Gebrauchsanweisung für Katalonien - Michael Ebmeyer - E-Book

Gebrauchsanweisung für Katalonien E-Book

Michael Ebmeyer

0,0
12,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Katalonien ist berühmt: für Dalí und Miró, für die Häuser von Gaudí, die Krimis von Vázquez Montalbán und die Schwarze Madonna von Montserrat. Für sagenhafte Weine, zehnstöckige Menschenpyramiden und eine unerschöpfliche Fülle seltsamer Anekdoten. Für sein Un­abhängigkeits­streben, für die katalanische Sprache und für den Wider­stand gegen Franco. Für die Costa Brava und die Py­renäen, für zauberhafte Küstenorte und bizarre Fels­massive – und natürlich für Barcelona, die verspielteste Metropole Europas. In Katalonien wurde die Crème brûlée erfunden, und hier hat der Welttag des Buches seinen Ursprung. Einst ein eigener mächtiger Mittelmeer­staat, dann zwischen Spanien und Frankreich aufgeteilt, ist das nordöstlichste Dreieck der Iberischen Halbinsel ein besonders saftiges, aber schwer durchschaubares Stück vom Paradies. Dieses Buch führt Sie mitten hinein.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.piper.de

ISBN 978-3-492-97203-1 © Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2007 Coverkonzeption: Büro Hamburg Covergestaltung: Birgit Kohlhaas, kohlhaas-buchgestaltung.de Covermotiv: Le Figaro Magazin/Laif Karte: cartomedia, Karlsruhe Litho: Lorenz & Zeller, Inning a. A. Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck  

Am Ziel

Ein besonders saftiges, aber nicht leicht zu durchschauendes Stück vom Paradies. Es hat die Form eines ausgebeulten Dreiecks und erstreckt sich von den Pyrenäen bis hinter das Delta des Flusses Ebro. An seiner langen Seeseite wechseln sich einige der bezauberndsten mit einigen der verbautesten Küsten des westlichen Mittelmeers ab, und auf halbem Weg liegt die Hauptstadt, Barcelona, das verspielte Fabelwesen unter den europäischen Metropolen.

Im Hinterland ist so ziemlich alles versammelt, was der Süden des Kontinents an Naturschönheit zu bieten hat, von malerisch bis majestätisch. Sanfte Feld- und Weidenidyllen, romantische Flußtäler, spektakuläre Felsmassive inmitten üppiger Wälder oder zerklüfteter Rebenhänge, tausendjährige Olivenhaine, karge Ebenen und schroffes Hochgebirge. Viele Dörfer, Burgen und Klöster sehen aus, als wäre im Mittelalter die Zeit stehengeblieben. Manche historische Altstadt ist aber auch von einem breiten Gürtel aus Industrieanlagen umschlossen.

Seltsame Bräuche und respektlose Anekdoten gedeihen in unerschöpflicher Fülle. Hier leben Menschen, die sich zu zehnstöckigen Pyramiden aufeinandertürmen und Wein aus kleinen Gießkannen trinken. Feinsinnige Melancholiker und geschäftstüchtige Phantasten, mit einer Vorliebe für Feuerwerk, gutes Essen und endlose überhitzte Debatten. Salvador Dalí, Antoni Gaudí, der legendäre Cellist Pau Casals und die große Schriftstellerin Mercè Rodoreda stammen aus diesem Land. Ebenso die Espadrilles, der Freixenet-Sekt und die Chupa-Chups-Lollies.

Das Land hat eine eigene Sprache und eine eigene jahrhundertealte Kultur. Im Mittelalter war es das Zentrum eines mächtigen Königreichs, später verlor es seine Souveränität zum kleineren Teil an Frankreich, zum weitaus größeren an Spanien. Dieser größere Teil genießt heute als Comunitat Autònoma de Catalunya (Autonome Gemeinschaft Katalonien) wieder eine gewisse politische Selbständigkeit, im Rahmen der spanischen Verfassung. Doch nach Meinung vieler seiner Einwohner, und vor allem vieler seiner Politiker, wäre Katalonien am besten ein Staat für sich.

Besucher tun sich mit diesem Unabhängigkeitsstreben oft schwer. Teils aus guten Gründen, etwa aus Mißtrauen gegen jede Art von Nationalismus, teils aus weniger guten, etwa einer Unlust am genaueren Hinsehen. Früher schien ja auf der Sonnenseite der Pyrenäen einfach Spanien anzufangen. Eine endlose Abfolge von Buchten und Stränden, dazu häßliche, doch gut gelegene und recht komfortable Hotels und nette Kellner, die sich über jedes »Buenos días« und »Hasta luego« freuten, die Bestellung aber auch auf deutsch verstanden. Man konnte überall Sangría trinken, den dicken Kopf am Tag danach mit einer langen Siesta kurieren, den Kastagnettentanz im Abendprogramm für Flamenco halten und sich für den nächsten Urlaub ganz fest den Besuch eines Stierkampfs vornehmen. Mit Abspaltungsneigungen und störrischer Eigenmächtigkeit verband man bei Spanien allenfalls das Baskenland, wo ein rätselhaftes Urvolk mit unbegreiflicher Sprache lebte und es angeblich genausoviel regnete wie in Nordrhein-Westfalen. Darauf, daß es auf der Halbinsel noch weitere ähnlich aufmüpfige Gebiete gibt und daß ausgerechnet die gute alte Costa Brava zu einem dieser Gebiete gehören soll, reagieren bis heute viele Gäste seltsam entrüstet.

Dabei wird Katalonien nicht weniger schön, wenn man es in seiner Eigenständigkeit betrachtet. Im Gegenteil: der Blick aufs Besondere wird hier ebenso reich belohnt wie an anderen Lieblingsorten. Wir schwärmen ja auch gezielt für die Provence, die Bretagne oder die Auvergne und nehmen in ihnen nicht bloß ein verschwommenes Ganzes namens Frankreich wahr. Und natürlich wissen wir, daß zwischen Südtirol und Sizilien ein himmelweiter Unterschied besteht und daß Florenz in der lieblichen Toskana liegt. Da dürfte ein ähnlich differenziertes Bild von Spanien doch kein Problem sein.

Sicher, man kann entgegnen, daß hier noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg ein Diktator herrschte, dessen Regime gewaltsam ein Trugbild nationaler Einförmigkeit aufrechterhielt und es dabei verstand, auf Touristen harmlos zu wirken, allenfalls ein bißchen rückständig und vertrottelt. Doch nun ist Franco schon über dreißig Jahre tot, und das gleiche sollte für seine Ideologie gelten.

»In Spanien werden vier Sprachen gesprochen.« Ein Satz, der in jedem Spanisch-Anfängerkurs fällt. Daß von diesen Sprachen dann weiterhin nur eine vorkommt, ist klar, denn was würde sonst aus dem Lernziel. In unserem Schulbuch damals, und da war Franco auch schon fünfzehn Jahre tot, gab es aber selbst in Kapiteln wie »En Barcelona« oder »Los chicos de Masnou« (über Jugendliche in einem katalanischen Küstenort) keinen einzigen Hinweis darauf, daß dort eine andere Sprache als Spanisch eine Rolle spielen könnte – oder ein Selbstverständnis, das sich von dem der Leute in Madrid unterscheidet.

Vielleicht haben Sie bei Ihrer ersten bewußten Begegnung mit Katalonien auch die typische Verwirrung erlebt. Sie sind in Barcelona gelandet oder in diesem charmanten Örtchen im Empordà angekommen, nur drei Kilometer vom Strand entfernt und überhaupt nicht zubetoniert. In den Wochen zuvor haben Sie Ihren Spanisch-Grundwortschatz in Schuß gebracht. Im Reiseführer war auch von der katalanischen Sprache die Rede, allerdings schien sie auf den Hausgebrauch der Einheimischen beschränkt, auf Ortsnamen und Volkslieder, und sich außerdem vom Spanischen gar nicht so sehr zu unterscheiden: die meisten Wörter, die der Führer auflistete, kamen Ihnen bekannt vor. Doch nun merken Sie, daß man diese Sprache hier wirklich überall spricht. Daß Sie kaum ein Wort verstehen. Und daß Ihr Reiseführer sich zwar mit einer kleinen katalanischen Vokabelliste schmückt, im Service- und Gastroteil aber anscheinend einfach die Bezeichnungen aus dem vom selben Autor geschriebenen Band Spanien übernommen hat.

Jetzt haben Sie die Wahl. Entweder Sie empören sich, wie viele andere vor Ihnen, darüber, daß hier nicht alles so ist, wie Sie erwartet haben. Oder Sie lassen sich auf Katalonien ein. Wenn Sie sich für letzteres entscheiden, dann wollen Sie bald nie wieder weg von hier.

Bei mir selbst war es Zufall. Ich hatte, wie gesagt, Spanisch in der Schule gehabt, als Wahlfach in der Oberstufe. Im Studium wollte ich dann für eine Zeit ins Ausland gehen, eigentlich nach Großbritannien oder in die USA, mußte aber feststellen, daß ich alle Bewerbungsfristen versäumt hatte. Offen stand nur noch ein neues, bunt zusammengeschustertes Erasmus-Programm der Vergleichenden Literaturwissenschaftler. So kam ich nach Barcelona. 1995, drei Jahre nach den Olympischen Spielen. Der ganz große Hype um die Stadt hatte noch nicht eingesetzt, ließ sich aber schon ahnen, die berühmte Renovierungskampagne Barcelona, posa’t guapa! (Barcelona, mach dich hübsch!) begann auch etwas abgelegenere Viertel zu erfassen. Ich wohnte im Stadtteil Gràcia, im Carrer de la Llibertat, also in der Straße der Freiheit. Und nach ein paar Wochen wußte ich, daß diese zufällige Entscheidung für Katalonien die beste war, die ich je getroffen hatte.

Anfang Zwanzig sein, keine großen Verpflichtungen haben, in ein neues Lebensgefühl eintauchen, sich verlieben, herumreisen: das ist natürlich eine besonders angenehme Art, ein Land kennenzulernen. In Katalonien hatte ich meine wichtigsten Erweckungserlebnisse in Sachen Wein und Essen, Landschaft und Architektur, und hier verbrachte ich zum erstenmal einen 1.November am Strand.

Katalanisch sprach ich am Anfang so gut wie gar nicht, hatte nur ein paarmal unkonzentriert im Einführungskurs an meiner Uni in Deutschland gesessen. Doch allen Gerüchten über eine hyperaktive »Sprachpolizei« zum Trotz rechnet hier auch heute niemand damit, daß Ausländer Katalanisch können. Tun Sie es dennoch, oder beherrschen zumindest ein paar Worte, werden Sie damit immer wieder viel Freude auslösen.

Bei mir dauert der Zauber nun seit Jahren an. Er wird um so größer, je mehr ich von Katalonien kenne. Immer noch öffnet sich hinter jedem neuen Wissen, jeder Erfahrung, die ich hier mache, ein Fächer von weiteren, unerwarteten Fragen. Wer es gerne schön übersichtlich hat, kann an diesem Land verzweifeln. Andererseits ist hier zu sein eine vortreffliche Gelegenheit, um sich ein zu hohes Bedürfnis nach Übersichtlichkeit abzugewöhnen. Und ein bißchen wird dieses Buch hoffentlich beim Zurechtfinden helfen.

Katalonienklischees

Natürlich, so eine Gebrauchsanweisung möchte Hintergründe zeigen, Seltsamkeiten erklären, vor Fettnäpfchen warnen. Sie soll Ihnen am besten einen ganzen Bund Schlüssel zum tieferen Verständnis von Land und Leuten an die Hand geben. So eine Gebrauchsanweisung kommt also auf keinen Fall ohne Klischees aus.

Ich meine nicht die Spanienklischees, die manche Touristen mit nach Katalonien bringen und dann hier zu ihrer Enttäuschung nicht bestätigt finden. Die Klischees, um die es in diesem Kapitel gehen soll, sind welche, die sich wirklich auf Katalonien beziehen. Zum Beispiel Eigenschaften und Macken, die Spanier ›den Katalanen‹ nachsagen. Oder typische Attribute, Bilder und Phrasen, mit denen Katalonien sich selbst in Szene setzt. So wie der folgende Satz.

»Catalonia is not Spain«

Ein katalanisches Lieblingsgraffito, kommt immer wieder auch als Aufschrift von Bannern in Fußballstadien vor, wenn der FC Barcelona spielt. Die katalanischsprachige Version, »Catalunya no és Espanya«, findet sich heute kaum noch, denn hier haben den Satz längst alle verstanden. Nun schreibt man ihn auf englisch, für den Rest der Welt. Und oft wundert sich der Rest der Welt darüber. Für viele Ausländer ist die kämpferische Klarstellung, daß dies hier nicht Spanien sei, die erste Begegnung mit dem Wort Katalonien.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!