Gedichte  & Kurzgeschichten - Einar Schlereth - E-Book

Gedichte & Kurzgeschichten E-Book

Einar Schlereth

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wäre ich ohne den Krieg so ein introvertierter Mensch und Einzelgänger geworden? Eine müßige Frage. Nicht müßig ist es, Überlegungen anzustellen, wie dieser Junge, mit 5 Jahren eingeschult, isoliert in einem nicht-christlichen Elternhaus bis zum. 1. Januar 1945 aufgewachsen, urplötzlich in das Inferno der Flucht geschleudert wurde. Die vier Monate bis zum Mai mit ständigen Bombenangriffen auf den Straßen mit toten Menschen und Pferden links und rechts. Anfang November in den streng katholischhen Hexenkessel in Bayern geworfen, als Polacken beschimpft und von jungen Mädchen verprügelt, weil ich nicht in ihre Kirche ging. Nach einem weiteren Volksschuljahr ins städtische Gymnasium gewechselt als jüngster unter viel älteren Schülern, was viel Prügeleien bedeutete. Das zwang mich zu einer frühzeitigen Auseinandersetzung mit dem Christentum., das ich ganz allein überwand und ablehnte. Frühzeitig interessierten mich eher soziale, politische und internationale Fragen, was mich völlig unbeeinflusst auf sozialistische Ideen brachte. Wie das möglich war, ohne linke oder sozialistische Bücher, ohne Rundfunk oder Freunde, war und ist mir ein Rätsel. Erst als Werkstudent lernte ich ausländische Linke und Kommunisten kennen. Mich interessierten alle Revolutionen Algerien, Kuba, Korea, Vietnam etc. und in Schweden auf der Höhe der Vietnam Demos stieß ich auf Marx. Und ich begann ein zweites Studium in Sozialismus, während ich gleichzeitig Schwerstarbeit in Fabriken leistete und auch noch Vater wurde. Damals hörte ich auf, Gedichte zu schreiben. Ich verfasste meinen ersten poltischen Artikel, der später in Frankfurt/M vom SDS veröffentlicht wurde. Wer mehr über mich wissen will, kann meinen Blog lesen (einartysken - wo auch meine Autobiographie bis 1995 liegt).

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 138

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Umschlag-Zeichnung stellt die Guernica-Eiche da, die ich 1991 bei einer Reportagereise über die Basken machte. Sie ist das Symbol für die Einheit und Freiheit der Basken. Alle spanischen Könige mussten nach ihrer Krönung unter ihr schwören, die fueros (das sind die Privilegien und besonderen Rechte der Basken) zu respektieren.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Gedichte

Zu träumen

Ein Depp an der Straße stehend

Solange ein Schuss

Nonsense

Meine Schule

Vietnam

Manchmal möchte ich

Herbstabend in Schweden

Ich liebe dich

Was ist dies für eine Zeit

Les Soleils absents

Song of a Millionaire

Miβlungene Epopöe

Tod eines Mädchens

Krieg und Frieden

Telefoto aus Santiago de Chile

Mein Volk

Fortschritt

Welch eine Zeit

In einem Anflug

Ballade vom Vize & 12 Leuten

Gute Nachrichten

Hamburg: Planquadrat K7 (März)

Die Nicht-Betroffenen

Fähre über den Öresund

Geburtstagswunsch

Freiheit

Wir sind in die Städte gezogen

Im Hochgebirge

Welch tiefe Nacht umgibt den Menschen noch!

Pram, deinen Feinden glaube ich nicht

Ich habe die Geduld nicht

Auf der Totenbahre

La carcasse

Gustavsberg

Heimat - was ist das?

Heimat

Ich frage euch

Wir, die Schuldigen

Der Donner der Aurora

Amilcar Cabral

30 Jahre danach

Volksrepublik China

Ballade vom Entweder-Oder

Kurzgeschichten

Wenn die Großen klein werden

Die Maske

Die Erniedrigung

Nullösung

Ivösjön

Die Katzen-Spinne

Ein Mann verlässt den Zug und macht kehrt

Abrechnung

Vorwort

Die Frage nach den ERFAHRUNGEN MIT DEM POETISCHEN HANDWERK ist kurz beantwortet: Negativ.

Das liegt nicht nur daran, dass Lyrik in noch stärkerem Maße als Prosa im gesellschaftlichen Abseits stattfindet – die hochnotpeinlichen offiziellen Ehrungen und pflichtschuldigen Lippenbekenntnisse bei feierlichen Anlässen übergehen wir mit Stillschweigen – sondern vor allem daran, dass wir alle bei der Beurteilung, der Kritik der Lyrik so recht hilflos sind, wie das Lyrikfestival mit aller Deutlichkeit zeigte. So hilflos, dass, wenn die kritische Auseinandersetzung nicht von vornherein ausgeklammert oder sorgfältig umgangen wird, wir auf die Kategorien des Meinens und Glaubens zurückgreifen.

Voraussetzung für eine so notwendige Diskussion wäre, alle Sehnsucht nach allgemeingültigen Kriterien fahrenzulassen und stattdessen dort anzuknüpfen, wo wir vor 140 Jahren schon einmal waren. Ich denke z.B. an den Schweden Carl Jonas Love Almqvist, der 1839 den Unterschied zwischen Volk und Pöbel markierte: Volk sei, was übrigbleibe, wenn man den Pöbel, i. e. die Vornehmen, die Gelehrten, Gebildeten und sogenannten Freigeister abziehe. Dies war der erste Schritt zu der Erkenntnis, die Marx und Engels knapp zehn Jahre danach noch stringenter ausführten, indem sie festlegten, dass es zwei verschiedene Arten von Literatur und Kunst gäbe.

Erst die saubere Trennung zwischen diesen beiden Arten von Kultur und Kunst wird die Ausarbeitung befriedigender ästhetischer Kriterien möglich machen, wird eines Tages vielleicht sogar dahin führen, dass die Lyrik es sich gefallen lassen muss, mit erkenntnistheoretischen Begriffen gemessen zu werden.

Das könnte fruchtbar sein für die Lyrik und Lyrik möglicherweise auch wieder fruchtbar machen.

Hamburg, den 12. September 1977 für Ralph Theniors «Lyrik Anthologie»

Zu träumen ...

Zu träumen ...

ohne es zu wissen

wenn die Sonne

ihren Abschied

durch die Wolkengitter wirft

wenn Regen

die Glut der letzten Rosen bleicht

und in den Zweigen

nur noch Nebelfetzen hängen

und du verwirrt

im Wirbel

loser Blätter stehst.

1960 Freiburg/Bg

Ein Depp an der Straße stehend

Spuren lesend

hin und hergehend

fordert entschieden

hier müssen Blumen her

Millionen suchen kahle Wände ab

nach einem Fernsehbild

einem ferngesehenen Bild

einem nie gesehenen Bild

das zwischen Röhren wuchert

gespeist von Drähten

zerrissen, zerhackt, zerpflückt

wieder zusammengefügt

Punkt für Punkt

wieder und wieder

tausend Mal

eure Phantasie her

sie wird hindurchgeknüppelt

auf die Elektronenspuren gesetzt

bis sie in Myriaden Teile gesprengt

euch ins Gesicht springt

ihr sie nicht wiedererkennt

und ihr wollt Blumen setzen

in den Beton.

1963 Freiburg/Bg

Solange ein Schuss

Solange ein Schuss

nicht eure Herzen durchbohrt

weil ihr denkt

er gälte nicht euch

solange ihr Bomben fabriziert

und glaubt

sie seien nur für die anderen da

solange euer Glaube euch richtig dünkt

aus Mangel an Phantasie

solange ihr euer Brot

alleine fresst

und satt sein könnt

wenn andere hungern

solange ihr über die Zahl

der Toten

streiten könnt

solange ihr mit A und B und C Waffen

auf du und du lebt

solange die Tränen der anderen

noch euer Ruhekissen sind

solange es für euch

nur Christen Juden Gelbe und Schwarze gibt

solange

nun solange ist wohl alles

in bester Ordnung

wie?

1964 in Freiburg/Bg., 1969 publiziert in ‘Der Egoist’

Nonsense

Mit zwei Löchern im Kopf

schauen Blinde zum Fenster hinaus

Pferde wiehern weil sie nicht anders können

der Regen fällt weil er nicht steigen kann

der Atompilz steigt weil sie’s nicht lassen können

der Greis hat ‘ne Erektion und hat sich nix dabei gedacht

ein Furz entweicht und lässt im Gottesdienst

ein mulmiges Gefühl zurück

auf den Gipfeln liegt noch Schnee

und ärgert sich über die Sonne

im Traum verfolgt den Hund ein schwarzer Kater

Regenwürmer ersaufen in der Traufe

ein kleiner Junge findet die erste Fliege

und reißt ihr gleich die Flügel raus

und weil sie nur zwei hat

klebt er sie unter den Tisch

ein Autofahrer findet nicht gleich die Bremse

weil der Kopf der Geliebten ihn behindert

und die Oma war nicht schnell genug

die Frösche quaken und warten auf den Klapperstorch

das Gras wächst und ist wieder mal grün

der Himmel ist grauschwarzgeld plus violett

manchmal auch rot das erwartet man

aus dem fahrplanmäßigen Orientexpress

steigen ein paar Filzläuse und machen sich gleich an die Arbeit

eine Hure freut sich über den zehnten Kunden

und ahnt nicht dass es ihr Mörder ist

man darf nicht so wählerisch sein

es wird in die Hände gespuckt

das sieht so schön nach Arbeit aus

im Weihwasser tummeln sich einige Bazillen

die sich über ihre Herkunft nicht im klaren sind

drum nimmt sich die Chorschwester ihrer an

fragt man den Pfarrer so war ers nicht

ein Sonntagsmaler malt den Sonntag

wie könnte es anders sein

an der nassen Hose ist nur die schwache Blase schuld

kleine Buben zwicken kleine Mädchen in den Popo

der Lehrer hat es so vorgemacht

viele Herzen schlagen höher

auch die mit Klappenfehlern

die Lust gelüstet es und ist ganz schuldbewusst

kurzum die Erde juckt’s vor lauter Frühling

Am 26. März 1965 Freiburg/Bg.

Meine Schule

In der Schule lernt man

still zu sitzen

weder rechts noch links

sondern geradeaus

auf den Lehrer zu schaun

auf unsern Staat

und die Religion zu baun

Zwei mal zwei war schon immer vier

man übt auf dem verstimmten Klavier

und lernt

dass unrecht Gut nur schlecht gedeit

Napoleon war ein großer Mann

natürlich kommt auch Goethe dran

und Marx der war nicht recht gescheit

man lernt

dass das Eichhorn keine Fliegen frisst

dass manchmal tödlich ist ein Schlangenbiss

und dass der liebe Gott allmächtig ist

Man vergisst viel schneller

als man lernt

doch darauf kommt es gar nicht an

das Pensum wird bewältigt

zuweilen vergewaltigt

besonders die neu‘re Geschichte

da der Lehrer ein ältrer Jahrgang ist

und die jüngsten Ereignisse

schnell vergisst

Und fragt einer wie man Kinder kriegt

dann ist die ganze Stunde versiebt

es gibt hinter die Ohren und Strafarbeit

das entspricht immer wieder dem Geist der Zeit

und immer geradeaus geschaut

nicht rechts und links

zum Nebenmann und Fenster hin

denn dort – dort geht das Leben

und hier – hier lebt man schön daneben.

Hamburg 1966

Vietnam

Krieg – Krieg – nichts als Krieg

ich hasse den Krieg

die Tränen

die ich um eure verstümmelten Körper weine

sind sinnlos

das Beten und Bitten

das Fluchen und Verdammen

es ist umsonst

ihr Schreien und tagelanges Stöhnen

das winzige Wimmern der Kinder

bis ihnen der Durst die Kehle zuschnürt

hört niemand.

Ich habe kein Mitleid mit jenen

die auf dem Feld der Ehre starben

ich bedaure

dass nicht noch mehr verrecken

mitsamt ihren Fahnen

Trommeln und Vaterlandsliedern

deren Ehre darin besteht

Bomben zu werfen und Granaten.

Ich bewundere die Verräter,

die Überläufer und auch die Drückeberger.

Stürzt endlich die Grabmahle der Unbekannten Soldaten

spuckt jenen in die Schnauze

die Kränze und Blumen kaufen

die Heldenfriedhöfe

Mahnmale der Dummheit, Arroganz und Feigheit

schaufelt sie zu

bis kein Knochen mehr auf dem anderen liegt.

Zerreisst alle Bücher

die dem Krieg gewidmet sind

und streicht alle Daten von Schlachten

Siegen, Niederlagen und Metzeleien ....

Bevor nicht jede Erinnerung getilgt ist

an alle Verbrechen, den Tod von Staats wegen,

der immer nur dreckig ist, niedrig und ohne Ehre

IST DER FRIEDE WEIT WEG.

Grenchen/Schweiz 1965

Manchmal möchte ich ...

Manchmal möchte ich so gerne dichten

ich dichte hin, ich dichte her

doch schaue ich näher hin

dann ist mir alles nicht dicht genug

ich drehe und wende mich

wie verhext

jeder Griff erweist sich als Fehlgriff

und ein Ausblick ist kein Tiefblick

Sonne, Himmel und das Meer

war alles schon mal dran

Ich sage mir

das schaffst du nie

ich fahre aus der Haut

doch besinne ich mich

das gehört sich nicht

ein Dichter hat nun mal in sich zu gehn

ich fange wieder von vorne an

zieh Worte an den Haaren herbei

ich breche sie über das Knie

es hat keinen Zweck

alle Worte sind weg

wie die Fische im See

wenn ich angeln geh.

Nianoret in Schweden 1966

Herbstabend in Schweden

Eine kleine Hütte mit einem Kamin

dient jetzt als Sommerfrische

denn sie liegt so romantisch

auf einer Wiese am See.

Vor nicht vielen Jahren

war das Gras nicht grün

sondern einfach Futter

und viel zu mager

um die einzige Kuh zu nähren

in dem winzigen Stall.

Und die Nächte waren nicht so schön sternenklar

sie bedeuteten Frost und lausige Kälte

für das halb Dutzend Kinder

mit scheelen Blicken und knurrenden Mägen.

Schule, Fortschritt und Wissenschaft

alles Tinnef und weit weg

der diesen Boden nicht fetter machte

und die Frau dazu brachte die Hände still zu halten

und ein bisschen zu träumen.

September 1966

Ich liebe dich ...

Du schläfst schon mit gelösten Haaren

du schläfst

und ich weiß, du wartest auf mich

(nur Frauen können schlafend warten

und schlafend dich erkennen)

ich betrachte deine Brüste

(Teufel auch

was ist schöner

als zwei runde kleine Brüste

mit festen dunklen Knospen)

Ich spüre deinen Rücken

stark und schön

wie die Kruppe eines Pferdes

das dich in die Freiheit führt

(was ist Freiheit

ohne einen Pferderücken)

ich sehe deine Schultern,

deinen Bauch und deine Hand

halb versteckt im dunklen Flaum

zwischen deinen Schenkeln

(vergiss das nie

dieses Bett

diese Nacht

diese Frau

nackt und schutzlos

in ihrem Traum

in deinem Arm

vergiss das nie

in deinen schlimmen Zeiten)

und ganz allmählich

öffnen sich ihre Beine

zum letzten oder ersten Mal

du ziehst mich an dich

und ich bereit

in dich hineinzureiten

und dich mitzureißen

und dich

mit einem letzten wilden Stoß

in den Himmel zu jagen

zu allen Teufeln

zu allen Engeln

(alle Namen sind nur

ein Stöhnen und ein Schrei)

du bist so weit weg

tausend Meilen

tausend Jahre

und weißt nicht

ob du zurückkehrst

oder nicht

Und dann

dann beginnst du zu fallen

langsam ganz langsam

und dann immer schneller

und schneller

mit der Geschwindigkeit eines Meteors

in dein zerwühltes Bett

unbeweglich liegen bleibst

nur keine Bewegung

um Himmels Willen keine Bewegung

sonst zerfällst du zu Staub

(vergiss das nie

du darfst alles vergessen

doch niemals dies)

und zeig mir den Hundsfott

der von der Verderbnis des Fleisches sprach

ich stehe ihm Widerrede

vielleicht

vielleicht auch nicht.

Björkö am Siljan, 1966

Was ist dies für eine Zeit I

Was ist dies für eine Zeit

in der du laut von anderen

Wahrheit forderst

um deine leisen Unwahrheiten

nicht zu hören

Was ist dies für eine Zeit,

in der deine Stimme nach Freiheit

so nuschlig und undeutlich ist

wie an der Theke

nach dem fünften Bier

Dein Verlangen nach Gerechtigkeit

verglimmt lautlos und unbemerkt

wie eine Zigarette

Was ist dies für eine Zeit?

In der deine Sehnsucht nach Frieden

so kümmerlich ist und verzagt

mit so viel Wenn und Aber

und dich nicht hindert

zu marschieren

wenn man dir das Gewehr umhängt

mitsamt der Uniform

Was ist dies für eine Zeit?

In der du die Stille bekämpfst

wie ein Krebsgeschwür

und dich Furcht befällt

wenn du nach Ruhe verlangst

du sie von dir wischt

mit einer Flut brandneuer Dinge

nur um der Zeit nicht in ihr altes Auge zu sehen

Was ist dies für eine Zeit?

Macht das die Traurigkeit

die in dir hockt

wie ein alter böser Hund

der dir das Fenster in die Welt

beschmiert und begeifert

dass du den klaren Blick verlierst

und mutlos wirst?

Freiburg/Bg 1966

Was ist dies für eine Zeit? II

Wo du von Liebe sprichst

ohne zu wissen

was du da sagst

ohne die Absicht

dich zu verschenken

dein Letztes zu geben

und wenn dir die Zunge am Boden hängt?

Immer nur wartest, wartest, wartest

dass ein Wunder geschähe

so ganz von selbst

ohne dich anzustrengen

ohne den Arsch vom Stuhl zu heben

und dein Gequassel von Liebe

nur unverständliches Kauderwelsch ist

ein Radebrechen mit verquollener Zunge

so sinnlos und ohne Bedeutung

wie dein schlaftrunkenes zur Arbeit stolpern?

Was ist dies für eine Zeit?

In der deine Liebe

im Scheinwerferlicht deiner Erwartung verbrennt

so restlos

dass du dich fragst

ob es je eine Erwartung gab

Was ist dies für eine Zeit,

wo deine Liebe kaum ausreicht

einen Kanarienvogel zu füttern?

1966 Freiburg/Bg

Was ist dies für eine Zeit? III

In der jedes Wort

eine Missgeburt ist

mit unförmig geschwollenem Bauch

zahllosen Händen

verkrüppelten Füßen

oder gedehnt wie ein Schlauch

biegsam und glatt

oder wie Kinder

mit faltigem Greisengesicht

gekrümmt und verschrumpelt

Was ist dies für eine Zeit?

In der man müde wird

Worte zu formen

die verformt sind

eh’ sie die Lippen erreichen

Was ist dies für eine Zeit?

Wo ein Wort lautlos auftaucht

wie ein Düsenjäger

zwischen den Bäumen

der seinen Schall abgestreift hat

wie eine Schlangenhaut

weit hinter sich

und nackt und furchenlos verschwindet

Was ist dies für eine Zeit?

Die zur Unfruchtbarkeit

jedes Wort veruruteilt

ihm auf der Grenze zwischen Dasein und Nichtsein

eine kümmerliche Existenz verleiht

Was ist dies für eine Zeit?

In der jedes Wort seine Macht verlor

die es zu Anfang erhielt

Sein Reichtum wurde geplündert

zerkleinert und aufgeteilt

seine Kraft zerlegt

mit dem Dreschflegel der Gewohnheit

Was ist dies für eine Zeit?

In der jedes Wort

dich immer hilfloser macht.

1966 Freiburg/Bg

Les Soleils absents

Dans tous mes sens

brûlent les soleils absents

Wolken werden Möven

Möven werden Wolken

Einsam die Gedanken

eingeschlossen

in ein Möwenaugenpaar

überfliegen mich

- dass ich den Flügelschlag nicht spürte -

und war doch Flügelschlag

war doch Schlag

und Auge

Bernstein in Marmor gefasst

Wohin führen deine Schritte

schritt-schritt-schritt

halte den Finger in den Wind

angefeuchtet

fliegt er davon

- Ostwind Westwind -

brûlent les soleils absents

et mes pas deviennent très lents.

1967 Freiburg/Bg

Song of a Millionaire

Did you ever hear of a millionaire

who lost his job? - Oh, I never did

He continues eating à la carte

when all around

people are going to make the file

to get some work

or a piece of rotten bread.

Did you ever hear of a millionaire

who went to jail? - Oh, I never did

Do you know why?

Because he never does the slightest wrong

he always has the right ideas

he always votes for the strongest man

he always chooses the mightiest God

and always thinks of his safety first.

Did you ever hear of a millionaire

who went to war? - Oh, I never did.

He is sitting in a secure place

when all around

people are starting to cry

going to die

they don’t know why

Well it is no lie that a millionaire never fails

while you are a flop

out of the mob.

Did you ever hear of a millionaire

who broke his heart? - Oh, I never did.

When all around

people are bound

by famine, torture, and terror

and if you run

to claim your rights from the millionaire

he will spit you in your sweaty face

all his disgust with a lot of grace.

But never mind

he is a kind

of slippery leech

who can’t get aware

and can not share

the pains and torments

of all his victims.

Written 1967 in Stockholm for Earnest Parham - Afroamerican jazz singer with a great voice and a guitar who performed this song in a nice jazz cellar in downtown Stockholm.

Mißlungene Epopöe

oder Kantate mit mehreren

Einsätzen und einem Happy End oder

Frankfurt hat Zukunft