Gedichte & Erzählungen - Rudolf Baumbach - E-Book

Gedichte & Erzählungen E-Book

Rudolf Baumbach

0,0

Beschreibung

Dieser Band enthält neben den beiden großen Dichtungen "Horand und Hilde" und "Zlatorog" weitere in Gedichtform verfasste Abenteuer und Schwänke sowie einige Erzählungen. Inhalt: Horand und Hilde Der Ritter im Rauch Die Reise in's Paradies. Das Häslein Die Feder im Bart Frau Venus in Byzanz. Das Auge Der Teufel und der Arzt. Das Schrätlein und der Wasserbär. Der Stein des Virgilius. Der Ritter vom Hühnernest. Das Schneekind. Der Wilde. Aristoteles und Phyllis. Die gestohlene Feder. Das Gänslein. Der Fechtmeister und sein Schüler. Die Beichte Das lange Band. Der Graf im Pflug. Maria und die Mutter Zlatorog Das Habichtsfräulein Der Schwiegersohn Die Nonna Einbein

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 546

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gedichte & Erzählungen

Rudolf Baumbach

Inhalt:

Rudolf Baumbach – Biografie und Bibliografie

Horand und Hilde

Das wundersame Schiff

König Hagen

Wie Wate und Horand feil hielten

König Hagen und die Frauen

Wie Herr Wate Fechten lernte

Wie Horand vor den Könniginnen sang

Hilde und Hildburg

Die Werbung

Die Flucht

Sturm

Die Rache

Der Kampf

Des Königs Hochzeitsfackel

Abenteuer und Schwänke

Der Ritter im Rauch

Die Reise in's Paradies.

Das Häslein

Die Feder im Bart

Frau Venus in Byzanz.

Das Auge

Der Teufel und der Arzt.

Das Schrätlein und der Wasserbär.

Der Stein des Virgilius.

Der Ritter vom Hühnernest.

Das Schneekind.

Der Wilde.

Aristoteles und Phyllis.

Die gestohlene Feder.

Das Gänslein.

Der Fechtmeister und sein Schüler.

Die Beichte

Das lange Band.

Der Graf im Pflug.

Maria und die Mutter

Zlatorog

Das Habichtsfräulein

Der Schwiegersohn

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

Die Nonna

Einbein

Gedichte & Erzählungen, Rudolf Baumbach

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849606886

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Rudolf Baumbach – Biografie und Bibliografie

Dichter, geb. 28. Sept. 1840 zu Kranichfeld in Thüringen, studierte Naturwissenschaften in Würzburg, Freiburg, Leipzig und Heidelberg und lebt, nach längerem Aufenthalt in Triest, seit 1885 als Hofrat in Meiningen. Baumbachs Talent wurde von den Gedichten Scheffels geweckt, aber es wurzelt nicht im Studentenleben, sondern in der Wanderlust. Seinen ersten Erfolg hatte er mit der poetischen Erzählung: »Zlatorog, eine slowenische Alpensage« (Leipz. 1877), die mit romantischem Sinn das vielverbreitete Motiv der saligen Frauen, der Schützerinnen der Gemsen, darstellt und ein frisches, farbiges Bild südlichen Volkslebens gibt. Baumbachs Ruhm vermehrte sich nach Erscheinen der »Lieder eines fahrenden Gesellen« (Leipz. 1878) und »Neuen Lieder eines fahrenden Gesellen« (das. 1880), denen später folgten: »Spielmannslieder« (das. 1881); »Mein Frühjahr« und »Von der Landstraße« (das. 1882); »Wanderlieder aus den Alpen« (das. 1883); »Krug und Tintenfaß« (das. 1887); »Thüringer Lieder« (das. 1891); »Aus der Jugendzeit« (das. 1896); »Bunte Blätter« (1897). Baumbachs Lyrik ist der Ausdruck einer zwar nicht großen, aber sehr liebenswürdigen, gefunden, tüchtigen, wahrhaften Persönlichkeit. Mit keinem geringeren Erfolg hat B. die poetische Erzählung gepflegt, in der er alte, volkstümliche Stoffe darstellt: »Horand und Hilde« (Leipz. 1878); »Frau Holde« (das. 1881); »Abenteuer und Schwänke« (das. 1883); »Der Pate des Todes« (das. 1884); »Kaiser Max und seine Jäger« (das. 1888). Auch im Märchen hat er sich selbständig bewährt, so in den »Sommermärchen« (Leipz. 1881); »Erzählungen und Märchen« (das. 1885); »Es war einmal« (das. 1889); »Neue Märchen« (das. 1896). Sämtliche Bücher Baumbachs sind seit ihrem ersten Erscheinen vielfach neu aufgelegt. Aus seiner Studentenzeit stammt die historische Erzählung: »Truggold« (Berl. 1885).

Horand und Hilde

I.

Das wundersame Schiff

Nun wollet mit mir lauschen Uraltem Heldensang. Bald hört ihr Wellen rauschen, Bald süssen Saitenklang, Bald hört ihr Becher klirren Im weiten Königssaal, Bald scharfe Klingen schwirren Von felsenhartem Stahl.

Es zog am Himmelsbogen Empor das Sonnenross, Und auf des Nordmeers Wogen Ein rother Schein sich goss;Der Frühwind kam, der scharfe, Der leis die See bewegt, Wie wenn die goldne Harfe Ein Sänger prüfend schlägt.

Bald schmückte jede Welle Ein Krönlein silberklar, Es stieg zur Tageshelle Herauf der Fische Schaar, Es regte das Gefieder Der Ufervögel Brut, Die Möven stiessen nieder Und tauchten in die Fluth.

Ein Kranz von dunklen Klippen Sich aus dem Wasser hob, Und um der Felsen Rippen Sich grüner Meertang wob. Dort lagen an dem Strande Der plumpen Robben viel, Die trieben in dem Sande Ihr ungefüges Spiel.

Jetzt hoben die geschreckten Sich halben Leibs empor, Den kurzen Hals sie reckten Und wandten scheu das Ohr.Dann stürzten sie kopfüber In's Wasser sich vom Riff, Und rauschend zog vorüber In voller Fahrt ein Schiff.

Sein Rumpf glich einem Drachen, Der auf dem Wasser schwamm, Das Haupt mit offnem Rachen Trug einen goldnen Kamm, Es warfen rothe Blitze Die Schuppen vorn am Bug, Und eine goldne Spitze Des Schweifes Ende trug.

Noch möcht ihr hören sagen Der Wunderdinge viel: Mit Silber war beschlagen Des Schiffes krummer Kiel, Lichtblau war seine Flanke, Umwallt vom weissen Schaum; Der Mast, der hohe, schlanke War ein Cypressenbaum.

Ein Segel hing von oben, Das glänzte wie der Schnee, Aus Seide war's gewoben Im fernen Arabe.Gleich einer rothen Zunge Ein Zeichen flog am Mast, Drein war ein Leu im Sprunge Gestickt mit Goldesglast.

Es spann von Purpurtauen Ein Netz sich über's Schiff, Von Silber war zu schauen Des Steuerruders Griff, An Silberketten hingen Die Silberanker schwer; Es war ein lustig Klingen Von Silber rings umher.

Ein Riese stand am Steuer, Aus Fellen war sein Kleid, Sein Auge sprühte Feuer, Sein Bart war ellenbreit. Sein Haar mit Greisenfarbe Gesprenkelt war's genug, Und manche rothe Narbe Sein grimmes Antlitz trug.

Viel wetterbraune Recken, Wohl fünfzig an der Zahl, Gestreckt auf Wollendecken Erlabten sich am Mahl.Aus Silberschüsseln speisten Sie Fleisch und Speck vom Schwein, Und Auerhörner kreisten Mit Meth gefüllt und Wein.

Wie unter'm Mövenvolke Ein Schwanenvogel schwebt, Wie aus der grauen Wolke Der lichte Mond sich hebt, So sah man einen gehen Den andern Degen vor, Wie Balder schön zu sehen Und stark wie Asathor.

Er stand im Scharlachkleide Geschmückt mit Kett' und Ring, Sein Schwert in goldner Scheide Am breiten Gürtel hing; Von dunklen Otterfellen Des Helden Kappe war, Darunter quoll in Wellen Hervor das lichte Haar.

Das Horn mit weitem Runde Von Silberreifen schwer, Er hob's empor zum Munde Und trank es langsam leer.Dann durch die Harfe leise Glitt seiner Finger Lauf; Da ward es still im Kreise, Und Alle horchten auf.

Die Harfe stärker rauschte, Zu singen fing er an; In blauer Tiefe lauschte Die lilienweisse Ran, Es ward herbeigezogen Der Wellenmaide Schaar, Und Oegir aus den Wogen Hob sein bekränztes Haar.

Es sass auf Segelstangen Der Vögel lauschend Heer, Die Silberfische sprangen Wie Funken über's Meer. Aufhorchend strich der schnelle Delphin das Schiff entlang, Es schwieg der Hall der Welle, Der Recke aber sang:

Verzaubert ruht Auf goldnem Schild Umwallt von Gluth Im Schlaf Brunhild.  Es ist geschehen Nach Wodens Gebot: Die Jahre vergehen. Das Feuer loht.

Sigfrid, der wilde Durchs Feuer springt Und um Brunhilde Die Arme schlingt. Nach langer Nacht Spätmorgenroth! – Brunhild erwacht, Das Feuer loht.

Der junge Degen Wird liebeswund. Ihm blüht entgegen Der Jungfrau Mund, Es zwingt sie zusammen Der Minne Noth; Die Wangen flammen, Das Feuer loht.

Die Liebe stirbt, Das Leid beginnt.Held Sigfrid wirbt Frau Utens Kind.  O wache, wache! Verderben droht Brunhildens Rache. Das Feuer loht.

Erschlagen liegt Siglindens Sohn. Sein Geist entfliegt Zu Wodens Thron. Brunhild verhaucht Im Flammentod. – Der Holzstoss raucht, Das Feuer loht.

###

Die Töne leis verklangen, Da riefen rings umher Die Männer voll Verlangen; "Held Horand, sing' uns mehr!" Und durch die Saiten wieder Glitt sacht des Sängers Hand, Da rief's vom Mastkorb nieder Mit geller Stimme: "Land!"

Aufsprangen alle Recken, Und Horands Harfe schwieg. Im Nord aus Nebeldecken Ein Schneegebirge stieg. Das Steuer liess der Alte, Am Bugspriet stand er vorn, Und seine Stimme hallte Stark wie ein Büffelhorn:

"Nun weichet ohne Säumen Ihr Helden allzumal Und waffnet in den Räumen Die Glieder euch mit Stahl Und sorget, dass vom Strande Kein Wächter euch erspäht Und dass vom Stahlgewande Kein Klirren euch verräth."

Da bargen sich die Degen Nach ihres Herrn Gebot Wie Tauchervögel pflegen, Wenn sie ein Aar bedroht. Vom Maste musste weichen Der Leu zum Sprung gereckt; Ein weisses Friedenszeichen Ward droben aufgesteckt.

Die Ruderknechte refften Das Segeltuch geschwind; Das Schiff mit halben Kräften Ging langsam vor dem Wind. Es hielt der graue Streiter Des Steuerruders Griff Und lenkte sicher weiter Das wundersame Schiff.

II.

König Hagen

Aus des Nordmeers Fluthen steigt ein Land, Reich an Buchten ist der flache Strand. Fischerhütten am Gestade liegen, Boot und Kahn am Ankerseil sich wiegen, Drachen auch mit hohen Föhrenmasten Auf dem Sand wie müde Robben rasten. Hügel folgen auf die nackte Düne Ueberwachsen von lebend'gem Grüne.

Bei der Birke mit der lichten Rinde Steht der Eichbaum und die breite Linde, Und das Gerstenfeld im gelben Kleide Mit der Wiese wechselt und der Weide.Lieblich schallt's von Heerdenglockenklängen, Weisse Schafe grasen an den Hängen, Rinder auch und eine Zucht von Rossen, Silberweiss, aus Sleipners Blut entsprossen.

Aus den Hügeln werden Berge bald, Und Gehölz und Weide weicht dem Wald. Elke schreiten durch das Dickicht stolz, Und der Bär zieht langsam durch das Holz. Borst'ge Eber hegt das schwarze Moor, Hungrig schleicht der Grauhund durch das Rohr, Und der Adler aus dem Felsenhorst Schwebt in Kreisen über Berg und Forst.

Hundert Quellen aus den Felsen brechen, Und die Quellen sammeln sich zu Bächen. Lustig springen sie von Stein zu Stein, Fallen plätschernd in den Bergsee ein, Und dem See entströmt ein Silberband, Rauschend wallt es durch das grüne Land, Und auf viel gewund'nen Schlangenwegen Zieht der Fluss dem blauen Meer entgegen.

Kurz bevor ihn nimmt die Salzfluth auf, Hemmt ein hoher Hügel seinen Lauf, Und der Strom zur Gabelung gezwungen Hält von allen Seiten ihn umschlungen.Thürme trägt der Hügel und Paläste Und ein Steinwall rings umhegt die Veste, Aufgebaut aus Blöcken roh behauen. Wie ein Riesenbollwerk anzuschauen.

Baljan ist die stolze Burg genannt, Und ihr Ruhm erklingt in's fernste Land. Aus der Mitte ragt das thurmumstarrte Königsschloss, des Landes hohe Warte, Drein im Purpurkleid auf goldnem Thron Richtet König Hagen, Sigbands Sohn.

Keiner in des Nordlands weiten Reichen Ist an Macht Herrn Hagen zu vergleichen, Zwanzig Fürsten, stolz und hochgemuth Dienen ihm und zahlen ihm Tribut. Zieht der Held zu Feld mit reis'ger Wehr, Fliegt der bleiche Schrecken vor ihm her, Leichenhügel zeichnen seine Spuren, Trümmerhaufen und zerstampfte Fluren. Bis zum fernsten Nord, wo dunkelroth Mitternachts die Sonn' am Himmel loht, Wo das Riesenvolk im Eisland haust, Geht der Ruf von seiner blut'gen Faust, Und die Kinder fangen an zu zagen, Hören sie den Schreckensnamen Hagen.

Milde kennt das Herz des Königs nicht, Furchtbar trifft den Schuld'gen das Gericht. Weh dem Edlen, der im Uebermuth Einem Bauern schädigt Hab und Gut Unerbittlich fasst ihn Hagens Hand, Und sein Haupt rollt blutig in den Sand. Aber sorglos durch die Marken weit Zieht der Krämer in des Herrn Geleit, Sorglos legt er sich im Walde nieder, Und wer Geld verliert, der findet's wieder.

###

König Hagen sass beim reichen Mahl Auf dem Hochsitz in dem weiten Saal. Um ihn her auf weichen Bärendecken Sassen schmaussend hundert bärt'ge Recken. An der rauchgebräunten Föhrenwand Glänzte mancher Schild mit blauem Rand, Von des Elkgeweih's gezackter Sprosse Hingen Schwerter, Bogen und Geschosse, Und dazwischen sah man allwärts ragen Kupferleuchter um den Kien zu tragen.

Mit den Schüsseln und den Humpen schwer Liefen Schenk und Truchsess hin und her,Setzten Eierkeulen auf die Tische, Fleisch vom Hirschen und gewürzte Fische, Süsse Aepfel auch mit gelber Schale, Wie Idun sie reicht beim Asenmahle. In die Hörner füllten Meth sie ein, In die Silberbecher wälschen Wein. Mancher Tropfen auf den Estrich rann, Und mit schwerem Haupt sass mancher Mann.

Trotzig lachend liess nach allen Seiten König Hagen seine Blicke gleiten. Nächst dem Kampf, wo Schwert auf Helm erkracht, War am liebsten ihm die Becherschlacht. Breit von Schultern war er anzuschauen, Schwarz von Haar und Bart und Augenbrauen, Auf dem Koller er die Schuppen trug Eines Gabiluns, den er erschlug. – Damals war der König noch ein Kind, Aber anders, als sonst Knaben sind. Da er trank des Ungeheuers Blut, Ward ihm wunderbar erhöht der Muth, Ward an Klugheit er und Listen reich Und an Kraft drei starken Männern gleich.

Hellauf rief der königliche Zecher: "Heda Schenken, bringt den Bragibecher!Auf ihr Degen, eh' ihr weinschwer sinkt, Noch des Abschieds Minne mit mir trinkt'" Und ein Kleinod ward herein getragen, Silberschwer mit rothem Gold beschlagen; Ein gebauchtes Meerschiff stellt' es dar Und gefüllt mit rothem Wein es war. Hagen trank und hob die Hand empor: "Hör mich Woden, hör' mich Asathor! Mit dem König Hettel will ich ringen, Der im Volke herrscht der Hegelingen. Nehmen will er sich, so hört' ich sagen, Was ich seinen Boten abgeschlagen. Aber für die Drohung soll er büssen; Will in seinem eignen Land ihn grüssen Und der bleichen Hel ein Opfer weih'n, Wenn die Götter mir den Sieg verleih'n."

Hagen rief's. Da jauchzten wild die Streiter. Und der König gab das Kleinod weiter. Wandelnd ging der Becher in der Runde Immer frisch gefüllt von Mund zu Munde. Jeder Trinker rief die Asen an, Und beim Trunk ward mancher Schwur gethan.

Da erhob sich von der Bank ein Greis, Kahl der Scheitel und der Bart wie Eis.Weite Falten ihm der Mantel schlug, Und am Band er eine Harfe trug. Geisel war er einst in's Land gekommen, Und das Augenlicht war ihm genommen. Als ihn trieb zur Heimat das Verlangen, Ward er flüchtig und ward eingefangen Und zur Strafe liess von Henkershänden Ihn der grimme König Hagen blenden. Vor den Thüren nun um Trank und Speiser Sang der Alte seine Liederweisen, Auch zur Kurzweil in den Königssaal Hagen oft den blinden Greis befahl, Denn der Recken viel in seinen Landen, Doch der Sänger wenig nur sich fanden.

Jetzt nun liess der Alte durch die Saiten Prüfend seine hagren Finger gleiten, Und in dumpfem Ton zum Harfenschlage Scholl aus seinem Mund die Svafa-Sage:

Held Helge zog in den wilden Krieg, Sein Helmbusch wallte, sein Rothross stieg; So führt' er die Männer zum Streite. Jung Hedinn, sein Bruder, im Kleid von Stahl, Die Augen irrend, die Wangen fahl, Ritt schweigend an seiner Seite.

"Mein Bruder, was ist dein Gesicht so bleich, Als hätt'st du geschlafen im Todtenreich, In Helas schaurigen Marken? Es blickt so scheu dein Aug umher, Es schwankt und zittert der Eschenspeer In deiner Rechten, der starken."

"O Helge!" schrie jung Hedinn laut, "Beim Becher schwur ich, deine Braut, Schön Svafa zu gewinnen. Ich schwur's im Rausch, doch Eid bleibt Eid, Am Herzen nagt mir grimmes Leid, Dem kann ich nicht entrinnen."

Sie ritten stumm in die Männerschlacht, Sie brachen des Feindes Uebermacht, Sie würgten wie Wölfe, wilde; Und als sich neigte der blutige Tag, Mit klaffender Stirne Helge lag Leis röchelnd auf seinem Schilde.

Schön Svafa kniete auf rothem Grund, Ihr Aug war trocken und stumm ihr Mund, Bleich stand jung Hedinn daneben. Des Wunden Athem ging tief und schwer: "Schön Svafa, mein Bruder liebt dich so sehr; Ihm sollst du zu eigen dich geben."

Sie küsste des Sterbenden Angesicht. "Dein Tod zerbricht den Eidschwur nicht; Kein Andrer soll mich werben. Gehst du zur Halle Wodens ein, Nicht ziehen lass' ich dich allein, Ich folge dir nach im Sterben."

Schön Svafa zuckte den scharfen Stahl, Im Bogen sprang ein rother Strahl, Durchstochen sank sie zu Boden. Walküren trugen auf weissem Arm Das Paar, befreit von allem Harm, Zum Saal des grossen Woden.

###

Leiser rauschten jetzt die Harfenklänge, Da entstand am Flügelthor Gedränge. Mit dem weissen Stab in seiner Rechten Trat der Strandvogt ein mit seinen Knechten, Und inmitten der bewehrten Schaar Schritt mit leichtem Gang ein Knabenpaar. Nach den Kleidern waren's Schiffer fremd, Trugen Waffen nicht noch Kettenhemd, Aber eine Truhe, gross und schwer, Schleppten sie zu Hagens Hochsitz her.

Und der Vogt alsbald das Wort ergriff: "Herr, im Hafen liegt ein seltsam Schiff, Blinkt und gleisst von köstlichem Metall, Und von Seide sind die Segel all, Birgt im weiten Raum viel edles Gut, Und die Herren sind gar hochgemuth, Greis der eine, Jüngling noch der zweite, Heischen Königsfrieden und Geleite."

So der Vogt. – Es nickte König Hagen, Und die Fremden hub er an zu fragen: "Sprecht, wer seid ihr und aus welchem Land, Und was führt euch her an meinen Strand? Seid ihr Recken oder Handelsleute? Bringt ihr Waaren oder sucht ihr Beute?"

Und der Fremden einer sprach geschwind: "Reiche Krämer unsre Herren sind. Wate, Horand werden sie genannt, Und gen Mittag liegt ihr Mutterland. Sieh, o König, gnädig auf die Spenden, Die sie, deinen Frieden heischend, senden."

So der Bote, und mit flinker Hand Flocht er auf der Truhe Riemenband. In der Höhlung funkelte Geschmeide, Reich wie Fafners Hort auf Gnitahaide,Ketten, Gürtel, reich mit Gold beschlagen, Ringe, Spangen auch am Arm zu tragen, Halsgeschmeide für die Königin, Seide, Sigelat und Baldekin.

Gnädig sah der König auf die Gaben, Gnädig sprach er zu den Botenknaben: "Meldet euren Herren unverweilt, Frei Geleit ist ihnen zugetheilt. Heisst sie an den Strand die Waaren tragen, Dank und Willkomm will ich selber sagen." Und zum Strandvogt sprach er: "Sorgt auf's beste Für das Wohl der fremden, reichen Gäste. Büssen mit dem Halse soll's der Wicht, Welcher frech des Königs Frieden bricht!"

III.

Wie Wate und Horand feil hielten

Gleich Aemsen, die den Bau verlassen Und schwärmend ziehen durch den Sand, So strömt das Volk aus Baljans Gassen In schwarzen Zügen nach dem Strand, Voraus der Knaben Schaar mit weiten Hirschsprüngen über Stock und Stein, Die Edeln und die Bürger schreiten Bedächtig wandelnd hinterdrein. Das Wunderschiff im blauen Sunde Liegt fest verankert und vertaut, Und auf der Düne sand'gem Grunde Ist ein geräumig Zelt gebaut.

Ein Waarentisch ist aufgeschlagen So wie es bei den Krämern Brauch, Und immer neue Güter tragen Die Knechte aus des Schiffes Bauch. Mit Ernst und Würde vor dem Gaden Der alte, bärt'ge Wate steht, Jung Horand aber in dem Laden Sich flink nach allen Seiten dreht. Und um den Tisch ein bunt Gedränge Von Alt und Jung, von Gross und Klein; Jetzt neigt sich Horand vor der Menge Und schmettert in die Luft hinein:

Männer und Frauen werth Kommet zu Hauf! Was euer Herz begehrt, Stell' ich zu Kauf: Waffen von Zwergenhand, Stählernes Kleid, Blinkendes Allerhand, Köstlich Geschmeid, Helme wie Felsen hart, Ketten gegliedert, Spangen von jeder Art, Pfeile befiedert,  Schwerter, rothblinkende  Wort unleserlichiche Waffen – Weland, der hinkende, Hat sie geschaffen – Rundschilde silberhell, Stählerne Bogen, Köcher mit Pardelfell Schön überzogen, Heerhorn und Jägerhorn, Leuchtend von Gold, Goldsporn und Silbersporn, Wie ihr es wollt, Halsbergen wunderbar, Fest und geschmeidig, Brünnen von Silber klar, Speereisen schneidig, Sättel und Pferdgeräth, Seidene Zäume, Decken mit Gold genäht, Purpurn die Säume, Becher gebaucht, geschweift, Kessel für Meth, Trinkhörner goldumreift – Sehet, o seht!

Tretet heran geschwind Frauen und Maide!  Prüfet das Kopfgebind Und das Geschmeide! Gürtel und Fingerlein Biet' ich zu Kauf, Perlen und Edelstein, Haufe bei Hauf, Jaspis und Chrysopras, Rothe Karfunkel, Adamant und Topas Leuchtend im Dunkel. Kämme von Elfenbein, Goldene Spindeln, Aepfel mit Bisam drein, Nadeln und Zindeln. Ach, und die Kleiderpracht! An allen Nähten Goldener Flitter lacht An goldnen Drähten; Sigelat aus Byzanz, Ferransgewänder, Saben von Silberglanz, Borten und Bänder, Häute vom Hermelin, Weiss wie der Schnee, Seidenstoff, Baldekin Aus Ninive.

###

Wie aus dem Felsen springt die Quelle, Von Horands Munde sprudelnd geht's. Verwundert hört's sein Schiffsgeselle Und lacht und denkt sich: Der versteht's.

Die Menge hört es mit Ergetzen Und prüft und wägt bereits im Geist, Bald ruht das Auge auf den Schätzen Und bald auf jenem, der sie preist. Die Maide drehen nach dem Sänger Die Köpfe mit dem gelben Haar. So lockt ein kluger Vogelfänger Im Wald der bunten Vöglein Schaar.

Da tritt, geschmückt mit reichem Kleide, Der Strandvogt würdevoll in's Zelt Und wählt sich aus dem Goldgeschmeide Das Kleinod, das ihm just gefällt. Ein Armring ist's, ein schöngereifter.Es prüft der Käufer das Gewicht Und langsam nach dem Beutel greift er, Herr Horand aber lächelnd spricht: "Dein Geld, o Herr, wir können's missen; Die Spange nimm als Gastgeschenk," Und schiebt dem Vogt sie dienstbeflissen Rasch über's linke Handgelenk.

Dann nimmt Herr Wate eine Spange, Die hell von Edelsteinen gleisst, – Ihr Muster war die Midgardschlange, Die ringelnd in den Schweif sich beisst – Und spricht: "Auch diese musst du nehmen," Und bietet sie dem Strandvogt dar, "Der andre Arm sich müsste schämen, Wenn er der Zierde wäre bar; An deinem rechten soll sie blinken, Mehr als der linke ist er werth; Den Schild nur trägst du an dem linken, Allein der rechte führt das Schwert." Des Alten Worte lieblich klingen, Der Vogt den Säckel voll behält Und scheidet mit den goldnen Ringen Vergnüglich aus dem Krämerzelt.

Nun dringt, gelockt durch solche Spende Die Volksschaar auf die Fremden ein,Und hätte Horand hundert Hände, Es würde keine müssig sein. In frühern und in spätern Tagen So guten Markt noch niemand sah; Zum ersten Angebote sagen Die Kaufherrn immer lächelnd ja. Es ging an Gut in einer Stunde Für siebentausend Marken fort, Allein der Schatz in Schiffes Grunde War reich wie König Niblungs Hort.

Jetzt aber nahte sich zu Pferde Der König mit der Seinen Schaar. In reichen Wellen floss zur Erde Der edlen Rosse Mähnenhaar. Es sprangen von den Satteldecken Die Herren nieder auf den Sand, Und eilig schritt mit seinen Recken Der König nach dem Krämerstand. Da neigten sich in ihrem Laden Herr Horand und Herr Wate tief, Der König aber voller Gnaden Von weitem schon Willkommen rief. "Habt Dank für alles, was die Boten Mir brachten in den Königssaal, Doch wisset, über'm Gold, dem rothen. Steht hiezuland der blaue Stahl.Der Steine Pracht im Goldschmuck preisen Als höchstes Gut die schönen Frau'n; Der Männer bester Schmuck ist Eisen. Lasst Helme mich und Schwerter schau'n!"

Der Alte nickt. "Auch uns ist werther Die Klinge, denn ihr goldner Griff, Und Brünnen, Helme, Schilder, Schwerter Bringt dir im Ueberfluss mein Schiff. Der Waffen beste, die wir haben, Herr König, soll dein Auge schauen. Nicht mocht' ich meinen Botenknaben Das seltne Kleinod anvertrauen."

Er spricht's und reicht dem König Hagen Ein breites Schwert mit lichtem Knauf, Die Scheide ist mit Gold beschlagen, Und Edelsteine funkeln drauf. Des Königs Rechte zieht die Klinge, Und wie von Surturs Flammenschwert Am letzten Tag der Erdendinge Ein Blitzstrahl durch den Zeltraum fährt. Herr Wate aber spricht zu Hagen: "Das Schwert, es schneidet Stahl und Stein; Held Wolfhart hat es einst getragen, Und wenn du willst, so ist es dein. Schmied Weland, den die Sänger preisen,Geschaffen hat's mit eigner Hand, Gehämmert ist's aus kaltem Eisen, Und Nagelring ist's zubenannt." Drauf lässt er auf die Schneide gleiten Ein Flöckchen Wolle aus der Hand, Und sieh, es fällt zu beiden Seiten Des Schwerts zerschnitten auf den Sand.

Ein Ruf des Staunens wird im Ringe Der kampfesfrohen Männer laut, Herr Hagen aber auf die Klinge Mit freudetrunknem Auge schaut. Er hebt das Schwert zu kräft'gem Schwunge Und wirbelt's um das Haupt geschwind; Es leuchtet wie des Feuers Zunge Und pfeift wie scharfer Nordsturmwind. Dann birgt er wieder in der Scheide Den lichten Stahl und hält ihn fest, Wie wenn die süsse Augenweide Der Jüngling in die Arme presst, Er dankt und spricht: "Solch edle Gäste, Die wollen gut empfangen sein. Stellt morgen euch in meiner Veste Zu frohem Schmaus und Wetttrunk ein!"

Er spricht's und winkt. Da führt am Zügel Das Pferd ein Knabe vor das Zelt,Es steigt der König in den Bügel, Den Horand dienstbeflissen hält. Er lenkt zur Burg sein Ross, das schnelle, Der Nagelring im Arm ihm ruht. – Herr Wate lacht und spricht: "Geselle, Mich deucht, die Sachen stehen gut."

IV.

König Hagen und die Frauen

Abend war's, der König sass behaglich Ohne Schwert im weichen Kleid von Wolle Bei den Frauen in der Kemenate. Neben ihm die Königin, Frau Hilde Hatte traulich ihren Arm, den vollen, Um den Nacken ihres Herrn geschlungen. Aber auf dem niedern Purpurschemel Sass das einzige Kind des wilden Hagen, Sass die junge, liliengleiche Hilde. An den Vater schmiegte sich die Schöne, Und des Königs allgewalt'ge Schwerthand, Oft von Feindesblut geröthet, spielte Kosend mit des Mägdleins goldnem Haupthaar.Vor der Königin auf einem Tische Lag der fremden Männer reiche Gabe, Lag die Pracht des funkelnden Geschmeides Und der schweren, golddurchwirkten Zeuge.

Mit geschäft'ger Hand den Stoff entfaltend Und das blinkende Gespäng entwirrend Stand am Tisch die schwarzgelockte Hildburg Hoch und stattlich anzuschau'n wie Fulla, Die des Schmucks der Göttermutter waltet, Doch vergrämten Angesichts und finster Gleich der Norne Urd, der früh verblühten, Die nach rückwärts schaut in das Vergang'ne,

Sie und Hilde waren jung an Jahren Heimatlos an Sigbands Hof gekommen Und im Schutz der Königin, Frau Ute, Hagens Mutter, lieblich aufgewachsen. Aber ungleich war der beiden Mägdlein Sinnesart und Leben. Bei den Frauen Im Gemache sass die blonde Hilde, Mit der Nadel und dem Weberschifflein Emsig schaffend, oder auch am Rocken, Weisse Fäden auf die Spindel rollend, Während Hildburg wie die schöne Skadi, Durch die Wälder zog mit ihrem Jagdspiess, Oder auch den Falken auf der RechtenMuthig mit dem wilden Königsknaben Hagen über Feld und Haide jagte.

Aus dem Knaben ward ein Mann, zu Jungfrau'n Blühten auf die beiden fremden Kinder. In den Grabeshügel stieg der greise König Sigband, und des jungen Hagen Stirne trug den goldnen Reif der Herrschaft. Sieh, da wandte sich das Herz des Königs Von der schwarzgelockten Jagdgefährtin Zu der sanften Hilde. – Tann' und Eiche Wachsen nun und nimmermehr zusammen. – Hilde ward des wilden Hagen Hausfrau, Hildburg aber, die zurückgesetzte, Beugte schweigend ihren stolzen Nacken Vor der Königin.

Im fernsten Nordmeer Liegt ein Eiland; Eis und Schnee bedeckt es, Schnee bedeckt auch seinen höchsten Gipfel, Doch in seiner Tiefe kocht und wallt es Wie in Muspelheim, dem Land der Flamme. Viele Jahre schläft der Berg. Da plötzlich Sprengt die lang verhalt'ne Gluth den Mantel, In den Himmel steigt die rothe Garbe, Und verheerend stürzt zuthal der Gluthstrom.

Von den fremden Schiffern sprach der König Zu der Trauten und der schönen Tochter, Ihre Schätze rühmend und sie selber: "Reiche, stolze Männer sind die Gäste, Stark und schön von Wuchs; sie stünden besser In der Feldschlacht als im Krämerzelte. Habe drum Bedenken nicht getragen Sie für morgen mir zum Mahl zu laden, Will sie ehren, wie man Recken ehret. Schmücket euch, ihr Frauen mit Gewändern, Wohl empfangen sollt ihr mir die Gäste, Sollt sie grüssen, wie man Helden grüsset Und mit Dank die reiche Spende lohnen."

Drauf zu seinem Kind gewendet sprach er, Sanft liebkosend ihre weichen Wangen: "Staunen wirst du, wenn du schaust den einen. Einem Riesen gleicht er fast an Grösse, Bis zum Gürtel reicht sein grauer Breitbart, Wenn er spricht, so grollt's wie fernes Wetter. Doch du darfst nicht zagen, meine Taube; Sanft von Sitten ist er und so höflich Wie der Meister Braun im Bärengraben, Wirfst du einen Apfel ihm durch's Gitter."

Fröhlich lachte Hilde, dass die Zähne Silbern aus den rothen Lippen blitzten."Hagens Tochter," sprach sie, "ist nicht zaghaft, Und wo andre zittern, lacht jung Hilde. Einen König weiss ich dir zu nennen, Väterchen, mit dem ist nicht zu scherzen. Tausend Recken folgen seinem Winke, Furchtsam geht das Volk ihm aus dem Wege, Wenn er spricht, so schweigt am Strand die Meerfluth; Aber ich, ich darf am Bart ihn zupfen, Darf die Arme um den Hals ihm werfen Und ihm, wenn er brummt, den Mund verschliessen."

Sprach's und schlang behend die weissen Arme Um den Hals des Königs, und ihr rothes Mündlein küsste Hagens bärt'ge Lippen. Freudig hing der schönen Mutter Auge An dem Mägdlein mit den Rosenwangen, Das sich kosend an den Vater schmiegte Wie die Epheuranke an den Eichstamm.

Mittlerweile war der rothe Schimmer An des Himmels Westrand über'm Meere Längst verglüht, die lichte Iringstrasse Glänzte hell am Himmel, und die kleinen Sterne traten schüchtern aus den Pforten Freundlich auf die schwarze Erde schauend.

Doch der jungen Hilde Augensternlein Blickten trüber, und es sprach die Mutter: "Kind, es nickt dein Köpfchen wie die Blüthe Eines Winterglöckchens über'm Schneefeld, Süsse Müdigkeit befällt die Maide, Wenn der Holler sich mit weissen Dolden Schmückt und im Gezweig die Drosseln schlagen. Such' dein Kämmerlein und geh' zur Ruhe!" Da erhob sich Hilde; von den Eltern Nahm sie Urlaub, und geführt von Hildburg Stieg sie auf zum runden Thurmgemache.

Seinem Kinde war der wilde Hagen Mit dem Blick gefolgt. Jetzt sprach er traulich Zu der Königin an seiner Seite: "Mancher Frühling ist in's Land gekommen, Seit ich dich und Hildburg auf dem Eiland Fand, dahin der Greif, der ungefüge, Euch und mich der jungen Brut zum Frasse Fernher über's wilde Meer getragen. Lang ist's her, dass wir am heimischen Ufer, Ich ein Knabe, du ein zartes Mägdlein, Landeten nach Kummer, Noth und Fährniss. Siebzehn Jahre sind es, dass Frau Hilde Auf dem Haupte trägt den goldnen Stirnreif, Sechzehn Sommer zählt die junge Hilde, Und mir ist's, als wären's wenig Monde,Dass ich meines Glückes mich erfreue. Wer sich sonnt im Glück, der misst die Zeit nicht Und mit Schwalbenfügeln fliegt die Stunde. Giebt's in Nordlands Reichen einen König, Der an Macht und Reckenkraft mir gleiche, Eine Königin wie meine Hilde Und ein Mägdlein wie mein holdes Herzblatt? Was die Schwestern, die beim Urdborn sitzen An der Riesenesche mir gesponnen, Weiss ich nicht. – Es wechselt stets im Leben Wie im Weltmeer Wellenruh mit Sturmfluth. Unheil kann die dunkle Zukunft bringen; Mehr des Glückes, als ich jetzt geniesse, Können mir die Götter nicht verleihen. Ist mir's zu verargen, wenn ich sorglich Festzuhalten trachte, was ich habe? Kaum zur Jungfrau ist mein Kind erwachsen, Und schon schwärmt es um die junge Blume Wie von Bienenvolk zur Zeit des Frühjahrs. Hart und grausam schelten mich die Zungen, Dass ich über meinem Kleinod wache Wie der Lindwurm über'm gelben Rheingold. Und auch du, Frau Hilde, meine Traute, Hast im Stillen mir gegrollt, ich weiss es, Als ich jüngst des Hegelingenkönigs Boten abgewiesen mit der Werbung."

Und es sprach die Königin dagegen: "Von der Schwelle hast du sie gewiesen, Hast sie heimgesendet mit der Meldung, König Hagens Tochter sei kein Blümlein, Das der erste Beste heften könne An den Helmhut. Aber König Hettel Ist der Besten bester, und sein Name Hallt wie deiner durch des Nordlands Reiche. Hast du wohl erwogen, was du thatest?"

Trotzig lachend sprach der wilde Hagen: "Was ich that, es ist nicht mehr zu ändern, Und ich weiss, der König sinnt auf Rache, Rüstet Drachenschiffe und besendet Seine Helden. Aber unversehens Fall' ich ihm in's Land; das ist beschlossen. Viele Feinde hat der König Hagen, Doch noch nicht so viele, dass ihm bangte, Wenn die Zahl um's doppelte sich mehrte. Weh dem Kühnen, der nach Hagens Küste Einen Pfeil vom Meer herüber sendet! Weh der Hand, die gegen meinen Willen Keck sich ausstreckt nach der weissen Taube, Meiner Augenweide, meiner Hilde!"

Und es sprach die sanfte Gattin wieder. "Ueber das zu richten, was der KönigThut als seines Landes Vogt und Schirmherr Steht mir nimmer zu, der Vater aber Soll das Wort der Hausfrau nicht verachten, Wenn sich's handelt um das Heil des Kindes. Und so frag' ich: Soll am End die schlanke Zarte Lilie, die wir beide pflanzten, Unter'm Aug' des harten Vaters welken?"

Seine Stirne runzelnd sprach der König: "Nicht verwelken soll die junge Blüthe, Doch nur der soll mir die Herzensfreude Aus dem Hause führen, der im Stand ist, Sie zu schützen, wie sie meine Hand schützt. Selber will ich mir den Eidam suchen, Wenn die Zeit gekommen. – Meine Hilde Kann ich noch nicht missen, ihres Lachens, Ihres Kosens kann ich nicht entrathen. Und wenn Woden selbst aus Asgard nieder In die Burg des Königs Hagen stiege Hildes Hand zu fordern, wenn er käme An der Spitze aller seiner Helden, Meine Lilie dürft er jetzt nicht pflücken. Kannst du's," fuhr er fort, und seine Augen Blickten finster, "kannst du's nicht erwarten, Dass ein Fremder dir die einz'ge Tochter Wegführt? Ist des Mägdleins Jugendschöne Dir im Weg, du eitle Königin?"

Da erhob Frau Hilde sich vom Sessel Und verliess gekränkt die Kemenate.

###

Auf der Schneckentreppe war jung Hilde In ihr hohes Thurmgemach gestiegen. Luftig war's und licht, die graue Steinwand War umhüllt mit buntgewirkten Decken. Silbern war die Ampel, die ein wilder Greif, geschnitzt aus Holz und reich vergoldet Hielt im krummen Schnabel. Greifen trugen Auch das Lager mit den weichen Decken. Aber vor dem Bett lag ausgebreitet Eine dunkle Bärenhaut; zum Schemel War das Haupt gestaltet, und die Zähne Dräuten schimmernd aus dem rothen Rachen. Hagen hatte selbst das ungefüge Thier erlegt und ihm die Haut gepfändet, Drauf die junge Hilde früh und Abends Jetzt die kleinen Silberfüsse setzte.

Mit der Königstochter war Frau Hildburg Eingetreten. Von der jungen HerrinHüfte löste sie die reiche Borte, Dass das Kleid in ungehemmten Falten Niederwallte zu den zarten Füssen, Zog ihr dann die Nadeln aus dem Haupthaar, Und im goldnen Mantel stand die Jungfrau, Anzuschau'n wie Sif, die schöne Traute Asathors, des Donnrers in den Wolken. Nieder auf den Schemmel sass das Mägdlein, Und Frau Hildburg strählte Hildes Haare Sanft und lind, und wie im Traume sprach sie:

"In der Heimat, die ich früh verloren, Wallt es golden nicht vom Haupt der Frauen. Dunkle Strähne schlingen um die weissen Stirnen sich, und dunkel glänzt das Auge Wie zur Abendzeit die schwarze Meerfluth. Ach, daheim war vieles, vieles anders!"

###

Dort, wohin im Herbst die Vögel streben, Liegt mein Heim; den Namen weiss ich nicht. Doch wenn Nachts die Träume mich umwehen, Seh ich's hell beglänzt vom Sonnenlicht.

Statt der grauen Nebelschleier droben Ist ein blaues Zelttuch ausgespannt; Gute Götter Blumensterne woben Reichlich in der Erde Festgewand.

Nimmer weisse Winterflocken wehen, Frei von Eis ist Bach und Strom und See, Ewig grün im Hain die Bäume stehen, Weiss im Frühling nur von Blüthenschnee.

Säulenhallen steh'n im Opferhaine Aufgerichtet für der Götter Schaar, Und es tanzen um die Altarsteine Schöne Menschen mit bekränztem Haar.

Meine Götter haben mich verlassen, Und die fremden hören nicht mein Fleh'n. – Lieben möcht' ich, und muss hassen, hassen, Und im Hasse muss ich untergehen.

###

Leise sang's die schwarzgelockte Hildburg, Während sie des Mägdleins Haare strählte,Und die junge Hilde sass und nickte Schlummermüd, dem Kinde zu vergleichen, Dem ein Wiegenliedlein singt die Amme. Da auf einmal tönten andre Klänge An dem Fuss des Thurmes. Nicht der Sprosser War es, der da singt vor Hildens Fenster Im Hollunderbaum sein sehnend Nachtlied. Saitentöne, wunderbare schwebten Von dem thaubeglänzten Lindenhügel Aufwärts, und die Frauen sassen lauschend. Leise öffnete die kluge Hildburg Eine Fensterpforte, kühler Nachtwind Trug von Blüthendüften eine Wolke In's Gemach und eine süsse Stimme:

Es sank der Sonnenwagen, Die Vögel gingen zur Ruh', Das Meer rauscht alte Sagen Der träumenden Erde zu, Die Blumen haben geschlossen Der bunten Kelche Pracht, Es fährt mit schwarzen Rossen Am Himmelsbogen die Nacht.

Es schleppen aus ihren Verstecken Die Zwerge das gleissende Gut, Meerminnen und lustige Necken Sich wiegen auf dunkeler Fluth,  Es tanzen die Hagedisen Den Reigen am Waldesborn, Hoch über den thauigen Wiesen Erglänzt des Mondes Horn.

Die Götterköniginne Verträumt die Sommernacht. Da schleicht um Folkwangs Zinne Der listige Loke sacht. Der Göttin Halsgeschmeide, Er löst's mit diebischer Hand Und fliegt im Rabenkleide Schnell über Meer und Land.

Doch hoch auf goldener Brücke Der treue Riger steht. Der spürt des Bösen Tücke Und hat den Feind erspäht. Im rauschenden Adlergefieder Ereilt er den Räuber schnell; An Freyas Nacken wieder Erglänzt es sternenhell.

Das ist der Brisingamen, Das köstliche Halsgeschmeid, Es schimmert wie goldener Saamen Am Himmel weit und breit.  Der Wächter der lichten Räume Blickt spähend her und hin. – In Frieden schlaf' und träume Du schöne Königin!

###

"O was war das, Hildburg?" sprach die Jungfrau, Und es leuchteten vor heller Freude Ihre Augen, und ihr Busen hob sich. "Kam von Mannes Mund dies holde Klingen, Oder sang am Strand der Neck, der list'ge, Der die Schiffer lockt mit Zauberweisen?"

Aus dem Fenster beugte sich Frau Hildburg, Spähte mit den scharfen Augen abwärts Nach dem Sänger, doch vergebens. Einsam Lag im Sternenlicht der Lindenhügel, Und sie wandte sich und schloss das Fenster.

"Sicher einer von den fremden Schiffern War es, der sein Abendlied gesungen," Sprach Frau Hildburg. – "Geh zu Bett und träume!"Sprach's und hüllte warm der Jungfrau Glieder In die Decken, löschte dann die Lampe Und verliess mit leisem Schritt die Kammer.

"Ob es wohl der ungefüge Recke Mit dem breiten Barte war," sprach Hilde, "Der so lieblich sang?" – Sie lag und lauschte, Ob die Stimme nicht von neuem schalle. Doch der Sänger schwieg, nur Hall der Wogen, Die des Strandes Felsenklippen nagten, Trug der Wind zum Thurmgemach herüber, Und jung Hilde schloss die blauen Augen.

V.

Wie Herr Wate Fechten lernte

Nun hört, wie König Hagen Die Gäste gut empfing Und was sich zugetragen In seiner Hofburg Ring. Sie kamen angeschritten In reicher Kleiderpracht Und neigten sich in Sitten Vor König Hagens Macht.

Der ging den Herrn entgegen Und führte sie hinein. Drob staunten seine Degen Und blickten neidisch drein.Sie traten in die Halle, Herr Hagen schritt voran; Da fing mit lautem Schalle Das Kampfspiel eben an.

So war's seit allen Zeiten Der Brauch im Königssaal; Erst ging es an ein Streiten Und dann an's frohe Mahl. Von guter Schwerter Klingen Ein Dröhnen sich erhob, Dass aus den Panzerringen Das rothe Feuer stob.

Da sprach zu Wate Hagen; "Nun sollst du mir gesteh'n, Ob du in frühern Tagen Solch' Fechten schon geseh'n, Ob du in deinen Marken Schon fandest einen Mann, Der sich mit meinen Starken In Schirmkunst messen kann."

Zu solcher Frage schaute Herr Wate spöttlich drein. Den breiten Bart er kraute Und ernsthaft sprach er: "Nein.Solch Schirmen und solch Schlagen Ersah ich nimmermehr. Gern möcht ich's einmal wagen, Doch däucht die Kunst mich schwer."

Da sprach der König wieder Mit List: "Versuch's einmal Und waffne deine Glieder Und deine Brust mit Stahl! Es soll mein bester Meister Dich lehren, wie man's thut; Vielleicht, du Weitgereister, Kommt's später dir tu gut."

Er hiess dem Gaste bringen Ein gutes Streitgewand. An Brünnen und an Ringen Genug im Saal sich fand, Doch was von Waffenstücken Man vor den Alten trug, Für Wates Brust und Rücken War keines weit genug.

Da ging im Saal ein Raunen Durch König Hagens Bann. Sie massen mit Erstaunen Den riesenhaften Mann.Am Ende man dem Fremden Ein gutes Stahlhemd bot Von Hagens Waffenhemden, Das fügte sich zur Noth.

Drauf legten sie dem Alten Dienstfertig an die Wehr Und gaben ihm zu halten Den Schild von Buckeln schwer. Er stand in Hagens Halle So unbeholfen da, Dass man die Recken alle Im Kreise lachen sah.

Der Meister stand im Ringe Des Schelmenspieles froh Und zeigte, wie man schwinge Die Klinge so und so Und wie man listig necke Den Feind mit Blick und Hand Und wie man klug sich decke Mit breitem Schildesrand.

Noch keiner ward geboren, Der so geschwind begriff. Hei, wie um Meisters Ohren Des Jüngers Klinge pfiff!Wie laut auf seinem Helme Herrn Wates Schwert erklang! Es ward dem armen Schelme Um Leib und Leben bang.

Er that um sich zu decken Rückspringend Satz auf Satz. Die übermüth'gen Recken Die machten höflich Platz. Es hätt ihn fast erschlagen Herrn Wates Sturmgewalt, Da rief vom Hochsitz Hagen Zu rechter Zeit noch Halt.

"Fürwahr ich muss dich loben, Du triffst wie Hagelschlag. Will selber nun erproben, Was deine Kunst vermag." Er liess ein Schwert sich reichen Und rannte Waten an, Doch bracht' ihn bald zum Weichen Der wunderstarke Mann.

Die Funken sah man wehen Aus Helm und Panzerring. Dem wilden Hagen Sehen Und Hören fast verging.Hart kam er in's Gedränge, Wie kräftig auch er rang, Bis ihm im Handgemenge Die Klinge splitternd sprang.

Da war der Streit zu Ende, Und Hand in Hand sich schloss. Sie rauchten wie zwei Brände, Auf die man Wasser goss, Sie legten ab die Ringe Dazu der Brünnen Last, Und Hagen guter Dinge Sprach so zu seinem Gast:

"Du sagtest, schlauer Streiter, Du wollest Lehrling sein, Und wetterst wie kein Zweiter Auf deine Meister ein. Wenn so die Krämer fechten Daheim in euren Gau'n, Wie müssen erst die rechten Kampffrohen Degen hau'n!"

Da strich der graue Streiter Behaglich seinen Bart Und sprach zum König heiter: "Gefällt dir solche Art?Verzeih?, o Herr, mein Necken; Schwertkundig ist die Hand. Wir sind vertriebne Recken, Daheim im Dänenland.

Auf meiner Burg zu Stürmen Verlebt' ich manchen Tag. In meinen festen Thürmen Der Ahnen Erbe lag, Viel tausend goldne Ringe Und köstliches Geschmeid; Dem Vogt der Hegelinge, Herrn Hettel war dies leid.

Er zog aus Matelane Aus seiner Stadt am Meer, Des Krieges rothe Fahne Hoch wallte vor ihm her. Er fiel in meine Marke, Da floh ich in der Nacht. – Es weicht der Bär, der starke Der Meute Uebermacht.

Jung Horand, mein Geselle Berief das Schiffsgesind; Wir zogen in die Welle Das beste Schiff geschwindUnd füllten in der Eile Den Raum mit Golde schwer, Dann lösten wir die Seile Und stachen in das Meer.

Wohl ist der Hort geborgen, Doch König Hettels Gier Beschwert mein Herz mit Sorgen, Drum floh ich, Held, zu dir. Ich kam an dein Gestade Zu halten kurze Rast – Verleihe deine Gnade Dem heimatlosen Gast."

Da sprach der wilde Hagen: Vor Freude ward er roth – "Von Glück hab' ich zu sagen, Dass ich euch Frieden bot. Weilt unter meinem Dache; Ich will der Wirth euch sein, Bis wir vereint der Rache Den König Hettel weih'n.

Wenn Rücken gegen Rücken Wir beide fechtend steh'n, So möcht es keinem glücken Uns schwertgefällt zu seh'n.Jetzt aber heisst's vertagen, Was uns erregt den Zorn. Das Mahl ist aufgetragen Und wohlgefüllt das Horn.

Da setzten sich die Helden Zum König auf die Bank. Ich kann euch nicht vermelden, Was jeder ass und trank. Den Preis im Ring der Zecher Herr Wate sich errang; Er schwang so gut den Becher, Als er die Klinge schwang.

VI.

Wie Horand vor den Könniginnen sang

Ein Horn erklang im Königssaal, Eintrat Herrn Hagens Ehgemahl, Das Haar geschmückt mit goldnen Reifen, Das Kleid gestickt mit goldnen Greifen, So ging sie her vor ihren Frauen Wie Mittagssonne anzuschauen. An ihrer Hand mit leichtem Tritt Die junge Königstochter schritt, Wie wenn dem Aehrengold im Feld Blaublümlein traulich sich gesellt. Da sprangen von der Bank geschwind Die Herren und das Ingesind.Die Gäste sich gar höfisch zeigten, Sich vor den Frauen züchtig neigten, Und ihren Dank empfingen beide Für das gespendete Geschmeide.

Jung Hilde liess die Blicke gleiten Auf Wates Bart, den ellenbreiten; Vor seiner grauen Augen Gluth Ward's fast dem Mägdlein bang zu Muth. Soll dieser wohl der Sänger sein Des süssen Nachtgesangs? O nein! Wie käme wohl der Bärengrimme Zu solcher Nachtigallenstimme? Der andre, dem der Locken Gold In Ringeln auf die Schultern rollt, Dess Mund so roth, dess Stirn so rein, Gewiss, das muss der Sänger sein. Es mustert ihn das Königskind Neugierig, wie die Mägdlein sind, Doch wie Held Horand gleich dem Aar Aufschlägt sein lichtes Augenpaar, Jung Hilde jäh zusammen zuckt, Wie's Vögelein im Nest sich duckt.

Die Schüsseln aus dem Saal man trug, Und Scherz und Kurzweil gab's genug Herr Wate nur, der graue ZecherSah still in seinen tiefen Becher. Es war dem Alten nicht zu eigen Mit witz'ger Rede sich zu zeigen, Drum sass er schweigend auf der Bank Am Tisch und hörte zu und trank.

Drauf hub Herr Hagen an zu melden Das Schicksal der vertriebenen Helden, Und wie den Waffenmeister fast Erschlagen sein verschmitzter Gast; Wie dann er selbst das Schwert genommen, Wie arg er in's Gedräng gekommen Und wie zu seinem grössten Glücke Das Schwert zersprungen sei in Stücke. Mit Neid vernahm die Tafelrunde Des Alten Lob aus Königsmunde. Herr Wate aber blickte drein, Als müsst es so, nicht anders sein.

Verwundert sah des Königs Fraue Das Heldenbild, das altersgraue Und frug, ein Lächeln im Gesicht: "Held Wate, däucht dich's besser nicht Mit schönen Frauen süss zu kosen Als in der Männerschlacht zu tosen?"

Der alte Streiter dachte nach, Verneigte züchtig sich und sprach:"Die schönen Frauen und jungen Maide Sind meinen Augen süsse Weide. Doch mehr als Frauenaugen mild Erfreut mein Herz ein blauer Schild, Und lieber, als wenn Frauen lachen, Vernehm' ich's, wenn die Helme krachen."

Er sprach's und trank den Becher leer, Und Jubel schallte rings umher. Das hat Herrn Wate nicht verdrossen; Er winkte seinem Fahrtgenossen Und sprach: "Nun lasset diesen zeigen, Welch selt'ne Kunst ihm ist zu eigen. Wohl weiss auch er den Schild zu halten Und Helme mit dem Schwert zu spalten. Gar manchen Feind warf in den Sand Jung Horands starke Heldenhand, Doch kann die Hand auch sänftlich gleiten Wie Windhauch über Harfensaiten, Sie siegt, wenn sie die Klinge führt Und siegt, wenn sie die Saiten rührt."

Da sprach zu Horand König Hagen: "Kannst du so gut die Harfe schlagen, Wie dein Geselle führt das Schwert, So bist du höchster Ehre werth.Frischauf und lass zum Harfenklang Ertönen einen Schallgesang!"

Nicht lange liess der Held sich bitten, Er neigte sich mit höf'schen Sitten, Und wie er vor dem Hochsitz stand, Die Harfe prüfend mit der Hand, So stolz und minniglich zu seh'n Gleich einem Bild auf Pergamen, Vor stiller Freude hoch erglühte Jung Hilde wie die Rosenblüthe. Die Saiten klangen lind und leis, Da ward es still im ganzen Kreis, Kein Wörtlein fiel, kein Becher klang, Und Horand zu der Harfe sang:

Was trägt der König für Herzeleid, Was liegt ihm lastend im Sinn? Warum ist thränenfeucht das Kleid Der schönen Königin? Es hat den Königsknaben Ein wilder Greif geraubt. Die Freude liegt begraben, Und Gram beugt jedes Haupt.

Vorüber rollten Jahre drei, Da hub sich neue Noth. Das Land erscholl von Kriegsgeschrei, Der Himmel war blutigroth. Des Königs Heerschild hallte Wie Wettersturm durch's Land, Zu Fuss und Rosse wallte Das reisige Volk zum Strand.

Und als der König stieg zu Ross, Ein Wunder sich begab. Vom Strande kam mit grossem Tross Ein junger Heldenknab. Zwei schöne zarte Frauen, Die schritten ihm nicht fern, Sie waren anzuschauen Wie Mond und Abendstern.

"Herr König!" rief der Knabe hell, "Nun gieb mir Botenbrot! Als Geisel bring' ich dir zur Stell Den Feind, der dich bedroht." Da stand des Landes Schrecken Und düster um ihn her Die Schaar der besten Recken, Barhäuptig, ohne Wehr.

Der König sah verwundert drein. "Steh' weiter Rede mir! Wie kam es, dass das Wieselein Bezwang den Auerstier?" – "Als wir zusammen rangen, Da that ich einen Griff Und nahm den Wicht gefangen Auf seinem eig'nen Schiff."

"Dein Arm ist stark, dein Aug' ist hell, Doch dunkel ist dein Wort. Steh' Rede, wie du kamst, Gesell, An meines Feindes Bord?" – "Sein Drache kam geschwommen Zum öden Inselstein Und hat mich aufgenommen Sammt diesen Mägdelein."

"Wie kamt ihr auf das Inselland? Das, Knabe, thu' mir kund! Warf euch die Sturmfluth an den Strand? Ging euer Schiff zu Grund?" – "Ein Greif hat uns getragen Von fernher über die Fluth; Ich hab' ihn todt geschlagen Zusammt der jungen Brut."

Es ging des Königs Athem tief, Es raunte das Gesind, Die Königin mit Beben rief: "Wer bist du und wessen Kind?" – "Meine Mutter, Wahrheit sag ich, Ist Königin genannt; Ein gold'nes Ringlein trag' ich; Vielleicht ist dir's bekannt."

Da schlang die Mutter um den Sohn Den Arm und weinte laut, Der König rief mit frohem Ton: "Willkomm mein Knabe traut!" Und Schwert auf Schild erdröhnte Erzhallend rings umher, Von Jubelrufen tönte Die Insel und das Meer.

###

Die Harfe schwieg, das Lied verhallte, Von allen Tischen Beifall schallte. Hei, wie der liederreiche Mann So schnell des Königs Gunst gewann!Denn stets die schönsten Liederweisen Sind, die des Hörers Thaten preisen.

Herr Hagen drauf begann mit Feuer Von seinem Jugendabenteuer Zu melden: Wie in frühen Tagen Der Greif ihn über's Meer getragen, Wie dann dem Nest der Greifenjungen Mit knapper Noth er sei entsprungen Und wie er streifend in der Wilde Hildburg gefunden und Frau Hilde, Die gleich ihm selbst aus fernem Land Der Greif geschleppt zum Inselstrand; Und weiter fuhr er fort zu sagen, Wie er die Greifen all erschlagen Und wie er von dem Felsenriff Gelangt sei auf ein feindlich Schiff, Dess Herrn er zum Gefangnen machte, Als Geisel seinem Vater brachte. Das alles thät er klärlich melden Den heimischen und fremden Helden Und hatt' im Eifer unterdessen Des Sängers ganz und gar vergessen. Nicht so des Königs Ehgemahl, Sie nahm vom Tisch den Goldpokal Jung Hilde aber trug dem Degen In weisser Hand den Trank entgegen.

Die blauen Augen schlug sie nieder, Und leis erbebten ihre Glieder. Es wäre fast der Hand entsunken Die Last, bevor der Held getrunken. Er hob den Becher an den Mund, Er trank ihn aus bis auf den Grund, Und wieder seiner Brust entquoll Ein Lied, das wie ein Giessbach schwoll:

Jung Weland hat geschmiedet ein Schwert; Nun ist die Flamme gesunken, Zuweilen noch aus der Asche fährt Ein knisternder Feuerfunken. Mittsommernacht ist lau und lind, Die Sterne funkeln und glimmen, Am Weiher rauscht das Schilf im Wind, Es rufen Silberstimmen: "Schwanewit, Schwanewit!"

Der Waldsee blinkt im Sternenlicht, Drei Schwäne senken sich nieder; Schildmaide, schön're sah man nicht, Entsteigen dem Gefieder. Jung Weland schleicht durch Schilf und Rohr Und raubt sich einen Schleier. Zwei Schwäne flattern geschreckt empor Und klagen über dem Weiher: "Schwanewit, Schwanewit!"

Goldstufen schmelzen in der Gluth, Jung Weland schwingt den Hammer; Schön Schwanewit am Herde ruht, Vergessen ist all ihr Jammer. Die Traute schmückt der kluge Schmied Mit Kette, Ring und Spange, Er schürt die Lohe und singt sein Lied Zum dröhnenden Hammerklange: "Schwanewit, Schwanewit!"

Jung Weland zog zu jagen aus Mit Köcher und mit Bogen, Und als er Abends kam nach Haus, War Schwanewit entflogen. "O weh! Sie fand das Federkleid, Das sie vordem getragen. O Herzeleid, o Herzeleid! Nun muss ich jammern und klagen: Schwanewit, Schwanewit!"

Jung Weland war ein Meister gut, Er klagte nicht allzulange; Er schürte der Esse rothe Gluth Und rührte Hammer und Zange. Er stand am Feuer sonder Ruh Und reckte das glühende Eisen, Und wollten ihm fallen die Augen zu,So sang er liebliche Weisen: "Schwanewit, Schwanewit!"

Und als das Werk vollendet war Beim siebenten Morgenstrahle, Da war's ein mächtiges Flügelpaar, Geschmiedet aus leuchtendem Stahle, Den Hammer warf er in Feuers Loh', Die Schwingen rauschten und klangen, Aufflog jung Weland adlerfroh, Und seine Lippen sangen: "Schwanewit, Schwanewit!"

Schön Schwanewit sitzt im Alfensaal Mit nass geweinten Wangen, Im Herzen bittrer Reue Qual Und sehnendes Verlangen. "O weh mir, dass ich dir entfloh'n Im rauschenden Gefieder, O hört' ich deiner Stimme Ton Ein einzigmal nur wieder: Schwanewit, Schwanewit!"

Schön Schwanewit ruft's im Alfensaal In übergrossem Leide. Da wehen Flügel, da klirrt's von Stahl – O süsse Augenweide!"Willkomm, Willkomm, mein Trautgesell! Nun scheid' ich von allem Harme." – Jung Weland jubelt lerchenhell Und schlingt um sie die Arme. "Schwanewit, Schwanewit!"

###

Held Horand schwieg und abermal Scholl Jubelruf im Königssaal. In mancher Brust, die Eisen trug, Ein süss bewegtes Herze schlug, Und mancher Held, ergraut im Streite Sah starren Blickes in die Weite. In Hildens blauem Auge stand Ein Thränlein, hell wie Adamant, Und durch die Seele zog ihr leise Des jungen Helden süsse Weise. Sie hörte nicht der Becher Klirren Und nicht der Stimmen lautes Schwirren, Sie sah nicht mehr der Zecher Schaar, Sie sah auch nicht ihr Elternpaar, Vor ihrem Auge stand nur er. – "O Horand, Horand, singe mehr!"Sie sprach es nicht, sie rief's im Stillen, Und doch, gehorsam ihrem Willen Liess Horand seine Saiten klingen Und hub von Neuem an zu singen:

All Leben schlief und träumte, All Land war öd und leer, Kein Wasser rann und schäumte, Kein Wind bewegte das Meer; Und aus dem Nebelreiche Ein Schifflein stieg zu Tag, Darin der göttergleiche, Sangkundige Bragi lag.

Er lag wie nach dem Streite Ein Kämpe schlummerschwer; Es hing an seiner Seite Die Harfe stumm wie er. Doch als die müden Glieder Der Pfeil der Sonne traf, Da hoben sich die Lider, Da wich der Todtenschlaf.

Er stand auf seinen Füssen,