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Wie kaum ein zweiter deutscher Dichter hat Hölderlin mit seinen Gedichten die Grenzen der Lyrik ausgelotet und immer wieder auch überschritten. So ist er zum Klassiker geworden und wirkt durch die Zeiten bis heute fort. Die vorliegende Auswahl zeichnet seine Entwicklung nach: von den Gedichten im klassischen Versmaß über das rätselhafte Spätwerk bis zu den schlichten Strophen aus seinen letzten Lebensjahren.
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Seitenzahl: 253
Friedrich Hölderlin
Gedichte
Eine Auswahl
Herausgegeben vonGerhard Kurz
Reclam
2015 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen
Made in Germany 2017
RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-960814-3
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019343-3
www.reclam.de
Hymne an die Freiheit
Griechenland
Die Eichbäume
Guter Rat
Advocatus diaboli
Die Vortrefflichen
Die beschreibende Poesie
Falsche Popularität
An Diotima
Buonaparte
An die Parzen
Diotima
Lebenslauf
Die Kürze
Die Liebenden
An die jungen Dichter
An die Deutschen
Sokrates und Alcibiades
Hyperions Schicksalslied
Da ich ein Knabe war…
Abendphantasie
Des Morgens
ΠΡΟΣ ΕΑΥΤΟΝ
Sophokles
Der zürnende Dichter
Wurzel alles Übels
Mein Eigentum
Gesang des Deutschen
Der Prinzessin Auguste von Homburg
[6] Geh unter, schöne Sonne…
Rousseau
Wie wenn am Feiertage…
Im Walde
Heidelberg
Der Neckar
Die Heimat
Die Liebe
Lebenslauf
Der Gang aufs Land
Stuttgart
Brot und Wein
Natur und Kunst oder Saturn und Jupiter
Dichtermut
Dichterberuf
Unter den Alpen gesungen
Die Wanderung
Der Rhein
Heimkunft
Germanien
Friedensfeier
Der Einzige
Patmos
Nachtgesänge
Chiron
Tränen
An die Hoffnung
Vulkan
Blödigkeit
Ganymed
Hälfte des Lebens
[7] Lebensalter
Der Winkel von Hahrdt
Andenken
Der Ister
Das Nächste Beste
Kolomb
Mnemosyne
Griechenland
In lieblicher Bläue…
Das Angenehme dieser Welt…
An Zimmern
Der Herbst
Höheres Leben
Der Sommer
Der Winter
Griechenland
Die Aussicht
Zu dieser Ausgabe
Anmerkungen
Literaturhinweise
Nachwort
Gedichtüberschriften und -anfänge
Wie den Aar im grauen Felsenhange
Wildes Sehnen zu der Sterne Bahn,
Flammt zu majestätischem Gesange
Meiner Freuden Ungestüm mich an;
Ha! das neue niegenossne Leben5
Schaffet neuen glühenden Entschluss!
Über Wahn und Stolz emporzuschweben,
Süßer unaussprechlicher Genuss!
Sint dem Staube mich ihr Arm entrissen,
Schlägt das Herz so kühn und selig ihr;10
Angeflammt von ihren Götterküssen
Glühet noch die heiße Wange mir;
Jeder Laut von ihrem Zaubermunde
Adelt noch den neugeschaffnen Sinn –
Hört, o Geister! meiner Göttin Kunde,15
Hört, und huldiget der Herrscherin!
»Als die Liebe noch im Schäferkleide
Mit der Unschuld unter Blumen ging,
Und der Erdensohn in Ruh und Freude
Der Natur am Mutterbusen hing,20
Nicht der Übermut auf Richterstühlen
Blind und fürchterlich das Band zerriss;
Tauscht ich gerne mit der Götter Spielen
Meiner Kinder stilles Paradies.
Liebe rief die jugendlichen Triebe25
Schöpferisch zu hoher stiller Tat,
Jeden Keim entfaltete der Liebe
Wärm und Licht zu schwelgerischer Saat;
Deine Flügel, hohe Liebe! trugen
Lächelnd nieder die Olympier;30
Jubeltöne klangen – Herzen schlugen
An der Götter Busen göttlicher.
[10] Freundlich bot der Freuden süße Fülle
Meinen Lieblingen die Unschuld dar;
Unverkennbar in der schönen Hülle35
Wusste Tugend nicht, wie schön sie war;
Friedlich hausten in der Blumenhügel
Kühlem Schatten die Genügsamen –
Ach! des Haders und der Sorge Flügel
Rauschte ferne von den Glücklichen.40
Wehe nun! – mein Paradies erbebte!
Fluch verhieß der Elemente Wut!
Und der Nächte schwarzem Schoß entschwebte
Mit des Geiers Blick der Übermut;
Wehe! weinend floh ich mit der Liebe45
Mit der Unschuld in die Himmel hin –
Welke, Blume! rief ich ernst und trübe,
Welke, nimmer, nimmer aufzublühn!
Keck erhub sich des Gesetzes Rute,
Nachzubilden, was die Liebe schuf;50
Ach! gegeißelt von dem Übermute
Fühlte keiner göttlichen Beruf;
Vor dem Geist in schwarzen Ungewittern,
Vor dem Racheschwerte des Gerichts
Lernte so der blinde Sklave zittern,55
Frönt’ und starb im Schrecken seines Nichts.
Kehret nun zu Lieb und Treue wieder –
Ach! es zieht zu langentbehrter Lust
Unbezwinglich mich die Liebe nieder –
Kinder! kehret an die Mutterbrust!60
Ewig sei vergessen und vernichtet,
Was ich zürnend vor den Göttern schwur;
Liebe hat den langen Zwist geschlichtet,
Herrschet wieder! Herrscher der Natur!«
[11] Froh und göttlichgroß ist deine Kunde,65
Königin! dich preise Kraft und Tat!
Schon beginnt die neue Schöpfungsstunde,
Schon entkeimt die segenschwangre Saat:
Majestätisch, wie die Wandelsterne,
Neuerwacht am offnen Ozean,70
Strahlst du uns in königlicher Ferne,
Freies kommendes Jahrhundert! an.
Staunend kennt der große Stamm sich wieder,
Millionen knüpft der Liebe Band;
Glühend stehn, und stolz, die neuen Brüder,75
Stehn und dulden für das Vaterland;
Wie der Efeu, treu und sanft umwunden,
Zu der Eiche stolzen Höhn hinauf,
Schwingen, ewig brüderlich verbunden,
Nun am Helden Tausende sich auf.80
Nimmer beugt, vom Übermut belogen,
Sich die freie Seele grauem Wahn;
Von der Muse zarter Hand erzogen
Schmiegt sie kühn an Göttlichkeit sich an;
Götter führt in brüderlicher Hülle85
Ihr die zauberische Muse zu,
Und gestärkt in reiner Freuden Fülle,
Kostet sie der Götter stolze Ruh!
Froh verhöhnt das königliche Leben
Deine Taumel, niedre feige Lust!90
Der Vollendung Ahndungen erheben
Über Glück und Zeit die stolze Brust. –
Ha! getilget ist die alte Schande!
Neuerkauft das angestammte Gut!
In dem Staube modern alle Bande,95
Und zur Hölle flieht der Übermut!
[12] Dann am süßen heißerrungnen Ziele,
Wenn der Ernte großer Tag beginnt,
Wenn verödet die Tyrannenstühle,
Die Tyrannenknechte Moder sind,100
Wenn im Heldenbunde meiner Brüder
Deutsches Blut und deutsche Liebe glüht;
Dann, o Himmelstochter! sing ich wieder,
Singe sterbend dir das letzte Lied.
Hätt ich dich im Schatten der Platanen,
Wo durch Blumen der Cephissus rann,
Wo die Jünglinge sich Ruhm ersannen,
Wo die Herzen Sokrates gewann,
Wo Aspasia durch Myrten wallte,5
Wo der brüderlichen Freude Ruf
Aus der lärmenden Agora schallte,
Wo mein Plato Paradiese schuf,
Wo den Frühling Festgesänge würzten,
Wo die Ströme der Begeisterung10
Von Minervens heil’gem Berge stürzten –
Der Beschützerin zur Huldigung –
Wo in tausend süßen Dichterstunden,
Wie ein Göttertraum, das Alter schwand,
Hätt ich da, Geliebter! dich gefunden,15
Wie vor Jahren dieses Herz dich fand;
Ach! wie anders hätt ich dich umschlungen! –
Marathons Heroen sängst du mir,
[13] Und die schönste der Begeisterungen
Lächelte vom trunknen Auge dir,20
Deine Brust verjüngten Siegsgefühle,
Deinen Geist, vom Lorbeerzweig umspielt,
Drückte nicht des Lebens stumpfe Schwüle,
Die so karg der Hauch der Freude kühlt.
Ist der Stern der Liebe dir verschwunden?25
Und der Jugend holdes Rosenlicht?
Ach! umtanzt von Hellas’ goldnen Stunden,
Fühltest du die Flucht der Jahre nicht,
Ewig, wie der Vesta Flamme, glühte
Mut und Liebe dort in jeder Brust,30
Wie die Frucht der Hesperiden, blühte
Ewig dort der Jugend stolze Lust.
Ach! es hätt in jenen bessern Tagen
Nicht umsonst so brüderlich und groß
Für das Volk dein liebend Herz geschlagen,35
Dem so gern der Freude Zähre floss! –
Harre nun! sie kömmt gewiss die Stunde,
Die das Göttliche vom Kerker trennt –
Stirb! du suchst auf diesem Erdenrunde,
Edler Geist! umsonst dein Element.40
Attika, die Heldin, ist gefallen;
Wo die alten Göttersöhne ruhn,
Im Ruin der schönen Marmorhallen
Steht der Kranich einsam trauernd nun;
Lächelnd kehrt der holde Frühling nieder,45
Doch er findet seine Brüder nie
In Ilissus’ heil’gem Tale wieder –
Unter Schutt und Dornen schlummern sie.
Mich verlangt ins ferne Land hinüber
Nach Alcäus und Anakreon,50
[14] Und ich schlief’ im engen Hause lieber,
Bei den Heiligen in Marathon;
Ach! es sei die letzte meiner Tränen,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,55
Denn mein Herz gehört den Toten an!
Aus den Gärten komm ich zu euch, ihr Söhne des Berges!
Aus den Gärten, da lebt die Natur geduldig und häuslich,
Pflegend und wieder gepflegt mit dem fleißigen Menschen zusammen.
Aber ihr, ihr Herrlichen! steht, wie ein Volk von Titanen
In der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel,5
Der euch nährt’ und erzog und der Erde, die euch geboren.
Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen,
Und ihr drängt euch fröhlich und frei, aus der kräftigen Wurzel,
Untereinander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute,
Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken10
Ist euch heiter und groß die sonnige Krone gerichtet.
Eine Welt ist jeder von euch, wie die Sterne des Himmels
Lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen.
Könnt ich die Knechtschaft nur erdulden, ich neidete nimmer
Diesen Wald und schmiegte mich gern ans gesellige Leben.15
[15] Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich,
Das von Liebe nicht lässt, wie gern würd ich unter euch wohnen
Hast du Verstand und ein Herz, so zeige nur eines von beiden,
Beides verdammen sie dir, zeigest du beides zugleich.
Tief im Herzen hass ich den Tross der Despoten und Pfaffen
Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit.
Lieben Brüder! versucht es nur nicht, vortrefflich zu werden
Ehrt das Schicksal und tragt’s, Stümper auf Erden zu sein
Denn ist Einmal der Kopf voran, so folget der Schweif auch
Und die klassische Zeit deutscher Poeten ist aus.
Wisst! Apoll ist der Gott der Zeitungsschreiber geworden
Und sein Mann ist, wer ihm treulich das Factum erzählt.
O der Menschenkenner! er stellt sich kindisch mit Kindern
Aber der Baum und das Kind suchet, was über ihm ist.
Schönes Leben! du lebst, wie die zarten Blüten im Winter,
In der gealterten Welt blühst du verschlossen, allein.
Liebend strebst du hinaus, dich zu sonnen am Lichte des Frühlings,
Zu erwarmen an ihr suchst du die Jugend der Welt.
Deine Sonne, die schönere Zeit, ist untergegangen5
Und in frostiger Nacht zanken Orkane sich nun.
Heilige Gefäße sind die Dichter,
Worin des Lebens Wein, der Geist
Der Helden sich aufbewahrt,
[17] Aber der Geist dieses Jünglings
Der schnelle müsst er es nicht zersprengen5
Wo es ihn fassen wollte, das Gefäß
Der Dichter lass’ ihn unberührt
wie den Geist der Natur,
An solchem Stoffe
wird zum Knaben10
der Meister
Er kann im Gedichte
nicht leben und bleiben
Er lebt und bleibt
in der Welt.15
Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
Dass williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättiget, dann mir sterbe.
Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht5
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch ist mir einst das Heil’ge, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen,
Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel10
Mich nicht hinab geleitet; Einmal
Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarf’s nicht.
Du schweigst und duldest, und sie verstehn dich nicht,
Du heilig Leben! welkest hinweg und schweigst,
Denn ach, vergebens bei Barbaren
Suchst du die Deinen im Sonnenlichte,
Die zärtlichgroßen Seelen, die nimmer sind!5
Doch eilt die Zeit. Noch siehet mein sterblich Lied
Den Tag, der, Diotima! nächst den
Göttern mit Helden dich nennt, und dir gleicht.
Hoch auf strebte mein Geist, aber die Liebe zog
Schön ihn nieder; das Leid beugt ihn gewaltiger;
So durchlauf ich des Lebens
Bogen und kehre, woher ich kam.
»Warum bist du so kurz? liebst du, wie vormals, denn
Nun nicht mehr den Gesang? fandst du, als Jüngling doch,
In den Tagen der Hoffnung,
Wenn du sangest, das Ende nie!«
Wie mein Glück, ist mein Lied. – Willst du im Abendrot 5
Froh dich baden? hinweg ist’s! und die Erd ist kalt,
Und der Vogel der Nacht schwirrt
Unbequem vor das Auge dir.
Trennen wollten wir uns, wähnten es gut und klug;
Da wir’s taten, warum schröckt’ uns, wie Mord, die Tat?
Ach! wir kennen uns wenig,
Denn es waltet ein Gott in uns.
Lieben Brüder! es reift unsere Kunst vielleicht,
Da, dem Jünglinge gleich, lange sie schon gegärt,
Bald zur Stille der Schönheit;
Seid nur fromm, wie der Grieche war!
Liebt die Götter und denkt freundlich der Sterblichen!5
Hasst den Rausch, wie den Frost! lehrt und beschreibet nicht!
Wenn der Meister euch ängstigt,
Fragt die große Natur um Rat.
Spottet ja nicht des Kinds, wenn es mit Peitsch und Sporn
Auf dem Rosse von Holz mutig und groß sich dünkt,
Denn, ihr Deutschen, auch ihr seid
Tatenarm und gedankenvoll.
Oder kömmt, wie der Strahl aus dem Gewölke kömmt,5
Aus Gedanken die Tat? Leben die Bücher bald?
O ihr Lieben, so nimmt mich,
Dass ich büße die Lästerung.
»Warum huldigest du, heiliger Sokrates,
Diesem Jünglinge stets? kennest du Größers nicht?
Warum siehet mit Liebe,
Wie auf Götter, dein Aug auf ihn?«
Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste,5
Hohe Jugend versteht, wer in die Welt geblickt
Und es neigen die Weisen
Oft am Ende zu Schönem sich.
Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin5
Heilige Saiten.
Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,10
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.15
[21] Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer20
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahrlang ins Ungewisse hinab.
Da ich ein Knabe war,
Rettet’ ein Gott mich oft
Vom Geschrei und der Rute der Menschen,
Da spielt ich sicher und gut
Mit den Blumen des Hains,5
Und die Lüftchen des Himmels
Spielten mit mir.
Und wie du das Herz
Der Pflanzen erfreust,
Wenn sie entgegen dir10
Die zarten Arme strecken,
So hast du mein Herz erfreut
Vater Helios! und, wie Endymion,
War ich dein Liebling,
Heilige Luna!15
O all ihr treuen
Freundlichen Götter!
Dass ihr wüsstet,
wie euch meine Seele geliebt!
[22] Zwar damals rief ich noch nicht20
Euch mit Namen, auch ihr
Nanntet mich nie, wie die Menschen sich nennen
Als kennten sie sich.
Doch kannt ich euch besser,
Als ich je die Menschen gekannt,25
Ich verstand die Stille des Äthers
Der Menschen Worte verstand ich nie.
Mich erzog der Wohllaut
Des säuselnden Hains
Und lieben lernt ich30
Unter den Blumen.
Im Arme der Götter wuchs ich groß.
Vor seiner Hütte ruhig im Schatten sitzt
Der Pflüger, dem Genügsamen raucht sein Herd.
Gastfreundlich tönt dem Wanderer im
Friedlichen Dorfe die Abendglocke.
Wohl kehren itzt die Schiffer zum Hafen auch,5
In fernen Städten, fröhlich verrauscht des Markts
Geschäft’ger Lärm; in stiller Laube
Glänzt das gesellige Mahl den Freunden.
Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen
Von Lohn und Arbeit; wechselnd in Müh und Ruh10
Ist alles freudig; warum schläft denn
Nimmer nur mir in der Brust der Stachel?
[23] Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf;
Unzählig blühn die Rosen und ruhig scheint
Die goldne Welt; o dorthin nimmt mich15
Purpurne Wolken! und möge droben
In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb und Leid! –
Doch, wie verscheucht von töriger Bitte, flieht
Der Zauber; dunkel wird’s und einsam
Unter dem Himmel, wie immer, bin ich –20
Komm du nun, sanfter Schlummer! zu viel begehrt
Das Herz; doch endlich, Jugend! verglühst du ja,
Du ruhelose, träumerische!
Friedlich und heiter ist dann das Alter.
Vom Taue glänzt der Rasen; beweglicher
Eilt schon die wache Quelle; die Buche neigt
Ihr schwankes Haupt und im Geblätter
Rauscht es und schimmert; und um die grauen
Gewölke streifen rötliche Flammen dort,5
Verkündende, sie wallen geräuschlos auf;
Wie Fluten am Gestade, wogen
Höher und höher die Wandelbaren.
Komm nun, o komm, und eile mir nicht zu schnell,
Du goldner Tag, zum Gipfel des Himmels fort!10
Denn offner fliegt, vertrauter dir mein
Auge, du Freudiger! zu, so lang du
[24] In deiner Schöne jugendlich blickst und noch
Zu herrlich nicht, zu stolz mir geworden bist;
Du möchtest immer eilen, könnt ich,15
Göttlicher Wandrer, mit dir! – doch lächelst
Des frohen Übermütigen du, dass er
Dir gleichen möchte; segne mir lieber dann
Mein sterblich Tun und heitre wieder
Gütiger! heute den stillen Pfad mir.20
Lern im Leben die Kunst, im Kunstwerk lerne das Leben,
Siehst du das Eine recht, siehst du das andere auch.
Viele versuchten umsonst das Freudigste freudig zu sagen
Hier spricht endlich es mir, hier in der Trauer sich aus.
Fürchtet den Dichter nicht, wenn er edel zürnet, sein Buchstab
Tötet, aber es macht Geister lebendig der Geist.
Einig zu sein, ist göttlich und gut; woher ist die Sucht denn
Unter den Menschen, dass nur Einer und Eines nur sei?
In seiner Fülle ruhet der Herbsttag nun,
Geläutert ist die Traub und der Hain ist rot
Vom Obst, wenn schon der holden Blüten
Manche der Erde zum Danke fielen.
Und rings im Felde, wo ich den Pfad hinaus5
Den stillen wandle, ist den Zufriedenen
Ihr Gut gereift und viel der frohen
Mühe gewähret der Reichtum ihnen.
Vom Himmel blicket zu den Geschäftigen
Durch ihre Bäume milde das Licht herab,10
Die Freude teilend, denn es wuchs durch
Hände der Menschen allein die Frucht nicht.
Und leuchtest du, o Goldnes, auch mir, und wehst
Auch du mir wieder, Lüftchen, als segnetest
Du eine Freude mir, wie einst, und15
Irrst, wie um Glückliche, mir am Busen?
Einst war ich’s, doch wie Rosen, vergänglich war
Das fromme Leben, ach! und es mahnen noch,
Die blühend mir geblieben sind, die
Holden Gestirne zu oft mich dessen.20
[26] Beglückt, wer, ruhig liebend ein frommes Weib,
Am eignen Herd in rühmlicher Heimat lebt,
Es leuchtet über festem Boden
Schöner dem sicheren Mann sein Himmel.
Denn, wie die Pflanze, wurzelt auf eignem Grund25
Sie nicht, verglüht die Seele des Sterblichen,
Der mit dem Tageslichte nur, ein
Armer, auf heiliger Erde wandelt.
Zu mächtig ach! ihr himmlischen Höhen zieht
Ihr mich empor, bei Stürmen, am heitern Tag30
Fühl ich verzehrend euch im Busen
Wechseln, ihr wandelnden Götterkräfte.
Doch heute lass mich stille den trauten Pfad
Zum Haine gehn, dem golden die Wipfel schmückt
Sein sterbend Laub, und kränzt auch mir die35
Stirne, ihr holden Erinnerungen!
Und dass auch mir zu retten mein sterblich Herz,
Wie andern eine bleibende Stätte sei,
Und heimatlos die Seele mir nicht
Über das Leben hinweg sich sehne,40
Sei du, Gesang, mein freundlich Asyl! sei du
Beglückender! mit sorgender Liebe mir
Gepflegt, der Garten, wo ich, wandelnd
Unter den Blüten, den immerjungen,
In sichrer Einfalt wohne, wenn draußen mir45
Mit ihren Wellen allen die mächt’ge Zeit
Die Wandelbare fern rauscht und die
Stillere Sonne mein Wirken fördert.
[27] Ihr segnet gütig über den Sterblichen
Ihr Himmelskräfte! jedem sein Eigentum,50
O segnet meines auch und dass zu
Frühe die Parze den Traum nicht ende.
O heilig Herz der Völker, o Vaterland!
Allduldend, gleich der schweigenden Mutter Erd,
Und allverkannt, wenn schon aus deiner
Tiefe die Fremden ihr Bestes haben!
Sie ernten den Gedanken, den Geist von dir,5
Sie pflücken gern die Traube, doch höhnen sie
Dich, ungestalte Rebe! dass du
Schwankend den Boden und wild umirrest.
Du Land des hohen ernsteren Genius!
Du Land der Liebe! bin ich der deine schon,10
Oft zürnt ich weinend, dass du immer
Blöde die eigene Seele leugnest.
Doch magst du manches Schöne nicht bergen mir;
Oft stand ich überschauend das holde Grün,
Den weiten Garten hoch in deinen15
Lüften auf hellem Gebirg und sah dich.
An deinen Strömen ging ich und dachte dich,
Indes die Töne schüchtern die Nachtigall
Auf schwanker Weide sang, und still auf
Dämmerndem Grunde die Welle weilte.20
[28] Und an den Ufern sah ich die Städte blühn,
Die Edlen, wo der Fleiß in der Werkstatt schweigt,
Die Wissenschaft, wo deine Sonne
Milde dem Künstler zum Ernste leuchtet.
Kennst du Minervas Kinder? sie wählten sich25
Den Ölbaum früh zum Lieblinge; kennst du sie?
Noch lebt, noch waltet der Athener
Seele, die sinnende, still bei Menschen,
Wenn Platons frommer Garten auch schon nicht mehr
Am alten Strome grünt und der dürft’ge Mann30
Die Heldenasche pflügt, und scheu der
Vogel der Nacht auf der Säule trauert.
O heil’ger Wald! o Attika! traf Er doch
Mit seinem furchtbarn Strahle dich auch, so bald,
Und eilten sie, die dich belebt, die35
Flammen entbunden zum Äther über?
Doch, wie der Frühling, wandelt der Genius
Von Land zu Land. Und wir? ist denn Einer auch
Von unsern Jünglingen, der nicht ein
Ahnden, ein Rätsel der Brust, verschwiege?40
Den deutschen Frauen danket! sie haben uns
Der Götterbilder freundlichen Geist bewahrt,
Und täglich sühnt der holde klare
Friede das böse Gewirre wieder.
Wo sind jetzt Dichter, denen der Gott es gab,45
Wie unsern Alten, freudig und fromm zu sein,
Wo Weise, wie die unsre sind? die
Kalten und Kühnen, die Unbestechbarn!
[29] Nun! sei gegrüßt in deinem Adel, mein Vaterland,
Mit neuem Namen, reifeste Frucht der Zeit!50
Du letzte und du erste aller
Musen, Urania, sei gegrüßt mir!
Noch säumst und schweigst du, sinnest ein freudig Werk,
Das von dir zeuge, sinnest ein neu Gebild,
Das einzig, wie du selber, das aus55
Liebe geboren und gut, wie du, sei –
Wo ist dein Delos, wo dein Olympia,
Dass wir uns alle finden am höchsten Fest? –
Doch wie errät der Sohn, was du den
Deinen, Unsterbliche, längst bereitest?60
Noch freundlichzögernd scheidet vom Auge dir
Das Jahr, und in hesperischer Milde glänzt
Der Winterhimmel über deinen
Gärten, den dichtrischen, immergrünen.
Und da ich deines Festes gedacht’ und sann,5
Was ich dir dankend reichte, da weilten noch
Am Pfade Blumen, dass sie dir zur
Blühenden Krone, du Edle, würden.
Doch Andres beut dir, Größeres, hoher Geist!
Die festlichere Zeit, denn es hallt hinab10
Am Berge das Gewitter, sieh! und
Klar, wie die ruhigen Sterne, gehen
[30] Aus langem Zweifel reine Gestalten auf;
So dünkt es mir; und einsam, o Fürstin! ist
Das Herz der Freigebornen wohl nicht15
Länger im eigenen Glück; denn würdig
Gesellt im Lorbeer ihm der Heroe sich,
Der schöngereifte, echte; die Weisen auch,
Die Unsern sind es wert; sie blicken
Still aus der Höhe des Lebens, die ernsten Alten.20
Geringe dünkt der träumende Sänger sich,
Und Kindern gleich am müßigen Saitenspiel,
Wenn ihn der Edlen Glück, wenn ihn die
Tat und der Ernst der Gewalt’gen aufweckt.
Doch herrlicht mir dein Name das Lied; dein Fest25
Augusta! durft ich feiern; Beruf ist mir’s,
Zu rühmen Höhers, darum gab die
Sprache der Gott und den Dank ins Herz mir.
O dass von diesem freudigen Tage mir
Auch meine Zeit beginne, dass endlich auch30
Mir ein Gesang in deinen Hainen,
Edle! gedeihe, der deiner wert sei.
Geh unter, schöne Sonne, sie achteten
Nur wenig dein, sie kannten dich, Heil’ge, nicht,
Denn mühelos und stille bist du
Über den Mühsamen aufgegangen.
[31] Mir gehst du freundlich unter und auf, o Licht!5
Und wohl erkennt mein Auge dich, herrliches!
Denn göttlich stille ehren lernt ich
Da Diotima den Sinn mir heilte.
O du des Himmels Botin! wie lauscht ich dir!
Dir, Diotima! Liebe! wie sah von dir10
Zum goldnen Tage dieses Auge
Glänzend und dankend empor. Da rauschten
Lebendiger die Quellen, es atmeten
Der dunkeln Erde Blüten mich liebend an,
Und lächelnd über Silberwolken15
Neigte sich segnend herab der Äther.
Wie eng begrenzt ist unsere Tageszeit.
Du warst und sahst und stauntest, schon Abend ist’s,
Nun schlafe, wo unendlich ferne
Ziehen vorüber der Völker Jahre.
Und mancher siehet über die eigne Zeit5
Ihm zeigt ein Gott ins Freie, doch sehnend stehst
Am Ufer du, ein Ärgernis den
Deinen, ein Schatten, und liebst sie nimmer,
Und jene, die du nennst, die Verheißenen,
Wo sind die Neuen, dass du an Freundeshand10
Erwarmst, wo nahn sie, dass du einmal
Einsame Rede, vernehmlich seiest?
[32] Klanglos ist’s, armer Mann, in der Halle dir,
Und gleich den Unbegrabenen, irrest du
Unstet und suchest Ruh und niemand15
Weiß den beschiedenen Weg zu weisen.
Sei denn zufrieden! der Baum entwächst
Dem heimatlichen Boden, aber es sinken ihm
Die liebenden, die jugendlichen
Arme, und trauernd neigt er sein Haupt.20
Des Lebens Überfluss, das Unendliche,
Das um ihn und dämmert, er fasst es nie.
Doch lebt’s in ihm und gegenwärtig,
Wärmend und wirkend, die Frucht entquillt ihm.
Du hast gelebt! auch dir, auch dir25
Erfreuet die ferne Sonne dein Haupt,
Und Strahlen aus der schönern Zeit. Es
Haben die Boten dein Herz gefunden.
Vernommen hast du sie, verstanden die Sprache der Fremdlinge,
Gedeutet ihre Seele! Dem Sehnenden war30
Der Wink genug, und Winke sind
Von alters her die Sprache der Götter.
Und wunderbar, als hätte von Anbeginn
Des Menschen Geist das Werden und Wirken all,
Des Lebens Weise schon erfahren35
Kennt er im ersten Zeichen Vollendetes schon,
Und fliegt, der kühne Geist, wie Adler den
Gewittern, weissagend seinen
Kommenden Göttern voraus,
Wie wenn am Feiertage, das Feld zu sehn
Ein Landmann geht, des Morgens, wenn
Aus heißer Nacht die kühlenden Blitze fielen
Die ganze Zeit und fern noch tönet der Donner,
In sein Gestade wieder tritt der Strom,5
Und frisch der Boden grünt
Und von des Himmels erfreuendem Regen
Der Weinstock trauft und glänzend
In stiller Sonne stehn die Bäume des Haines:
So stehn sie unter günstiger Witterung10
Sie die kein Meister allein, die wunderbar
Allgegenwärtig erzieht in leichtem Umfangen
Die mächtige, die göttlichschöne Natur.
Drum wenn zu schlafen sie scheint zu Zeiten des Jahrs
Am Himmel oder unter den Pflanzen oder den Völkern15
So trauert der Dichter Angesicht auch,
Sie scheinen allein zu sein, doch ahnen sie immer.
Denn ahnend ruhet sie selbst auch.
Jetzt aber tagt’s! Ich harrt und sah es kommen,
Und was ich sah, das Heilige sei mein Wort.20
Denn sie, sie selbst, die älter denn die Zeiten
Und über die Götter des Abends und Orients ist,
Die Natur ist jetzt mit Waffenklang erwacht,
Und hoch vom Äther bis zum Abgrund nieder
Nach festem Gesetze, wie einst, aus heiligem Chaos gezeugt,25
Fühlt neu die Begeisterung sich,
Die Allerschaffende wieder.
Und wie im Aug ein Feuer dem Manne glänzt,
Wenn Hohes er entwarf; so ist
[34] Von neuem an den Zeichen, den Taten der Welt jetzt30
Ein Feuer angezündet in Seelen der Dichter.
Und was zuvor geschah, doch kaum gefühlt,
Ist offenbar erst jetzt,
Und die uns lächelnd den Acker gebauet,
In Knechtsgestalt, sie sind erkannt,35
Die Alllebendigen, die Kräfte der Götter.
Erfrägst du sie? im Liede wehet ihr Geist
Wenn es der Sonne des Tags und warmer Erd
Entwächst, und Wettern, die in der Luft, und andern
Die vorbereiteter in Tiefen der Zeit,40
Und deutungsvoller, und vernehmlicher uns
Hinwandeln zwischen Himmel und Erd und unter den Völkern
Des gemeinsamen Geistes Gedanken sind,
Still endend in der Seele des Dichters,
Dass schnellbetroffen sie, Unendlichem45
Bekannt seit langer Zeit, von Erinnerung
Erbebt, und ihr, von heil’gem Strahl entzündet,
Die Frucht in Liebe geboren, der Götter und Menschen Werk
Der Gesang, damit er beiden zeuge, glückt.
So fiel, wie Dichter sagen, da sie sichtbar50
Den Gott zu sehen begehrte, sein Blitz auf Semeles Haus
Und die göttlichgetroffne gebar,
Die Frucht des Gewitters, den heiligen Bacchus.
Und daher trinken himmlisches Feuer jetzt
Die Erdensöhne ohne Gefahr.55
Doch uns gebührt es, unter Gottes Gewittern,
Ihr Dichter! mit entblößtem Haupte zu stehen,
Des Vaters Strahl, ihn selbst, mit eigner Hand
[35] Zu fassen und dem Volk ins Lied
Gehüllt die himmlische Gabe zu reichen.60
Denn sind nur reinen Herzens,
Wie Kinder, wir, sind schuldlos unsere Hände,
Des Vaters Strahl, der reine versengt es nicht
Und tieferschüttert, die Leiden des Stärkeren
Mitleidend, bleibt in den hochherstürzenden Stürmen65
Des Gottes, wenn er nahet, das Herz doch fest.
Doch weh mir! wenn von
Weh mir!
Und sag ich gleich,
Ich sei genaht, die Himmlischen zu schauen,70
Sie selbst, sie werfen mich tief unter die Lebenden
Den falschen Priester, ins Dunkel, dass ich
Das warnende Lied den Gelehrigen singe.
Dort
Aber in Hütten wohnet der Mensch, und hüllet
sich ein ins verschämte Gewand, denn inniger
ist achtsamer auch und dass er bewahre den Geist,
wie die Priesterin die himmlische Flamme,
dies ist sein Verstand.5
Und darum ist die Willkür ihm und höhere Macht
zu fehlen und zu vollbringen dem Götterähnlichen,
der Güter Gefährlichstes, die Sprache dem Menschen
gegeben, damit er schaffend, zerstörend, und
[36] untergehend, und wiederkehrend zur ewiglebenden,10
zur Meisterin und Mutter, damit er zeuge, was
er sei geerbet zu haben, gelernt von ihr, ihr
Göttlichstes, die allerhaltende Liebe.
Lange lieb ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,
Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,
Du, der Vaterlandsstädte
Ländlichschönste, so viel ich sah.
Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,5
Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
Leicht und kräftig die Brücke,
Die von Wagen und Menschen tönt.
Wie von Göttern gesandt, fesselt’ ein Zauber einst
Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging,10
Und herein in die Berge
Mir die reizende Ferne schien,
Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,
Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,
Liebend unterzugehen,15
In die Fluten der Zeit sich wirft.
Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen
Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn
All ihm nach, und es bebte
Aus den Wellen ihr lieblich Bild.20
[37] Aber schwer in das Tal hing die gigantische,
Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund
Von den Wettern zerrissen;
Doch die ewige Sonne goss
Ihr verjüngendes Licht über das alternde25
Riesenbild, und umher grünte lebendiger
Efeu; freundliche Wälder
Rauschten über die Burg herab.
Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,
An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold,30
Deine fröhlichen Gassen
Unter duftenden Gärten ruhn.
In deinen Tälern wachte mein Herz mir auf
Zum Leben, deine Wellen umspielten mich,
Und all der holden Hügel, die dich
Wanderer! kennen, ist keiner fremd mir.
Auf ihren Gipfeln löste des Himmels Luft5
Mir oft der Knechtschaft Schmerzen; und aus dem Tal,
Wie Leben aus dem Freudebecher,
Glänzte die bläuliche Silberwelle.
Der Berge Quellen eilten hinab zu dir,
Mit ihnen auch mein Herz und du nahmst uns mit,10
Zum stillerhabnen Rhein, zu seinen
Städten hinunter und lust’gen Inseln.
[38] Noch dünkt die Welt mir schön, und das Aug entflieht
Verlangend nach den Reizen der Erde mir,
Zum goldenen Paktol, zu Smirnas15
Ufer, zu Ilions Wald. Auch möcht ich
Bei Sunium oft landen, den stummen Pfad
Nach deinen Säulen fragen, Olympion!
Noch eh der Sturmwind und das Alter
Hin in den Schutt der Athenertempel20
Und ihrer Gottesbilder auch dich begräbt,
Denn lang schon einsam stehst du, o Stolz der Welt,
Die nicht mehr ist. Und o ihr schönen
Inseln Ioniens! wo die Meerluft
Die heißen Ufer kühlt und den Lorbeerwald25
Durchsäuselt, wenn die Sonne den Weinstock wärmt,
Ach! wo ein goldner Herbst dem armen