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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2016
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»Du hättest nicht herkommen dürfen, Miles!« Maureen Staffort flocht nervös die Finger ineinander. Ihr herzförmiges Gesicht war totenblaß. Sie hatte wieder diesen verschreckten Ausdruck in den Augen, der Miles Auberty beunruhigte. »Wenn Jason dich hier findet…«
»Mach dir keine Sorgen, Maureen! Jason ist zur neuen Siedlung nach Windriver gefahren. Er wird in der Stadt bleiben. Das hat er mir selbst gesagt. Als sein Kompagnon weiß ich über seine Unternehmungen Bescheid.«
»Jason ändert oft seine Pläne. Er ist unberechenbar.« Maureen trat an die Fensterfront, die wie ein Gemälde einen Ausschnitt der Rocky Mountains einrahmte. Hinter dem pittoresken Bergmassiv sank blutrot die Sonne. Es würde bald dunkel sein. In den Bergen kam die Dunkelheit so rasch, als würde jemand ein schwarzes Tuch über die Landschaft werfen.
»Maureen, ich mußte einfach kommen.« Miles trat neben sie. Er überragte sie um Kopfeslänge, ein attraktiver Mann mit intelligenten hellen Augen, klargeschnittenen Gesichtszügen und dunkelblondem, leicht gelocktem Haar. »Am Telefon klang deine Stimme so verstört. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.«
»Miles, ich habe Angst.« Sie umschlang seine Hüften. Ihr blasses Gesicht war zu ihm aufgerichtet. In ihren ausdrucksvollen grünen Augen stand blanke Furcht. »Das Gefühl, daß Jason von unserer Affäre weiß, läßt mich nicht los. Und Jason ist kein Mensch, der etwas klaglos hinnimmt. Wenn er sich verletzt fühlt, schlägt er doppelt zurück.«
»Du solltest endlich den Mut finden, ihn um die Scheidung zu bitten«, drängte Miles, »das ist doch kein Leben für dich. Er wird dich zerstören, bis nichts mehr von dir übrig ist. Du bist ja bereits jetzt das reinste Nervenbündel.«
»Ich werde mit ihm reden«, versprach Maureen. »Ich muß nur einen günstigen Augenblick abwarten.«
»Je länger du wartest, um so schlimmer wird es für dich.« Er führte sie zu dem Queens-Anne-Sofa und zog sie an seine Seite. In dem Hauskleid aus bedruckter Baumwolle wirkte sie zerbrechlich wie eine kostbare Porzellanfigur. Die Fülle der blonden Locken schien fast zu schwer für ihr zartes Gesicht. »Du hättest Jason niemals heiraten dürfen«, sagte er mit sanftem Vorwurf.
»Später ist man immer klüger«, entgegnete sie seufzend. »Ich stand ganz allein auf der Welt. Jason war wie ein Vater zu mir. Die Probleme begannen erst nach Jasons Autounfall. Nach der doppelten Gehirnerschütterung, die Jason bei dem Unfall erlitten hatte, klagte er ständig über Kopfschmerzen. Dann begann er zu trinken.« Maureen räusperte sich nervös. »Sobald er trinkt, verwandelt er sich in einen anderen Menschen, in einen unberechenbaren, gewalttätigen Psychopathen. Wenn ich dann nur seine laute, höhnische Stimme höre, die mich mit Schimpfwörtern überschüttet, beginne ich vor Angst zu zittern.«
»Konntest du ihn nie zu einer Therapie überreden?«
»Miles, glaub mir, ich habe alles versucht. Aber er weigert sich strikt, einen Therapeuten aufzusuchen, und behauptet, er hätte kein Alkoholproblem.«
»Das geht vielen Alkoholikern so. Sie behaupten, jeden Tag mit dem Trinken aufhören zu können, aber sie tun es nicht.«
»Ich kann so nicht weiterleben. Ich gehe darüber zugrunde!« Sie barg den Kopf an seiner Schulter und weinte.
»Das mußt du auch nicht. Du hast ja mich!« Er streichelte ihr liebevoll den zuckenden Rücken. »Ich liebe dich, Maureen!«
»Ich liebe dich auch!« flüsterte sie erstickt. »Seit ich dich kenne, fühle ich mich nicht mehr so verzweifelt allein. Du bist der Einzige, mit dem ich über meine Probleme sprechen kann. Vor anderen schäme ich mich. Sie würden mir auch kaum glauben. Wenn Jason in Gesellschaft ist, kann er sehr charmant sein. Immer wieder habe ich ihm verziehen und gehofft, seine Sucht wäre nur eine Phase, die vorübergehen würde.«
Maureen schrak hoch. Mit aufgerissenen Augen starrte sie zum Fenster hin. »Waren da nicht eben Schritte?« flüsterte sie angstvoll.
»Ich habe nichts gehört. Sicher war es nur der Wind!« Er schloß fest die Arme um sie. »Du wolltest mir doch zeigen, was du heute gemalt hast«, versuchte er sie abzulenken.
»Gut, gehen wir in mein Atelier!« Maureen ging ihm voraus die Wendeltreppe hoch. Ihr Atelier lag oben am Ende des Flurs. Der große Raum hatte schräge, holzvertäfelte Wände und war von einem schweren Farb- und Terpentingeruch durchdrungen. Durch das deckenhohe, riesige Glasfenster strömte ungehindert Tageslicht. An der Seitenwand stapelten sich ungerahmte Bilder.
»Das reicht ja fast schon für eine Ausstellung«, stellte Miles fest.
Maureens blasse Züge belebten sich. Ein fanatischer Glanz trat in ihre Augen. »Das ist erst der Anfang. Ich kann mehr, das weiß ich. Aber wenn ich große Probleme habe, fühle ich mich vollkommen blockiert. Ich bin dann nicht fähig, meine Ideen auf die Leinwand umzusetzen.«
Miles trat vor die Staffelei, auf der das Gemälde stand, an dem Maureen im Moment arbeitete. Betroffen betrachtete er die schattenhafte, winzige Gestalt auf dem Bild. Im Hintergrund lasteten hohe düstere Berge, die die Gestalt zu erdrücken schienen.
Man brauchte kein Psychologe zu sein, um erkennen zu können, daß Maureen hier bildhaft ihre ausweglose Situation dargestellt hatte. Das Gemälde drückte so viel verzweifelte Trostlosigkeit aus, daß er tief gerührt war. In diesem Moment schwor er sich, alles zu versuchen, sie hier herauszuholen.
Eines Tages wird sie nicht mehr diese alptraumhaften Bilder malen, sondern fröhliche Bilder, die verraten, wie glücklich sie ist, dachte er. Ich liebe Maureen, und ich werde sie glücklich machen. Wir müssen beide um unser gemeinsames Glück kämpfen.
»Es wird besser sein, du fährst jetzt«, drängte Maureen, als sie wieder im Wohnraum waren. Vor den Fenstern stand schwarz und undurchdringlich die Dunkelheit. Ein heftiger Wind peitschte die Bäume, deren Wipfel vor den Fenstern auf und nieder schwangen, als tanzten sie zu einer Geistermusik.
»Jason kann jeden Augenblick zurückkommen.«
»Ich lasse dich ungern allein!«
»Es ist besser, Miles. Ich muß zunächst selbst mit Jason reden. Wenn du dich einmischst, forderst du damit nur seine Aggressionen heraus. Du mußt auch an euer Geschäft denken. Du bist in der Maklerfirma sein Partner. Ich will nicht, daß Jason glaubt, ich würde ihn deinetwegen verlassen. Im Grunde stimmt das ja auch gar nicht. Daß ich nicht mehr mit Jason leben kann, hat nichts mit dir zu tun.«
»Aber ich bin für dich da, vergiß das nicht.« Miles schloß sie in die Arme und küßte sie so lange, bis er spürte, daß sich ihre Lippen unter seinem Kuß erwärmten.
Maureen lächelte ihn zaghaft an. »Du gibst mir viel Kraft. Ich glaube, ohne dich würde ich das alles gar nicht durchstehen können. Ich bin froh, daß es dich jetzt in meinem Leben gibt.«
»Ruf mich an, sobald du mit Jason gesprochen hast. Wann erwartest du ihn zurück?«
Maureen zuckte die Achseln. »Keine Ahnung! Manchmal bleibt er tagelang in der Stadtwohnung, dann kommt er ganz überraschend in unsere Villa hier in den Bergen. Ich weiß, er macht das absichtlich, damit ich nie genau weiß, wann er kommt.«
Miles seufzte und schüttelte den Kopf. »Unglaublich, wie er dich behandelt. Jede andere hätte unter solchen Umständen längst das Weite gesucht.«
»Ich habe ja immer gehofft, daß es besser mit ihm würde«, sagte sie bedrückt. »Und ich besitze kein eigenes Geld. Jason bezahlt alle Rechnungen. Alles, was ich brauche, notiert er auf einem Zettel und bringt es mir aus der Stadt mit.«
»Er hält dich wie eine Leibeigene hier in der einsamen Villa gefangen«, erregte sich Miles. »Du hast praktisch niemanden, mit dem du reden kannst.«
»Jetzt habe ich ja dich!« Sie hob die Hand und strich ihm über das Haar. »Aber die Einsamkeit hier bedrückt mich nicht, Miles! Ich bin gern allein und kann mich gut beschäftigen. Die Natur wirkt tröstlich auf mich. Ich habe das Gefühl, ein Teil von ihr zu sein. Naturgewalten können mich nicht ängstigen. Sie würden einen nie verletzen, wie es ein Mensch fertigbringt.«
Miles drückte seine Lippen auf ihre Stirn. »Wenn wir erst zusammen sind, sollst du eine glückliche Zeit haben. Du mußt jetzt stark sein, Maureen! Du mußt mit allen Mitteln um deine Freiheit kämpfen.«
»Das werde ich. Aber geh jetzt.« Maureen blickte ängstlich zum Fenster hin. Sie hatte das Gefühl, als würden tausend neugierige Augen sie aus der Dunkelheit anstarren und jede ihrer Bewegungen verfolgen. Jähe Furcht ließ sie schaudern. Sensibel, wie sie war, spürte sie förmlich, daß jemand draußen in der schwarzen Nacht stand und sie beobachtete. Oder bildete sie sich das nur ein? Spielten die überreizten Nerven ihr einen Streich?
Maureen begleitete Miles noch nach draußen. Der kalte Wind drang durch ihr dünnes Gewand und ließ sie frösteln. Sie verschränkte die Arme und wartete, bis die Rücklichter seines Wagens in der Dunkelheit verschwanden.
Plötzlich klang in der Nähe ein Lachen auf, so schauerlich, daß ihr das Blut in den Adern gefror. Sie floh ins Haus und verschloß die Tür.
Da war niemand, versuchte sie sich zu beruhigen. Das Heulen des Windes hat mich genarrt. Ich muß mich mehr zusammennehmen. Inzwischen bin ich ja bereits so weit, daß ich hinter jeder Ecke tausend Gefahren lauern sehe.
Am Ende verliere ich noch den Verstand!
*
Bis Mitternacht durchwanderte Maureen ruhelos die Räume in der panischen Furcht, Jason könne doch noch kommen. Als sie sich endlich entschloß, zu Bett zu gehen, fand sie lange keinen Schlaf. Die Nacht hatte tausend beunruhigende Geräusche. Der Wind pfiff ums Haus und ließ die Äste der Bäume knarren. In der Ferne heulten wilde Hunde. Einmal glaubte sie, ein Wagengeräusch zu hören. Erschreckt fuhr sie im Bett hoch und lauschte mit angehaltenem Atem.
Als alles still blieb, sank sie erlöst zurück und schlief endlich ein. Maureen mußte lange geschlafen haben, denn als sie erwachte, schien die Sonne gleißend in ihr Schlafzimmer, das mit schweren antiken Möbeln aus der Tudorepoche eingerichtet war.
Jason hatte die Möbel ausgesucht, die gewiß sehr elegant waren, aber keineswegs Maureens Geschmack entsprachen. In dem riesigen Himmelbett aus geschnitztem Holz kam sie sich verloren vor. Wenn sie die Augen öffnete, blickte sie in den rotseidenen Baldachin wie in Wolken von Blut.
Zähneklappernd duschte sie unter eisigem Wasser. Wie so oft gab der Boiler mal wieder kein warmes Wasser her. Auch die Heizung funktionierte nicht richtig. Es war kalt im Haus. Sie hüllte sich fröstelnd in den fußlangen grellroten Bademantel, ein Geschenk Jasons. Er hatte nie verstanden, daß sie Rot verabscheute.
Vor der Haustür fand sie bereits frische Milch, Eier und Brot. Farmer Perkings war pünktlich hier gewesen. Sie mußte sein Läuten überhört haben. Maureen frühstückte in der Küche, die schlicht und zweckmäßig mit weißen Einbaumöbeln eingerichtet war.
Nachdem sie eine große Kanne Tee getrunken hatte, kehrten ihre Lebensgeister zurück. Sie beschloß, einen Spaziergang zu machen. Vor dem Abend brauchte sie nicht mit Jason zu rechnen. Die Aussicht, den ganzen Tag für sich zu haben, beflügelte sie. Nachdem sie die Haustür verschlossen hatte, stapfte sie den Hügel hoch. Von oben hatte sie eine märchenhafte Aussicht über das Tal, das bereits einen Schleier von Grün zeigte. Die ersten Frühlingsblumen entfalteten zaghaft ihre blassen Blütenblätter. Am eisblauen Himmel zogen graue Wolken phlegmatisch dahin. Der Wind hatte sich gelegt, doch von den Bergen her kam ein kalter Hauch.
Später ging Maureen in ihr Atelier und malte weiter an ihrem Bild. Alle ihre Bilder waren in düsteren Erdtönen gemalt und spiegelten die Zerrissenheit ihrer Seele wider. Malen war für sie Befreiung. Wenn sie vor der Leinwand stand, war es ihr, als würde der Druck, der auf ihr lastete, von ihr genommen, um in ihren Bildern erneut Gestalt anzunehmen. Wenn sie malte, konnte sie sich selbst und ihre Probleme vollkommen vergessen.
Maureen hatte gerade Tee gekocht, als sie Wagengeräusche hörte. Eisige Furcht durchströmte sie, als sie den festen Schritt ihres Mannes auf dem Plattenweg hörte. Jason trat immer so fest auf, als hätte er vor, die Steine unter sich zu zermalmen. Schattenhaft sah sie seine Gestalt am Fenster vorübergleiten, dann rasselte der Schlüssel im Schloß.
»Ich bin es, Darling!« hörte sie seine sonore Stimme. »Wo steckst du denn, Maureen? Pinselst du noch immer auf der Leinwand herum?«
Daß er ihre Malerei so verächtlich als Pinselei abtat, war eines der Dinge, die sie ihm übelnahm. Er hatte ihre Arbeit nie ernstgenommen, noch weniger verstanden und tat sie immer als die Laune einer verwöhnten Frau ab, deren Zeitvertreib es war, die Leinwand mit Farben vollzuschmieren.
»Ich habe Tee gekocht. Möchtest du eine Tasse?« rief Maureen in dem unterwürfigen Ton, den sie an sich haßte. Jason hatte sie immer eingeschüchtert. Wenn sie ihm stolz ein neues Bild zeigte, bemerkte er nur zynisch, daß kein Staub gewischt war und sich das schmutzige Geschirr im Spülstein stapelte.
Maureen wußte, daß sie keinen Blick für praktische Dinge des Lebens hatte. Sie bemühte sich verzweifelt, im Haus die Ordnung zu halten, die Jason wünschte, aber er entdeckte immer wieder kleine Nachlässigkeiten, die ihr entgangen waren und die er ihr mit nahezu sadistischer Freude vorhielt.
»Was tust du eigentlich den ganzen Tag?« fragte er dann mit der milden Nachsicht eines Vaters, der sein faules Kind zur Ordnung ruft. Dabei wäre es ihm ein leichtes gewesen, ihr eine Frau aus dem Dorf zu Hilfe zu schicken. Verdiente er nicht Geld genug? Es gehörte zu den großen Widersprüchlichkeiten seines Charakters, daß er keine fremden Leute in seiner Bergvilla duldete.
Maureen trug das Tablett mit Teekanne und Tassen in den Wohnraum. Ihre Hände zitterten, als sie die Tassen füllte. Jason saß mit übergeschlagenen Beinen auf der Couch. Er war von großer, hagerer Gestalt. Sein schütteres, zurückweichendes fahlblondes Haar ließ seine Stirn höher erscheinen. In seinem asketisch schmalen Gesicht sprangen die Wangenknochen hervor. Seine tiefliegenden hellen Augen und die scharf hervorspringende gebogene Nase über den dünnen Lippen erinnerten Maureen immer an einen Raubvogel, der sein Opfer erst sorgfältig beobachtet, bevor er sich darauf stürzt.
»War das ein Tag!« seufzte Jason, während er von seinem Tee nippte. »Streß von morgens bis abends. Darling, weißt du überhaupt, wie glücklich du dich nennen kannst, hier draußen in der romantischen Natur leben zu können, ohne von den Widrigkeiten des Alltags behelligt zu werden?«
Maureen senkte schweigend den Kopf. Wie immer gab seine beherrschende Gegenwart ihr das Gefühl, völlig nutzlos in den Tag hineinzuleben, während er wichtigen Geschäften nachging und die Brötchen für sie verdiente. In all den Jahren war sie für ihn weiter nichts als eine Puppe gewesen, an die man sich hin und wieder erinnert, wenn man Lust hatte, mit ihr zu spielen.
Aber jetzt ist es genug, durchzuckte es sie. Ich kann nicht mehr so weitermachen. Ich kann diesen Mann nicht länger ertragen!
Maureen hob entschlossen den Kopf. »Jason, ich möchte die Scheidung«, sagte sie mit einer Entschlossenheit, die sie selbst überraschte.
»Was redest du da?« Er hob spöttisch die Brauen, die bereits mit grauen Härchen durchsetzt waren.
»Ich will die Scheidung!« wiederholte sie und ärgerte sich, daß ihre Stimme so schrill klang. Sie hatte sich doch vorgenommen, kühl und gelassen zu bleiben. Wenn sie die Nerven verlor, hatte sie gegen Jason keine Chance.
»Wozu willst du die Scheidung?« Er lehnte sich gegen das Sofapolster und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, eine Haltung, die Überlegenheit ausdrücken sollte. »Hast du nicht alles, was du brauchst? Oder sollte ich vergessen haben, etwas Lebenswichtiges zu besorgen, neue Farben zum Beispiel, oder ist dir die Leinwand ausgegangen? Ich erfülle dir jeden Wunsch, das weißt du doch, Darling! Du brauchst ihn nur auszusprechen.«
»Mein einziger Wunsch ist die Trennung von dir«, sagte sie hektisch. Klirrend setzte sie die Teetasse ab. »Jason, mein Entschluß steht fest. Ich verlasse dich. Ich will nicht mehr mit dir zusammenleben. Ich kann es nicht. Laß uns wie vernünftige Menschen ohne Emotionen über unsere Scheidung reden. Wir müssen eine Lösung finden, die uns beiden gerecht wird.«
Seine Augenlider zuckten. Aber er blieb überraschend ruhig. »Ist ein anderer Mann im Spiel, Maureen? Wenn du mich nicht mehr liebst, sondern einen anderen, mußt du es mir sagen.«
»Das hat nichts damit zu tun«, fuhr sie auf. »Jason, ich bin nicht glücklich mit dir. Du bist nicht mehr der Mann, den ich geheiratet habe. Ich liebe dich nicht mehr. Ich kann einen Mann nicht lieben, der mich bedroht und in Angst versetzt, sobald er betrunken ist.«
»Und wenn ich dir verspreche, keinen Tropfen Alkohol mehr zu trinken?«
»Das hast du schon so oft versprochen und nicht gehalten. Es ist zu spät, Jason! Ich will nicht mehr, selbst wenn du dich in einen Engel verwandeln würdest. Alles, was ich von dir will, ist die Scheidung. Solltest du nur noch einen Funken Gefühl für mich übrig haben, dann wirf mir keine Steine in den Weg, und laß uns zu einer fairen Lösung finden.«
Jason blieb immer noch ruhig, fast teilnahmslos, als ginge ihn das alles gar nichts an. »Wieviel Unterhalt verlangst du?« fragte er tonlos.
»Nichts, keinen Penny, ich will kein Geld von dir, Jason! Ich will allein fertig werden.«
»So wie früher, als du am Straßenrand gesessen hast, um deine albernen Bildchen für einige Pennys an Passanten zu verkaufen?« fragte er zynisch.
»Alles ist mir lieber, als mit dir leben zu müssen«, beharrte sie. »Ich will endlich frei sein, Jason, und ich flehe dich an, verweigere mir diese Freiheit nicht, sonst werde ich sie mir nehmen.«
»Du mußt mir nicht drohen«, sagte er mit dünnem Lächeln. »Wir werden schon eine Einigung finden. Aber du mußt verstehen, daß das alles für mich völlig überraschend kommt. Wir werden darüber schlafen, okay? Was gibt es zum Dinner?«
Maureen starrte ihn sprachlos an. Daß er in diesem Moment an etwas so Unwichtiges wie sein Dinner denken konnte, raubte ihr die Fassung. »Es sind noch Steaks im Kühlschrank«, sagte sie unsicher. »Soll ich sie dir grillen?«
»Lieber nicht, dir mißlingt jedes Steak. Ich werde mich um das Essen kümmern. Ruh dich nur aus, Darling, sicher hattest du einen anstrengenden Tag.«