Gedichte und Balladen - Friedrich Schiller - E-Book

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Friedrich Schiller

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Beschreibung

»Bewundert und viel gescholten«, haben Schillers Gedichte und Balladen vieles überlebt: die Konkurrenz Goethes, den Spott der Romantiker, ihre vielfache Parodierung und Travestierung und einiges mehr. Bis heute gehören seine Werke, wie »Die Bürgschaft«, »Das Lied von der Glocke« oder seine »Ode an die Freude« zu den beliebtesten und meistgelesenen deutschen Gedichten.

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Friedrich Schiller

GEDICHTE UND BALLADEN

INSEL VERLAG

INHALT

GEDICHTE UND BALLADEN

Erster Teil. 1804

Zweiter Teil. 1805

Alphabetisches Verzeichnis der Gedichtanfänge und -überschriften

GEDICHTE. ERSTER TEIL. 1804

DAS MÄDCHEN AUS DER FREMDE

In einem Tal bei armen Hirten Erschien mit jedem jungen Jahr, Sobald die ersten Lerchen schwirrten, Ein Mädchen, schön und wunderbar.

Sie war nicht in dem Tal geboren, Man wußte nicht, woher sie kam, Doch schnell war ihre Spur verloren, Sobald das Mädchen Abschied nahm.

Beseligend war ihre Nähe, Und alle Herzen wurden weit, Doch eine Würde, eine Höhe Entfernte die Vertraulichkeit.

Sie brachte Blumen mit und Früchte, Gereift auf einer andern Flur, In einem andern Sonnenlichte, In einer glücklichern Natur.

Und teilte jedem eine Gabe, Dem Früchte, jenem Blumen aus, Der Jüngling und der Greis am Stabe, Ein jeder ging beschenkt nach Haus.

Willkommen waren alle Gäste, Doch nahte sich ein liebend Paar, Dem reichte sie der Gaben beste, Der Blumen allerschönste dar.

KLAGE DER CERES

Ist der holde Lenz erschienen? Hat die Erde sich verjüngt? Die besonnten Hügel grünen, Und des Eises Rinde springt. Aus der Ströme blauem Spiegel Lacht der unbewölkte Zeus, Milder wehen Zephyrs Flügel,

Augen treibt das junge Reis. In dem Hain erwachen Lieder, Und die Oreade spricht: Deine Blumen kehren wieder, Deine Tochter kehret nicht.

Ach! wie lang ist's, daß ich walle Suchend durch der Erde Flur, Titan, deine Strahlen alle Sandt' ich nach der teuren Spur, Keiner hat mir noch verkündet Von dem lieben Angesicht, Und der Tag, der alles findet, Die Verlorne fand er nicht. Hast du Zeus! sie mir entrissen, Hat, von ihrem Reiz gerührt, Zu des Orkus schwarzen Flüssen Pluto sie hinabgeführt?

Wer wird nach dem düstern Strande Meines Grames Bote sein? Ewig stößt der Kahn vom Lande, Doch nur Schatten nimmt er ein. Jedem sel'gen Aug' verschlossen Bleibt das nächtliche Gefild', Und so lang der Styx geflossen, Trug er kein lebendig Bild. Nieder führen tausend Steige, Keiner führt zum Tag zurück, Ihre Tränen bringt kein Zeuge Vor der bangen Mutter Blick.

Mütter, die aus Pyrrhas Stamme Sterbliche geboren sind, Dürfen durch des Grabes Flamme Folgen dem geliebten Kind, Nur was Jovis Haus bewohnet, Nahet nicht dem dunkeln Strand, Nur die Seligen verschonet, Parzen, eure strenge Hand. Stürzt mich in die Nacht der Nächte Aus des Himmels goldnem Saal, Ehret nicht der Göttin Rechte, Ach! sie sind der Mutter Qual!

Wo sie mit dem finstern Gatten Freudlos thronet, stieg ich hin, Träte mit den leisen Schatten Leise vor die Herrscherin. Ach ihr Auge, feucht von Zähren, Sucht umsonst das goldne Licht, Irret nach entfernten Sphären, Auf die Mutter fällt es nicht, Bis die Freude sie entdecket, Bis sich Brust mit Brust vereint, Und zum Mitgefühl erwecket, Selbst der rauhe Orkus weint.

Eitler Wunsch! Verlorne Klagen! Ruhig in dem gleichen Gleis Rollt des Tages sichrer Wagen, Ewig steht der Schluß des Zeus. Weg von jenen Finsternissen Wandt er sein beglücktes Haupt, Einmal in die Nacht gerissen, Bleibt sie ewig mir geraubt, Bis des dunkeln Stromes Welle Von Aurorens Farben glüht, Iris mitten durch die Hölle Ihren schönen Bogen zieht.

Ist mir nichts von ihr geblieben, Nicht ein süß erinnernd Pfand, Daß die Fernen sich noch lieben, Keine Spur der teuren Hand? Knüpfet sich kein Liebesknoten Zwischen Kind und Mutter an? Zwischen Lebenden und Toten Ist kein Bündnis aufgetan? Nein! Nicht ganz ist sie entflohen, Nein! Wir sind nicht ganz getrennt! Haben uns die ewig Hohen Eine Sprache doch vergönnt!

Wenn des Frühlings Kinder sterben, Wenn von Nordes kaltem Hauch Blatt und Blume sich entfärben, Traurig steht der nackte Strauch, Nehm' ich mir das höchste Leben Aus Vertumnus reichem Horn, Opfernd es dem Styx zu geben,

Mir des Samens goldnes Korn. Traurend senk' ich's in die Erde, Leg' es an des Kindes Herz, Daß es eine Sprache werde Meiner Liebe, meinem Schmerz.

Führt der gleiche Tanz der Hören Freudig nun den Lenz zurück, Wird das Tote neu geboren Von der Sonne Lebensblick! Keime, die dem Auge starben In der Erde kaltem Schoß, In das heitre Reich der Farben Ringen sie sich freudig los. Wenn der Stamm zum Himmel eilet, Sucht die Wurzel scheu die Nacht, Gleich in ihre Pflege teilet Sich des Styx, des Äthers Macht.

Halb berühren sie der Toten Halb der Lebenden Gebiet, Ach sie sind mir teure Boten Süße Stimmen vom Cozyt! Hält er gleich sie selbst verschlossen In dem schauervollen Schlund, Aus des Frühlings jungen Sprossen Redet mir der holde Mund, Daß auch fern vom goldnen Tage, Wo die Schatten traurig ziehn, Liebend noch der Busen schlage, Zärtlich noch die Herzen glühn.

O so laßt euch froh begrüßen Kinder der verjüngten Au, Euer Kelch soll überfließen Von des Nektars reinstem Tau. Tauchen will ich euch in Strahlen, Mit der Iris schönstem Licht Will ich eure Blätter malen, Gleich Aurorens Angesicht. In des Lenzes heiterm Glänze Lese jede zarte Brust, In des Herbstes welkem Kranze Meinen Schmerz und meine Lust.

DER TANZ

Siehe wie schwebenden Schritts im Wellenschwung sich die Paare

Drehen, den Boden berührt kaum der geflügelte Fuß. Seh' ich flüchtige Schatten, befreit von der Schwere des Leibes?

Schlingen im Mondlicht dort Elfen den luftigen Reihn? Wie, vom Zephyr gewiegt, der leichte Rauch in die Luft fließt,

Wie sich leise der Kahn schaukelt auf silberner Flut, Hüpft der gelehrige Fuß auf des Takts melodischer Woge,

Säuselndes Saitengetön hebt den ätherischen Leib. Jetzt, als wollt es mit Macht durchreißen die Kette des Tanzes

Schwingt sich ein mutiges Paar dort in den dichtesten Reihn. Schnell vor ihm her entsteht ihm die Bahn, die hinter ihm schwindet,

Wie durch magische Hand öffnet und schließt sich der Weg. Sieh! Jetzt schwand es dem Blick, in wildem Gewirr durch einander

Stürzt der zierliche Bau dieser beweglichen Welt. Nein, dort schwebt es frohlockend herauf, der Knoten entwirrt sich,

Nur mit verändertem Reiz stellet die Regel sich her. Ewig zerstört, es erzeugt sich ewig die drehende Schöpfung,

Und ein stilles Gesetz lenkt der Verwandlungen Spiel. Sprich wie geschieht's, daß rastlos erneut die Bildungen schwanken,

Und die Ruhe besteht in der bewegten Gestalt? Jeder ein Herrscher, frei, nur dem eigenen Herzen gehorchet,

Und im eilenden Lauf findet die einzige Bahn? Willst du es wissen? Es ist des Wohllauts mächtige Gottheit,

Die zum geselligen Tanz ordnet den tobenden Sprung, Die, der Nemesis gleich, an des Rhythmus goldenem Zügel

Lenkt die brausende Lust und die verwilderte zähmt; Und dir rauschen umsonst die Harmonieen des Weltalls,

Dich ergreift nicht der Strom dieses erhabnen Gesangs, Nicht der begeisternde Takt, den alle Wesen dir schlagen,

Nicht der wirbelnde Tanz, der durch den ewigen Raum Leuchtende Sonnen schwingt in kühn gewundenen Bahnen?

Das du im Spiele doch ehrst, fliehst du im Handeln, das Maß.

DAS GEHEIMNIS

Sie konnte mir kein Wörtchen sagen,

Zu viele Lauscher waren wach, Den Blick nur durft ich schüchtern fragen,

Und wohl verstand ich, was er sprach. Leis komm' ich her in deine Stille,

Du schön belaubtes Buchenzelt, Verbirg in Deiner grünen Hülle

Die Liebenden dem Aug' der Welt.

Von ferne mit verworfnem Sausen

Arbeitet der geschäft'ge Tag, Und durch der Stimmen hohles Brausen

Erkenn' ich schwerer Hämmer Schlag. So sauer ringt die kargen Lose

Der Mensch dem harten Himmel ab, Doch leicht erworben, aus dem Schoße

Der Götter fällt das Glück herab.

Daß ja die Menschen nie es hören,

Wie treue Lieb' uns still beglückt! Sie können nur die Freude stören,

Weil Freude nie sie selbst entzückt. Die Welt wird nie das Glück erlauben,

Als Beute wird es nur gehascht, Entwenden mußt du's oder rauben,

Eh dich die Mißgunst überrascht.

Leis auf den Zähen kommt's geschlichen,

Die Stille Hebt es und die Nacht, Mit schnellen Füßen ist's entwichen,

Wo des Verräters Auge wacht. O schlinge dich, du sanfte Quelle,

Ein breiter Strom um uns herum, Und drohend mit empörter Welle

Verteidige dies Heiligtum.

DAS GLÜCK

Selig, welchen die Götter, die gnädigen, vor der Geburt schon

Liebten, welchen als Kind Venus im Arme gewiegt, Welchem Phöbus die Augen, die Lippen Hermes gelöset,

Und das Siegel der Macht Zeus auf die Stirne gedrückt! Ein erhabenes Los, ein göttliches, ist ihm gefallen,

Schon vor des Kampfes Beginn sind ihm die Schläfe bekränzt. Ihm ist, eh er es lebte, das volle Leben gerechnet,

Eh er die Mühe bestand, hat er die Charis erlangt. Groß zwar nenn' ich den Mann, der sein eigner Bildner und Schöpfer

Durch der Tugend Gewalt selber die Parze bezwingt, Aber nicht erzwingt er das Glück und was ihm die Charis

Neidisch geweigert, erringt nimmer der strebende Mut. Vor Unwürdigem kann dich der Wille, der ernste bewahren,

Alles Höchste, es kommt frei von den Göttern herab. Wie die Geliebte dich liebt, so kommen die himmlischen Gaben,

Oben in Jupiters Reich herrscht wie in Amors die Gunst. Neigungen haben die Götter, sie lieben der grünenden Jugend

Lockigte Scheitel, es zieht Freude die Fröhlichen an. Nicht der Sehende wird von ihrer Erscheinung beseligt,

Ihrer Herrlichkeit Glanz hat nur der Blinde geschaut, Gern erwählen sie sich der Einfalt kindliche Seele,

In das bescheidne Gefäß schließen sie göttliches ein. Ungehofft sind sie da, und täuschen die stolze Erwartung,

Keines Bannes Gewalt zwinget die Freien herab. Wem er geneigt, dem sendet der Vater der Menschen und Götter

Seinen Adler herab, trägt ihn zu himmlischen Höhn, Unter die Menge greift er mit Eigenwillen, und welches

Haupt ihm gefället, um das flicht er mit liebender Hand Jetzt den Lorbeer und jetzt die Herrschaftgebende Binde,

Krönte doch selber den Gott nur das gewogene Glück. Vor dem Glücklichen her tritt Phöbus, der pythische Sieger,

Und der die Herzen bezwingt, Amor, der lächelnde Gott. Vor ihm ebnet Poseidon das Meer, sanft gleitet des Schiffes

Kiel, das den Cäsar führt und sein allmächtiges Glück, Ihm zu Füßen legt sich der Leu, das brausende Delphin

Steigt aus den Tiefen und fromm beut es den Rücken ihm an. Zürne dem Glücklichen nicht, daß den leichten Sieg ihm die Götter

Schenken, daß aus der Schlacht Venus den Liebling entrückt, Ihn, den die lächelnde rettet, den Göttergeliebten beneid' ich,

Jenen nicht, dem sie mit Nacht deckt den verdunkelten Blick, War er weniger herrlich, Achilles, weil ihm Hephästos

Selbst geschmiedet den Schild und das verderbliche Schwert, Weil um den sterblichen Mann der große Olimp sich beweget?

Das verherrlichet ihn, daß ihn die Götter geliebt, Daß sie sein Zürnen geehrt, und Ruhm dem Liebling zu geben,

Hellas bestes Geschlecht stürzten zum Orkus hinab. Zürne der Schönheit nicht, daß sie schön ist, daß sie verdienstlos

Wie der Lilie Kelch prangt durch der Venus Geschenk, Laß sie die glückliche sein, du schaust sie, du bist der Beglückte,

Wie sie ohne Verdienst glänzt, so entzücket sie dich. Freue dich, daß die Gabe des Lieds vom Himmel herabkommt,

Daß der Sänger dir singt, was ihn die Muse gelehrt, Weil der Gott ihn beseelt, so wird er dem Hörer zum Gotte,

Weil er der glückliche ist, kannst du der selige sein. Auf dem geschäftigen Markt da führe Themis die Waage,

Und es messe der Lohn streng an der Mühe sich ab, Aber die Freude ruft nur ein Gott auf sterbliche Wangen,

Wo kein Wunder geschieht, ist kein Beglückter zu sehn. Alles Menschliche muß erst werden und wachsen und reifen,

Und von Gestalt zu Gestalt führt es die bildende Zeit, Aber das Glückliche siehest du nicht, das Schöne nicht werden,

Fertig von Ewigkeit her steht es vollendet vor dir. Jede irdische Venus ersteht wie die erste des Himmels

Eine dunkle Geburt aus dem unendlichen Meer, Wie die erste Minerva so tritt mit der Aegis gerüstet

Aus des Donnerers Haupt jeder Gedanke des Lichts.

DER GENIUS

»Glaub' ich, sprichst du, dem Wort, das der Weisheit Meister mich lehren,

Das der Lehrlinge Schar sicher und fertig beschwört; Kann die Wissenschaft nur zum wahren Frieden mich führen,

Nur des Systemes Gebälk' stützen das Glück und das Recht? Muß ich dem Trieb mißtraun, der leise mich warnt, dem Gesetze,

Das du selber, Natur, mir in den Busen geprägt, Bis auf die ewige Schrift die Schul' ihr Siegel gedrücket,

Und der Formel Gefäß bindet den flüchtigen Geist? Sage du mir's, du bist in diese Tiefen gestiegen,

Aus dem modrigten Grab kamst du erhalten zurück, Dir ist bekannt, was die Gruft der dunklen Wörter bewahret,

Ob der Lebenden Trost dort bei den Mumien wohnt? Muß ich ihn wandeln den nächtlichen Weg? Mir graut, ich bekenn' es,

Wandeln will ich ihn doch, führt er zu Wahrheit und Recht.« – Freund, du kennst doch die goldene Zeit, es haben die Dichter

Manche Sage von ihr rührend und kindlich erzählt. Jene Zeit, da das Heilige noch im Leben gewandelt,

Da jungfräulich und keusch noch das Gefühl sich bewahrt, Da noch das große Gesetz, das oben im Sonnenlauf waltet,

Und verborgen im Ei reget den hüpfenden Punkt, Noch der Notwendigkeit stilles Gesetz, das stätige, gleiche,

Auch der menschlichen Brust freiere Wellen bewegt, Da nicht irrend der Sinn und treu, wie der Zeiger am Uhrwerk,

Auf das Wahrhaftige nur, nur auf das Ewige wies? – Da war kein Profaner, kein Eingeweihter zu sehen,

Was man lebendig empfand, ward nicht bei Toten gesucht. Gleich verständlich für jegliches Herz war die ewige Regel,

Gleich verborgen der Quell, dem sie belebend entfloß. Aber die glückliche Zeit ist dahin! Vermessene Willkür

Hat der getreuen Natur göttlichen Frieden gestört. Das entweihte Gefühl ist nicht mehr Stimme der Götter,

Und das Orakel verstummt in der entadelten Brust. Nur in dem stilleren Selbst vernimmt es der horchende Geist noch,

Und den heiligen Sinn hütet das mystische Wort. Hier beschwört es der Forscher, der reines Herzens hinabsteigt,

Und die verlorne Natur gibt ihm die Weisheit zurück. Hast du, Glücklicher, nie den schützenden Engel verloren,

Nie des frommen Instinkts liebende Warnung verwirkt, Malt in dem keuschen Auge noch treu und rein sich die Wahrheit,

Tönt ihr Rufen dir noch hell in der kindlichen Brust, Schweigt noch in dem zufriednen Gemüt des Zweifels Empörung,

Wird sie, weißt du's gewiß, schweigen auf ewig wie heut, Wird der Empfindungen Streit nie eines Richters bedürfen,

Nie den hellen Verstand trüben das tückische Herz – O dann gehe du hin in deiner köstlichen Unschuld,

Dich kann die Wissenschaft nichts lehren. Sie lerne von dir! Jenes Gesetz, das mit ehrnem Stab den Sträubenden lenket,

Dir nicht gilt's. Was du tust, was dir gefällt, ist Gesetz, Und an alle Geschlechter ergeht ein göttliches Machtwort,

Was du mit heiliger Hand bildest, mit heiligem Mund Redest, wird den erstaunten Sinn allmächtig bewegen,

Du nur merkst nicht den Gott, der dir im Busen gebeut, Nicht des Siegels Gewalt, das alle Geister dir beuget,

Einfach gehst du und still durch die eroberte Welt.

DIE WORTE DES GLAUBENS

Drei Worte nenn' ich euch, inhaltschwer,

Sie gehen von Munde zu Munde, Doch stammen sie nicht von außen her,

Das Herz nur gibt davon Kunde,

Dem Menschen ist aller Wert geraubt,

Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt.

Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,

Und würd' er in Ketten geboren, Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,

Nicht den Mißbrauch rasender Toren.

Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,

Vor dem freien Menschen erzittert nicht.

Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,

Der Mensch kann sie üben im Leben, Und sollt er auch straucheln überall,

Er kann nach der göttlichen streben, Und was kein Verstand der Verständigen sieht,

Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt.

Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,

Wie auch der menschliche wanke, Hoch über der Zeit und dem Raume webt

Lebendig der höchste Gedanke, Und ob alles in ewigem Wechsel kreis't, Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.

Die drei Worte bewahret euch, inhaltschwer,

Sie pflanzet von Munde zu Munde, Und stammen sie gleich nicht von außen her,

Euer Innres gibt davon Kunde, Dem Menschen ist nimmer sein Wert geraubt, So lang er noch an die drei Worte glaubt.

DIE TEILUNG DER ERDE

Nehmt hin die Welt! rief Zeus von seinen Höhen

Den Menschen zu, nehmt, sie soll euer sein. Euch schenk ich sie zum Erb' und ew'gen Lehen,

Doch teilt euch brüderlich darein.

Da eilt was Hände hat, sich einzurichten,

Es regte sich geschäftig jung und alt. Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,

Der Junker birschte durch den Wald.

Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen,

Der Abt wählt sich den edeln Firnewein, Der König sperrt die Brücken und die Straßen,

Und sprach, der Zehente ist mein.

Ganz spät, nachdem die Teilung längst geschehen,

Naht der Poet, er kam aus weiter Fern'. Ach! da war überall nichts mehr zu sehen,

Und alles hatte seinen Herrn!

Weh mir! So soll denn ich allein von allen

Vergessen sein, ich, dein getreuster Sohn? So ließ er laut der Klage Ruf erschallen,

Und warf sich hin vor Jovis Thron.

Wenn du im Land der Träume dich verweilet,

Versetzt der Gott, so hadre nicht mit mir. Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?

Ich war, sprach der Poet, bei dir.

Mein Auge hing an deinem Angesichte,

An deines Himmels Harmonie mein Ohr, Verzeih dem Geiste, der, von deinem Lichte

Berauscht, das Irdische verlor

Was tun! spricht Zeus, die Welt ist weggegeben,

Der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein. Willst du in meinem Himmel mit mir leben,

So oft du kommst, er soll dir offen sein.

KOLUMBUS

Steure mutiger Segler! Es mag der Witz dich verhöhnen,

Und der Schiffer am Steu'r senken die lässige Hand. Immer, immer nach West! Dort muß die Küste sich zeigen,

liegt sie doch deutlich und liegt schimmernd vor deinem Verstand. Traue dem leitenden Gott und folge dem schweigenden Weltmeer,

War' sie noch nicht, sie stieg jetzt aus den Fluten empor. Mit dem Genius steht die Natur in ewigem Bunde,

Was der eine verspricht, leistet die andre gewiß.

ODYSSEUS

Alle Gewässer durchkreuzt', die Heimat zu finden, Odysseus,

Durch der Scilla Gebell, durch der Charybde Gefahr Durch die Schrecken des feindlichen Meers, durch die Schrecken des Landes,

Selber in Aidäs Reich führt ihn die irrende Fahrt. Endlich trägt das Geschick ihn schlafend an Ithakas Küste,

Er erwacht und erkennt jammernd das Vaterland nicht.

DIE BÜRGSCHAFT Ballade

Zu Dionys dem Tyrannen schlich Möros, den Dolch im Gewände, Ihn schlugen die Häscher in Bande. Was wolltest du mit dem Dolche, sprich! Entgegnet ihm finster der Wüterich. »Die Stadt vom Tyrannen befreien!« Das sollst du am Kreuze bereuen.

»Ich bin, spricht jener, zu sterben bereit, Und bitte nicht um mein Leben, Doch willst du Gnade mir geben, Ich flehe dich um drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit Ich lasse den Freund dir als Bürgen, Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen.«

Da lächelt der König mit arger List, Und spricht nach kurzem Bedenken: Drei Tage will ich dir schenken. Doch wisse! Wenn sie verstrichen die Frist, Eh du zurück mir gegeben bist, So muß er statt deiner erblassen, Doch dir ist die Strafe erlassen.

Und er kommt zum Freunde: »der König gebeut, Daß ich am Kreuz mit dem Leben Bezahle das frevelnde Streben, Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit, So bleib du dem König zum Pfande, Bis ich komme, zu lösen die Bande.«

Und schweigend umarmt ihn der treue Freund, Und liefert sich aus dem Tyrannen, Der andere ziehet von dannen. Und ehe das dritte Morgenrot scheint, Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint, Eilt heim mit sorgender Seele, Damit er die Frist nicht verfehle.

Da gießt unendlicher Regen herab, Von den Bergen stürzen die Quellen, Und die Bäche, die Ströme schwellen. Und er kommt an's Ufer mit wanderndem Stab, Da reißet die Brücke der Strudel hinab, Und donnernd sprengen die Wogen Des Gewölbes krachenden Bogen.

Und trostlos irrt er an Ufers Rand, Wie weit er auch spähet und blicket, Und die Stimme, die rufende, schicket, Da stößet kein Nachen vom sichern Strand, Der ihn setze an das gewünschte Land, Kein Schiffer lenket die Fähre, Und der wilde Strom wird zum Meere.

Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht, Die Hände zum Zeus erhoben: »O hemme des Stromes Toben! Es eilen die Stunden, im Mittag steht Die Sonne und wenn sie niedergeht, Und ich kann die Stadt nicht erreichen, So muß der Freund mir erbleichen.«

Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut, Und Welle auf Welle zerrinnet, Und Stunde an Stunde entrinnet, Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mut Und wirft sich hinein in die brausende Flut, Und teilt mit gewaltigen Armen Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.

Und gewinnt das Ufer und eilet fort, Und danket dem rettenden Gotte, Da stürzet die raubende Rotte Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort, Den Pfad ihm sperrend, und schnaubet Mord Und hemmet des Wanderers Eile Mit drohend geschwungener Keule.

»Was wollt ihr? ruft er für Schrecken bleich, Ich habe nichts als mein Leben, Das muß ich dem Könige geben!« Und entreißt die Keule dem nächsten gleich: »Um des Freundes Willen erbarmet euch!« Und drei, mit gewaltigen Streichen, Erlegt er, die andern entweichen.

Und die Sonne versendet glühenden Brand, Und von der unendlichen Mühe Ermattet sinken die Kniee: »O hast du mich gnädig aus Räubershand, Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land, Und soll hier verschmachtend verderben, Und der Freund mir, der liebende, sterben!«

Und horch! da sprudelt es silberhell Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen, Und stille hält er zu lauschen, Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell, Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell, Und freudig bückt er sich nieder, Und erfrischet die brennenden Glieder.

Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün, Und malt auf den glänzenden Matten Der Bäume gigantische Schatten; Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn, Will eilenden Laufes vorüber fliehn, Da hört er die Worte sie sagen: Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.

Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß, Ihn jagen der Sorge Qualen, Da schimmern in Abendrots Strahlen Von ferne die Zinnen von Syrakus, Und entgegen kommt ihm Philostratus, Des Hauses redlicher Hüter, Der erkennet entsetzt den Gebieter:

Zurück! du rettest den Freund nicht mehr, So rette das eigene Leben! Den Tod erleidet er eben. Von Stunde zu Stunde gewartet' er Mit hoffender Seele der Wiederkehr, Ihm konnte den mutigen Glauben Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.

»Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht Ein Retter willkommen erscheinen, So soll mich der Tod ihm vereinen. Des rühme der blut'ge Tyrann sich nicht, Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht, Er schlachte der Opfer zweie, Und glaube an liebe und Treue.«

Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor Und sieht das Kreuz schon erhöhet, Das die Menge gaffend umstehet, An dem Seile schon zieht man den Freund empor, Da zertrennt er gewaltig den dichten Chor: »Mich Henker! ruft er, erwürget, Da bin ich, für den er gebürget!«

Und Erstaunen ergreifet das Volk umher, In den Armen liegen sich beide, Und weinen für Schmerzen und Freude. Da sieht man kein Auge tränenleer, Und zum Könige bringt man die Wundermär, Der fühlt ein menschliches Rühren, Läßt schnell vor den Thron sie führen.

Und blicket sie lange verwundert an, Drauf spricht er: Es ist euch gelungen, Ihr habt das Herz mir bezwungen, Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn, So nehmet auch mich zum Genossen an, Ich sei, gewährt mir die Bitte, In eurem Bunde der dritte.

DER ABEND Nach einem Gemälde

Senke, strahlender Gott, die Fluren dürsten Nach erquickendem Tau, der Mensch verschmachtet,

Matter ziehen die Rosse,

Senke den Wagen hinab.

Siehe, wer aus des Meers krystallner Woge Lieblich lächelnd dir winkt! Erkennt dein Herz sie?

Rascher fliegen die Rosse,

Thetis, die göttliche, winkt.

Schnell vom Wagen herab in ihre Arme Springt der Führer, den Zaum ergreift Kupido,

Stille halten die Rosse,

Trinken die kühlende Flut.

An dem Himmel herauf mit leisen Schritten Kommt die duftende Nacht; ihr folgt die süße

Liebe. Ruhet und liebet,

Phöbus, der liebende, ruht.

DIE IDEALE

So willst du treulos von mir scheiden Mit deinen holden Phantasien, Mit deinen Schmerzen, deinen Freuden, Mit allen unerbittlich fliehn? Kann nichts dich, Fliehende! verweilen, O! meines Lebens goldne Zeit? Vergebens, deine Wellen eilen, Hinab ins Meer der Ewigkeit.

Erloschen sind die heitern Sonnen, Die meiner Jugend Pfad erhellt, Die Ideale sind zerronnen, Die einst das trunkne Herz geschwellt, Er ist dahin, der süße Glaube An Wesen, die mein Traum gebar, Der rauhen Wirklichkeit zum Raube, Was einst so schön, so göttlich war.

Wie einst mit flehendem Verlangen Pygmalion den Stein umschloß, Bis in des Marmors kalte Wangen Empfindung glühend sich ergoß, So schlang ich mich mit Liebesarmen Um die Natur, mit Jugendlust, Bis sie zu atmen, zu erwärmen Begann an meiner Dichterbrust.

Und teilend meine Flammentriebe Die Stumme eine Sprache fand, Mir wiedergab den Kuß der Liebe, Und meines Herzens Klang verstand; Da lebte mir der Baum, die Rose, Mir sang der Quellen Silberfall, Es fühlte selbst das Seelenlose Von meines Lebens Widerhall.

Es dehnte mit allmächt'gem Streben Die enge Brust ein kreisend All, Heraus zu treten in das Leben, In Tat und Wort, in Bild und Schall. Wie groß war diese Welt gestaltet, So lang die Knospe sie noch barg, Wie wenig, ach! hat sich entfaltet, Dies wenige, wie klein und karg.

Wie sprang, von kühnem Mut beflügelt, Beglückt in seines Traumes Wahn, Von keiner Sorge noch gezügelt, Der Jüngling in des Lebens Bahn. Bis an des Äthers bleichste Sterne Erhob ihn der Entwürfe Flug, Nichts war so hoch, und nichts so ferne, Wohin ihr Flügel ihn nicht trug.

Wie leicht ward er dahin getragen, Was war dem Glücklichen zu schwer! Wie tanzte vor des Lebens Wagen Die luftige Begleitung her! Die Liebe mit dem süßen Lohne, Das Glück mit seinem goldnen Kranz, Der Ruhm mit seiner Sternenkrone, Die Wahrheit in der Sonne Glanz!

Doch ach! schon auf des Weges Mitte Verloren die Begleiter sich, Sie wandten treulos ihre Schritte, Und einer nach dem andern wich. Leichtfüßig war das Glück entflogen, Des Wissens Durst blieb ungestillt, Des Zweifels finstre Wetter zogen Sich um der Wahrheit Sonnenbild.

Ich sah des Ruhmes heil'ge Kränze Auf der gemeinen Stirn entweiht, Ach! allzuschnell nach kurzem Lenze Entfloh die schöne Liebeszeit. Und immer stiller ward's und immer Verlaßner auf dem rauhen Steg, Kaum warf noch einen bleichen Schimmer Die Hoffnung auf den finstern Weg.

Von all dem rauschenden Geleite, Wer harrte liebend bei mir aus? Wer steht mir tröstend noch zur Seite, Und folgt mir bis zum finstern Haus? Du, die du alle Wunden heilest, Der Freundschaft leise zarte Hand, Des Lebens Bürden liebend teilest, Du, die ich frühe sucht' und fand.

Und du, die gern sich mit ihr gattet, Wie sie, der Seele Sturm beschwört, Beschäftigung, die nie ermattet, Die langsam schafft, doch nie zerstört, Die zu dem Bau der Ewigkeiten Zwar Sandkorn nur für Sandkorn reicht, Doch von der großen Schuld der Zeiten Minuten, Tage, Jahre streicht.

DIE BLUMEN

Kinder der verjüngten Sonne,

Blumen der geschmückten Flur, Euch erzog zur Lust und Wonne,

Ja euch liebte die Natur. Schön das Kleid mit Licht gesticket, Schön hat Flora euch geschmücket

Mit der Farben Götterpracht, Holde Frühlingskinder klaget, Seele hat sie euch versaget,

Und ihr selber wohnt in Nacht.

Nachtigall und Lerche singen

Euch der Liebe selig Los, Gaukelnde Sylphiden schwingen

Buhlend sich auf eurem Schoß. Wölbte eures Kelches Krone Nicht die Tochter der Dione

Schwellend zu der Liebe Pfühl? Zarte Frühlingskinder weinet, Liebe hat sie euch verneinet,

Euch das selige Gefühl.

Aber hat aus Nannys Blicken

Mich der Mutter Spruch verbannt, Wenn euch meine Hände pflücken

Ihr zum zarten Liebespfand, Leben, Sprache, Seelen, Herzen, Stumme Boten süßer Schmerzen

Goß euch dies Berühren ein, Und der mächtigste der Götter Schließt in eure stillen Blätter

Seine hohe Gottheit ein.

DER SPAZIERGANG

Sei mir gegrüßt mein Berg mit dem rötlich strahlenden Gipfel,

Sei mir Sonne gegrüßt, die ihn so lieblich bescheint, Dich auch grüß ich belebte Flur, euch säuselnde Linden,

Und den fröhlichen Chor, der auf den Ästen sich wiegt, Ruhige Bläue dich auch, die unermeßlich sich ausgießt

Um das braune Gebirg, über den grünenden Wald, Auch um mich, der endlich entflohn des Zimmers Gefängnis

Und dem engen Gespräch freudig sich rettet zu dir, Deiner Lüfte balsamischer Strom durchrinnt mich erquickend,

Und den durstigen Blick labt das energische Licht, Kräftig auf blühender Au erglänzen die wechselnden Farben,

Aber der reizende Streit löset in Anmut sich auf, Frei empfängt mich die Wiese mit weithin verbreitetem Teppich,

Durch ihr freundliches Grün schlingt sich der ländliche Pfad, Um mich summt die geschäftige Bien', mit zweifelndem Flügel

Wiegt der Schmetterling sich über dem rötlichten Klee, Glühend trifft mich der Sonne Pfeil, still liegen die Weste,

Nur der Lerche Gesang wirbelt in heiterer Luft. Doch jetzt braust's aus dem nahen Gebüsch, tief neigen der Erlen

Kronen sich, und im Wind wogt das versilberte Gras, Mich umfängt ambrosische Nacht; in duftende Kühlung

Nimmt ein prächtiges Dach schattender Buchen mich ein, In des Waldes Geheimnis entflieht mir auf einmal die Landschaft,

Und ein schlängelnder Pfad leitet mich steigend empor. Nur verstohlen durchdringt der Zweige laubigtes Gitter

Sparsames Licht, und es blickt lachend das Blaue herein. Aber plötzlich zerreißt der Flor. Der geöffnete Wald gibt

Überraschend des Tags blendendem Glanz mich zurück. Unabsehbar ergießt sich vor meinen Blicken die Ferne,

Und ein blaues Gebirg endigt im Dufte die Welt. Tief an des Berges Fuß, der gählings unter mir abstürzt,

Wallet des grünlichten Stroms fließender Spiegel vorbei. Endlos unter mir seh' ich den Äther, über mir endlos,

Blicke mit Schwindeln hinauf, blicke mit Schaudern hinab, Aber zwischen der ewigen Höh' und der ewigen Tiefe

Trägt ein geländerter Steig sicher den Wandrer dahin. Lachend fliehen an mir die reichen Ufer vorüber,

Und den fröhlichen Fleiß rühmet das prangende Tal. Jene Linien, sieh! die des Landmanns Eigentum scheiden,

In den Teppich der Flur hat sie Demeter gewirkt. Freundliche Schrift des Gesetzes, des Menschenerhaltenden Gottes,

Seit aus der ehernen Welt fliehend die Liebe verschwand, Aber in freieren Schlangen durchkreuzt die geregelten Felder

Jetzt verschlungen vom Wald, jetzt an den Bergen hinauf Klimmend, ein schimmernder Streif, die Länder verknüpfende Straße,

Auf dem ebenen Strom gleiten die Flöße dahin, Vielfach ertönt der Herden Geläut im belebten Gefilde,

Und den Widerhall weckt einsam des Hirten Gesang. Muntre Dörfer bekränzen den Strom, in Gebüschen verschwinden

Andre, vom Rücken des Bergs stürzen sie gäh dort herab. Nachbarlich wohnet der Mensch noch mit dem Acker zusammen,

Seine Felder umruhn friedlich sein ländliches Dach, Traulich rankt sich die Reb' empor an dem niedrigen Fenster,

Einen umarmenden Zweig schlingt um die Hütte der Baum, Glückliches Volk der Gefilde! Noch nicht zur Freiheit erwachet,

Teilst du mit deiner Flur fröhlich das enge Gesetz. Deine Wünsche beschränkt der Ernten ruhiger Kreislauf,

Wie dein Tagewerk, gleich, windet dein Leben sich ab! Aber wer raubt mir auf einmal den lieblichen Anblick? Ein fremder

Geist verbreitet sich schnell über die fremdere Flur! Spröde sondert sich ab, was kaum noch liebend sich mischte,

Und das Gleiche nur ist's, was an das Gleiche sich reiht. Stände seh ich gebildet, der Pappeln stolze Geschlechter

Ziehn in geordnetem Pomp vornehm und prächtig daher, Regel wird alles und alles wird Wahl und alles Bedeutung,

Dieses Dienergefolg meldet den Herrscher mir an. Prangend verkündigen ihn von fern die beleuchteten Kuppeln,

Aus dem felsigten Kern hebt sich die türmende Stadt. In die Wildnis hinaus sind des Waldes Faunen verstoßen,

Aber die Andacht leiht höheres Leben dem Stein. Näher gerückt ist der Mensch an den Menschen. Enger wird um ihn,

Reger erwacht, es umwälzt rascher sich in ihm die Welt. Sieh, da entbrennen in feurigem Kampf die eifernden Kräfte,

Großes wirket ihr Streit, größeres wirket ihr Bund. Tausend Hände belebt Ein Geist, hoch schläget in tausend

Brüsten, von einem Gefühl glühend, ein einziges Herz, Schlägt für das Vaterland und glüht für der Ahnen Gesetze,

Hier auf dem teuren Grund ruht ihr verehrtes Gebein. Nieder steigen vom Himmel die seligen Götter, und nehmen

In dem geweihten Bezirk festliche Wohnungen ein, Herrliche Gaben bescherend erscheinen sie; Ceres vor allen

Bringet des Pfluges Geschenk, Hermes den Anker herbei, Bacchus die Traube, Minerva des Ölbaums grünende Reiser,

Auch das kriegrische Roß führet Poseidon heran, Mutter Cybele spannt an des Wagens Deichsel die Löwen,

In das gastliche Tor zieht sie als Bürgerin ein. Heilige Steine! Aus euch ergossen sich Pflanzer der Menschheit,

Fernen Inseln des Meers sandtet ihr Sitten und Kunst, Weise sprachen das Recht an diesen geselligen Toren,

Helden stürzten zum Kampf für die Penaten heraus. Auf den Mauren erschienen, den Säugling im Arme, die Mütter

Blickten dem Heerzug nach, bis ihn die Ferne verschlang. Betend stürzten sie dann vor der Götter Altären sich nieder,

Flehten um Ruhm und Sieg, flehten um Rückkehr für euch. Ehre ward euch und Sieg, doch der Ruhm nur kehrte zurücke,

Eurer Taten Verdienst meldet der rührende Stein: »Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest

Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl.« Ruhet sanft ihr Geliebten! Von eurem Blute begossen

Grünet der Ölbaum, es keimt lustig die köstliche Saat. Munter entbrennt, des Eigentums froh, das freie Gewerbe,

Aus dem Schilfe des Stroms winket der bläulichte Gott. Zischend fliegt in den Baum die Axt, es erseufzt die Dryade,

Hoch von des Berges Haupt stürzt sich die donnernde Last. Aus dem Felsbruch wiegt sich der Stein, vom Hebel beflügelt,

In der Gebirge Schlucht taucht sich der Bergmann hinab. Mulcibers Amboß tönt von dem Takt geschwungener Hämmer,

Unter der nervigten Faust sprützen die Funken des Stahls, Glänzend umwindet der goldne Lein die tanzende Spindel,

Durch die Saiten des Garns sauset das webende Schiff, Fern auf der Reede ruft der Pilot, es warten die Flotten,

Die in der Fremdlinge Land tragen den heimischen Fleiß, Andre ziehn frohlockend dort ein, mit den Gaben der Ferne,

Hoch von dem ragenden Mast wehet der festliche Kranz. Siehe da wimmeln die Märkte, der Kran von fröhlichem Leben,

Seltsamer Sprachen Gewirr braust in das wundernde Ohr. Auf den Stapel schüttet die Ernten der Erde der Kaufmann,

Was dem glühenden Strahl Afrikas Boden gebiert, Was Arabien kocht, was die äußerste Thule bereitet,

Hoch mit erfreuendem Gut füllt Amalthea das Horn. Da gebieret das Glück dem Talente die göttlichen Kinder,

Von der Freiheit gesäugt wachsen die Künste der Lust. Mit nachahmendem Leben erfreuet der Bildner die Augen,

Und vom Meißel beseelt redet der fühlende Stein, Künstliche Himmel ruhn auf schlanken ionischen Säulen,

Und den ganzen Olymp schließet ein Pantheon ein, Leicht wie der Iris Sprung durch die Luft, wie der Pfeil von der Senne

Hüpfet der Brücke Joch über den brausenden Strom. Aber im stillen Gemach entwirft bedeutende Zirkel

Sinnend der Weise, beschleicht forschend den schaffenden Geist, Prüft der Stoffe Gewalt, der Magnete Hassen und lieben,

Folgt durch die Lüfte dem Klang, folgt durch den Äther dem Strahl, Sucht das vertraute Gesetz in des Zufalls grausenden Wundern,

Sucht den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht. Körper und Stimme leiht die Schrift dem stummen Gedanken,

Durch der Jahrhunderte Strom trägt ihn das redende Blatt. Da zerrinnt vor dem wundernden Blick der Nebel des Wahnes,

Und die Gebilde der Nacht weichen dem tagenden Licht. Seine Fesseln zerbricht der Mensch. Der Beglückte! Zerriß er

Mit den Fesseln der Furcht nur nicht den Zügel der Scham! Freiheit ruft die Vernunft, Freiheit die wilde Begierde,

Von der heil'gen Natur ringen sie lüstern sich los. Ach, da reißen im Sturm die Anker, die an dem Ufer

Warnend ihn hielten, ihn faßt mächtig der flutende Strom, Ins Unendliche reißt er ihn hin, die Küste verschwindet,

Hoch auf der Fluten Gebirg wiegt sich entmastet der Kahn, Hinter Wolken erlöschen des Wagens beharrliche Sterne,

Bleibend ist nichts mehr, es irrt selbst in dem Busen der Gott. Aus dem Gespräche verschwindet die Wahrheit, Glauben und Treue

Aus dem Leben, es lügt selbst auf der Lippe der Schwur. In der Herzen vertraulichsten Bund, in der Liebe Geheimnis

Drängt sich der Sykophant, reißt von dem Freunde den Freund, Auf die Unschuld schielt der Verrat mit verschlingendem Blicke,

Mit vergiftendem Biß tötet des Lästerers Zahn. Feil ist in der geschändeten Brust der Gedanke, die Liebe

Wirft des freien Gefühls göttlichen Adel hinweg, Deiner heiligen Zeichen, o Wahrheit, hat der Betrug sich

Angemaßt, der Natur köstlichste Stimmen entweiht, Die das bedürftige Herz in der Freude Drang sich erfindet,

Kaum gibt wahres Gefühl noch durch Verstummen sich kund. Auf der Tribüne prahlet das Recht, in der Hütte die Eintracht,

Des Gesetzes Gespenst steht an der Könige Thron, Jahre lang mag, Jahrhunderte lang die Mumie dauern,

Mag das trügende Bild lebender Fülle bestehn, Bis die Natur erwacht, und mit schweren ehernen Händen

An das hohle Gebäu rühret die Not und die Zeit, Einer Tigerin gleich, die das eiserne Gitter durchbrochen

Und des numidischen Wald's plötzlich und schrecklich gedenkt, Aufsteht mit des Verbrechens Wut und des Elends die Menschheit,

Und in der Asche der Stadt sucht die verlorne Natur. O so öffnet euch Mauren, und gebt den Gefangenen ledig,

Zu der verlassenen Flur kehr' er gerettet zurück! Aber wo bin ich? Es birgt sich der Pfad. Abschüssige Gründe

Hemmen mit gähnender Kluft hinter mir, vor mir den Schritt. Hinter mir blieb der Gärten, der Hecken vertraute Begleitung,

Hinter mir jegliche Spur menschlicher Hände zurück. Nur die Stoffe seh' ich getürmt, aus welchen das Leben

Keimet, der rohe Basalt hofft auf die bildende Hand, Brausend stürzt der Gießbach herab durch die Rinne des Felsen

Unter den Wurzeln des Baums bricht er entrüstet sich Bahn. Wild ist es hier und schauerlich öd'. Im einsamen Luftraum

Hängt nur der Adler, und knüpft an das Gewölke die Welt. Hoch herauf bis zu mir trägt keines Windes Gefieder

Den verlorenen Schall menschlicher Mühen und Lust. Bin ich wirklich allein? In deinen Armen, an deinem

Herzen wieder, Natur, ach! und es war nur ein Traum, Der mich schaudernd ergriff, mit des Lebens furchtbarem Bilde,

Mit dem stürzenden Tal stürzte der finstre hinab. Reiner nehm' ich mein Leben von deinem reinen Altare,

Nehme den fröhlichen Mut hoffender Jugend zurück! Ewig wechselt der Wille den Zweck und die Regel, in ewig

Wiederholter Gestalt wälzen die Taten sich um. Aber jugendlich immer, in immer veränderter Schöne

Ehrst du, fromme Natur, züchtig das alte Gesetz, Immer dieselbe, bewahrst du in treuen Händen dem Manne,

Was dir das gaukelnde Kind, was dir der Jüngling vertraut, Nährest an gleicher Brust die vielfach wechselnden Alter;

Unter demselben Blau, über dem nehmlichen Grün Wandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Geschlechter,

Und die Sonne Homers, siehe! sie lächelt auch uns.

SPRUCH DES CONFUCIUS

Dreifach ist der Schritt der Zeit, Zögernd kommt die Zukunft hergezogen, Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen, Ewig still steht die Vergangenheit.

Keine Ungeduld beflügelt Ihren Schritt, wenn sie verweilt. Keine Furcht, kein Zweifeln zügelt Ihren Lauf, wenn sie enteilt. Keine Reu, kein Zaubersegen Kann die stehende bewegen.

Möchtest du beglückt und weise Endigen des Lebens Reise, Nimm die Zögernde zum Rat, Nicht zum Werkzeug deiner Tat. Wähle nicht die Fliehende zum Freund, Nicht die Bleibende zum Feind.

DES MÄDCHENS KLAGE

Der Eichwald brauset, Die Wolken ziehn, Das Mägdlein sitzet An Ufers Grün, Es bricht sich die Welle mit Macht, mit Macht, Und sie seufzt hinaus in die finstre Nacht, Das Auge von Weinen getrübet.

»Das Herz ist gestorben, Die Welt ist leer, Und weiter gibt sie Dem Wunsche nichts mehr. Du Heilige rufe dein Kind zurück, Ich habe genossen das irdische Glück, Ich habe gelebt und geliebet!«

Es rinnet der Tränen Vergeblicher Lauf, Die Klage sie wecket Die Toten nicht auf, Doch nenne, was tröstet und heilet die Brust Nach der süßen Liebe verschwundener Lust, Ich, die himmlische, wills nicht versagen.

Laß rinnen der Tränen Vergeblichen Lauf, Es wecke die Klage Den Toten nicht auf, Das süßeste Glück für die traurende Brust, Nach der schönen Liebe verschwundener Lust, Sind der Liebe Schmerzen und Klagen.

DIE GESCHLECHTER

Sieh in dem zarten Kind zwei liebliche Blumen vereinigt,

Jungfrau und Jüngling, sie deckt beide die Knospe noch zu. Leise lös't sich das Band, es entzweien sich zart die Naturen,

Und von der holden Scham trennet sich feurig die Kraft. Gönne dem Knaben zu spielen, in wilder Begierde zu toben,

Nur die gesättigte Kraft kehret zur Anmut zurück. Aus der Knospe beginnt die doppelte Blume zu streben,

Köstlich ist jede, doch stillt keine dein sehnendes Herz. Reizende Fülle schwellt der Jungfrau blühende Glieder,

Aber der Stolz bewacht streng wie der Gürtel den Reiz. Scheu wie das zitternde Reh, das ihr Horn durch die Wälder verfolget,

Flieht sie im Mann nur den Feind, hasset noch, weil sie nicht liebt. Trotzig schauet und kühn aus finstern Wimpern der Jüngling,

Und gehärtet zum Kampf spannet die Sehne sich an. Fern in der Speere Gewühl und auf die stäubende Rennbahn

Ruft ihn der lockende Ruhm, reißt ihn der brausende Mut. Jetzt beschütze dein Werk Natur! Auseinander auf immer

Fliehet, wenn Du nicht vereinst, feindlich, was ewig sich sucht. Aber da bist du, du mächtige schon, aus dem wildesten Streite

Rufst du der Harmonie göttlichen Frieden hervor. Tief verstummet die lärmende Jagd, des rauschenden Tages

Tosen verhallet und leis sinken die Sterne herab. Seufzend flüstert das Rohr, sanft murmelnd gleiten die Bäche,

Und mit melodischem Lied füllt Philomela den Hain. Was erreget zu Seufzern der Jungfrau steigenden Busen?

Jüngling, was füllet den Blick schwellend mit Tränen dir an? Ach sie suchet umsonst, was sie sanft anschmiegend umfasse,

Und die schwellende Frucht beuget zur Erde die Last. Ruhelos strebend verzehrt sich in eigenen Flammen der Jüngling,

Ach, der brennenden Glut wehet kein lindernder Hauch. Siehe, da finden sie sich, es führet sie Amor zusammen,

Und dem geflügelten Gott folgt der geflügelte Sieg. Göttliche Liebe, du bist's die der Menschheit Blumen vereinigt,

Ewig getrennt, sind sie doch ewig verbunden durch dich.