Des Morgens.
Statt das den Wünschen Sinclairs gemäße politisch-exemplarische Trauerspiel Agis fortzusetzen (das, welcher Qualität auch immer, nicht viel mehr gewesen wäre als eines der pro- und antirepublikanischen Agitationsstücke, die das aufgeregte, blutige Welttheater ringsum auf den Brettern der Bühne fortsetzten), war er Anfang Dezember zum tendenziell gegenweltlichen Empedokles zurückgekehrt.
Man kann jezt den Menschen nicht alles gerade heraussagen, denn sie sind zu träg und eigenliebig, um die Gedankenlosigkeit und Irreligion, worinn sie stehen, wie eine verpestete Stadt zu verlassen, und auf die Berge zu flüchten, wo reinere Luft ist und Sonn und Sterne näher sind … Mit diesem Satz es erfuhr die Mutter als erste, ohne im geringsten zu wissen, um was es hier ging. Sinclair zwei Wochen später, in dem philosophischen Brief vom 24. Dezember, von dem ein Segment des Entwurfs erhalten blieb – von Hölderlins Seite das einzige Bruchstück aus dem Briefwechsel der Freunde. Auch er verstand die Andeutungen nicht und fragte noch im Januar nach dem Agis-Entwurf, von welchem doch immerhin eine vorläufige oder später angefertigte Reinschrift existierte.
Dies alles ist schon im vorigen, bis in den April 1799 reichenden Band enthalten. Es folgt hier der erste zu diesem Zeitpunkt abgeschlossene Entwurf, in dessen letzter Phase (nach der ermutigenden Kritik August Wilhelm Schlegels in der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung) der Plan zum ästhetischen Journal Iduna gefaßt wurde. Gleich darauf folgt der zweite Empedokles-Entwurf in freieren Jamben. Im Sommer noch eine Format und Zeilenzahl des künftigen Drucks simulierende Reinschriftprobe.
Natürlich war es ein Fehler, den konkurrierenden, in der Schlegelschen Kritik so verächtlich abgetanen, auf sein eigenes Taschenbuch für Frauenzimmer von Bildung fixierten Neuffer und den nichts als Popularität predigenden Verleger Steinkopf zu Sachwaltern eines Projekts zu machen, das dem Athenäum der Schlegels gegenübertreten sollte. Blieb ihm anderes übrig? Und die Ungeschicktheit in allen die Fortune betreffenden Dingen – war sie nicht sein ihn vor Schlimmerem bewahrendes Schicksal? Dennoch doch krampft sich das Herz zusammen, wenn ihm Steinkopf das Zeitwort humanistisch aufnötigt und Schelling ihm das von oben herab verweist.
Nach den Einladungsbriefen und weiteren Arbeiten für das eigene Journal und Neuffers Taschenbuch, während des wochenlangen quälenden Wartens auf Antwort entsteht die große Pindar-Übertragung. Was für ein Glück für unsere, in ihrer Art doch ein Stück Griechenland aufbewahrende Sprache. Er, in seiner Bedrängnis, hebt sie aus dem Staub des Tags, verklärt sie, mit fremdverwandter Stimme sprechend, in ihrer Eigenschaft und Herrlichkeit und bereitet sich den Weg für die Gesänge.
Nachstehend die Szenen und Personen des Trauerspiels. Zur Orientierung und zum Vergleich mit der in FHA Bd. 12 abgebildeten Handschrift die Seiten des Stuttgarter Quartbuchs sowie die Verszählung des hier nochmals gegenüber der Revision von 1993 (in: Rober Schwarz, Hölderlins Empedokles, Verlag Hermann Schmidt Mainz 1993) durchgesehenen Texts.
Der Entwurf ist unbetitelt. Die Überschrift Erster Act. ist der des zweiten nachgebildet. Das in der Fuge zwischen Akt I und II nachgetragene Pindarische Motto wird hier vorangestellt: Charis, die doch alles Milde be- / reitet den Sterblichen, / Trägt auch Ehre herzu, / Und Unglaubliches glauben zu machen / vermag sie des öftern, / Tage aber noch übrige / sind Zeugen weit weisere.
Χαρις, απερ απαντα τευ – Χει τα μειλιχα ϑνατοις, Επιφεροισα τιμαν, Και απιστον εμησατο πιστον Εμμεναι το πολλακις. Αμεραι δ’ επιλοιποι Μαρτυρες σοφωτατοι.
ERSTER ACT.
ZWEI PRIESTERINNEN DER VESTA.
PANTHEA .
Diß ist sein Garten! dort im geheimen Dunkel, wo die Quelle springt, dort stand er jüngst, als ich vorübergieng – du hast ihn nie gesehn?
RHEA .
O Panthea! Bin ich doch erst seit gestern mit dem Vater in Sicilien. Doch ehmals, da ich noch ein Kind war, sah ich ihn auf einem Kämpferwagen bei den Spielen in Olympia. Sie sprachen damals viel von ihm, und immer ist sein Nahme mir geblieben.
PANTHEA
Du must ihn jezt sehn! jezt! Man sagt, die Pflanzen merkten auf ihn, wo er wandre, und die Wasser unter der Erde strebten herauf, da wo sein Stab den Boden berühre! Das all mag wahr seyn! Und wenn er bei Gewittern in den Himmel blike, theile die Wolke sich und hervorschimmre der heitre Tag. – Doch was sagts? du must ihn selbst sehn! einen Augenblik! und dann hinweg! Ich meid’ ihn selbstein furchtbar allverwandelnd Wesen ist in ihm.
RHEA .
Wie lebt er mit andern? Ich begreife nichts von diesem Manne, Hat er, wie wir, auch seine leeren Tage Wo man sich alt und unbedeutend dünkt Und giebt es auch ein menschlich Laid für ihn?
PANTHEA .
Ach! da ich ihn zum leztenmale dort Im Schatten seiner Bäume sah, da hatt er wohl Sein eigen tiefes Laid – der Göttliche Mit wunderbarem Sehnen, traurigforschend Wie wenn er viel verloren, blikt er bald Zur Erd’ hinab, bald durch die Dämmerung
Des Hains hinauf, als wär’ ins ferne Blau Das Leben ihm entflogen, und die Demuth Des königlichen Angesichts ergriff Mein ringend Herz – auch du must untergehn, Du schöner Stern! und lange währts nicht mehr! Das ahnte mir –
RHEA .
Hast du mit ihm auch schon Gesprochen, Panthea?
PANTHEA .
O daß du daran mich erinnerst! Es ist nicht lange daß ich todeskrank daniederlag. Schon dämmerte der klare Tag vor mir und um die Sonne wankte, wie ein seellos Schattenbild, die Welt. Da rief mein Vater, wenn er schon ein arger Feind des hohen Mannes ist, am hofnungslosen Tage den Vertrauten der Natur, und als der Herrliche den Heiltrank mir gereicht, da schmolz in zaubrischer Versöhnung mir mein kämpfend Wesen ineinander, und wie zurükgekehrt in süße sinnenfreie Kindheit schlief ich wachend viele Tage fort, kaum bedurft ich eines Othemzugs. Wie nun in frischer Lust mein Wesen sich zum erstenmale wieder der langentbehrten Welt entfaltete, mein Auge sich in jugendlicher Neugier dem Tag erschloß, da stand er – Empedokles! o wie göttlich gegenwärtig mir! am Lächeln seiner Augen blühte mir das Leben wieder auf! ach wie ein Morgenwölkchen floß mein Herz dem hohen süßen Licht entgegen und ich war der zarte Widerschein von ihm.
RHEA .
O Panthea!
PANTHEA .
Der Ton aus seiner Brust! in jeder Sylbe klangen alle Melodien! und der Geist in seinem Wort! – zu seinen Füßen möcht’ ich sizen, stundenlang, als seine Schülerin sein Kind, in seinen Aether schaun, und zu ihm auf frohlokken, bis in seines Himmels Höhe sich mein Geist verirrte.
RHEA .
Was würd’ er sagen, Liebe, wenn ers wüßte!
PANTHEA .
Er weiß es nicht. Der Unbedürftge wandelt In seiner eignen Welt; in leiser Götterruhe geht Er unter seinen Blumen, und es scheun Die Lüfte sich, den Glüklichen zu stören, Und aus sich selber wächst in steigendem Vergnügen die Begeisterung ihm auf, Bis aus der Nacht des schöpfrischen Enzükens Ihm wie ein Funke der Gedanke springt, Und heiter sich die Geister künft’ger Thaten In seiner Seele drängen, und die Welt, Der Menschen gährend Leben und die größre Die Natur um ihn erscheint – hier fühlt er, wie ein
Gott
In seinen Elementen sich, und seine Lust Ist himmlischer Gesang, dann tritt er auch Heraus ins Volk, an Tagen, wo die Menge Sich überbraust und eines Mächtigern Der unentschlossene Tumult bedarf, Da herrscht er dann, der herrliche Pilot Und hilft hinaus und wenn sie nun erst recht Genug ihn sehn, des immerfremden Manns sich Gewöhnen möchten, ehe sie’s gewahren, Ist er hinweg, – ihn zieht in seine Schatten Die stille Pflanzenwelt, wo er sich schöner findet, Und ihr geheimnißvoller Leben, das vor ihm In seinen Kräften allen gegenwärtig ist.
RHEA .
O Sprecherin! wie weist du denn das alles?
PANTHEA .
Ich sinn ihm nach – wie viel ist über ihn Mir noch zu sinnen? ach! hab ich ihn Gefaßt, was ists? Er selbst zu seyn, das ist Das Leben und wir andern sind der Traum davon.- Sein Freund Pausanias hat auch von ihm Schon manches mir erzählt – der Jüngling sieht Ihn Tag vor Tag und Jovis Adler ist Nicht stolzer, denn Pausanias – ich glaub’ es wohl!
RHEA.
Ich kann nicht tadeln, liebe, was du sagst, Doch trauert meine Seele wunderbar Darüber, und ich möchte seyn, wie du, Und möcht’ es wieder nicht. Seid ihr denn all Auf dieser Insel so? Wir haben auch An großen Männern unsre Lust, und Einer Ist izt die Sonne der Athenerinnen, Sophokles! jede wünscht sich, ein Gedanke Des Herrlichen zu seyn, und möchte gern Die immerschöne Jugend, eh sie welkt Hinüber in des Dichters Seele retten. Und frägt und sinnet, welche von den Jungfrauen Der Stadt die zärtlichernste Heroide sei Die seiner Seele vorgeschwebt, die er Antigonä genannt; doch helle wirds Um unsre Stirne, wenn der Götterfreund Am heitern Festtag ins Theater tritt, Doch kummerlos ist unser Wohlgefallen, Und nie verliert das liebe Herz sich so In schmerzlich fortgerißner Huldigung – Du opferst dich -ich glaub es wohl, er ist Zu übergroß, um ruhig dich zu lassen, Den unbegränzten liebst du unbegränzt, Was hilft es ihm? dir selbst, dir ahndete Sein Untergang, du gutes Kind und du Sollst untergehn mit ihm?
PANTHEA.
O mache mich
Nicht stolz, und fürchte wie für ihn, für mich nicht! Ich bin nicht er, und wenn er untergeht, So kann sein Untergang der meinige Nicht seyn; denn groß ist auch der Tod der Großen. Was diesem Manne widerfährt, Das, glaube mir, das widerfährt nur ihm, Und hätt’ er gegen alle Götter sich Versündiget und ihren Zorn auf sich Geladen, und ich wollte sündigen, Wie er, um gleiches Loos mit ihm zu leiden, So wärs, wie wenn ein Fremder in den Streit Der Liebenden sich mischt, – was willst du? sprächen Die Götter nur, du Thörin kannst uns nicht Belaidigen, wie er.
RHEA.
Du bist vieleicht
Ihm gleicher als du denkst, wie fändst du sonst An ihm ein Wohlgefallen?
PANTHEA.
Liebes Herz! Ich weiß es selber nicht, warum ich ihm Gehöre – sähst du ihn! – Ich dacht’ er käme Vieleicht heraus, du hättest dann im Weggehn ihn Gesehn, – es war ein Wunsch! nicht wahr? ich sollt Der Wünsche mich entwöhnen, denn es scheint Als liebten unser ungeduldiges Gebet die Götter nicht, sie haben recht! Ich will auch nimmer – aber hoffen muß Ich doch, ihr guten Götter, und ich weiß Nicht anderes, denn ihn, – ich wollte gern Ich bäte gleich den Übrigen, von euch Nur Sonnenlicht und Reegen, könnt’ ich nur! O ewiges Geheimniß, was wir sind Und suchen, können wir nicht finden; was
Wir finden, sind wir nicht – wie viel ist wohl Die Stunde, Delia?
DELIA.
Dort kommt dein Vater. Ich weiß nicht, bleiben oder gehen wir –
PANTHEA.
Wie sagtest du? mein Vater? komm! hinweg!
KRITIAS. HERMOKRATES ARCHON. PRIESTER
HERMOKRATES.
Wer geht dort?
ARCHON.
Meine Tochter, wie mir dünkt, Und Delia, des Gastfreunds Tochter, der In meinem Hauße gestern eingekehrt ist.
HERMOKRATES.
Ists Zufall? oder suchen sie ihn auch Und glauben, wie das Volk, er sei entschwunden?
ARCHON.
Die wunderbare Sage kam bis izt wohl nicht Vor meiner Tochter Ohren. Doch sie hängt An ihm wie alle; wär er hinweg- In Wälder oder Wüsten, übers Meer Hinüber oder in die Erd hinab – wohin Ihn treiben mag der unbeschränkte Sinn.
HERMOKRATES.
Mit nichten! denn sie müßten ihn noch sehn, Damit der wilde Wahn von ihnen weicht.
ARCHON.
Wo ist er wohl?
HERMOKRATES.
Nicht fern von hier. Da sizt Er seelenlos im Dunkel. Denn es haben
Die Götter seine Kraft von ihm genommen, Seit jenem Tage, da der trunkne Mann Vor allem Volk sich einen Gott genannt.
Anmerkung 1.
Bei uns ist so etwas mehr eine Sünde gegen den Verstand, bei den Alten war es von dieser Seite verzeihlicher, weil es ihnen begreiflicher war. Nicht Ungereimtheit, Verbrechen war es ihnen. Aber sie verzeihen es nicht, weil ihr zarter Freiheitssinn kein solches Wort ertragen wollte. Eben weil sie es mehr ehrten und verstanden, fürchteten sie auch mehr den Übermuth des Genies. Uns ist es nicht gefährlich, weil wir nicht berührbar sind dafür.
ARCHON.
Das Volk ist trunken, wie er selber ist. Sie hören kein Gesez, und keine Noth Und keinen Richter; die Gebräuche sind Von unverständlichem Gebrause, gleich Den friedlichen Gestaden, überschwemmt, Ein Fest für alle Feste und der Götter Bescheidne Feiertage haben sich In Eins verloren. Allverdunkelnd hüllt Der Zauberer den Himmel und die Erd’ Ins Ungewitter das er uns gemacht, Und siehet zu und freut sich seines Geists In seiner stillen Halle.
HERMOKRATES.
Mächtig war Die Seele dieses Mannes unter euch.
ARCHON.
Ich sage dir: sie wissen nichts denn ihn Und wünschen alles nur von ihm zu haben, Er soll ihr Gott, er soll ihr König seyn. Ich selber stand in tiefer Schaam vor ihm Da er vom Tode mir mein Kind gerettet. Wofür erkennst du ihn, Hermokrates?
HERMOKRATES.
Es haben ihn die Götter sehr geliebt. Doch nicht ist er der Erste, den sie drauf Hinab in sinnenlose Nacht verstoßen, Vom Gipfel ihres gütigen Vertrauns Weil er des Unterschieds zu sehr vergaß Im übergroßen Glük, und sich allein Nur fühlte; so ergieng es ihm, er ist mit gränzenloser Oede nun gestraft- Doch ist die lezte Stunde noch für ihn Nicht da; denn noch erträgt der Langverwöhnte Die Schmach in seiner Seele nicht, sorg’ ich, Noch Einmal geht empört er tödtlicher hervor Und fordert sich im Zorne wieder, was er War und hatt’ und sein entschlafner Geist Entzündet nun an seiner Rache sich Und, halberwacht, ein fürchterlicher Träumer spricht Er, gleich den alten Übermüthigen, Die mit dem Schilfrohr Asien durchwandern, Einst durch sein Wort geworden sein die Götter. Dann steht die weite lebensreiche Welt Wie sein verlornes Eigentum vor ihm, Und ungeheure Wünsche regen sich In seiner Brust und wo sie hin sich wirft Die Flamme, macht sie eine freie Bahn. Gesez und Kunst und heilge Sage Und was vor ihm in guter Zeit gereift Das stört er auf und Lust und Frieden kann Er nimmer dulden bei den Lebenden.
KRITIAS.
O Greis! du siehest nahmenlose Dinge. Dein Wort ist wahr und wenn es sich erfüllt, Dann wehe dir, Sicilien, so schön Du bist mit deinen Hainen, deinen Tempeln.
HERMOKRATES.
Der Spruch der Götter trift ihn, eh sein Werk Beginnt. Versammle nur das Volk, damit ich Das Angesicht des Mannes ihnen zeige Von dem sie sagen, daß er aufgeflohn
Zum Aether sei. Sie sollen Zeugen seyn Des Fluches, den ich ihm verkündige. Und ihn verstoßen in die öde Wildniß, Damit er nimmerwiederkehrend dort Die böse Stunde büße, da er sich Zum Gott gemacht.
KRITIAS.
Doch wenn des schwachen Volks Der Kühne sich bemeistert, fürchtest du Für mich und dich und deine Götter nicht?
HERMOKRATES.
Das Wort des Priesters bricht den kühnen Sinn.
KRITIAS.
Und werden sie den Langgeliebten dann Wenn schmählich er von deinem Fluche leidet, Aus seinen Gärten, wo er gerne lebt, Und aus der heimatlichen Stadt vertreiben?
HERMOKRATES.
Wer darf den Sterblichen im Lande dulden, Den so der wohlverdiente Fluch gezeichnet?
KRITIAS.
Doch wenn du, wie ein Lästerer erscheinst Vor denen, die, als einen Gott dich achten?
HERMOKRATES.
Der Taumel wird sich ändern, wenn sie erst Mit Augen wieder sehn, den sie jezt schon Entschwunden in die Götterhöhe wähnen! Sie haben schon zum Bessern sich gewandt Denn trauernd irrten gestern sie hinaus Und giengen hier umher und sprachen viel Von ihm, da ich desselben Weges kam. Drauf sagt’ ich ihnen, daß ich heute sie Zu ihm geleiten wollt’; indessen soll In seinem Hauße jeder ruhig weilen. Und darum bat ich dich, mit mir heraus
Zu kommen, daß wir sähen, ob sie mir Gehorcht. Du findest keinen hier. Nun komm.
KRITIAS.
Hermokrates!
HERMOKRATES.
Was ists?
KRITIAS.
Dort seh ich ihn Wahrhaftig.
HERMOKRATES. Laß uns gehen, Kritias!
Daß er in seine Rede uns nicht zieht.
EMPEDOKLES.
In meine Stille kamst du leise wandelnd Fandst drunten in der Grotte Dunkel mich aus Du Freundlicher! du kamst nicht unverhoft Und fernher, oben über der Erde, vernahm Ich wohl dein Wiederkehren, schöner Tag Und meine Vertrauten euch, ihr schnellgeschäftgen Kräfte der Höh’! Und nahe seid ihr Mir wieder, seid, wie sonst, ihr Glüklichen. Ihr irrelosen Bäume meines Hains! Ihr wuchst indessen fort, und täglich tränkte Des Himmels Quelle die Bescheidenen Mit Licht und Lebensfunken säte Befruchtend auf die Blühenden der Aether.
O innige Natur! ich habe dich Vor Augen, kennest du den Freund noch Den Hochgeliebten, kennest du mich nimmer? Den Priester, der lebendigen Gesang, Wie frohvergoßnes Opferblut, dir brachte?
O bei den heilgen Brunnen, wo sich still Die Wasser sammeln, und die Dürstenden Am heißen Tage sich verjüngen! in mir In mir, ihr Quellen des Lebens, strömtet ihr einst Aus Tiefen der Welt zusammen und es kamen Die Dürstenden zu mir – vertroknet bin Ich nun, und nimmer freun die Sterblichen Sich meiner – bin ich ganz allein? und ist Es Nacht hier oben auch am Tage? weh! Der höhers, denn ein sterblich Auge, sah Der Blindgeschlagne tastet nun umher- Wo seid ihr, meine Götter? weh ihr laßt Wie einen Bettler mich und diese Brust Die liebend euch geahndet, stießt ihr mir Hinab und schloßt in schmählichenge Bande Die Freigeborne, die aus sich allein Und keines andern ist? Dulden sollt’ ichs Wie die Schwächlinge, die im scheuen Tartarus Geschmiedet sind ans alte Tagewerk?
O Schattenbild, verbirg dirs nicht! du hast Es selbst verschuldet, armer Tantalus Das Heiligtum hast du geschändet, hast Mit frechem Stolz den schönen Bund entzweit Elender! als die Genien der Welt Voll Liebe sich in dir vergaßen, dachtst du An dich und wähntest karger Thor, an dich Die Gütigen verkauft, daß sie dir Die himmlischen, wie blöde Knechte dienten! Ist nirgend mir ein Rächer unter euch Und muß ich denn allein den Hohn und Fluch In meine Seele rufen? Und es reißt Die delphische Krone mir kein Besserer Denn ich vom Haupt, und nimmt die Loken hinweg Wie es dem kahlen Seher gebührt –
EMPEDOKLES. PAUSANIAS.
PAUSANIAS.
O all Ihr himmlischen Mächte, was ist das?
EMPEDOKLES.
Hinweg! Wer hat dich hergesandt? willst du das Werk Verrichten an mir? Ich will dir alles sagen Wenn dus nicht weist; dann richte was du thust Danach – Pausanias! o suche nicht Den Mann, an dem dein Herz gehangen, denn Er ist nicht mehr, und gehe, guter Jüngling! Dein Angesicht entzündet mir den Sinn, Und sei es Seegen oder Fluch, von dir Ist beedes mir zu viel. Doch wie du willst!
PAUSANIAS.
Was ist geschehn? Ich habe lange dein Geharrt und dankte da ich izt von ferne Dich sah, dem Tageslicht, da find ich so Du hoher Mann, ach! wie die Eiche, die Zeus erschlug Vom Haupte bis zur Sohle dich zerschmettert. Warst du allein? Die Worte hört’ ich nicht, Doch schallt mir noch der fremde Todeston.
EMPEDOKLES.
Es war des Mannes Stimme, der sich mehr Denn Sterbliche, gerühmt, weil ihn zu viel Beglükt die gütige Natur.
PAUSANIAS.
Wie du Vertraut zu seyn mit allen Göttlichen Der Welt, ist nie zu viel.
EMPEDOKLES.
So sagt’ ich auch, Du Guter, da der heilge Zauber noch Aus meinem Geiste nicht gewichen war, Und da sie mich den Innigliebenden Noch liebten, sie die Genien der Welt.
O himmlisch Licht! – es hatten michs Die Menschen nicht gelehrt – schon lange, da Mein sehnend Herz die Allebendige Nicht finden konnt, da wandt’ ich mich zu dir, Hieng, wie die Pflanze dir mich anvertrauend, In frommer Lust dir lange blindlings nach Denn schwer erkent der Sterbliche die Reinen, Doch als der Geist mir blühte, wie du selber blühst, Da kannt’ ich dich, da rief ich es, du lebst, Und wie du heiter wandelst um die Sterblichen, Und himmlischjugendlich den holden Schein Von dir auf jedes eigen überstralst, Daß alle deines Geistes Farben tragen So ward auch mir das Leben zum Gedicht. Denn deine Seele war in mir, und offen gab Mein Herz wie du der ernsten Erde sich Der Leidenden und oft in heilger Nacht Gelobt ichs ihr, bis in den Tod Die Schiksaalvolle furchtlos treu zu lieben. Da rauscht es anders denn zuvor im Hain, Und zärtlich tönten ihrer Berge Quellen, Und feurigmild im Blumenothem wehte Der stille Geist der Göttlichen mir zu. All’ deine Freuden, Erde! nicht wie du Sie lächelnd reichst den Schwächern, herrlich, wie sie sind,
Und warm und wahr aus Müh und Liebe reifen-Sie alle gabst du mir, und wenn ich oft Auf ferner Bergeshöhe saß und staunend Des Lebens heilig Irrsaal übersann, Zu tief von deinen Wandlungen bewegt, Dann athmete der Aether, so wie dir, Mir heilend um die liebeswunde Brust, Und zauberisch in seine Tiefe lösten
Sich meine Räthsel auf –
PAUSANIAS.
Du Glüklicher!
EMPEDOKLES.
Ach! könnt’ ich sagen, wie es war, Es nennen – das Wandeln und Wirken deiner Geniuskräfte Der Herrlichen, deren Genoß ich war, o Natur! Könt’ ichs noch Einmal vor die Seele rufen Daß mir die stumme todesöde Brust Von deinen Tönen allen wiederklänge! Bin ich es noch? o Leben! und rauschten sie mir All deine geflügelten Melodien und hört Ich deinen alten Einklang, große Natur? Ach! ich der allverlassene, lebt ich nicht Mit dieser heilgen Erd’ und diesem Licht Und dir von dem die Seele nimmer läßt, O Vater Aether! und allen Lebenden In ewig gegenwärtigem Olymp – Und nirgend mag ich bleiben, ach und du Bist auch von mir genommen, – sage nichts! Die Liebe stirbt, so bald die Götter fliehn, Das weist du wohl, verlaß mich nun, ich bin Es nimmer und ich hab’ an dir nichts mehr.
PAUSANIAS.
Du bist es noch, so wahr du es gewesen. Und laß michs sagen, unbegreiflich ist Es mir, wie du dich selber so vernichtest. Ich glaub es wohl, es schlummert deine Seele Dir auch, zu Zeiten, wenn sie sich genug Der Welt geöffnet, wie die Erde, die Du liebst, sich oft in tiefe Ruhe schließt. Doch nennest du sie todt, die Ruhende?
EMPEDOKLES.
Wie du mit lieber Mühe Trost ersinnst!
PAUSANIAS.
Du spottest wohl des Unerfahrenen Und denkest, weil ich deines Glüks, wie du, Nicht inne ward, so sag’ ich, da du leidest Nur ungereimte Dinge dir? sah’ ich nicht dich In deinen Thaten, da der wilde Staat von dir Gestalt und Sinn gewann, in seiner Macht Erfuhr ich deinen Geist, und seine Welt, wenn oft Ein Wort von dir in einem Augenblik Das Leben vieler Jahre mir erschuf, Daß eine neue schöne Zeit von da Dem Jünglinge begann; und zeichnetest Du nicht der Zukunft große Linien Vor mir, so wie des Künstlers sichrer Blik Ein fehlend Glied zum ganzen Bilde reiht; Liegt nicht vor dir der Menschen Schiksaal offen? Und kennst du nicht die Kräfte der Natur, Daß du vertraulich, wie kein Sterblicher Sie, wie du willst, in stiller Herrschaft lenkst?
EMPEDOKLES.
Genug! du weist es nicht, wie jedes Wort, So du gesprochen, mir ein Stachel ist.
PAUSANIAS.
So must du denn im Unmuth alles hassen?
EMPEDOKLES.
O ehre, was du nicht verstehst!
PAUSANIAS.
Warum
Verbirgst du mirs, und machst dein Leiden mir Zum Räthsel? glaube, schmerzlicher ist nichts.
EMPEDOKLES.
Und nichts ist schmerzlicher – Pausanias! Denn Leiden zu enträthseln. Siehest du denn nicht? Ach! lieber wär mirs, du wüßtest nicht Von mir und aller meiner Trauer. Nein! Ich sollt es nicht aussprechen, heilige Natur!
Anmerkung 2.
Seine Sünde ist die Ursünde, deßwegen nichts weniger, als ein Abstractum, so wenig, als höchste Freude ein Abstractum ist, nur muß sie genetisch lebendig dargestellt werden.
Jungfräuliche, die dem rohen Sinn entflieht! Verachtet hab’ ich dich und mich allein Zum Herrn gesezt, ein übermüthiger Barbar! an eurer Einfalt hielt ich euch Ihr reinen immerjugendlichen Mächte! Die mich erzogen, mich mit Wonne genährt, Ihr Guten eure Seele ehrt’ ich nicht! Ich kannt’ es, hatte ja es ausgelernt, Das Leben der Natur, wie sollt’ es mir Noch heilig seyn, wie einst! die Götter waren Mir dienstbar nun geworden, ich allein War Gott, und sprachs im frechen Stolz heraus – O glaub es mir, ich wäre lieber nicht Geboren!
PAUSANIAS.
Was? um eines Wortes willen?
Wie kanst so du verzagen, kühner Mann.
EMPEDOKLES.
Um eines Wortes willen? ja. Und mögen Die Götter mich zernichten, wie sie mich Geliebt.
PAUSANIAS.
So sprechen andre nicht, wie du.
EMPEDOKLES.
Die andern! wie vermöchten sie’s?
PAUSANIAS.
Ja wohl, Du wunderbarer Mann! So innig liebt’ Und sah kein anderer, die ewge Welt Und ihre Genien und Kräfte, nie, Wie du, und darum sprachst das kühne Wort Auch du allein, und darum fühlst du auch So sehr, wie du mit Einer stolzen Sylbe Vom Herzen aller Götter dich gerissen Und opferst liebend ihnen dich dahin, O Empedokles –
EMPEDOKLES.
Siehe! was ist das? Hermokrates, der Priester, und mit ihm Ein Hauffe Volks und Kritias, der Archon! Was suchen sie bei mir?
PAUSANIAS.
Sie haben lang Geforschet, wo du wärst.
EMPEDOKLES. PAUSANIAS. HERMOKRATES. KRITIAS. AGRIGENTINER.
HERMOKRATES.
Hier ist der Mann, von dem ihr sagt, er sei Lebendig zum Olymp empor gegangen.
KRITIAS.
Und traurig sieht er, gleich den Sterblichen.
EMPEDOKLES.
Ihr armen Spötter! ists erfreulich euch Wenn einer leidet, der euch groß geschienen? Und achtet ihr, wie leichterworbnen Raub Den Starken, wenn er schwach geworden ist? Euch reizt die Frucht, die reif zur Erde fällt, Doch glaubt es mir, nicht alles reift für euch.
1. AGRIGENTINER.
Was hat er da gesagt?
EMPEDOKLES.
Ich bitt euch, geht, Besorgt was euer ist, und menget euch Ins meinige nicht ein –
HERMOKRATES.
Doch hat ein Wort Der Priester dir dabei zu sagen?
EMPEDOKLES.
Weh!
Ihr reinen Götter! ihr lebendigen! Muß dieser Heuchler meine Trauer mir Vergiften? geh! ich schonte ja dich oft, So ist es billig, daß du meiner schonst. Du weist es ja, ich hab’ es dir bedeutet, Ich kenne dich und deine schlimme Zunft. Ach! als ich noch ein Knabe war, da mied Euch Allverderber schon mein frommes Herz, Das unbestechbar innigliebend hieng An Sonn und Aether und den Boten allen Der großen ferngeahndeten Natur. Denn wohl hab’ ichs gefühlt, in meiner Furcht, Daß ihr des Herzens freie Götterliebe Bereden möchtet zu gemeinem Dienst Und daß ichs treiben sollte, so wie ihr. Hinweg! ich kann vor mir den Mann nicht sehn Der Heiliges wie ein Gewerbe treibt. Sein Angesicht ist falsch und kalt und todt Wie seine Götter sind. Was stehet ihr Betroffen? gehet nun!
KRITIAS.
Nicht eher biß Der heilge Fluch die Stirne dir gezeichnet Schaamloser Lästerer!
HERMOKRATES.
Sei ruhig, Freund! Ich hab’ es dir gesagt, es würde wohl Der Unmuth ihn ergreifen. – Mich verschmäht Der Mann. das hörtet ihr, ihr Bürger Von Agrigent! und harte Worte mag Ich nicht mit ihm in wildem Zanke wechseln; Es ziemt dem Greise nicht. Ihr möget nur Ihn selber fragen, wer er sei?
EMPEDOKLES.
O laßt,
Ihr seht es ja, es frommet keinem nichts, Den Blutenden zu reizen. Gönnet mirs Den Pfad, worauf ich wandle, still zu gehn, Den heilgen stillen Todespfad hinfort. Ihr spannt das Opferthier vom Pfluge los Und nimmer trifts der Stachel seines Treibers. So schonet meiner auch; entwürdiget Mein Leiden mir mit böser Rede nicht, Denn heilig ists; und laßt die Brust mir frei Von eurer Noth. Ihr Schmerz gehört den Göttern.
1. AGRIGENTINER.
Was ist es denn, Hermokratzes, warum Der Mann die wunderlichen Worte spricht?
2. AGRIGENTINER.
Er heißt uns gehn, als scheut’ er sich vor uns.
HERMOKRATES.
Was dünket euch? der Sinn ist ihm verfinstert Weil er zum Gott sich selbst vor euch gemacht. Doch weil ihr nimmer meiner Rede glaubt, So fragt nur ihn darum. Er soll es sagen.
3. AGRIGENTINER.
Wir glauben dirs wohl.
PAUSANIAS.
Ihr glaubt es wohl?
Ihr Unverschämten? – Euer Jupiter Gefällt euch heute nicht; er siehet trüb; Der Abgott ist euch unbequem geworden Und darum glaubt ihrs wohl? Da stehet er Und trauert und verschweigt den Geist, wonach In heldenarmer Zeit die Jünglinge Sich sehnen werden, wenn er nimmer ist, Und ihr, ihr kriecht und zischet um ihn her, Ihr dürft es? Kent ihr ihn nicht mehr? Seid ihr so grob und sinnenlos Daß euch das Auge dieses Manns nicht warnt? Und weil es sanft ist, wagen sich an ihn Die Feigen – heilige Natur! wie duldest Du auch in deinem Runde diß Gewürm? – Nun sehet ihr mich an, und wisset nicht Was zu beginnen ist mit mir; ihr müßt Den Priester fragen, ihn, der alles weiß.
HERMOKRATES.
O hört, wie euch und mich ins Angesicht Der freche Knabe schilt. Wie sollt er nicht? Er darf es, da sein Meister alles darf. Wer sich das Volk gewonnen, redet, was Er will; das weiß ich wohl und strebe nicht Aus eignem Sinn entgegen, weil es noch Die Götter dulden. Vieles dulden sie Und schweigen bis ans Äußerste geräth Der wilde Muth. Dann aber muß der Frevler Rüklings hinab ins bodenlose Dunkel.
3. AGRIGENTINER.
Ihr Bürger! ich mag nichts mit diesen Zween Ins künftige zu schaffen haben.
1. AGRIGENTINER.
Sagt,
Wie kam es denn, daß dieser uns bethört?
2. AGRIGENTINER.
Sie müssen fort, der Jünger und der Meister.
HERMOKRATES.
So ist es Zeit! – Euch fleh’ ich an, ihr Furchtbarn! Ihr Rachegötter! – Wolken lenket Zevs Und Wasserwoogen zähmt Posidaon, Doch euch, ihr Leisewandelnden, euch ist Zur Herrschaft das Verborgene gegeben Und wo ein Eigenmächtiger der Wieg’ Entsprossen ist, da seid ihr auch, und geht Indeß er üppig auf zum Frevel wächst, Stillsinnend fort mit ihm, hinunterhorchend In seine Brust, wo euch den Götterfeind Die unbesorgt geschwäzige verräth – Auch den, ihr kanntet ihn, den heimlichen Verführer, der die Sinne nahm dem Volk Und mit dem Vaterlandsgeseze spielt’, Und sie, die alten Götter Agrigents Und ihre Priester niemals achtete, Und nicht verborgen war vor euch, ihr Furchtbarn! So lang er schwieg, der ungeheure Sinn; Er hats vollbracht. Verruchter! wähntest du Sie müßtens nachfrohlokken, da du jüngst Vor ihnen einen Gott dich selbst genannt? Dann hättest du geherrscht in Agrigent, Ein einziger allmächtiger Tyrann Und dein gewesen wäre dein allein Das schöne Land mit seinen Schäzen allen. Sie schwiegen nur; erschroken standen sie; Und du erblaßtest, und es lähmte dich Der böse Gram in deiner dunkeln Halle, Wo du hinab dem Tageslicht entflohst. Und kömmst du nun, und gießest über mich Den Unmuth aus, und lästerst unsre Götter?
1. AGRIGENTINER.
Nun ist es klar! er muß gerichtet werden.
KRITIAS.
Ich hab es euch gesagt; ich traute nie Dem Träumer.
EMPEDOKLES.
O ihr Rasenden!
HERMOKRATES.
Und sprichst
Du noch und ahndest nicht, du hast mit uns Nichts mehr gemein, ein Fremdling bist du worden, Und unerkannt bei allen Lebenden. Die Quelle, die uns tränkt, gebührt dir nicht Und nicht die Feuerflamme, die uns frommt, Und was den Sterblichen das Herz erfeut Das nehmen die heiligen Rachegötter von dir. Für dich ist nicht das heitre Licht hier oben, Nicht dieser Erde Grün und ihre Frucht, Und ihren Seegen giebt die Luft dir nicht, Wenn deine Brust nach Kühlung seufzt und dürstet. Es ist umsonst, du kehrest nicht zurük Zu dem, was unser ist; denn du gehörst Den Rächenden, den heilgen Todesgöttern. Und wehe dem, von nun an, wer ein einzig Wort Von dir in seine freundlich Seele nimmt, Wer dich begrüßt, und seine Hand dir beut, Wer einen Trunk am Mittag dir gewährt Und wer an seinem Tische dich erduldet, Dir, wenn du Nachts an seine Thüre kömst, Den Schlummer unter seinem Dache schenkt, Und wenn du stirbst, die Grabesflamme dir Bereitet, wehe dem! wie dir! – hinaus! Es dulden die Vaterlandsgötter länger nicht Wo ihre Tempel sind, den Allverächter.
2. AGRIGENTINER.
Hinaus, damit sein Fluch uns nicht befleke!
PAUSANIAS.
O komm! du gehest nicht allein. Es ehrt Noch Einer dich, wenns schon verboten ist, Du Lieber! und du weist, des Freundes Seegen Ist kräftiger denn dieses Priesters Fluch. O komm in fernes Land! wir finden dort Das Licht des Himmels auch, und bitten will ich, Daß freundlich dirs in deine Seele scheine. Im heiterstolzen Griechenlande drüben Da grünen Hügel auch, und Schatten gönnt Der Ahorn dir, und milde Lüfte kühlen Den Wanderern die Brust; und wenn du müd Vom heißen Tag an fernem Pfade sizest, Mit diesen Händen schöpf ich dann den Trunk Aus frischer Quelle dir und sammle Speisen, Und Zweige wölb’ ich über deinem Haupt, Und Moos und Blätter breit’ ich dir zum Lager, Und wenn du schlummerst, so bewach’ ich dich; Und muß es seyn, bereit ich dir auch wohl Die Grabesflamme, die sie dir verwehren; Die Schändlichen!
EMPEDOKLES.
Oh! du treues Herz! – Für mich Ihr Bürger! bitt’ ich nichts; es sei geschehn! Ich bitt euch nur um dieses Jünglings willen. O wendet nicht das Angesicht von mir! Bin ich es nicht, um den ihr liebend sonst Euch sammeltet? ihr selber reichtet da Mir auch die Hände nicht, unziemlich dünkt’ Es euch, zum Freund’ euch wild heranzudrängen. Doch schiktet ihr die Knaben, diese Friedlichen Und auf den Schultern brachtet ihr die Kleinern Und hubt mit euren Armen sie empor – Bin ich es nicht? und kennt ihr nicht den Mann, Dem ihr gesagt, ihr könntet, wenn ers wollte, Von Land zu Land mit ihm, als Bettler gehn, Und, wenn es möglich wäre, folgtet ihr Ihm auch hinunter in den Tartarus? Ihr Kinder! alles wolltet ihr mir schenken Und zwangt mich thöricht oft, von euch zu nehmen, Was euch das Leben heitert’ und erhielt, Dann gab ichs euchs vom Meinigen zurük Und mehr, denn Eures, achtetet ihr diß. Nun geh’ ich fort von euch; versagt mir nicht Die Eine Bitte: schonet dieses Jünglings! Er that euch nichts zu Laid; er liebt mich nur Wie ihr mich auch geliebt, und saget selbst Ob er nicht edel ist und schön! und wohl Bedürft ihr künftig seiner, glaubt es mir! Oft sagt’ ich euchs: es würde nacht und kalt Auf Erden und in Noth verzehrte sich Die Seele, sendeten zu Zeiten nicht Die guten Götter solche Jünglinge Der Menschen welkend Leben zu erfrischen. Und heilig halten, sagt’ ich, solltet ihr Die heitern Genien – o schonet sein Und rufet nicht das Weh, versprecht es mir!
3. AGRIGENTINER.
Hinweg! wir hören nichts von allem, was Du sagst.
HERMOKRATES.
Dem Knaben muß geschehn wie ers Gewollt. Er mag den frechen Muthwill büßen! Er geht mit dir, und dein Fluch ist der seine.
EMPEDOKLES.
Du schweigest, Kritias! verbirg es nicht, Dich trift es auch; du kanntest ihn, nicht wahr? Die Sünde löschen Ströme nicht von Blut Der Thiere. – Ich bitte, sag es ihnen, Lieber! Sie sind, wie trunken, sprich ein ruhig Wort Damit der Sinn dem Volke wiederkehre.
2. AGRIGENTINER.
Noch schilt er uns? Gedenke deines Fluchs Und rede nicht und geh’! wir möchten sonst An dich die Hände legen.
ARCHON.
Wohl gesagt,
Ihr Bürger!
EMPEDOKLES.
So! – und möchtet ihr an mich
Die Hände legen? was? gelüstet es Bei meinem Leben schon die hungernden Harpyen? und könt ihrs nicht erwarten, bis erst Der Geist entflohn ist, mir die Leiche zu schänden? Heran! zerfleischt und theilet die Beut’ und es seegne Der Priester euch den Genuß, und seine Vertrauten Die Rachegötter lad er zum Mahl! – Dir bangt Heilloser! kennst du mich? und soll ich dir Den bösen Scherz verderben, den du treibst? Bei deinem grauen Haare, Mann! du solltst Zu Erde werden, denn du bist sogar Zum Knecht der Furien zu schlecht. O sieh! So schändlich stehst du da, und durftest doch An mir zum Meister werden? freilich ists Ein ärmlich Werk, ein blutend Wild zu jagen! Ich trauerte, das wußte der, da wuchs Der Muth dem Feigen; da erhascht er mich Und hezt des Pöbels Zähne mir aufs Herz. O wer, wer heilt den Geschändeten nun, wer nimmt Ihn auf, der heimathlos der Fremden Häuser Mit den Narben seiner Schmach umirrt, die Götter Des Hains fleht, ihn zu bergen – komme, Sohn! Sie haben wehe mir gethan, doch hätt’ Ichs wohl vergessen, aber dich? – ha! geht