pantagruelisiert, lesen könnt, will sagen, wenn ihr nach Lust und Laune zecht und dabei die haarsträubenden Abenteuer des Pantagruel lest. Am Schluss des Buches fand sich eine kleine Abhandlung mit dem Titel: Firlefanz mit Gegengift. Mäuse und Schaben oder andere arglistige Tiere (auf dass ich nicht lüge) hatten den Anfang angeknabbert; aus Ehrfurcht vor dem Altehrwürdigen habe ich den Rest wie nachstehend aufgeführt.

Zweites Kapitel

Firlefanz mit Gegengift, gefunden in einem altehrwürdigen Denkmal

(Ge)…kommen ist er nun, der Kimbernüberwinder,

(Qu)…er durch die Lüfte hin, aus Abscheu vor dem Tau.

(Als) … er erschienen ist, da füllt man die Zylinder

(Mit) … frischer Butter, die als Regenhosenstau

[26] Großmutter ganz und gar begoss, die arme Frau,

so dass mit lautem Schrei sie rief: »Ihr Herren, fangt ihn,

sein Bart ist durch und durch mit Mist verdreckt, die Sau,

wo nicht, so stellt ihm mindest eine Leiter hin.«

Und manche sagten gar, die Stiefel ihm zu lecken,

sei deutlich besser, als sich Ablass zu erstehen.

Doch unversehens kam ein Kerl von einem Gecken

aus jenem Loch, wo stets die besten Plötzen stehen,

und sprach: »Um Gottes willn, passt auf, halt, vorgesehen,

der glatte Aal hat in der Bude sein Versteck,

dort findet ihr, bei Licht betrachtet und besehen,

in seiner Chorpelzmütze einen dicken Fleck.«

Als es nun höchste Zeit zur Bibellesung war,

man leider nur die Hörner eines Kalbes fand.

»Mir ist«, sprach er, »in meiner Mitra sonderbar,

ganz kalt rings um den Kopf und eisstarr der Verstand.«

Man gab ihm warmen Rübenduft als Proviant,

er war’s zufrieden, sich am Ofen auszubreiten,

wofern man ein paar neue Bahren hergesandt,

für so viel böse Leute, die sich rasend streiten.

Es war die Rede auch wohl von Sankt Patricks Loch,

von Gibraltar und tausend andren Felsenrillen,

ob man sie denn nicht schließen könnte noch und noch,

dass sie verstummen müssten wie nach Hustenpillen.

Zumal sie alle sähen voller Widerwillen,

wie sie bei jedem Wind und Wetter offenstehen.

[27] Geläng es endlich, sie zu schließen, ganz im stillen,

so könnten sie getrost sofort als Geiseln gehen.

Auf diesen Ratschluss rupfte Herkules, der grade

aus Libyen herbeigekommen war, den Raben.

»Was ist denn hier los?« sagte Minos, »oh wie schade,

dass alle Welt sie, nur nicht mich, geladen haben.

Es wolln die Lust mir nehmen diese Bettelknaben,

dass weder Frösche ich zu liefern mich bequeme

noch Austern; nein, der Teufel soll sich an mir laben,

wenn ihre Kungelei’n ich mir zu Herzen nehme.«

Um sie zu bändigen, erschien Q. B., der Lahme,

mit Schutzgeleit der Brüder Lustig, jenen Staren,

ein Großzyklopenvetter, Sieber ist sein Name,

der schlachtete sie ab, so schneuzt euch nur, in Scharen!

Auf dieser Brache sucht man Ketzer und Bulgaren,

die ohne Schaden schwammen durch die Gerberbrühe,

vergebens. Lauft nur hin, schlagt Krach, trotzt den Gefahren,

ihr kriegt mehr Lohn als vor’ges Jahr für eure Mühe.

Es hat der Vogel Jupiters darauf beschlossen,

in naher Zukunft auf den schlimmsten Fall zu setzen,

doch als er sah, wie sie sich stritten, die Genossen,

da musst’ er fürchten, sein Imperium flög in Fetzen.

Des Empyreums Feuer wollt’ er höher schätzen

und es am Stamme rauben, dort am Bücklingsmarkt,

als heitre Luft den Massoreten auszusetzen,

wogegen allerorten Aufruhr jetzt erstarkt.

[28] Der Streit ward letztlich beigelegt mit scharfem Schwerte

trotz Ate, die da saß mit reiherschlankem Bein,

wo sie Penthesilea sah, die aufbegehrte,

ein altes Kräuterweib zu sein, tagaus, tagein.

Ein jeder schrie sie an: »Verdammtes Köhlerschwein,

hast du ein Recht zu sitzen hier in unsrer Mitten?

Du stahlst der Römer Bannertuch, du ganz allein,

das wir aus Pergament so gut zurechtgeschnitten.«

Wär’ Juno nicht gewesen unterm Himmelszelt,

die mit dem großen Uhu grade Vögel fing,

dann war es um ihr Leben schlecht bestellt,

dass nicht die Haut zerfetzt ihr von den Rippen hing.

Von diesem Happen sollte, schätzt es nicht gering,

zwei Eier der Proserpina sie wohl behalten,

doch falls sie dabei jemals in die Falle ging,

verschlösse man sie in des Weißdornberges Spalten.

Und sieben Monat’ später (zweiundzwanzig weg),

da trat an ihre Seite höflich und ganz leise,

der einst Karthago schleifte, welches Sakrileg,

und forderte sein Erbteil ein, und das war weise.

Zumindest sollten teilen sie in diesem Kreise

nach dem Gesetz, das gleichweis Niet und Nagel hält,

und von der Suppe lassen, dieser schönen Speise,

den Schuften etwas, die den Schuldschein ausgestellt.

Es kommt das Jahr, geprägt von einem Türkenbogen,

auch von fünf Spindeln und der Kochtopfböden drei,

[29] da wird ein schofler Königssteiß ganz überzogen

mit einem Mönchshabit aus einer Klausnerei.

Habt Mitleid! Wollt ihr wegen solcher Heuchelei

so viele Morgen Land umsonst verschlingen lassen?

Hört auf, hört auf! Lasst endlich diese Äfferei,

zieht euch zurück zum Bruder aller Schlangenrassen.

Ist dieses Jahr vorbei, wird herrschen »Der da ist«

in Frieden und in Eintracht mit der Freunde Schar.

Auf Erden kennt man nicht mehr Schimpf noch Schmach noch Zwist

und jeder gute Wille führt zum Ziel, fürwahr.

Die Freude, die dem Himmelsvolk versprochen war

vor Zeiten, wird in seiner Warte residieren.

Die müde Rosseherde, das ist absehbar,

wird dann als wahre Königszelter triumphieren.

Und diese Zeit der Taschenspielertricks wird währen,

so lange bis der Kriegsgott Mars in Ketten liegt.

Doch dann kommt eine Zeit, die andren umzukehren,

ergötzlich schön und lieblich süß und sehr vergnügt.

Nur Mut! Greift zu bei diesem Mahl, nehmt, was ihr kriegt,

denn das Gewesene kehrt niemals, niemals wieder,

um alles Gold der Erde nicht, es ist versiegt,

und jeder sehnt sich nach dem Einst, das war splendider.

Zum guten Schluss wird jener, der aus Wachs besteht,

wohl in des Stundenzeigers Haspe einquartiert,

[30] und keiner wird dann grüßen: »Vivat, Majestät!«

den Glöckner, der den dicken Kessel hält und rührt.

Wär jemand da, ein Schwert zu packen wohl versiert,

es wären alle schweren Sorgen ausgemerzt,

auch könnte man mit fester Schnur, ganz ungeniert,

in einen Sack die Narreteien einsperrn, ganz beherzt.

Drittes Kapitel

Wie Gargantua elf Monate im Mutterleib getragen wurde

Grandgousier war zu seiner Zeit ein kreuzfideler Bursche, der für sein Leben gern zechte und mit Vorliebe Gesalzenes aß. Deshalb verfügte er gewöhnlich über einen ordentlichen Vorrat an Mainzer und Bayonner Schinken, über eine Menge an geräucherten Ochsenzungen und, wenn es die Jahreszeit hierfür war, über Kaldaunenwürste, gepökeltes Ochsenfleisch mit Senf, Kaviar von Seebarben, über einen Vorrat an Bratwürsten, nicht etwa aus Bologna, denn er fürchtete die lombardischen Giftbrocken, sondern aus der Bigorre, aus Longaulnay, aus der Brenne und aus der Rouergue.

Als er das Mannesalter erreicht hatte, heiratete er Gargamelle, die Tochter des Königs der Schmetterlinge, ein hübsches Mädel mit heiterem Mondsgesicht. Häufig machten die beiden das Tier mit den zwei Rücken, rieben fröhlich ihre Schwarte aneinander, bis sie mit einem schönen Sohn schwanger wurde, den sie bis zum elften Monat trug.

Denn so lange, ja selbst länger, können Frauen schwanger sein, [31] vor allem dann, wenn es sich um eine herausragende Persönlichkeit handelt, oder um jemanden, der zu seiner Zeit große Heldentaten vollbringen wird.

Homer erzählt, dass das Kind, das die Nymphe von Neptun bekam, ein ganzes Jahr später geboren wurde, also im zwölften Monat. Denn (wie Aulus Gellius im III. Buch berichtet) diese lange Zeitspanne entsprach der Herrlichkeit Neptuns, auf dass das Kind in Vollkommenheit heranwachse. Aus ebendiesem Grund ließ Jupiter die Nacht, in der er mit Alkmene schlief, achtundvierzig Stunden dauern, denn in kürzerer Zeit hätte er den Herkules nicht schmieden können, der die Welt von Ungeheuern und Tyrannen säuberte. Die alten Herren Pantagruelisten haben bestätigt, was ich sage, und haben die Geburt eines Kindes im elften Monat nach dem Tod des Vaters nicht nur für wahrscheinlich, sondern auch für rechtmäßig erklärt: Hippokrates im Buch De alimento, Plinius in Buch VII, Kapitel 5, Plautus in Cistellaria, Marcus Varro in der Satire, die den Titel Das Testament trägt, worin er sich diesbezüglich auf die Autorität des Aristoteles beruft, Censorinus im Buch De die natali, Aristoteles in Buch VII, Kapitel 3 und 4, De natura animalium, Gellius in Buch III, Kapitel 16, Servius in Egl., worin er den Vers von Virgil zitiert:

Matri longe decem, etc. …

und tausend andere Verrückte, deren Zahl noch durch die Rechtsgelehrten vergrößert wird: Digesten: De suis et legit., l. Intestato, § fi. und in Autent., De restitut. et ea que parit in xj mense. Darüber hinaus haben sie ihr speckräuberisches Gesetz brillant verpackt: [32]Gallus, ff. De lib. et posthu. und l. septimo ff. De stat. homi. und einige andere, die ich im Moment nicht zu nennen wage.

Dank dieser Gesetze können die Witwen zwei Monate nach dem Tode ihres Mannes nach Herzenslust wieder anfangen, Arschbackenklemmen zu spielen, dabei ihre Liebesspiele wieder aufnehmen, konsequent setzen und volles Risiko gehen.

Ich bitte euch inständig, meine lieben Freunde, wenn ihr welche findet, die es wert sind, dass ihr euren Hosenlatz öffnet, steigt drauf und bringt sie mir. Denn wenn sie im dritten Monat schwanger sind, so wird der Nachkomme der Erbe des Verstorbenen sein, und ist die Schwangerschaft bekannt, dann können sie unverfroren weitermachen: und dann auf gut Glück, komme, was wolle, denn der Bauch ist ja schon rappelvoll.

So machte es auch Julia, die Tochter des Kaisers Augustus: sie ließ sich nur mit ihren Trommlern ein, wenn sie wusste, dass sie schwanger war, so wie ein Schiff, das seinen Steuermann nur dann aufnimmt, wenn es zuvor kalfatert und beladen ist. Und wenn irgendjemand sie tadelt, dass sie sich während der Schwangerschaft milzmösen lassen, während die Tiere, wenn sie tragend sind, kein Männchen an sich heranlassen, dann antworten sie, dass es sich ja nur um Tiere handele, sie aber Frauen seien, die sich gut darauf verstehen, die schönen und netten kleinen Rechte der Überschwängerung zu genießen. So antwortete einst Populia, wie Macrobius es in seinem Buch II der Saturnalien berichtet.

Wenn der Teufel aber nicht will, dass sie schwanger werden, dann muss man schon den Hahn zudrehen und ’s Maul halten.

[33]Viertes Kapitel

Wie Gargamelle, als sie mit Gargantua schwanger war, eine Unmenge Kutteln aß

Nunmehr erfahrt ihr, unter welchen Umständen und auf welche Art und Weise Gargamelle niederkam, und wenn ihr es nicht glaubt, dann soll euch der Dünnpfiff treffen!

Am Nachmittag des dritten Februar bekam sie Durchfall, weil sie zu viele Kutteln gegessen hatte. Kutteln sind fette Eingeweide von Mastochsen. Mastochsen sind Ochsen, die am Futtertrog und auf Grummetwiesen gemästet werden. Grummetwiesen sind Wiesen, die zweimal im Jahr Gras tragen. Von solchen fetten Ochsen hatten sie dreihundertsiebenundsechzigtausendundvierzehn schlachten lassen, um sie Fastnachtsdienstag einzusalzen; dann hätten sie im Frühjahr Pökelfleisch in rauhen Mengen und könnten so zu Beginn der Mahlzeiten eine gesalzene Vorspeise verputzen, um sich dann besser über den Wein herzumachen. Kutteln gab’s reichlich, wie ihr euch denken könnt, und so köstlich, dass jeder sich danach die Finger leckte. Die Oberteufelei an der Sache war nur, dass man sie nicht lange aufbewahren konnte, ohne dass sie schlecht wurden. Dies war einfach unannehmbar. Und so entschloss man sich, sie restlos zu vertilgen. Hierzu wurden alle Landmänner aus Cinais, Seuilly, La Roche-Clermault und aus Vaugaudry eingeladen, nicht zu vergessen die aus Coudray-Montpensier, aus Gué de Vède und andere Nachbarn, will sagen, allesamt Schluckspechte, prima Kumpel und bumsfidele Kegelschieber.

Der gute Grandgousier hatte seine helle Freude daran und gebot, voll in die Schüsseln zu steigen. Seiner Frau jedoch riet er, [35] weniger zu essen, da die Zeit ihrer Niederkunft bevorstand, und diese Innereien nun nicht gerade eine sehr empfehlenswerte Nahrung seien. »Es muss schon einer große Lust haben, Scheiße zu kauen«, sagte er, »wenn er den dazugehörigen Sack frisst.« Trotz seiner Ermahnungen aß sie sechzehn Mud, zwei Kübel und sechs Töpfe. O welch herrliche fäkalische Materie musste da wohl in ihrem Bauche bullern!

Nach dem Essen gingen sie alle miteinander auf die Saulsaie-Weiden, und dort tanzten sie auf dem dichten Gras zum Klang der fröhlichen Schalmeien und der süßen Dudelsäcke so vergnügt, dass es ein himmlischer Zeitvertreib war, ihnen bei ihrer Kurzweil zuzusehen.

Fünftes Kapitel

Die Reden der Zecher

Dann entschlossen sie sich, am selben Ort eine kleine Vesper zu sich zu nehmen. Da kreisten die Flaschen, da machten Schinken die Runde, flogen die Becher und klangen die Kannen.

– Korken raus!– Her damit!– Schütt ein!– Wasser dazu!– Mir ohne Wasser. Gut so, mein Freund.– Zwitscher mir das Glas leer, aber flott!– Für mich ein Glas Rosé, aber voll bis zum Überlaufen.– Der Durst soll doch Frieden geben!– [36] Ha, verdammtes Fieber, wann bin ich dich endlich los?– Bei meiner Treu, Gevatterin, ich komme heute einfach nicht in Fahrt!– Habt ihr euch verkühlt, meine Liebe?– Freilich.– Beim heiligen Humperich. Reden wir lieber vom Trinken.– Ich trinke nur zum Stundengebet, wie das Maultier des Papstes.– Ich trinke nur aus meinem Gebetbuch, wie ein guter Gardian.– Was war zuerst: Durst oder Trinken?– Durst, denn wer hätte vor dem Sündenfall getrunken, ohne Durst zu haben!– Nein, Saufen, denn privatio presupponit habitum. Ich bin vom Fach.– Foecundi calices quem non fecere disertum.– Wir Unschuldskinder trinken zu viel auch ohne Durst.– Ich Sünder aber nicht. Hab ich gerade keinen Durst, so beug ich doch dem Künftigen vor, versteht ihr? Ich trinke für den Durst von morgen, und so trinke ich in alle Ewigkeit. So ist mir die Ewigkeit der Sauferei die Sauferei der Ewigkeit.– Lasst uns singen, saufen und einen Lobgesang anstimmen.– Wo ist mein Trichter?– Was, ich trinke nur im fremden Auftrag.– Spült ihr euch eure Kiemen, um sie zu trocknen, oder trocknet ihr sie, um sie euch zu spülen?– Von der Theorie versteh ich nichts, ich muss mich recht und schlecht mit der Praxis behelfen.– Beeil dich!– [37] Ich befeuchte, ich benetze, ich trinke, und alles nur aus Todesangst.– Trinkt immer nur weiter, und ihr werdet niemals sterben.– Wenn ich nicht trinke, sitze ich auf dem Trockenen, und dann bin ich tot. Meine Seele entflieht dann in irgendeinen Froschteich. Denn auf dem Trockenen kann die Seele nun mal nicht wohnen.– Ihr Kellermeister, o Schöpfer neuer Wesenheiten, macht mich vom Nichttrinker zum Trinker.– Ein ewiges Geriesel durch diese zähen und trockenen Eingeweide!– Der trinkt vergebens, der nichts verspürt.– Der Wein geht direkt ins Blut, kein Tropfen geht davon in den Pisspott.– Ich möchte gerne die Kutteln des Kalbes spülen, das ich heute morgen fertiggemacht habe.– Ich hab meinen Magen gut gefüllt.– Wenn das Papier meiner Schuldscheine so gut löschte wie ich, dann würden meine Gläubiger ganz schön blöd in die Röhre gucken, wenn es ans Eintreiben ginge.– Diese Hand (die immer das Glas hebt) macht euch eine Säufernase.– O Gott, wie viele andere müssen da noch hinein, bevor dieses hier herauskommt.– Um eine so flache Pfütze auszutrinken, da renkt man sich ja den Hals aus.– Das nenne ich mir einen Flaschenköder.– Was für ein Unterschied besteht zwischen Flasche und Fläschchen?– [38] Ein Riesenunterschied, die Flasche wird mit dem Korken verschlossen, das Fläschchen mit dem Stöpsel.– Das sind ja nette Geschichten.– Unsere Väter soffen ordentlich und machten die Pötte leer.– Der Deckel passt!– Lasst uns einen saufen!– Das hier wird uns die Eingeweide schön durchspülen, was sollen wir da noch am Fluss?– Ich trinke nicht mehr als ein Schwamm.– Und ich trinke wie ein Templer.– Und ich tamquam sponsus.– Und ich sicut terra sine aqua.– Ist das ein Synonym für Schinken?– Das ist eine Vorladung für den Durst; das ist ein Fassgleiter. Auf der Gleitschiene bringt man den Wein in den Keller, mit dem Schinken bringt man ihn in den Magen.– He da! Zu trinken! Hierher! Es ist lange nicht genug! respice personam; pone pro duos! bus non est in usu.– Wenn ich so viel hinaufsteigen könnte, wie ich hinunterschütte, wäre ich längst hoch in den Lüften.– So ist Jacques Cœur reich geworden.– So wächst das Holz in den Brachen.– So eroberte Bacchus Indien.– Und so eroberte die Weisheit Malindi.– Kleiner Regen lässt großen Sturm sich legen, großes Saufen den Donner sich verlaufen.– Wenn mein Sack jetzt so pissen würde, wolltet ihr davon was haben?– Ich erst in der nächsten Runde.– [39] Junge, gib her! Ich schreib mich ein, um dranzukommen.– Trink, Guillot! Wir haben noch Vorrat genug.– Ich leg Berufung ein: der Durst ist widerrechtlich. Bursche, nimm die Berufung zu Protokoll!– Nur so ein Restchen?– Früher trank ich immer alles aus, und heute lass ich nichts mehr drin.– Keine falsche Eile, und alles schön auf einen Haufen.– Hier sind Kaldaunen, die sind ihren Einsatz wert, und Prachtkutteln vom Falbochsen mit schwarzen Streifen. Bei Gott, lasst uns ihn striegeln, und zwar gründlich.– Trinkt, oder ich will euch …– Nein, nein.– Trinkt, ich bitte euch.– Die Spatzen fressen nur, wenn man ihnen auf den Schwanz klopft, ich trinke nur, wenn man mir schmeichelt.– Lagona edatera! In meinem ganzen Körper gibt es nicht die kleinste Höhle, wo dieser Wein nicht den Durst aufspürt.– Der hier macht mir richtig Durst!– Der da wird ihn mir ganz vertreiben!– Lasst uns hier amtlich verkünden, beim Klang der Fläschchen und Flaschen, dass, wer auch immer den Durst verloren hat, ihn hier nicht zu suchen braucht. Dauersaufklistiere haben ihn längst vertrieben.– Der allmächtige Gott hat die Planeten gemacht, und wir machen platte Nasen.– Ich habe Gottes Wort im Mund: Durst.– Der weiße Asbeststein ist nicht löschbarer als mein väterlicher Durst.– [40] Der Appetit kommt beim Essen, so sagte bereits Hangest, Bischof von Le Mans, der Durst geht beim Trinken.– Ein Mittel gegen den Durst?– Genau das Gegenteil von dem, was man gegen den Hundebiss anwendet: wenn ihr immer hinter dem Hund herlauft, kann er auch niemals beißen; trinkt immer, bevor ihr Durst bekommt, so wird er euch niemals quälen.– Nun hab ich euch erwischt. Aufgewacht! Ewiger Schlummertrunkspender, bewahre uns vor dem Schlummer. Argus hatte hundert Augen, um zu sehen; ein Kellermeister muss hundert Hände haben, so wie Briareos, um unermüdlich einzuschenken.– Los, lasst uns trinken, das wär ja noch schöner, wenn wir hier eintrockneten.– Weißen her! Schenk alles ein, schenk ein, zum Teufel noch mal, mach’s randvoll, die Zunge hat schon Blasen.– Sauf, Landser.– Auf dein Wohl, Kumpel; immer lustig, immer heiter.– Ja, ja, ja – das nenn ich einen Gierschlund.– O lacrima Christi.– Der da ist aus der Devinière, ein herrlicher Weißburgunder.– O der kleine schöne Weiße.– Bei meiner Seele, das ist ja was wie Samt und Seide.– O ja, das ist ein toller Stoff, gut gewalkt, aus reiner Wolle.– Nur Mut, mein Freund.– Bei diesem Spiel werden wir nicht schwarz, ich habe einen Stich gemacht.– Ex hoc in hoc. Das ist keine Hexerei; jeder von euch hat es gesehen; darin bin ich geprüfter Meister. Ja sicher doch, ich bin der Priester Macé.– [41] O die Säufer, o die Trunkenbolde.– Junge, füll mal hier nach, aber bis zum Rand bitteschön!– Komplett rot, wie ein Kardinal.– Die Natur hat Abscheu vor dem Leeren.– Würdet ihr sagen, dass eine Fliege hier etwas zu trinken gefunden hätte?– Machen wir es wie die Bretonen.– Immer weg mit dem Gesöff!– Hinunter damit, das ist Medizin!

Sechstes Kapitel

Wie Gargantua auf höchst seltsame Art zur Welt kam

Während sie solch platte Trinksprüche klopften, fühlte sich Gargamelle unten immer schlechter. Grandgousier erhob sich aus dem Gras und sprach ihr liebevoll zu, denn er meinte, die Wehen hätten eingesetzt. So sagte er ihr, dass sie sich zur Ruhe im Gras der Saulsaie-Weide niedergelassen habe, um in Kürze zwei neue Füßchen zu bekommen. Nun solle sie wieder neuen Mut schöpfen für die Geburt ihres Kindchens, und obwohl der Schmerz ihr ein wenig zu schaffen mache, so sei dieser doch von kurzer Dauer. Die Freude, die darauf folge, werde ihr sicherlich alle Unannehmlichkeit vertreiben, so dass sie sich nicht einmal daran werde erinnern können.

»Ihr braucht nicht mehr Mut als ein kleines Schäfchen«, sagte er, »entledigt Euch erst einmal von diesem hier, dann machen wir schnell ein nächstes.«

[42] »Ha«, sagte sie, »ihr habt gut reden, ihr Männer. Sei’s drum, ich werde mich anstrengen, da es ja Euer Wunsch ist. Doch wollte Gott, man hätte ihn Euch abgeschnitten.«

»Was?« sagte Grandgousier.

»Ha, stellt Euch nicht dümmer, als Ihr seid«, sagte sie. »Ihr habt schon gut verstanden.«

»Meinen Fritz? Beim Ziegenblut! Wenn danach Euch der Sinn steht, dann lasst ein Messer kommen.«

»Ach«, sagte sie, »da sei Gott vor. Gott verzeihe mir. Ich hab es einfach nur so gesagt, hört nicht auf das, was ich sage. Aber ich habe heute noch viel auszustehen, Gott steh’ mir bei, und alles nur wegen Eurem Fritz und Eurem Vergnügen.«

»Nur Mut, nur Mut«, sagte er, »kümmert Euch nicht um den Rest und lasst die vier vorderen Ochsen ziehen. Ich geh noch einen trinken. Sollte Euch in der Zwischenzeit irgendetwas widerfahren, ich bin ganz in der Nähe; ruft laut in die Hände, und im Nu bin ich zur Stelle.«

Wenig später fing sie zu stöhnen an, zu wehklagen und zu schreien. Von allen Seiten eilten Unmengen an Hebammen herbei, die sie unten herum abtasteten; die fanden nur einige übelriechende Hautfetzen und dachten, dies sei das Kind. Ihr aber war nur der Hintern durchgegangen infolge der Erschlaffung des Rektums (das ihr auch den Mastdarm nennt), weil sie zu viele Kutteln gegessen hatte, wie wir weiter oben beschrieben haben. Eine hässliche Alte aus dieser Gesellschaft, die in dem Ruf stand, eine große Heilkünstlerin zu sein, und die bereits vor mehr als sechzig Jahren aus Brizepaille bei Saint-Genou gekommen war, verabreichte ihr ein zusammenziehendes Mittel, das so gewaltig war, dass es alle Schließmuskeln so nachhaltig zusammenzog, dass man sie nur [43] mit größter Mühe mit den Zähnen hätte erweitern können. Eine greuliche Vorstellung: so ähnlich wie der Teufel während der Messe des heiligen Martin versuchte, seine Pergamentrolle mit den Zähnen zu verlängern, als er das Getratsche zweier Weiber aufschreiben wollte.

Infolge dieses misslichen Umstandes gaben die Kotyledonen der Gebärmutter nach, die das Kind mit einem Sprung verließ, um in die Herzblutader einzusteigen. Dann stieg es das Zwerchfell hoch bis oberhalb der Schultern (wo die genannte Ader sich zweiteilt), nahm seinen Weg nach links und kam durch das linke Ohr heraus.

Sobald es geboren war, schrie es nicht wie die anderen Kinder »mimmi, mimmi!«, sondern rief mit lauter Stimme: »Trinken! Trinken! Trinken!«, so als wollte es alle Welt zum Trinken einladen, und man hörte es im ganzen Land von Beuxe bis Bibarais.

Ich denke mir, dass ihr mir diese eigenartige Geburt nicht abnehmt. Solltet ihr mir’s nicht glauben, so ist mir das recht gleichgültig, aber ein Ehrenmann mit gesundem Menschenverstand glaubt alle Zeit, was man ihm sagt und was er geschrieben vorfindet. Ist dies etwa gegen unser Gesetz, unseren Glauben, gegen die Vernunft, gegen die Heilige Schrift? Ich meinerseits finde nichts in der Heiligen Bibel, was dagegen spräche. Und wenn dies der Wille Gottes gewesen wäre, würdet ihr sagen, dass er es nicht hätte machen können? Ach, verheddert euer Hirn nicht mit eitlen Gedankengängen; ich sage euch, Gott ist nichts unmöglich, und wenn er es wollte, bekämen die Frauen von nun an ihre Kinder durchs Ohr.

Wurde Bacchus nicht aus Jupiters Schenkel geboren?

[45] Kam Rocquetaillade nicht aus der Ferse seiner Mutter?

Und Croquemouche aus dem Pantoffel seiner Amme?

Ist Minerva nicht aus Jupiters Hirn durchs Ohr geboren worden?

Und Adonis nicht aus der Rinde des Myrrhenbaums?

Castor und Pollux nicht etwa aus der Schale eines Eies, das Leda gelegt und ausgebrütet hat?

Aber ihr wäret noch erstaunter, wollte ich euch das Kapitel von Plinius vorlegen, in dem er von außergewöhnlichen und widernatürlichen Geburten spricht, und dabei bin ich nicht so ein dreister Lügner, wie er einer war. Lest das siebte Buch seiner Naturgeschichte, Kapitel 3, und fallt mir nicht weiter auf die Nerven.

Siebtes Kapitel

Wie Gargantua seinen Namen erhielt, und wie er Wein schlürfte

Während der gute Grandgousier mit den anderen trank und Witze machte, hörte er plötzlich den fürchterlichen Schrei, den sein Sohn ausstieß, als er das Licht dieser Welt erblickte und mit Gebrüll »zu trinken! zu trinken! zu trinken!« verlangte. Das veranlasste ihn zu sagen: »Gar ganz du hast« (gemeint ist ein großer Schlund). Die Anwesenden, die dies hörten, meinten, er müsse aus diesem Grunde wirklich den Namen Gargantua bekommen, denn dies war ja das erste Wort seines Vaters bei seiner Geburt, nach dem Muster und Vorbild der alten Hebräer. Grandgousier [46] stimmte zu, und der Mutter gefiel dies ebenfalls sehr. Und um den Kleinen zu beruhigen, gab man ihm tüchtig zu trinken. Dann wurde er zum Taufbecken getragen und getauft, so wie es die Sitte guter Christen erfordert.

Um ihn ordentlich zu stillen, wurden siebzehntausendneunhundertunddreizehn Kühe aus Pontille und Bréhémont herbeigetrieben. Denn es war völlig unmöglich, im ganzen Land eine Amme zu finden, die geeignet gewesen wäre, die gewaltige Menge Milch zu liefern, die nötig war, um ihn zu ernähren, wenngleich auch einige scotistische Doktoren behaupteten, seine Mutter habe ihn gestillt, und sie habe jedes Mal vierzehnhundertundzwei Pipen und neun Liter aus ihren Brüsten melken können, was aber nicht sehr wahrscheinlich ist, und diese Meinung ist auch mammaliter als öffentlich anstößig, fromme Ohren beleidigend und der Häresie nicht unverdächtig verurteilt worden. So wurde es mit ihm gehalten, bis er ein Jahr und zehn Monate alt war: dann begann man, auf Anraten der Ärzte, ihn zu tragen. Dank der Erfindungskunst von Jean Denyau wurde ein herrlicher Ochsenkarren gebaut, in dem man ihn fröhlich mal hierhin, mal dorthin spazierenfuhr. Es machte Freude, ihn zu sehen, denn er hatte ein rundes Gesicht und ein fast achtzehnfaches Kinn; er schrie recht wenig, aber er schiss sich ständig zu, weil er einen unerhört phlegmatischen Hintern hatte. Dies war einerseits durch seine natürliche Veranlagung, andererseits aber auch durch ein zufälliges Befinden bedingt, was darauf zurückzuführen war, dass er zu viel Septembertraubenmus geschlürft hatte. Und hiervon schlürfte er keinen Tropfen ohne Grund; denn wenn nun einmal vorkam, dass er ärgerlich, wütend, verdrießlich oder bedrückt war, dass er trampelte, weinte oder schrie, dann beruhigte man ihn, indem man ihm [47] etwas zu trinken brachte, und sogleich war er stillvergnügt und guter Dinge.

Eine seiner Gouvernanten hat mir hoch und heilig geschworen, dass er sich daran so gewöhnt hatte, dass er allein schon bei dem Klang der Krüge und Flaschen so in Ekstase geriet, als wäre er paradiesischer Freuden teilhaftig geworden. Dies ging so weit, dass die Gouvernanten, die dieser göttlichen Veranlagung Rechnung trugen, morgens mit dem Messer Gläser zum Klingen brachten, mit Stöpseln kleine Flaschen, oder aber mit Deckeln kleine Krüge – alles, um ihm eine Freude zu bereiten. Bei diesem Klang wurde er ganz vergnügt, strampelte vor Freude, wiegte sich selbst mit wackelndem Kopf hin und her, bewegte die Finger und sang mit dem Arsch den Bariton.

Achtes Kapitel

Wie man Gargantua kleidete

Als er nun ins richtige Alter kam, befahl sein Vater, dass man ihm Kleider in seinen Farben anfertigte, nämlich Weiß und Blau. Man begab sich also an die Arbeit, und gemäß der Mode, die damals im Schwange war, wurden die Kleider geschneidert, zugeschnitten und genäht.

Ich lese in den alten Registern, die sich bei der Oberrechnungskammer von Montsoreau befinden, dass er wie folgt gekleidet war:

Für sein Hemd schnitt man neunhundert Ellen Leinen aus Châtelleraut, zweihundert für die viereckigen Achselstücke, die [48] man unter die Arme nähte. Es war nicht mit Falten versehen, denn das Fälteln der Hemden ist von den Wäscheaufseherinnen erst erfunden worden, als die Spitze ihrer Nadel abgebrochen war und sie stattdessen mit dem Unterteil zu arbeiten begannen.

Für sein Wams nahm man achthundertdreizehn Ellen weißen Satin und für die Lederriemen fünfzehnhundertneunundeinhalb Hundshäute. Zu diesem Zeitpunkt begann alle Welt, die Hosen am Wams festzumachen, und nicht etwa das Wams an den Hosen: denn dies ist ein widernatürlicher Brauch, wie Ockham bezüglich der Exponibilia des Herrn Haultechaussade ausführlich dargelegt hat.

Für seine Hosen brauchte man elfhundertfünf und ein drittel Ellen weißes Wolltuch. Sie wurden in Form von Säulen ausgezackt, hinten geriefelt und kreneliert, damit seine Lenden sich nicht erhitzten. In den Schlitzen bauschte sich so viel blauer Damaststoff, wie es schicklich war. Und nehmt zur Kenntnis, dass er sehr schöne Beine hatte, die in einem guten Verhältnis zur übrigen Statur standen.

Für seinen Hosenlatz verwendete man sechzehneinviertel Ellen desselben Tuches. Er hatte die Form eines Strebebogens, geschickt befestigt an zwei goldenen Ösen, in die zwei emaillierte Haken griffen; in jeden dieser Haken war ein gewaltiger Smaragd von der Größe einer Apfelsine eingelassen. Denn (so sagen Orpheus im Libro De lapidibus und Plinius im Libro ultimo) dieser Stein hat erektive und standfestigende Wirkung auf das männliche Glied.

Die Öffnung des Hosenlatzes betrug die Länge einer Rohrelle, genauso geschlitzt wie die Hosen und mit blauem Damast ausgelegt, wie oben beschrieben.

[49] Aber hättet ihr die herrliche Goldstickerei gesehen, die hübschen Goldschmiedearbeiten, verziert mit auserlesenen Diamanten, Rubinen, Türkisen, Smaragden und großen Perlen vom Persischen Golf, so hättet ihr ihn verglichen mit einem herrlichen Füllhorn, so wie man es auf antiken Denkmälern findet, so wie jenes, das Rhea den beiden Nymphen Adrasta und Ida, den Ammen Jupiters, zum Geschenk machte: immer prächtig, kräftig, saftig, immer grünend, immer blühend, immer früchtespendend, voll des süßen Weines, der Blumen und der Früchte, voll aller Wonnen. Gott sei gelobt, herrlich war er anzuschauen.

Aber ich werde auch noch viel mehr davon erzählen in dem Buche, das ich Über die Würde der Hosenlätze geschrieben habe. In jedem Fall betone ich nachdrücklich, dass, wenn der Hosenlatz auch sehr lang und umfangreich war, er doch innen gut gefüllt und aufs beste ausgestattet war; er hatte nichts gemein mit jenen heuchlerischen Hosenlätzen kleiner Stutzer, die zum großen Leidwesen des weiblichen Geschlechts nur mit Wind gefüllt sind.

Für seine Schuhe brauchte man vierhundertsechs Ellen leuchtend blauen Samt. Sie wurden hübsch in parallelen Zacken ausgefranst und diese zylinderförmig miteinander verbunden. Die Sohlen wurden aus elfhundert braunen Kuhhäuten gefertigt, geschnitten in Form eines Kabeljauschwanzes.

Sein Mantel erforderte achtzehnhundert Ellen tiefblauen Samtes, mit Scharlachrot und ringsum mit schönen Weinranken verziert, verflochten mit Goldringen und unzähligen Perlen: dies sollte anzeigen, dass er einmal ein guter Schluckspecht sein werde.

Sein Gürtel wurde aus dreihunderteinhalb Ellen Seidenserge gefertigt, halb weiß, halb blau – oder ich irre mich gewaltig.

[50] Sein Degen war weder aus Valencia, noch stammte sein Dolch aus Saragossa, denn sein Vater hasste diese versoffenen und marranischen Hidalgos so sehr wie die Teufel; dafür bekam er einen schönen Degen aus Holz und einen Dolch aus hartgekochtem Leder, schön bemalt und vergoldet, so wie ein jeder es gerne gehabt hätte.

Sein Geldbeutel wurde aus dem Hodensack eines Elefanten gefertigt, den ihm Herr Pracontal, der Prokonsul von Libyen, schenkte.

Für sein langes Kleid brauchte man neuntausendsechshundert Ellen weniger zwei Drittel an blauem Samt, so wie oben erwähnt, der ganz mit Gold diagonal durchwirkt war; betrachtete man ihn aus dem richtigen Blickwinkel, so zeigte er eine merkwürdig schillernde Farbe, wie man sie am Hals von Turteltauben sehen kann, was eine wahre Freude für die Augen derjenigen war, die sie betrachteten.

Um seine Mütze zu schneidern, bedurfte es dreihundertzweieinviertel Ellen weißen Samtes. Sie hatte eine breite und runde Form, ganz gemäß dem Umfang des Kopfes, denn sein Vater sagte, dass jene Konvertitenmützen, die aussahen wie eine Pastetenkruste, den Kurzrasierten, die sie trugen, eines Tages Unglück bringen würden.

Als Hutfeder trug er eine schöne, große blaue Feder von einem Pelikan aus dem wilden Hyrkanien, die elegant über das rechte Ohr fiel.

Als Medaillon hatte er eine auf eine goldene, achtundsechzig Mark schwere Platte passende Emailfigur, die einen menschlichen Körper mit zwei zueinander gewandten Köpfen darstellte, mit vier Armen, vier Füßen und zwei Ärschen (so wie Platon im [51] Symposion sagt, wie die menschliche Natur in ihren mythischen Anfängen ausgesehen hat), und ringsherum stand in ionischen Buchstaben geschrieben: »Die Barmherzigkeit sucht nicht ihren eigenen Vorteil.«

Er bekam eine goldene Halskette, die fünfundzwanzigtausendunddreiundsechzig Goldmark schwer und in Form von großen Beeren gearbeitet war; zwischen diese hatte man zu Drachenfiguren geschliffene grüne Jaspissteine eingearbeitet, alle ringsum von Strahlen und Funken umgeben, so wie sie einst König Nekhopos trug; sie ging ihm bis unterhalb des Brustbeins, was ihm sein Leben lang von Nutzen war, wie schon die griechischen Ärzte wissen.

Für seine Handschuhe brauchte man sechzehn Koboldsfelle und drei von Werwölfen, um sie zu verbrämen. Dies geschah auf Ratschluss der Kabbalisten von Saint-Louand.

An Ringen bekam er – denn sein Vater wünschte, dass er solche trug, um das althergebrachte Zeichen des Adels wiederaufzunehmen – für den Zeigefinger der linken Hand einen Karfunkel so dick wie ein Straußenei, wunderhübsch in seraphischem Gold gefasst; für den Ringfinger derselben Hand bekam er einen Ring aus den vier Metallen, die auf einzigartige Weise zusammengefügt worden waren, so wie nie vorher gesehen: weder rieb der Stahl am Gold, noch verdarb das Silber das Kupfer. Das Ganze wurde angefertigt vom Kapitän Chappuys und seinem braven Gehilfen Alcofribas.

Für den Ringfinger der rechten Hand bekam er einen spiralförmigen Ring, in den ein lupenreiner Ballasrubin sowie ein spitz zulaufender Diamant und ein Smaragd vom Physon eingefasst waren, alles von unschätzbarem Wert. Hans Carvel, [52] Obersteinschneider des Königs von Malindi, schätzte sie auf neunundsechzig Millionen achthundertvierundneunzigtausendundachtzehn Agnus Dei. Auf ebenso viel schätzten sie die Fugger aus Augsburg.

Neuntes Kapitel

Kleidung und Farben Gargantuas

Gargantuas Farben waren Weiß und Blau, so wie ihr es weiter oben habt lesen können; sein Vater wollte hierdurch kundtun, dass er ihm eine himmlische Freude sei. Denn Weiß bedeutete in seinen Augen Freude, Vergnügen, Lust und Fröhlichkeit, das Blau himmlische Dinge.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ihr euch beim Lesen dieser Worte über den alten Säufer, der zu euch spricht, lustig macht und ihr die Deutung der Farben als zu plump und abwegig empfindet; ihr sagt, Weiß stehe für den Glauben und Blau für Standhaftigkeit. Aber antwortet mir, wenn’s euch recht ist, ohne euch zu erregen, ohne euch zu erzürnen, ohne euch zu ereifern noch euch in Harnisch zu bringen – denn die Zeitläufte sind gefährlich. Ich will keinerlei Zwang, weder gegen euch noch gegen andere, ausüben, wer immer es auch sei; ich will nur eine kurze Bemerkung zu dieser Frage machen.

Was verleitet euch zu eurer Annahme? Was spornt euch an? Wer sagt euch, dass Weiß Glauben und Blau Standhaftigkeit bedeutet? Ein Buch, sagt ihr, ein erbärmliches Buch, das von Hausierern und Kiepenkerlen verkauft wird und das den Titel trägt: Lob der Farben. Wer hat es denn verfasst? Wer es auch immer sei, [53] er hat sich als recht klug erwiesen, insofern als er seinen Namen nicht nennt. Im übrigen weiß ich nicht, was ich an ihm am meisten bewundern soll, seine Unverschämtheit oder seine Dummheit:

seine Unverschämtheit, die ohne Verstand, ohne logische Begründung und ohne jede Wahrscheinlichkeit aus eigenem Mächtigkeitsdünkel festzulegen wagt, welche Dinge die Farben bedeuten, ganz so, wie es Tyrannen zu handhaben pflegen, die wollen, dass ihr Gutdünken statt der Vernunft Geltung habe, und nicht etwa die Art der Klugen und Gelehrten, die die Leser mit augenfälligen Vernunftsschlüssen zufriedenstellen;

seine Dummheit, die angenommen hat, dass ohne jegliche Beweisführung und gültige Argumente die ganze Welt ihre Maximen auf seine dämlichen Deutungen ausrichten werde.

Nun, wie das Sprichwort sagt, wer Durchfall hat, der kann immer scheißen, und in der Tat hat er ein kleines Häuflein von Hohlköpfen aus grauer Vorzeit gefunden, die seinen Schriften Glauben geschenkt haben, und die hiernach ihre Sinnsprüche und Sentenzen ausgerichtet, ihre Maultiere aufgezäumt, ihre Pagen gekleidet, ihre Hosen mit Wappen besetzt, ihre Handschuhe bestickt, ihre Betten geschmückt, ihre Medaillons bemalt, Lieder geschrieben haben, und, was noch viel schlimmer ist, sich als Betrüger aufgeführt und tugendhaften Müttern schändliche Streiche gespielt haben.

In gleicher Hirnumnebelung sind jene Hofprahler und Wortkünstler befangen, die, um die Hoffnung auf ihrem Wappen darzustellen, eine Erdkugel malen lassen; so geht es mit Vogelfedern für Mühsal, Akelei für Melancholie, einem Halbmond für wachsenden Wohlstand, einer zerbrochenen Bank für Bankrott, einem [54]non und einem Brustharnisch für non durabit, einem Bett ohne Himmel für einen Lizentiaten.

Das sind so alberne, so läppische, plumpe und ungebildete Homonyme, dass man denjenigen, die sie nach der Wiederherstellung der guten Künste und Wissenschaften in Frankreich künftig noch anwenden möchten, den Schwanz eines Fuchses an den Kragen heften und eine Maske aus Kuhscheiße aufdrücken sollte.

Aus denselben Gründen – wenn man dies überhaupt Gründe nennen kann und nicht viel eher Spinnereien – könnte ich euch einen Korb malen lassen, um anzuzeigen, dass man mir Kummer macht, einen Topf mit Senf, um zu sagen, dass mein Herz sich sehr sehnt, einen Pisspott für einen Offizial, für meinen Hosenboden ein Handelsschiff, und mein Hosenlatz, das ist die Gerichtsstube, und ein Hundehaufen ist ein Schatzkästlein, in dem ich die Liebe meiner Freundin hüte.

Ganz anders hielten es in früheren Zeiten die Gelehrten Ägyptens, wenn sie in Buchstaben schrieben, die sie Hieroglyphen nannten. Keiner konnte sie verstehen, wenn er nicht die Eigenart, die Eigenschaft und die Natur der Dinge kannte, die diese darstellten; jeder, der sie kannte, konnte sie auch lesen. Horus Apollo hat hierüber zwei Bücher in griechischer Sprache geschrieben, und Poliphilos hat in seinem Traumliebesstreit weiteres dazu ausgeführt. In Frankreich habt ihr ein kleines Beispiel hiervon im Wahlspruch des Herrn Admiral, den als erster Octavian Augustus führte.

Mein kleines Schiff soll nicht länger zwischen diesen Abgründen und unwirtlichen Tiefen segeln. Ich kehre zurück und laufe in den Hafen ein, von dem ich ausgelaufen bin.

[55] Ich bin guter Hoffnung, eines Tages hierüber ausführlicher sprechen zu können und dann sowohl durch philosophische Schlüsse als auch durch seit der Antike anerkannte und gutgeheißene Glaubenssätze zu zeigen, wie viele Farben es in der Natur gibt, welches ihre Natur ist, und was durch eine jede versinnbildlicht werden kann – jedoch nur, wenn Gott mir meine Hutform erhält, oder den Weinkrug, wie meine Großmutter zu sagen pflegte.

Zehntes Kapitel

Was die Farben Weiß und Blau bedeuten

Weiß bedeutet also Wonne, Vergnügen und Freude, und dies nicht zu Unrecht, sondern aus gutem Grunde; dies könnt ihr nachprüfen, wenn ihr euch entschließt, vorurteilslos dem zuzuhören, was ich euch nunmehr auseinanderlegen werde.

Aristoteles sagt, angenommen, man betrachte zwei sich widersprechende Dinge innerhalb ein und derselben Ideenkategorie, so wie gut und böse, Tugend und Laster, kalt und warm, weiß und schwarz, Wollust und Schmerz, Freude und Trauer und andere mehr, und tue sie paarweise so zusammen, dass das Gegenteil in einer Kategorie logischerweise dem in einer anderen entspricht, so folgt doch daraus, dass der andere Begriff des Gegenteils mit dem übrigbleibenden übereinstimmt.

Beispiel: Tugend und Laster sind gegensätzliche Begriffe in einer Kategorie, ebenso gut und böse; wenn nun ein Begriff der ersten Kategorie einem der zweiten entspricht, so wie die Tugend [56] dem Guten – denn Tugend ist ja offenkundig etwas Gutes –, so wird für die übriggebliebenen Begriffe das gleiche gelten, nämlich böse und Laster, denn Laster ist ja schlecht.

Wenn dieser logische Satz einmal klar ist, nehmt diese beiden gegensätzlichen Begriffe: Freude und Trauer, und dann diese beiden: Weiß und Schwarz, denn dies sind physikalische Gegensätze; wenn es so ist, dass Schwarz Trauer bedeutet, so bedeutet Weiß mit Fug und Recht Freude.

Diese Bedeutung ist nun nicht willkürlich vom Menschen festgelegt, sondern im gegenseitigen Einvernehmen durch das, was die Philosophen das ius gentium nennen, anerkannt worden, ein Universalrecht, das auf der ganzen Welt gilt.

Ihr wisst ja zur Genüge, dass alle Völker, alle Nationen (bis auf die alten Syrakusaner und einige Argiver, die verquer veranlagt waren), dass in allen Ländern alle Menschen, die ihre Trauer nach außen kundtun wollen, sich schwarz kleiden, und jedwede Trauer wird eben durch Schwarz angezeigt.

Diese weltweite Übereinstimmung ist nun nicht erfolgt, ohne dass die Natur hierfür stichhaltige Gründe geliefert hätte, die jeder von vornherein verstehen kann, ohne von irgendjemandem darüber unterrichtet worden zu sein: das nennen wir das Naturrecht.

Aus ebendenselben Gründen hat die Natur alle Welt dazu gebracht, unter Weiß Wonne, Freude, Glück, Lust, Vergnügen zu verstehen.

In alter Zeit haben die Thraker und Kreter die schönen und glücklichen Tage mit weißen Steinen, die traurigen und unglücklichen Tage mit schwarzen Steinen gekennzeichnet.

Ist die Nacht nicht unheilvoll, traurig, und macht sie nicht [57] melancholisch? Sie ist schwarz und düster, weil ihr etwas fehlt. Erfreut nicht das Licht die gesamte Natur? Es ist weißer als alles andere.

Um die Wahrhaftigkeit der Aussage zu belegen, könnte ich euch auf das Buch von Lorenzo Valla, das er gegen Bartolus geschrieben hat, verweisen, aber das Zeugnis des Evangeliums wird euch auch schon zufriedenstellen: in Matthäus 17 steht geschrieben bei der Verklärung unseres Herrn, vestimenta eius facta sunt alba sicut lux, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Mit diesem leuchtenden Weiß wollte er seinen drei Aposteln eine Vorstellung und sinnbildliche Darstellung der ewigen Freuden geben.

Denn das Licht erfreut alle Menschen, wie die Worte jener zahnlosen Alten bezeugen, die immer noch sagte: Bona lux, und der blinde Tobias, der (im 5. Kapitel) auf den Gruß Raphaels antwortete: »Welche Freude sollte ich wohl noch haben, der ich das Licht des Himmels nicht mehr sehen kann?«

In dieser Farbe bezeugen die Engel die Freude des gesamten Universums bei der Auferstehung des Heilands und bei seiner Himmelfahrt. Der heilige Johannes, der Evangelist, sah die Gläubigen in selbiger Kleidung im himmlischen und seligen Jerusalem.

Lest einmal die Geschichte der Antike, sowohl der griechischen als auch der römischen; dann werdet ihr erfahren, dass die Stadt Alba, das Vorbild Roms, erbaut und benannt wurde nach der Entdeckung einer weißen Sau. Weiterhin werdet ihr erfahren, dass, wenn jemandem, der über einen Feind einen Sieg errungen hatte, gestattet wurde, im Triumphzug in Rom einzumarschieren, dieser auf einem Wagen einfuhr, der von weißen Pferden gezogen wurde, genau wie derjenige, dem die Ovation gestattet [58] wurde. Kein anderes Zeichen, keine andere Farbe konnte der Freude über ihren Einzug untrüglich Ausdruck verleihen, nur die Farbe Weiß.

Auch werdet ihr erfahren, dass Perikles, der athenische Staatsmann, beschlossen hatte, dass diejenigen seiner Waffenleute, denen beim Losen die weißen Bohnen zugefallen waren, den ganzen Tag in Freude mit Unterhaltung und Ausruhen verbringen konnten, während die anderen kämpfen mussten.

Ich könnte euch diesbezüglich noch tausend andere Beispiele und Textstellen zitieren, aber dies ist jetzt nicht der rechte Augenblick.