Gaslicht 36 - Alice Walton - E-Book

Gaslicht 36 E-Book

Alice Walton

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Beschreibung

In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! »Hier oben müssen die Wasserfälle aus den Felsen schießen«, meinte die Frau. »Laß uns weiter hinuntergehen. Hier ist ein Pfad.« »Und die Kinder?« »Die schlafen doch beide. Keine Sorge. Wir sind ja bald wieder zurück.« Die andere Frau zögerte noch. Aber die erste drängte: »Nun komm schon, ehe es noch dunkler wird.« Eine letzte warnende Stimme wollte die junge Frau zurückhalten. Aber wieder siegte ihre Höflichkeit. Sie wollte die Freundin nicht enttäuschen. Der Stoß traf sie völlig überraschend. Sie taumelte vorwärts, fing sich kurz und stolperte wieder. Schreiend stürzte sie in die Tiefe… Karin Walter stand am offenen Grab und drückte verzweifelt die kleine Hand ihres Kindes. Wie sollte sie das alles überstehen? Zuerst die schreckliche Nachricht vom tödlichen Unfall ihres Mannes, das langsame Begreifen, die Formalitäten, die erledigt werden mußten… Und nun der Anblick des Sarges, in dem der geliebte Mann für immer ruhte. Um sie herum die Trauergäste, denen sie gleich die Hand drücken mußte. Der Pastor hatte seine Ansprache beendet und segnete den Sarg, ehe er in die Grube hinabgelassen wurde. Karin schwankte und mußte von Dr. Meißner, dem langjährigen Freund ihres Mannes, gestützt werden. Der kleine Benjamin begann hemmungslos zu weinen. Vergeblich versuchte sie ihn zu beruhigen. Der Arzt ergriff behutsam die Hand des Kindes und führte es vom Grab weg. Karin warf mit tränenverschleiertem Blick einen Strauß roter Rosen in die Grube. Dann trat sie zurück, um den anderen Trauernden Platz zu machen. Eine junge Frau mit einem kleinen Jungen an der Hand näherte sich zögernd dem Grab. Auch sie warf einen

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Gaslicht – 36 –

Satanische Freundschaft

Alice Walton

»Hier oben müssen die Wasserfälle aus den Felsen schießen«, meinte die Frau. »Laß uns weiter hinuntergehen. Hier ist ein Pfad.« »Und die Kinder?« »Die schlafen doch beide. Keine Sorge. Wir sind ja bald wieder zurück.« Die andere Frau zögerte noch. Aber die erste drängte: »Nun komm schon, ehe es noch dunkler wird.« Eine letzte warnende Stimme wollte die junge Frau zurückhalten. Aber wieder siegte ihre Höflichkeit. Sie wollte die Freundin nicht enttäuschen. Der Stoß traf sie völlig überraschend. Sie taumelte vorwärts, fing sich kurz und stolperte wieder. Schreiend stürzte sie in die Tiefe…

Karin Walter stand am offenen Grab und drückte verzweifelt die kleine Hand ihres Kindes. Wie sollte sie das alles überstehen? Zuerst die schreckliche Nachricht vom tödlichen Unfall ihres Mannes, das langsame Begreifen, die Formalitäten, die erledigt werden mußten… Und nun der Anblick des Sarges, in dem der geliebte Mann für immer ruhte. Um sie herum die Trauergäste, denen sie gleich die Hand drücken mußte.

Der Pastor hatte seine Ansprache beendet und segnete den Sarg, ehe er in die Grube hinabgelassen wurde.

Karin schwankte und mußte von Dr. Meißner, dem langjährigen Freund ihres Mannes, gestützt werden.

Der kleine Benjamin begann hemmungslos zu weinen. Vergeblich versuchte sie ihn zu beruhigen.

Der Arzt ergriff behutsam die Hand des Kindes und führte es vom Grab weg.

Karin warf mit tränenverschleiertem Blick einen Strauß roter Rosen in die Grube. Dann trat sie zurück, um den anderen Trauernden Platz zu machen.

Eine junge Frau mit einem kleinen Jungen an der Hand näherte sich zögernd dem Grab. Auch sie warf einen Rosenstrauß hinunter, dessen Blüten in intensivem Gelb leuchteten. Dann drehte sie sich um und ging mit Tränen in den Augen auf Karin zu.

Die beiden Frauen drückten einander stumm die Hand und musterten sich gegenseitig.

Merkwürdig, dachte Karin. Ich kenne diese Frau nicht. Trotzdem ist sie gleich nach mir ans Grab getreten, obgleich sie nicht zur Verwandtschaft zählt. Ob sie eine Mitarbeiterin von Bernd war? Er hatte nie von einer hübschen jungen Frau erzählt…

Sie senkte den Kopf. Ihr Blick fiel auf den kleinen Jungen an der Hand seiner Mutter. Er sah mit ernster Miene zu ihr auf und lächelte dann.

Karin konnte es nicht fassen: Dieses Kind ähnelte in unglaublicher Weise ihrem Benjamin. Sie hätten Brüder sein können.

Sie blickte sich nach ihrem Jungen um, der sich noch immer an der Hand des Arztes festklammerte und vor sich hinweinte.

»Komm, Benjamin. Weine nicht mehr. Sieh mal, dieser kleine Junge ist ganz brav.«

Ein paar Augenblicke standen sich die Kinder gegenüber. Der kleine Junge lächelte Benjamin so freundlich an, daß dieser zu weinen aufhörte.

»So ist’s lieb«, lobte seine Mutter.

Die junge Frau hatte es auf einmal sehr eilig. Sie nickte Karin zu und zog das Kind mit sich fort.

Mit leerem Blick ließ Karin die Beileidsbekundungen der Trauergäste über sich ergehen. Als alles vorüber war, brachte Dr. Meißner sie zu seinem Wagen.

»Kennst du die junge Frau mit dem Kind?« fragte sie.

Er nickte. »Sie hat bei mir ihr Kind entbunden.«

»Ist sie nicht verheiratet?«

»Nein. Sie ist ledig.«

»Was macht sie dann auf Bernds Beerdigung? Kannst du mir das erklären?«

»Nein«, erwiderte er. Es gelang ihm nicht, seine Verlegenheit zu verbergen.

»Könnte sie eine Mitarbeiterin von Bernd gewesen sein?« bohrte Karin weiter.

»Da bin ich wirklich überfragt. Am besten fragst du sie selbst, falls sie noch mit ins Café kommt.«

Aber die junge Frau mit dem Kind ließ sich dort nicht blicken.

Karin ertrug das Beisammensein zum Gedenken ihres Mannes teilnahmslos, während Benjamin unaufhörlich quengelte. Sie war froh, als Dr. Meißner sich endlich erbot, seine beiden Schützlinge nach Hause zu bringen.

Karin blickte ihn dankbar an. »Kommst du noch einen Augenblick mit herein?«

»Natürlich«, erwiderte er herzlich. »Ich kann euch doch jetzt nicht euch selbst überlassen. Das bin ich meinem alten Freund schuldig.«

»Wenn du das nur als eine lästige Verpflichtung ansiehst, kann ich dich davon entbinden«, erwiderte sie kühl.

Er versuchte, seine Ungeschicklichkeit wiedergutzumachen.

»So war das nicht gemeint, Karin. Bernd war mein bester Freund. Deshalb ist mir seine Familie ebenso lieb und teuer.«

Sie hatte das Haus aufgeschlossen und bat ihn herein.

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich habe nur überempfindlich reagiert. Nimm dir etwas zu trinken. Du kennst dich ja aus. Ich glaube, ich könnte jetzt auch einen Kognak vertragen.«

Er öffnete einen Glasschrank, holte eine Kognakflasche und zwei Gläser heraus und schenkte ein.

Benjamin hatte aufgehört zu quengeln. Er kuschelte sich mit ein paar Stofftieren in die Sofaecke.

»Es tut mir wirklich leid, daß ich eben so schroff zu dir war«, begann sie nach einem herzhaften Schluck aus dem Glas

»Du brauchst dich wirklich nicht zu entschuldigen. Da du im Augenblick so viel durchmachst, kann man das verstehen. Im übrigen war ich einfach taktlos.«

»Schon gut. Ich bin froh, daß du hier bist. Ein bißchen Trost kann ich wirklich gebrauchen.«

»Du kannst auf mich zählen. Wenn ihr meine Hilfe braucht, Karin…«

»Danke. Es tut gut, jemanden zu haben, dem man vertrauen kann. Ich bin dir ewig dankbar, daß du mir nach so vielen vergeblichen Jahren zu einem Kind verholfen hast. Was machte ich jetzt ohne Benjamin?«

Er lächelte verlegen. »Nun ja. Das mußte ich doch für euch tun. Ich bin sehr froh, daß es mir gelungen ist. Leider habe ich auch viele Mißerfolge einstecken müssen.«

»Ich weiß. Aber das ist doch normal, daß bei vielen Frauen auch eine künstliche Befruchtung nichts nützt.«

»Ja, leider. Dann bleibt nur noch eine Adoption übrig.«

»Das wäre für Bernd und mich niemals in Frage gekommen. Ein völlig fremdes Kind? Dessen Anlagen man nicht kennt? Zu dem man möglicherweise keine Beziehung bekommt?«

»Viele Ehepaare schaffen es und werden glücklich.«

Sie schüttelte den Kopf. »Um ein Kind allein ging es mir nicht. Ich wollte eins von Bernd. Und das habe ich ja bekommen. Leider ist es das einzige, was mir von ihm noch bleibt.«

»Du wirst ihm all deine Liebe geben, Karin.«

»Ja. Die braucht er auch. Er hing sehr an seinem Vater. Und er ist immer noch kränklich. Wenn ich da an das Kind auf dem Friedhof denke…«

»Welches Kind?« fragte er, ohne sich sein Interesse anmerken zu lassen.

Sie musterte ihn erstaunt. »Hast du den kleinen Jungen etwa nicht gesehen? Er trat gleich nach mir mit seiner Mutter ans Grab.«

»Ach so. Ja, das stimmt.«

»Sag einmal, ist etwas mit dieser Frau und ihrem Kind, was du zu verschweigen versuchst? Ich denke, du hast sie entbunden? Das ist doch wohl das Kind, nicht wahr?«

»Ja. Altersmäßig könnte es hinkommen.«

»Er hat große Ähnlichkeit mit Benjamin. Aber er wirkt kerngesund und fröhlich. Mein Kleiner dagegen ist blaß und schwächlich. Er ist anfällig gegen jede Krankheit und ständig schlecht gelaunt.«

»Das wird mit seinen momentanen Schwierigkeiten zusammenhängen, von denen du gerade sprachst.«

Sie schüttelte den Kopf. »Das allein kann es nicht sein. Es ist seine Veranlagung, sein Charakter, sein Temperament. Übrigens, kennst du diese Frau auch privat?«

»Ich? Wieso?«

»Nun, es könnte doch sein. Ihr wart Freunde.«

Er wich ihrem forschenden Blick aus. »Sie wird eine Mitarbeiterin von Bernd gewesen sein…«

Er trank sein Glas leer und stand auf. »Soll ich nachgießen?« fragte er in Richtung der Kognakflasche.

»Nein danke. Mir genügt einer. Aber wenn du dir noch einen einschenken willst…«

»O nein, danke. Ich muß noch fahren. Äh, brauchst du mich noch?«

»Laß dich nicht aufhalten. Es war lieb von dir, dich um uns zu kümmern.«

»Das ist selbstverständlich. Ich bin immer für euch da.«

Er schien es auf einmal sehr eilig zu haben.

*

Karin Walter sah sich trotz ihrer übermächtigen Trauer gezwungen, den Nachlaß ihres Mannes zu ordnen. Ihr war klar, wie schmerzlich das Durchstöbern seiner persönlichen Sachen sein würde. Aber es half alles nichts. Zumindest ein Testament mußte sie finden, damit alles Nötige geregelt werden konnte.

Sie nahm das Schlüsselbund aus seiner Jackentasche und brach in Schluchzen aus. Diese Jacke hatte er bei dem schrecklichen Verkehrsunfall getragen. Zärtlich strich sie über einen Ärmel und drückte das Jackett an die Brust. Sie glaubte, noch die Wärme seines Körpers zu fühlen. Aber das war Einbildung, genau so wie die irrige Vorstellung, er könne jeden Augenblick zur Tür hereinkommen.

Endlich gab sie sich einen Ruck und ging in sein kleines Arbeitszimmer, in dem er sich nicht oft aufgehalten hatte. Alle wichtigen Arbeiten hatte er im Büro erledigt. Sie seufzte. Auch dort würde sie noch nach seinen persönlichen und geschäftlichen Dingen suchen müssen…

Sie schloß die oberste Schreibtischschublade auf und sah den Inhalt durch. Außer Rechnungen, Quittungen, Werbeangeboten und Schreibutensilien gab es nichts Interessantes zu entdecken.

Sie schob die Schublade wieder zu. Mit den Rechnungen würde sie sich später befassen, um festzustellen, was noch bezahlt werden mußte.

Hinter der linken Schreibtischtür befanden sich Aktenordner, die beschriftet waren. Dort waren alle Unterlagen für den Kauf des Hauses zu finden, sowie über Steuern und Abgaben. Alles befand sich in tadelloser Ordnung.

Endlich sah sie die Akte, die sie wirklich interessierte. »Persönliches« stand darauf.

In einer Klarsichthülle fand sie das Testament. Während sie es las, begannen ihre Knie zu zittern. Sie mußte sich setzen. Eine Welt brach in ihr zusammen.

Ich vermache mein Vermögen meiner Frau Karin und meinem Sohn Benjamin, sowie meinem Sohn Stefan Reiter. Meine Frau bekommt die Hälfte, meine Söhne teilen sich die andere Hälfte.

Karin starrte ungläubig auf den Namen Stefan Reiter. Wieso hatte sie nichts von Bernds Geheimnis geahnt? Hatte er die ganzen Jahre ein Doppelleben geführt?

Die junge Frau auf dem Friedhof drängte sich in ihre Gedanken. Jetzt fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Daher diese Ähnlichkeit! Die beiden Kinder hatten denselben Vater.

Erst jetzt bemerkte sie den verschlossenen Umschlag, der unter dem Testament lag. Sie las: »Für Karin. Nach meinem Tod zu öffnen.«

Mit zitternden Händen riß sie den Umschlag auf. Er enthielt die Erklärung für Bernd Walters ungewöhnliches Verhalten und eine Rechtfertigung. Der Text lautete:

Liebe Karin, wenn Du diese Zeilen liest, wirst Du vielleicht ein kleines bißchen Verständnis für mein Testament aufbringen und Dich in meine schwierige Situation hineinversetzen können. Wir haben jahrelang auf ein Kind gewartet. Als ich Anja Reiter kennenlernte, wußte ich sofort, daß sie die Frau war, von der ich mir ein Kind wünschte. Eigentlich wollte ich mich von Dir trennen, um mit offenen Karten spielen zu können. Aber dann bekam ich es doch nicht fertig. Ich liebte Dich zu sehr. Als dann durch Dr. Meißners Hilfe doch noch unser Benjamin geboren wurde, stand mein Entschluß fest, bei Dir zu bleiben und mein Geheimnis für mich zu behalten. Ich wollte Dir unnötigen Kummer ersparen. Bitte verzeih mir.

Eine Bitte habe ich aber noch: Laß den Dauerauftrag für die monatliche Zahlung von tausend Mark an Anja Reiter weiterlaufen. Das bin ich ihr und ihrem Kind schuldig. Bitte, hab dafür Verständnis. Ich liebe Dich. Dein Bernd.

Karin schüttelte fassungslos den Kopf. Zahlen sollte sie auch noch für seinen Betrug? Das kam überhaupt nicht in Frage. Sie würde das Testament unterschlagen. Keinen Pfennig würde sie herausrücken!

Nachdem sie sich eine Zeitlang in ihre Enttäuschung und Wut hineingesteigert hatte, kamen ihr Bedenken. Wenn nun irgendwo eine Kopie davon existierte? Vielleicht an einem sicheren Ort? Im Büro vielleicht, weil er ihr mißtraute? Vielleicht kannte Anja Reiter das Schriftstück sogar und würde über kurz oder lang Anspruch auf das Erbe ihres Sohnes erheben?

Nein, sie konnte nichts dergleichen riskieren. Außerdem würde es schon genügen, den kleinen Stefan als Kind seines Vaters ins Spiel zu bringen. Uneheliche Kinder waren heutzutage erbberechtigt. Aber von diesem Brief an sie brauchte niemand etwas zu wissen. Dann sparte sie wenigstens die monatlichen Zahlungen.

Sie konnte es nicht fassen: Er hatte sie nicht nur betrogen, sondern auch noch ein Kind mit ihr gezeugt. Das war vor ungefähr drei Jahren gewesen. Seitdem hatte er also ein Doppelleben geführt. Und sie, die ihn mit ihrer uneingeschränkten Liebe beglückt hatte, wußte nichts von alledem.

Der Haß gegen die junge, hübsche Frau wuchs in ihr. Dazu gesellte sich der Neid: dieses entzückende Kind! Warum war es nicht ihr Sohn? Freundlich, fröhlich und wahrscheinlich unkompliziert! Wenn sie dagegen an Benjamin dachte… Er war kränklich, schwächlich, mißgelaunt und sehr schwierig.