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Friedrich Hölderlin - die Genialität des Dichters wurde lange nach seinem Tod voll erkannt. Die große Sammlung umfasst Gedichte aus allen Schaffensperioden, darunter u. a. die Oden, Elegien, Hymnen und Nachtgesänge.
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Seitenzahl: 382
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Gedichte
Friedrich Hölderlin
Inhalt:
Gedichte 1784-1800
Gedichte 1800-1804
Oden
Elegien
Hymnen
Nachtgesänge
Gedichte 1806-1843
Gedichte, F. Hölderlin
ISBN 9783960557098
idb, 2016
Uns würdigte einst eurer Weisheit Wille,
Der Kirche Dienst auch uns zu weihn,
Wer, Brüder, säumt, daß er die Schuld des Danks erfülle,
Die wir uns solcher Gnade freun?
Froh eilt der Wanderer, durch dunkle Wälder,
Durch Wüsten, die von Hitze glühn,
Erblickt er nur von fern des Lands beglückte Felder,
Wo Ruh und Friede blühn.
So können wir die frohe Bahn durcheilen,
Weil schon das hohe Ziel uns lacht
Und der Bestimmung Sporn, ein Feind von trägen Weilen,
Uns froh und emsig macht.
Ja, dieses Glück, das, große Mäcenaten,
Ihr schenkt, soll nie ein träger Sinn
Bei uns verdunkeln, nein! verehren Fleiß und Taten,
Und Tugend immerhin.
Euch aber kröne Ruhm und hohe Ehre,
Die dem Verdienste stets gebührt,
Und jeder künftge Tag erhöhe und vermehre
Den Glanz, der euch schon ziert.
Und was ist wohl für euch die schönste Krone?
Der Kirche und des Staates Wohl,
Stets eurer Sorgen Ziel. Wohlan, der Himmel lohne
Euch stets mit ihrem Wohl.
Herr! was bist du, was Menschenkinder?
Jehova du, wir schwache Sünder,
Und Engel sinds, die, Herr, dir dienen,
Wo ewger Lohn, wo Seligkeiten krönen.
Wir aber sind es, die gefallen,
Die sträflich deiner Güte Strahlen
In Grimm verwandelt, Heil verscherzet,
Durch das der Hölle Tod nicht schmerzet.
Und doch, o Herr! erlaubst du Sündern,
Dein Heil zu sehn, wie Väter Kindern,
Erteilst du deine Himmelsgaben,
Die uns, nach Gnade dürstend, laben.
Ruft dein Kind Abba, ruft es Vater,
So bist du Helfer, du Berater,
Wann Tod und Hölle tobend krachen,
So eilst als Vater du zu wachen.
Seid gegrüßt, ihr zufluchtsvolle Schatten,
Ihr Fluren, die ihr einsam um mich ruht;
Du stiller Mond, du hörst, nicht wie Verleumder lauren,
Mein Herz, entzückt von deinem Perlenglanz.
Aus der Welt, wo tolle Toren spotten,
Um leere Schattenbilder sich bemühn,
Flieht der zu euch, der nicht das schimmernde Getümmel
Der eitlen Welt, nein! nur die Tugend liebt.
Nur bei dir empfindt auch hier die Seele,
Wie göttlich sie dereinst wird sein,
Die Freude, deren falschem Schein so viel Altäre,
So viele Opfer hier gewidmet sind.
Weit hinauf, weit über euch, ihr Sterne,
Geht sie entzückt mit heilgem Seraphsflug;
Sieht über euch herab mit göttlich heilgem Blicke,
Auf ihre Erd, da wo sie schlummernd ruht....
Goldner Schlaf, nur dessen Herz zufrieden
Wohltätger Tugend wahre Freude kennt,
Nur der fühlt dich. – Hier stellst du dürftig schwache Arme,
Die seine Hülfe suchen, vor ihn hin.
Schnell fühlt er des armen Bruders Leiden;
Der arme weint, er weinet auch mit ihm;
Schon Trost genug! Doch spricht er, gab Gott seine Gaben
Nur mir? nein, auch für andre lebe ich. –
Nicht von Stolz, noch Eitelkeit getrieben,
Kleidt er den Nackten dann, und sättigt den,
Dem blasse Hungersnot sein schwach Gerippe zählet;
Und himmlisch wird sein fühlend Herz entzückt.
So ruht er, allein des Lasters Sklaven
Quält des Gewissens bange Donnerstimm,
Und Todesangst wälzt sie auf ihren weichen Lagern,
Wo Wollust selber sich die Rute hält.
O lächle fröhlich unschuldsvolle Freuden,
Ja, muntrer Knabe, freue dich,
Und unbekümmert, gleich dem Lamm auf Frühlingsheiden,
Entwickeln deine Keime sich.
Nicht Sorgen und kein Heer von Leidenschaften
Strömt über deine Seele hin;
Du sahst noch nicht, wie tolle Toren neidisch gafften,
Wann sie die Tugend sehen blühn.
Dich sucht noch nicht des kühnen Lästrers Zunge:
Erst lobt sie, doch ihr Schlangengift
Verwandelt bald das Lob, das sie so glänzend sunge,
In Tadel, welcher tödlich trifft.
Du glaubst mir nicht, daß diese schöne Erde
So viele Unzufriedne trägt,
Daß nicht der Welt, der dich der Schöpfer gab, Beschwerde,
Nur eigner Kummer Seufzen regt.
So folge ihr, du edle gute Seele,
Wohin dich nur die Tugend treibt,
Sprich: Welt! kein leerer Schatten ists, das ich mir wähle,
Nur Weisheit, die mir ewig bleibt.
Horat. Deformis aegrimonia.
»Schicksal! unglücksvolle Leiden
Heißt du Sterblichen die Freuden,
Die die steile Laufbahn hat,
Grausam rauben. Bange Tränen,
Die sich nach der Bahre sehnen,
Zu erzwingen ist dein Rat.«
Hu! der Kauz! wie er heult,
Wie sein Furchtgeschrei krächt.
Erwürgen – ha! du hungerst nach erwürgtem Aas,
Du naher Würger, komme, komme.
Sieh! er lauscht, schnaubend Tod –
Ringsum schnarchet der Hauf,
Des Mordes Hauf, er hörts, er hörts, im Traume hört' ers,
Ich irre, Würger, schlafe, schlafe.
Viel, viel sind meiner Tage
Durch Sünd entweiht gesunken hinab.
O, großer Richter, frage
Nicht wie, o lasse ihr Grab
Erbarmende Vergessenheit,
Laß, Vater der Barmherzigkeit,
Das Blut des Sohns es decken.
Ach wenig sind der Tage
Mit Frömmigkeit gekrönt entflohn,
Sie sinds, mein Engel, trage
Sie vor des Ewigen Thron,
Laß schimmern die geringe Zahl,
Daß einsten mich des Richters Wahl
Zu seinen Frommen zähle.
Adramelechs Grimm erwachte, des Höllenbewohners:
Hölle, sinke tiefer hinab, Adramelech wütet,
Staune, Satan du, verzweifle, König der Hölle,
Nur Adramelech bleibt groß – entdeck ich die großen Entwürfe
Dann und meine Gedanken, die den Olympus beherrschen,
Seinen Rat vereiteln, wie werden die Schwächere gaffen,
Satan wird vom Thron mit neidischem Stolze herabschaun,
Du Jehova sollst bald in deinem richtenden Grimme –
Dieses dein Israël soll dein Rachedonner zerschmettern,
Oder Mein Geist ist hin – verloren des mächtigsten Kräfte.
So sprach er – und kehrte mit Wut zur Hölle zurücke.
Sein verschlagener Stolz versammelte alle Gestalten,
Alle Schrecken des Tods um sich her, um seines Regenten
Schreckenvolle Pracht an sich den Geistern zu zeigen.
Und so fuhr er ein, die zitternde Geister der Pforte
Öffneten ihre knarrende Tore weit auf, mit Erstaunen
Sahn sie seine schreckbare Wut, mit flammendem Zorne,
Wie nur selten Satan ergrimmt, deckt' er die höllische Ränke...
Erhaben glänzend sieht, und wie ein Gott
Auf seine Scharen Alexander hin,
Wo jeder Spieß dem weit zerstreuten Feind
Vereint durch gleichen Mut die Flucht empfiehlt.
Sein scharfer Heldenblick belebt das Heer,
Das jede drohende Gefahr vergißt.
Sein rasches Pferd, das Siegesfreude schnaubt,
Trägt ihn durch ihre Glieder; dann spricht er:
Ihr Mazedonier, ihr deren Mut
Athen einst, das an Tapferkeit euch glich,
Unwissend schwacher Flucht, bezwang:
O tapfre Krieger, die ihr Philipps Thron
Befestigtet, um auch mir treu zu sein!
Es hob sich euer Schwert, ihr wart nicht mehr
Mit dichten Mauren, voll von Tod, umringt.
Erst fiel Böotien; die stärkste Stadt
Daraus (stark war der Mauren Wehr)
Auch sie fiel gänzlich unter euren Fuß. –
Und, Krieger, wie begierig waret ihr,
Weit von dem Hellespont im Orient
Euch Siege zu bereiten; mutig flog
Die Zierde meines Reichs mir zu, um treu
Kein Schwert des Kriegs, und nicht Gefahr zu scheun.
Und nun, ihr tapfre Mazedonier,
Hier ist der Sieg, hier eures Muts Triumph –
Der Sieg, der schon aus euren Augen blickt,
Wird des Tyrannen hartes Sklavenjoch,
Womit er all dies Volk despotisch plagt,
Zerreißen, und ihr, Freunde, werdet sein
Und jedes Name wie einst Herkules.
Seht, wie ein jedes Volk euch Sieger nennt,
Wie es gehorsam euern Arm verehrt,
Der keine Fesseln braucht; ein jeder dient
Euch willig. – Kinder, glaubts, kein Thrazien,
Kein steinigtes Illyrien wirds sein,
Nein! Baktra, und das schöne Indien,
Des Ganges Fluren sind der Sieger Sitz:
Da ist der Lohn der Sieger Überfluß.
O! Helden! seht, wie euer schöner Sieg,
Wie er zu glänzen angefangen hat:
Seht, euer Rücken, nie von Flucht befleckt,
Hat lauter Ruhmstrophäen hinter sich.
Und du, mutvolle Schar von Griechenland,
Du wirst zu deinen Füßen ausgestreckt
Die Schößlinge von Xerxes Übermut
Und all die grausame Verwüster sehn.
Dein Vaterland, dein Wohnsitz – war er dein?
Wem war die Quelle deines Wanderers,
Wem deine Saat? – war sie des Schweißes Lohn,
Den ihrer Mutter Bau dich kostete? –
Sie sinds, durch ihre Menge fiel dein Volk;
Der Götter Hallen, welche du verehrst,
Und deren Heiligkeit nur sonst der Raub
Zum Schauer anderer antastete,
Die lagen da, verheert, von Blut bespritzt,
Und von der Asche deiner Stadt bedeckt.
Ihr, Söhne Thraziens, ihr deren Hand
Nur tapfre Waffen eures Sieges kennt,
Seht, wie der Feind von Gold belastet ist,
Euch, Brüder, ziert es besser, denens nicht
Die Weichlichkeit als Sklaven geben wird,
Euch mahnts an euern Mut, an euren Sieg.
Geht, raubt den Memmen ihre Last, ihr Gold,
Bewohnt, statt eurer nackten Hügel Eis
Und alt bemooste Felsen, eures Feinds
Vergnügenvoller Fluren Fruchtbarkeit.
Menschen, Menschen! was ist euer Leben,
Eure Welt, die tränenvolle Welt,
Dieser Schauplatz, kann er Freuden geben,
Wo sich Trauern nicht dazu gesellt?
O! die Schatten, welche euch umschweben,
Die sind euer Freudenleben.
Tränen, fließt! o fließet, Mitleidstränen,
Taumel, Reue, Tugend, Spott der Welt,
Wiederkehr zu ihr, ein neues Sehnen,
Banges Seufzen, das die Leiden zählt,
Sind der armen Sterblichen Begleiter,
O, nur allzu wenig heiter!
Banger Schauer faßt die trübe Seele,
Wenn sie jene Torenfreuden sieht,
Welt, Verführung, manches Guten Hölle,
Flieht von mir, auf ewig immer flieht!
Ja gewiß, schon manche gute Seele hat, betrogen,
Euer tötend Gift gesogen.
Wann der Sünde dann ihr Urteil tönet,
Des Gewissens Schreckensreu sie lehrt,
Wie die Lasterbahn ihr Ende krönet,
Schmerz, der ihr Gebein versehrt!
Dann sieht das verirrte Herz zurücke;
Reue schluchzen seine Blicke.
Und die Tugend bietet ihre Freuden
Gerne Mitleid lächelnd an,
Doch die Welt – bald streut sie ihre Leiden
Auch auf die zufrieden heitre Bahn:
Weil sie dem, der Tugendfreuden kennet,
Sein zufrieden Herz nicht gönnet.
Tausend mißgunstvolle Lästerungen
Sucht sie dann, daß ihr die Tugend gleicht;
Beißend spotten dann des Neides Zungen,
Bis die arme Unschuld ihnen weicht;
Kaum verflossen etlich Freudentage,
Sieh, so sinkt der Tugend Waage.
Etlich Kämpfe – Tugend und Gewissen –
Nur noch schwach bewegen sie das Herz,
Wieder umgefallen! – und es fließen
Neue Tränen, neuer Schmerz!
O du Sünde, Dolch der edlen Seelen,
Muß denn jede dich erwählen?
Schwachheit, nur noch etlich Augenblicke,
So entfliehst du, und dann göttlich schön
Wird der Geist verklärt, ein beßres Glücke
Wird dann glänzender mein Auge sehn;
Bald umgibt dich, unvollkommne Hülle,
Dunkle Nacht, des Grabes Stille.
Herr der Welten! der du deinen Menschen
Leuchten läßt so liebevoll dein Angesicht,
Lächle, Herr der Welten! auch des Beters Erdenwünschen,
O du weißt es! sündig sind sie nicht.
Ich will beten für die lieben Meinen,
Wie dein großer Sohn für seine Jünger bat –
O auch Er, er konnte Menschentränen weinen,
Wann er betend für die Menschen vor dich trat –
Ja! in seinem Namen will ich beten,
Und du zürnst des Beters Erdewünschen nicht,
Ja! mit freiem, offnem Herzen will ich vor dich treten,
Sprechen will ich, wie dein Luther spricht. –
Bin ich gleich vor dir ein Wurm, ein Sünder –
Floß ja auch für mich das Blut von Golgatha –
O! ich glaube! Guter! Vater deiner Kinder!
Glaubend, glaubend tret ich deinem Throne nah.
Meine Mutter! – o mit Freudentränen
Dank ich, großer Geber, lieber Vater! dir,
Mir o mir, dem glücklichsten von tausend andern Söhnen,
Ach die beste Mutter gabst du mir.
Gott! ich falle nieder mit Entzücken,
Welches ewig keine Menschenlippe spricht,
Tränend kann ich aus dem Staube zu dir blicken –
Nimm es an, das Opfer! mehr vermag ich nicht! –
Ach als einst in unsre stille Hütte,
Furchtbarer! herab dein Todesengel kam,
Und den Jammernden, den Flehenden aus ihrer Mitte
Ewigteurer Vater! dich uns nahm,
Als am schröcklich stillen Sterbebette
Meine Mutter sinnlos in dem Staube lag –
Wehe! noch erblick ich sie, die Jammerstätte,
Ewig schwebt vor mir der schwarze Sterbetag –
Ach! da warf ich mich zur Mutter nieder,
Heischerschluchzend blickte ich an ihr hinauf;
Plötzlich bebt' ein heilger Schauer durch des Knaben Glieder,
Kindlich sprach ich – Lasten legt er auf,
Aber o! er hilft ja auch, der gute –
Hilft ja auch der gute, liebevolle Gott – –
Amen! amen! noch erkenn ichs! deine Rute
Schläget väterlich! du hilfst in aller Not!
O! so hilf, so hilf in trüben Tagen,
Guter, wie du bisher noch geholfen hast,
Vater! liebevoller Vater! hilf, o hilf ihr tragen,
Meiner Mutter – jede Lebenslast.
Daß allein sie sorgt die Elternsorgen!
Einsam jede Schritte ihres Sohnes wägt!
Für die Kinder jeden Abend, jeden Morgen –
Ach! und oft ein Tränenopfer vor dich legt!
Daß sie in so manchen trüben Stunden
Über Witwenquäler in der Stille weint!
Und dann wieder aufgerissen bluten alle Wunden,
Jede Traurerinnrung sich vereint!
Daß sie aus den schwarzen Leichenzügen
Oft so schmerzlich hin nach seinem Grabe sieht!
Da zu sein wünscht, wo die Tränen all versiegen,
Wo uns jede Sorge, jede Klage flieht.
O so hilf, so hilf in trüben Tagen,
Guter! wie du bisher noch geholfen hast!
Vater! liebevoller Vater! hilf, o hilf ihr tragen,
Sieh! sie weinet! – jede Lebenslast.
Lohn ihr einst am großen Weltenmorgen
All die Sanftmut, all die treue Sorglichkeit,
All die Kümmernisse, all die Muttersorgen,
All die Tränenopfer ihrer Einsamkeit.
Lohn ihr noch in diesem Erdenleben
Alles, alles, was die Teure für uns tat.
O! ich weiß es froh, du kannst, du wirst es geben,
Wirst dereinst erfüllen, was ich bat.
Laß sie einst mit himmlisch hellem Blicke,
Wann um sie die Tochter – Söhne – Enkel stehn, –
Himmelan die Hände faltend, groß zurücke
Auf der Jahre schöne Strahlenreihe sehn.
Wann sie dann entflammt im Dankgebete
Mit uns in den Silberlocken vor dir kniet,
Und ein Engelschor herunter auf die heilge Stätte
Mit Entzücken in dem Auge sieht,
Gott! wie soll dich dann mein Lied erheben!
Halleluja! Halleluja! jauchz ich dann;
Stürm aus meiner Harfe jubelnd Leben;
Heil dem großen Geber! ruf ich himmelan.
Auch für meine Schwester laß mich flehen,
Gott! du weißt es, wie sie meine Seele liebt,
Gott! du weißt es, kennest ja die Herzen, hast gesehen,
Wie bei ihren Leiden sich mein Blick getrübt. –
Unter Rosen, wie in Dornengängen,
Leite jeden ihrer Tritte himmelan.
Laß die Leiden sie zur frommen Ruhe bringen,
Laß sie weise gehn auf heitrer Lebensbahn.
Laß sie früh das beste Teil erwählen,
Schreib ihrs tief in ihren unbefangnen Sinn,
Tief – wie schön – die Himmelsblume blüht in jungen Seelen,
Christuslieb und Gottesfurcht, wie schön!
Zeig ihr deiner Weisheit reinre Wonne,
Wie sie hehrer deiner Wetter Schauernacht,
Heller deinen Himmel, schöner deine Sonne,
Näher deinem Throne die Gestirne macht,
Wie sie in das Herz des Kämpfers Frieden,
Tränen in des bangen Dulders Auge gibt –
Wie dann keine Stürme mehr das stille Herz ermüden,
Keine Klage mehr die Seele trübt;
Wie sie frei einher geht im Getümmel,
Ihr vor keinem Spötter, keinem Hasser graut,
Wie ihr Auge, helleschimmernd, wie dein Himmel,
Schröckend dem Verführer in das Auge schaut.
Aber Gott! daß unter Frühlingskränzen
Oft das feine Laster seinen Stachel birgt –
Daß so oft die Schlange unter heitern Jugendtänzen
Wirbelt, und so schnell die Unschuld würgt – !
Schwester! Schwester! reine gute Seele!
Gottes Engel walte immer über dir!
Häng dich nicht an diese Schlangenhöhle,
Unsers Bleibens ist – Gott seis gedankt! nicht hier.
Und mein Carl – – o! Himmelsaugenblicke! –
O du Stunde stiller, frommer Seligkeit! –
Wohl ist mir! ich denke mich in jene Zeit zurücke –
Gott! es war doch meine schönste Zeit.
(O daß wiederkehrten diese Tage!
O daß noch so unbewölkt des Jünglings Herz,
Noch so harmlos wäre, noch so frei von Klage,
Noch so ungetrübt von ungestümem Schmerz!)
Guter Carl! – in jenen schönen Tagen
Saß ich einst mit dir am Neckarstrand.
Fröhlich sahen wir die Welle an das Ufer schlagen,
Leiteten uns Bächlein durch den Sand.
Endlich sah ich auf. Im Abendschimmer
Stand der Strom. Ein heiliges Gefühl
Bebte mir durchs Herz; und plötzlich scherzt ich nimmer,
Plötzlich stand ich ernster auf vom Knabenspiel.
Bebend lispelt ich: wir wollen beten!
Schüchtern knieten wir in dem Gebüsche hin.
Einfalt, Unschuld wars, was unsre Knabenherzen redten –
Lieber Gott! die Stunde war so schön.
Wie der leise Laut dich Abba! nannte!
Wie die Knaben sich umarmten! himmelwärts
Ihre Hände streckten! wie es brannte –
Im Gelübde, oft zu beten – beeder Herz!
Nun, mein Vater! höre, was ich bitte;
Ruf ihm oft ins Herz, vor deinen Thron zu gehn;
Wann der Sturm einst droht, die Woge rauscht um seine Tritte,
O so mahne ihn, zu dir zu flehn.
Wann im Kampf ihm einst die Arme sinken,
Bang nach Rettung seine Blicke um sich sehn,
Die Vernunft verirrte Wünsche lenken,
O so mahne ihn dein Geist, zu dir zu flehn.
Wenn er einst mit unverdorbner Seele
Unter Menschen irret, wo Verderber spähn,
Und ihm süßlich scheint der Pesthauch dieser Schlangenhöhle,
O! so mahne ihn, zu dir zu flehn.
Gott! wir gehn auf schwerem, steilem Pfade,
Tausend fallen, wo noch zehen aufrecht stehn, –
Gott! so leite ihn mit deiner Gnade,
Mahn ihn oft durch deinen Geist, zu dir zu flehn.
O! und sie im frommen Silberhaare,
Der so heiß der Kinder Freudenträne rinnt,
Die so groß zurückblickt auf so viele schöne Jahre,
Die so gut, so liebevoll mich Enkel nennt,
Die, o lieber Vater! deine Gnade
Führte durch so manches rauhe Distelnfeld,
Durch so manche dunkle Dornenpfade –
Die jetzt froh die Palme hofft, die sie erhält –
Laß, o laß sie lange noch genießen
Ihrer Jahre lohnende Erinnerung,
Laß uns alle jeden Augenblick ihr süßen,
Streben, so wie sie, nach Heiligung.
Ohne diese wird dich niemand sehen,
Ohne diese trifft uns dein Gericht;
Heilge mich! sonst muß ich draußen stehen,
Wann die Meinen schaun dein heilig Angesicht.
Ja! uns alle laß einander finden,
Wo mit Freuden ernten, die mit Tränen säen,
Wo wir mit Eloa unser Jubellied verbinden,
Ewig, ewig selig vor dir stehn.
O! so ende bald, du Bahn der Leiden!
Rinne eilig, rinne eilig, Pilgerzeit!
Himmel! schon empfind ich sie, die Freuden –
Deine – Wiedersehen froher Ewigkeit!
Du gute Stella! wähnest du mich beglückt,
Wann ich im Tale still und verlassen, und
Von dir vergessen wandle, wann in
Flüchtigen Freuden dein Leben hinhüpft?
Schon oft, wenn meine Brüder, die Glückliche,
So harmlos schliefen, blickt ich hinauf, und fragt
Im Geiste, ob ich glücklich seie –
Bin ich ein glücklicher Jüngling, Stella?
Es streut der Schöpfer seliges Lächeln oft
In meine Tage, gibt mir der heiligen
Empfindungen, der Freuden, recht zu
Handeln, so viele, der gute Schöpfer:
Doch gibt es Wünsche, denen der Spötter höhnt –
O Stella! du nicht! höhne dem Armen nicht! –
Gibt unerfüllte Wünsche – – Tugend,
Hehre Gefährtin! du kennst die Wünsche.
Ach laß mich weinen! – nein! ich will heiter sein!
Ist ja nimmer gewünscht wird, wo
Der Sterbliche sein Schicksal preiset, –
Dort ist es, wo ich dich wiedersehe.
Und stürb ich erst mit grauem, gebeugtem Haupt
Nach langem Sehnen, endlich erlöst zu sein,
Und sähe dich als Pilger nimmer,
Stella! so seh ich dich jenseits wieder.
Dir flüsterts leise – Nachtigall! dir allein,
Dir, süße Tränenweckerin! sagt es nur
Die Saite. – Stellas wehmutsvoller
Seufzer – er raubte mein Herz – dein Kehlchen –
Es klagte – o! es klagte – wie Stella ists.
Starr sah ich hin beim Seufzer, wie, als dein Lied
Am liebevollsten schlug, am schönsten
Aus der melodischen Kehle strömte.
Dann sah ich auf, sah bebend, ob Stellas Blick
Mir lächle – ach! ich suche dich, Nachtigall!
Und du verbirgst dich. – Wem, o Stella!
Seufztest du? Sangest du mir, du süße?
Doch nein! doch nein! ich will es ja nicht, dein Lied,
Von ferne will ich lauschen – o! singe dann!
Die Seele schläft – und plötzlich schlägt die
Brust mir empor zum erhabnen Lorbeer.
O Stella! sag es! sag es! – ich bebe nicht! –
Es tötete die Wonne, geliebt zu sein,
Den Schwärmer. – Aber tränend will ich
Deinen beglückten Geliebten segnen.
Freund! wo über das Tal schauerlich Wald und Fels
Herhängt, wo das Gefild leise die Erms durchschleicht,
Und das Reh des Gebürges
Stolz an ihrem Gestade geht –
Wo im Knabengelock heiter und unschuldsvoll
Wenge Stunden mir einst lächelnd vorüberflohn –
Dort sind Hütten des Segens,
Freund! – du kennest die Hütten auch;
Dort am schattichten Hain wandelt Amalia.
Segne, segne mein Lied, kränze die Harfe mir,
Denn sie nannte den Namen,
Den, du weißts, des Getümmels Ohr
Nicht zu kennen verdient. Stille, der Tugend nur
Und der Freundschaft bekannt, wandelt die Gute dort.
Liebes Mädchen, es trübe
Nie dein himmlisches Auge sich.
womit bei der höchstbeglückten Ankunft
Ihro herzoglichen Durchlaucht
der Frau Herzogin von Württemberg
Franziska
in dem Kloster Maulbronn
seine untertänigste und tiefste Devotion
bezeugen
und sich Höchstdero Durchlaucht zu höchster
Huld und Gnaden untertänigst empfehlen wollte
Joh. Christian Friedrich Hölderlin.
Lang wars der heiße inniggefühlte Wunsch
Des Jünglings, lange – ! oft der Gedank der Stund,
Die feurig hinwies zur Vollkommenheit –
Wie ihm im Busen glühe die Ehrfurcht,
Dirs hinzusagen! Aber der deutscheren
Gemütseröffnung winkte mit zärtlichem –
Mit ihrem Mutterblick die Sittsamkeit
Stille zu stehn – dem strömenden Danke.
Du kommst – jetzt winke gutgemeint immerhin
Die Sittsamkeit! Die Lippe bebt nimmer mir!
Franziska ists, Franziska! Ha, es bebt
Nimmer die Lippe furchtsames Stammeln!
Weh über dich, du Menschenfeind, grausamer
Bedrücker du des Schwächeren neben dir!
Dems zu alltäglich ist, vom Jammerblick,
Von dem entblößten Hungergerippe
Erweicht zu werden – Schaue die liebende
Erhalterin, wie ringsum sie Lächeln streut!
Schon sank der Pilger dort der Grube zu;
Wie er so ruhig jetzt auf die Leiden
Zurückblickt! Dann du rettetest ihn, dann du,
Franziska, gossest Balsam ihm in die Wund! – –
Zu weit hab ich den Mund schon aufgetan,
Siehe, die Lippe bebt, ich verstumme. – –
Es sags der Greis nur, welchem der Lorbeerlohn
Am glänzendsten die Stirne umfließt! Es sei
Franziska ihm der letzte Erdgedank,
Und er entsinke ruhig dem Stabe.
Und Carln die tätge Hände zu weihen, sei
Des Mannes erster feurigster Trieb! und dann –
Ists auch dem Jüngling dann gegönnt, für Carln
Leb er hienieden, leise zu denken?
An Stella
Stella! ach! wir leiden viel! wann nur das Grab –
Komme! komme, kühles Grab! nimm uns beide!
Siehe Stellas Tränen, komme,
Kühles, ruhiges Grab.
O ihr Menschen! o so gerne wollt ich euch
Alle lieben, warm und treu! o ihr Menschen,
Sehet, diese Stella haßt ihr!
Gott vergebe es euch!
Reißt sie nur hinweg von mir! Quäler! ihr!
Ich will schweigen – Gott – Gott wird reden.
Lebe wohl – ich sterbe bald – O
Stella! Stella, vergiß mich.
Viele Wonnenaugenblicke gabst du mir –
Vater, Vater! bebt ich oft auf zum Ewgen,
Sieh, ich liebe sie so rein, dein Auge,
Vater, sieht ja mein Herz.
Stella! weinen werd ich bis ans Grab um dich,
Weinen, Stella, du um mich – weinen! aber
Am Gerichtstag will ichs sagen
Vorm versammelten Erdkreis:
Diese sinds, die Stella quälten – aber nein!
Gott im Himmel! nein! vergib diesen Quälern.
Laß mich sterben – oder tragen
Diese Leiden – mein Gott.
Mädchen! die ihr mein Herz, die ihr mein Schicksal kennt,
Und das Auge, das oft Tränen im Tale weint
In den Stunden des Elends –
Dies mein traurendes Auge seht!
In der Stille der Nacht denket an euch mein Lied,
Wo mein ewiger Gram jeglichen Stundenschlag,
Welcher näher mich bringt dem
Trauten Grabe, mit Dank begrüßt.
Aber daß ich mein Herz redlich und treu, und rein
Im Gewirre der Welt, unter den Lästerern
Treu und rein es behielt, ist
Himmelswonne dem Leidenden.
Mädchen! bleibet auch ihr redlich und rein und treu!
Gute Seelen! Vielleicht wartet auf euch ein Los,
Das dem meinigen gleicht. Dann
Stärkt im Leiden auch euch mein Trost.
O Freunde! Freunde! die ihr so treu mich liebt!
Was trübet meine einsame Blicke so?
Was zwingt mein armes Herz in diese
Wolkenumnachtete Totenstille?
Ich fliehe euren zärtlichen Händedruck,
Den seelenvollen, seligen Bruderkuß.
O zürnt mir nicht, daß ich ihn fliehe!
Schaut mir ins Innerste! Prüft und richtet! –
Ists heißer Durst nach Männervollkommenheit?
Ists leises Geizen um Hekatombenlohn?
Ists schwacher Schwung nach Pindars Flug? ists
Kämpfendes Streben nach Klopstocksgröße?
Ach Freunde! welcher Winkel der Erde kann
Mich decken, daß ich ewig in Nacht gehüllt
Dort weine? Ich erreich ihn nie, den
Weltenumeilenden Flug der Großen.
Doch nein! hinan den herrlichen Ehrenpfad!
Hinan! hinan! im glühenden kühnen Traum
Sie zu erreichen; muß ich einst auch
Sterbend noch stammeln: Vergeßt mich, Kinder!
Wohl mir! daß ich den Schwarm der Toren nimmer erblicke,
Daß jetzt unumwölkter der Blick zu den Lüften emporschaut,
Freier atmet die Brust dann in den Mauren des Elends,
Und den Winkeln des Trugs. O! schöne, selige Stunde!
Wie getrennte Geliebte nach langentbehrter Umarmung
In die Arme sich stürzen, so eilt ich herauf auf die Heide,
Mir ein Fest zu bereiten auf meiner einsamen Heide.
Und ich habe sie wieder gefunden, die stille Freuden
Alle wieder gefunden, und meine schattigten Eichen
Stehn noch eben so königlich da, umdämmern die Heide
Noch in alten stattlichen Reihn, die schattigten Eichen.
Jedesmal wandelt an meinen tausendjährigen Eichen
Mit entblößtem Haupt der Jäger vorüber, dann also
Heischet die ländliche Sage; denn unter den stattlichen Reihen
Schlummern schon lange gefallene Helden der eisernen Vorzeit.
Aber horch! was rauschet herauf im schwarzen Gebüsche?
Bleibe ferne! Störer des Sängers! – aber siehe,
Siehe! – wie herrlich! wie groß! ein hochgeweihetes Hirschheer
Wandelt langsam vorüber – hinab nach der Quelle des Tales. –
O! jetzt kenn ich mich wieder, der menschenhassende Trübsinn
Ist so ganz, so ganz aus meinem Herzen verschwunden.
Wär ich doch ewig fern von diesen Mauren des Elends,
Diesen Mauren des Trugs! – Es blinken der Riesenpaläste
Schimmernde Dächer herauf, und die Spitzen der alternden Türme,
Wo so einzeln stehn die Buchen und Eichen; es tönet
Dumpf vom Tale herauf das höfische Wagengerassel
Und der Huf der prangenden Rosse – – Höflinge! bleibet,
Bleibet immerhin in eurem Wagengerassel,
Bückt euch tief auf den Narrenbühnen der Riesenpaläste,
Bleibet immerhin! – Und ihr, ihr Edlere, kommet!
Edle Greise und Männer, und edle Jünglinge, kommet!
Laßt uns Hütten baun – des echten germanischen Mannsinns
Und der Freundschaft Hütten auf meiner einsamen Heide.
Da steh ich auf dem Hügel, und schau umher,
Wie alles auflebt, alles empor sich dehnt,
Und Hain und Flur, und Tal, und Hügel
Jauchzet im herrlichen Morgenstrahle.
O diese Nacht – da bebtet ihr, Schöpfungen!
Da weckten nahe Donner die Schlummernde,
Da schreckten im Gefilde grause
Zackigte Blitze die stille Schatten.
Jetzt jauchzt die Erde, feiert im Perlenschmuck
Den Sieg des Tages über das Graun der Nacht –
Doch freut sich meine Seele schöner;
Denn sie besiegt der Vernichtung Grauen.
Denn – o ihr Himmel! Adams Geschlechte sinds,
Die diese Erd im niedrigen Schoße trägt –
O betet an, Geschlechte Adams!
Jauchzet mit Engeln, Geschlechte Adams!
O ihr seid schön, ihr herrliche Schöpfungen!
Geschmückt mit Perlen blitzet das Blumenfeld;
Doch schöner ist des Menschen Seele,
Wenn sie von euch sich zu Gott erhebet.
O, dich zu denken, die du aus Gottes Hand
Erhaben über tausend Geschöpfe gingst,
In deiner Klarheit dich zu denken,
Wenn du zu Gott dich erhebst, o Seele!
–––––––––––
Ha! diese Eiche – strecket die stolze nicht
Ihr Haupt empor, als stünde sie ewig so?
Und drohte nicht Jehovas Donner,
Niederzuschmettern die stolze Eiche?
Ha! diese Felsen – blicken die stolze nicht
Hinab ins Tal, als blieben sie ewig so?
Jahrhunderte – und an der Stelle
Malmet der Wandrer zu Staub das Sandkorn.
Und meine Seele – wo ist dein Stachel, Tod?
O beugt euch, Felsen! neiget euch ehrfurchtsvoll,
Ihr stolze Eichen! – hörts und beugt euch!
Ewig ist, ewig des Menschen Seele.
Mit grausem Zischen brauset der Sturm daher,
Ich komme, spricht er, und das Gehölze kracht
Und Türme wanken, Städte sinken,
Länder zerschmettern, wenn ich ergrimme.
Doch – wandelt nicht in Schweigen der Winde Dräun?
Macht nicht ein Tag die brausende atemlos?
Ein Tag, ein Tag, an dem ein andrer
Sturm der Verwesten Gebeine sammelt.
Zum Himmel schäumt und woget der Ozean
In seinem Grimm, der Sonnen und Monde Heer
Herab aus ihren Höhn, die stolze,
Niederzureißen in seine Tiefen.
Was bist du, Erde? hadert der Ozean,
Was bist du? streck ich nicht, wie die Fittige
Aufs Reh der Adler, meine Arme
Über die Schwächliche aus? – Was bist du,
Wenn nicht zur Sonne segnend mein Hauch sich hebt,
Zu tränken dich mit Regen und Morgentau?
Und wann er sich erhebt, zu nahn in
Mitternachtswolken, zu nahn mit Donnern,
Ha! bebst du nicht, Gebrechliche? bebst du nicht? –
Und doch! vor jenem Tage verkriechet sich
Das Meer, und seiner Wogen keine
Tönt in die Jubel der Auferstehung.
Wie herrlich, Sonne! wandelst du nicht daher!
Dein Kommen und dein Scheiden ist Widerschein
Vom Thron des Ewigen; wie göttlich
Blickst du herab auf die Menschenkinder.
Der Wilde gafft mit zitternden Wimpern dich,
O Heldin, an, von heiligen Ahndungen
Durchbebt, verhüllt er schnell sein Haupt und
Nennet dich Gott, und erbaut dir Tempel.
Und doch, o Sonne! endet dereinst dein Lauf,
Verlischt an jenem Tage dein hehres Licht.
Doch wirbelt sie an jenem Tage
Rauchend die Himmel hindurch, und schmettert.
O du Entzücken meiner Unsterblichkeit!
O kehre du Entzücken! du stärkest mich!
Daß ich nicht sinke, in dem Graun der
Großen Vernichtungen nicht versinke.
Wenn all dies anhebt – fühle dich ganz, o Mensch!
Da wirst du jauchzen: Wo ist dein Stachel, Tod?
Dann ewig ist sie – tönt es nach, ihr
Harfen des Himmels, des Menschen Seele.
O Seele! jetzt schon bist du so wundervoll!
Wer denkt dich aus? daß, wann du zu Gott dich nahst,
Erhabne, mir im Auge blinket
Deine Erhabenheit – daß du, Seele!
Wann auf die Flur das irdische Auge blickt,
So süß, so himmlisch dann dich in mir erhebst –
Wer sah, was Geist an Körper bindt, wer
Lauschte die Sprache der Seele mit den
Verwesungen? – O Seele, schon jetzt bist du
So groß, so himmlisch, wann du von Erdentand
Und Menschendruck entlediget in
Großen Momenten zu deinem Urstoff
Empor dich schwingst. Wie Schimmer Eloas Haupt
Umschwebt der Umkreis deiner Gedanken dich,
Wie Edens goldne Ströme reihen
Deine Betrachtungen sich zusammen.
Und o! wie wirds einst werden, wann Erdentand
Und Menschendruck auf ewig verschwunden ist,
Wann ich an Gottes – Gottes Throne
Bin, und die Klarheit des Höchsten schaue.
Und weg ihr Zweifel! quälendes Seelengift!
Hinweg! der Seele Jubel ist Ewigkeit! –
Und ist ers nicht, so mag noch heute
Tod und Verderben des Lebens große
Gesetze niedertrümmern, so mag der Sohn
In seinem Elend Vater und Mutterherz
Durchbohren, mag ums Brot die Armut
Tempel bestehlen, so mag das Mitleid
Zu Tigern fliehn, zu Schlangen Gerechtigkeit,
Und Kannibalenrache des Kindes Brust
Entflammen, und Banditentrug im
Himmelsgewande der Unschuld wohnen.
Doch nein! der Seele Jubel ist Ewigkeit!
Jehova sprachs! ihr Jubel ist Ewigkeit!
Sein Wort ist ewig, wie sein Name,
Ewig ist, ewig des Menschen Seele.
So singt ihn nach, ihr Menschengeschlechte! nach,
Myriaden Seelen singet den Jubel nach –
Ich glaube meinem Gott, und schau in
Himmelsentzückungen meine Größe.
Dank dir! aus dem schnadernden Gedränge
Nahmst du mich, Vertraute! Einsamkeit!
Daß ich glühend von dem Lorbeer singe,
Dem so einzig sich mein Herz geweiht.
Euch zu folgen, Große! – Werd ichs können?
Wirds einst stärker, eures Jünglings Lied?
Soll ich in die Bahn, zum Ziel zu rennen,
Dem dies Auge so entgegenglüht?
Wann ein Klopstock in des Tempels Halle
Seinem Gott das Flammenopfer bringt
Und in seiner Psalmen Jubelschalle
Himmelan sich seine Seele schwingt –
Wann mein Young in dunkeln Einsamkeiten
Rings versammelnd seine Tote wacht,
Himmlischer zu stimmen seine Saiten
Für Begeistrungen der Mitternacht – –
Ha! der Wonne! ferne nur zu stehen,
Lauschend ihres Liedes Flammenguß,
Ihres Geistes Schöpfungen zu sehen,
Wahrlich! es ist Himmelsvorgenuß.
Nein! ich wollte nichts auf dieser Erden!
Dulden all der Welt Verfolgungen,
Jedes Drangsal, jegliche Beschwerden,
All des Neiders bittre Schmähungen – –
Lieber Gott! wie oft ich Schwacher dachte,
Wie ichs tröstete, das arme Herz,
Wenn ich Nächte kummervoll durchwachte,
O so oft, so oft in meinem Schmerz,
Wann der Stolz verächtlich niederschaute,
Wann der Eitle meiner spottete,
Dem vor meinen Sittensprüchen graute,
Wenn oft selbst – mich floh – der Edlere;
O vielleicht, daß diese Bitterkeiten –
Dacht ich – stärker bilden deinen Geist!
Daß die Stille höher deine Saiten
Stimmt, zu männlichem Gesang dich reißt!
Aber still! Die goldne Bubenträume
Hört in ihrer Nacht die Zukunft nicht –
Schon so manche Früchte schöner Keime
Logen grausam mir ins Angesicht.
Großer Name! – Millionen Herzen
Lockt ins Elend der Sirenenton,
Tausend Schwächen wimmern, tausend Schmerzen
Um der Ehrsucht eitlen Flitterthron.
Seine schwarze, blutbefleckte Hände
Dünken dem Erobrer göttlichschön –
Schwache morden scheint ihm keine Sünde,
Und er jauchzt auf seine Trümmer hin.
Um wie Könige zu prahlen, schänden
Kleinre Wütriche ihr armes Land;
Und um feile Ordensbänder wenden
Räte sich das Ruder aus der Hand.
Pfaffen spiegeln um Apostelehre
Ihren Narren schwarze Wunder vor;
Um Mariasehre krächzen Nonnenchöre
Wahnsinn zum Marienbild empor.
Graue Sünder donnern, ihre Blöße
Wegzudonnern, rauh die Unschuld an;
Gott zu leugnen, hält so oft für Größe,
Hält für Größe noch so oft – ein Mann.
Göttin in des Buben Mund zu heißen,
Gibt das Mädchen ihren Reiz zum Sold;
Mitzurasen in Verführerkreisen,
Wird der Bube früh ein Trunkenbold.
Doch es sträubet sich des Jünglings Rechte,
Länger sing ich von den Toren nicht.
Wisse! schwaches, niedriges Geschlechte!
Nahe steht der Narr am Bösewicht.
Hört, größre, edlere der Schwabensöhne!
Die ihr vor keinem Dominiksgesicht
Euch krümmet, welchen keine Dirnenträne
Das winzige, geschwächte Herzchen bricht.
Hört, größre, edlere der Schwabensöhne!
In welchen noch das Kleinod Freiheit pocht,
Die ihr euch keines reichen Ahnherrn Miene,
Und keiner Fürstenlaune unterjocht.
Geschlecht von oben! Vaterlandeskronen!
Nur euch bewahre Gott vor Übermut!
O! Brüder! der Gedanke soll uns lohnen,
In Hermann brauste kein Despotenblut.
Beweinenswürdig ist des Stolzen Ende,
Wann er die Grube seiner Größe gräbt,
Doch fürchterlich sind seine Henkershände,
Wann er sich glücklich über andre hebt.
Viel sind und schön des stillen Mannes Freuden,
Und stürmten auch auf ihn der Leiden viel,
Er blickt gen Himmel unter seinen Leiden,
Beneidet nie des Lachers Possenspiel.
Sein feurigster, sein erster Wunsch auf Erden
Ist, allen, allen Menschen nützlich sein,
Und wann sie froh durch seine Taten werden,
Dann will der edle ihres Danks sich freun.
O! Demut, Demut! laß uns all dich lieben,
Du bists, die uns zu einem Bund vereint,
In welchem gute Herzen nie sich trüben,
In welchem nie bedrängte Unschuld weint.
Drum größre, edlere der Schwabensöhne!
Laßt Demut, Demut euer erstes sein,
Wie sehr das Herz nach Außenglanz sich sehne,
Laßt Demut, Demut euer erstes sein.
Vor allen, welchen Gott ein Herz gegeben,
Das groß und königlich, und feurig ist,
Die in Gefahren nur vor Freude beben,
Für Tugend selbst auf einem Blutgerüst,
Vor allen, allen, solche Schwabensöhne,
O solche, Demut, solche führe du
Aus jeder bäurischstolzen Narrenbühne
Den stillen Reihen jenes Bundes zu.
Die du schon mein Knabenherz entzücktest,
Welcher schon die Knabenträne floß,
Die du früh dem Lärm der Toren mich entrücktest,
Besser mich zu bilden, nahmst in Mutterschoß,
Dein, du Sanfte! Freundin aller Lieben!
Dein, du Immertreue! sei mein Lied!
Treu bist du in Sturm und Sonnenschein geblieben,
Bleibst mir treu, wenn einst mich alles, alles flieht.
Jene Ruhe – jene Himmelswonne –
O ich wußte nicht, wie mir geschah,
Wann so oft in stiller Pracht die Abendsonne
Durch den dunklen Wald zu mir heruntersah –
Du, o du nur hattest ausgegossen
Jene Ruhe in des Knaben Sinn,
Jene Himmelswonne ist aus dir geflossen,
Hehre Stille! holde Freudengeberin!
Dein war sie, die Träne, die im Haine
Auf den abgepflückten Erdbeerstrauß
Mir entfiel – mit dir ging ich im Mondenscheine
Dann zurück ins liebe elterliche Haus.
Fernher sah ich schon die Kerzen flimmern,
Schon wars Suppenzeit – ich eilte nicht!
Spähte stillen Lächelns nach des Kirchhofs Wimmern,
Nach dem dreigefüßten Roß am Hochgericht.
War ich endlich staubigt angekommen,
Teilt ich erst den welken Erdbeerstrauß,
Rühmend, wie mit saurer Müh ich ihn bekommen,
Unter meine dankende Geschwister aus,
Nahm dann eilig, was vom Abendessen
An Kartoffeln mir noch übrig war,
Schlich mich in der Stille, wann ich satt gegessen,
Weg von meinem lustigen Geschwisterpaar.
O! in meines kleinen Stübchens Stille
War mir dann so über alles wohl,
Wie im Tempel, war mirs in der Nächte Hülle,
Wann so einsam von dem Turm die Glocke scholl.
Alles schwieg, und schlief, ich wacht alleine;
Endlich wiegte mich die Stille ein,
Und von meinem dunklen Erdbeerhaine
Träumt ich, und vom Gang im stillen Mondenschein.
Als ich weggerissen von den Meinen
Aus dem lieben elterlichen Haus
Unter Fremde irrte, wo ich nimmer weinen
Durfte, in das bunte Weltgewirr hinaus,
O wie pflegtest du den armen Jungen,
Teure, so mit Mutterzärtlichkeit,
Wann er sich im Weltgewirre müdgerungen,
In der lieben, wehmutsvollen Einsamkeit.
Als mir nach dem wärmern, vollern Herzen
Feuriger itzt stürzte Jünglingsblut,
O! wie schweigtest du oft ungestüme Schmerzen,
Stärktest du den Schwachen oft mit neuem Mut.
Jetzt belausch ich oft in deiner Hütte
Meinen Schlachtenstürmer Ossian,
Schwebe oft in schimmernder Seraphen Mitte
Mit dem Sänger Gottes, Klopstock, himmelan.
Gott! und wann durch stille Schattenhecken
Mir mein Mädchen in die Arme fliegt
Und die Hasel, ihre Liebenden zu decken,
Sorglich ihre grüne Zweige um uns schmiegt –
Wann im ganzen segensvollen Tale
Alles dann so stille, stille ist,
Und die Freudenträne, hell im Abendstrahle,
Schweigend mir mein Mädchen von der Wange wischt –
Oder wann in friedlichen Gefilden
Mir mein Herzensfreund zur Seite geht,
Und mich ganz dem edlen Jüngling nachzubilden,
Einzig vor der Seele der Gedanke steht –
Und wir bei den kleinen Kümmernissen
Uns so sorglich in die Augen sehn,
Wann so sparsam öfters, und so abgerissen
Uns die Worte von der ernsten Lippe gehn.
Schön, o schön sind sie! die stille Freuden,
Die der Toren wilder Lärm nicht kennt,
Schöner noch die stille gottergebne Leiden,
Wann die fromme Träne von dem Auge rinnt.
Drum, wenn Stürme einst den Mann umgeben,
Nimmer ihn der Jugendsinn belebt,
Schwarze Unglückswolken drohend ihn umschweben,
Ihm die Sorge Furchen in die Stirne gräbt,
O so reiße ihn aus dem Getümmel,
Hülle ihn in deine Schatten ein,
O! in deinen Schatten, Teure! wohnt der Himmel,
Ruhig wirds bei ihnen unter Stürmen sein.
Und wann einst nach tausend trüben Stunden
Sich mein graues Haupt zur Erde neigt
Und das Herz sich mattgekämpft an tausend Wunden
Und des Lebens Last den schwachen Nacken beugt:
O so leite mich mit deinem Stabe –
Harren will ich auf ihn hingebeugt,
Bis in dem willkommnen, ruhevollen Grabe
Aller Sturm, und aller Lärm der Toren schweigt.
Freunde! Freunde! wenn er heute käme,
Heute mich aus unserm Bunde nähme,
Jener letzte große Augenblick –
Wann der frohe Puls so plötzlich stünde
Und verworren Freundesstimme tönte
Und, ein Nebel, mich umschwebte Erdenglück.
Ha! so plötzlich Lebewohl zu sagen
All den lieben schöndurchlebten Tagen –
Doch – ich glaube – nein! ich bebte nicht!
»Freunde! spräch ich, dort auf jenen Höhen
Werden wir uns alle wiedersehen,
Freunde! wo ein schönrer Tag die Wolken bricht.
Aber Stella! fern ist deine Hütte,
Nahe rauschen schon des Würgers Tritte –
Stella! meine Stella! weine nicht!
Nur noch einmal möcht ich sie umarmen,
Sterben dann in meiner Stella Armen,
Eile, Stella! eile, eh das Auge bricht.
Aber ferne, ferne deine Hütte,
Nahe rauschen schon des Würgers Tritte –
Freunde! bringet meine Lieder ihr.
Lieber Gott! ein großer Mann zu werden,
War so oft mein Wunsch, mein Traum auf Erden,
Aber – Brüder – größre Rollen winken mir.
Traurt ihr, Brüder! daß so weggeschwunden
All der Zukunft schöngeträumte Stunden,
Alle, alle meine Hoffnungen!
Daß die Erde meinen Leichnam decket,
Eh ich mir ein Denkmal aufgestecket,
Und der Enkel nimmer denkt des Schlummernden.
Daß er kalt an meinem Leichensteine
Stehet, und des Modernden Gebeine
Keines Jünglings stiller Segen grüßt,
Daß auf meines Grabes Rosenhecken
Auf den Lilien, die den Moder decken,
Keines Mädchens herzergoßne Träne fließt.
Daß von Männern, die vorüberwallen,
Nicht die Worte in die Gruft erschallen:
Jüngling! du entschlummertest zu früh!
Daß den Kleinen keine Silbergreise
Sagen an dem Ziel der Lebensreise:
Kinder! mein und jenes Grab vergesset nie!
Daß sie mir so grausam weggeschwunden,
All der Zukunft langersehnte Stunden,
All der frohen Hoffnung Seligkeit,
Daß die schönste Träume dieser Erden
Hin sind, ewig niemals wahr zu werden,
Hin die Träume von Unsterblichkeit.
Aber weg! in diesem toten Herzen
Bluten meiner armen Stella Schmerzen,
Folge! folge mir, Verlassene!
Wie du starr an meinem Grabe stehest
Und um Tod, um Tod zum Himmel flehest!
Stella! komm! es harret dein der Schlummernde.
O an deiner Seite! o so ende,
Jammerstand! vielleicht, daß unsre Hände
Die Verwesung ineinander legt!
Da wo keine schwarze Neider spähen,
Da wo keine Splitterrichter schmähen,
Träumen wir vielleicht, bis die Posaun uns weckt.
Sprechen wird an unserm Leichensteine
Dann der Jüngling: Schlummernde Gebeine!
Liebe Tote! schön war euer Los!
Hand in Hand entfloht ihr eurem Kummer,
Heilig ist der Langverfolgten Schlummer
In der kühlen Erde mütterlichem Schoß.
Und mit Lilien und mit Rosenhecken
Wird das Mädchen unsern Hügel decken,
Ahndungsvoll an unsern Gräbern stehn,
Zu den Schlummernden hinab sich denken,
Mit gefaltnen Händen niedersinken,
Und um dieser Toten Los zum Himmel flehn.
Und von Vätern, die vorüberwallen,
Wird der Segen über uns erschallen:
Ruhet wohl! ihr seid der Ruhe wert!
Gott! wie mags im Tod den Vätern bangen,
Die ein Kind in Quälerhände zwangen,
Ruhet wohl! ihr habt uns Zärtlichkeit gelehrt.«
Ras ich ewig? noch nicht ausgestritten
Ist der heiße Streit der Leidenschaft?
Hab ich Armer nicht genug gelitten?
Sie ist hin – ist hin – des Kämpfers Kraft.
Engelsauge! immer um mich schweben –
O warum? warum? du liebe Grausame!
Schone! schone! sieh! dies schwache Beben!
Weibertränen weint der Überwundene.
Weibertränen weinen? Weibertränen?
Wirklich? wein ich wirklich, Zauberin?
Und dies Klopfen, dieses bange Sehnen,
Ists um Luzias Umarmungen?
Nein! ich kann nicht! will nicht! diese Tränen
Stieß der Zorn ins Auge, sie vergoß der Grimm;
O! mich schmelzen keine Mädchenmienen,
Nur der Freiheit brauste dieses Ungestüm.
Aber wie? dein Stolz hat sich betrogen,
Siehe! Lügen straft die Liebe mich;
Männergröße hat dein Herz gelogen,
Und im schwachen Kampf verkennst du dich.
Stolz verschmähst du alle Mädchenherzen,
Weil dir Luzia ihr großes Herz nicht gibt,
Kindisch heuchelst du verbißne Schmerzen,
Armer Heuchler! weil dich Luzia nicht liebt.
Weh! sie kann, sie kann mich nimmer lieben,
Mir geraubt durch ein tyrannisch Joch,
Nur die Wunde noch ist mir geblieben,
Fühlst dus? Fühlst dus? Weib! die Wunde noch.
Ha! ein Abgrund droht vor meinen Sinnen –
Laß mich! laß mich! todesvolle Leidenschaft!
Höllenflamme? willt du ewig brennen?
Schone! schone! sie ist hin, des Kämpfers Kraft.
Lange schlummern ruhig all die Meinen,
Stille atmet durch die Mitternacht;
Auf dann! Hero! auf und laß das Weinen!
Dank euch, Götter! Heros Mut erwacht.
Fort ans Meer! ans Meer! es schäume die Welle,
Brause der Sturm mir immer ins Angesicht!
Fort ans Meer! ohn ihn ist alles Hölle –
Liebe ängstet mich Arme – Sturm und Welle nicht.
Ruhig will ich da hinüberlauschen,
Wo sein Hüttchen über Felsen hängt,
Rufen will ichs in der Woge Rauschen,
Wie sein Zaudern seine Hero kränkt.
Ha! da wird er sich mutig von seinem Gestade
Stürzen, Posidaons Kraft ihm Liebe verleihn,
Lieb ihn leiten des Meeres furchtbare Pfade,
Götter! wie wird – wie wird uns wieder sein?
(sie kommt ans Meer)
Aber Himmel! – wie hoch die Wogen schäumen!
So hätt ich den Sturm mir nicht gedacht.
Weh! wie sie dräuend gegen mein Ufer sich bäumen!
Stärkt mich, Götter, in dieser ernsten Nacht! –
Nein! mir banget nicht um Tod und Leben –
Tod und Leben, wie das Schicksal will!
Liebe besieget die Schrecken, die um mich schweben,
Schlangengezisch, und Skorpionen, und Löwengebrüll.
Jüngling! sieben solcher Schreckennächte
Harr ich deiner, zager Jüngling, schon,
Wenn mein Jüngling meiner Angst gedächte,
O! er spräch Orkanen und Wogen Hohn.
Oder hätt er den furchtbaren Eid gebrochen,
Spottet er meiner im Arm der Buhlerin –
Ha! so bin ich so leicht, so schön gerochen,
Leicht und schön gerochen – ich sterbe hier um ihn.
Aber weg von mir! du Donnergedanke!
Weg, das flüsterte mir die Hölle zu,
Daß mein Jüngling, mein Leander, wanke,
Nein! Geliebter! bleibe, bleibe du!
Wann ich dich in diesen Wogen dächte,
Deinen Pfad so schröcklich ungewiß,
Nein! ich will einsam durchirren die Schreckennächte,
Dein zu harren, Geliebter, ist ja schon so süß.
Aber horch! – o Himmel! – diese Töne –
Wahrlich! es waren des Sturmes Töne nicht –
Bist dus? – oder spielt die Narrenszene
Täuschend mit mir ein grausames Traumgesicht?
Götter! da ruft es ja wieder Hero! herüber,
Flüstert ja wieder die Stimme der Liebe mir her –
Auf! zu ihm, zu ihm in die Wogen hinüber,
Wenn er ermattete – auf! dem Geliebten entgegen ins Meer.
Sieh! wie im Tanze, stürz ich zu dir vom Gestade,
Liebe soll mir Posidaons Kraft verleihn,
Liebe mich leiten des Meeres furchtbare Pfade –
Götter! Götter! wie wird uns wieder sein!
Kämpfend über den Wogen will ich ihn drücken,
Drücken an Brust und Lippe mit Todesgefahr,
Ha! und sink ich, so träumet mein Entzücken
Noch im Abgrund fort, wie schön die Stunde war.
Aber Götter! was seh ich? meinem Gestade
Schon so nahe? – Gesiegt! mein Held hat gesiegt!
Siehe! er schwebet verachtend die furchtbare Pfade
Mutig einher, vom Meere gefällig gewiegt.
(freudig)Ha! er soll mich suchen – da will ich lauschen
Hinter diesem Felsen – (leise) Götter! wie schön!
Wie die weiße Arme durch die Welle rauschen,
Ach! so sehnend, so strebend nach Heros Ufer hin.
Aber Grauen des Orkus! Sterbegewimmer!
Grauen des Orkus! dort dem Felsen zu!
Wie? – so kenn ich diese Todentrümmer!
Wehe! wehe, also siegtest du? –
Aber weg! ihr höllische Schreckengesichte!
Täuschende Furien! weg! er ist es nicht!
So zerschmettern nicht der Götter Gerichte –
(sie hält ihre Leuchte über den Toten hin)
Aber dieses Lächeln auf dem Todengesicht –
Kennst dus? Hero! kennst dus? – Nimmer, nimmer
Spricht das tode Lächeln Liebe dir – (sie weint heftig)