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"Imprisoned with the Pharaohs" ist eine Kurzgeschichte des amerikanischen Schriftstellers H.P. Lovecraft, die in Zusammenarbeit mit dem berühmten Entfesselungskünstler Harry Houdini entstand. Die Erzählung basiert auf den außergewöhnlichen Erlebnissen Harry Houdinis, während eines Ägypten Besuches bei einer Führung durch die Pyramiden von Gizeh. Schnell entwickelt sich die scheinbar harmlose Expedition zu einem Albtraum, als Houdini in den tiefsten Katakomben der Pyramide auf unvorstellbare Schrecken stößt. Er findet sich gefangen in einem Netz von Geheimnissen und übernatürlichen Kräften, die ihn an den Rand des Wahnsinns treiben.
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Seitenzahl: 57
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Gefangen bei den Pharaonen
Imprisoned with the Pharaohs (1924)
von H. P. Lovecraft & Harry Houdini
Übersetzung: Stefan Gresse (2023)
Inhaltsverzeichnis:
Teil I.
Teil II.
Teil I.
Das Geheimnisvolle zieht das Rätselhafte an. Seit mein Name als Vorführer unerklärlicher Kunststücke weithin bekannt geworden war, bin ich immer wieder mit äußerst seltsamen Erzählungen und Ereignissen in Kontakt gekommen. Einige davon waren trivial und irrelevant, einige hochdramatisch und fesselnd, einige brachten seltsame und gefährliche Erfahrungen mit sich, und einige davon verwickelten mich in umfangreiche wissenschaftliche und historische Nachforschungen. Über viele dieser Geschehnisse habe ich bereits sehr offen berichtet und werde dies auch weiterhin tun; aber es gibt ein Erlebnis, über das ich nur sehr ungern spreche. Da aber der Verleger dieses Magazins von anderen Mitgliedern meiner Familie bereits andeutungsweise darüber gehört hatte und daraufhin in einem Meeting äußerst geschickt seine Überredungskünste auf mich einwirken ließ, werde ich nun doch von dieser Begebenheit berichten.
Das bisher wohlbehütete Geheimnis betrifft meinen privaten Besuch in Ägypten vor vierzehn Jahren, und ich habe bisher aus mehreren Gründen darüber geschwiegen. Zum einen lehne ich es ab, bestimmte unumstößliche Fakten und Zustände publik zu machen, die den unzähligen Touristen, die sich um die Pyramiden drängen, offensichtlich unbekannt sind und von den Behörden in Kairo, die darüber nicht völlig ahnungslos sein können, offenbar mit größter Sorgfalt geheim gehalten werden. Zum anderen behagt es mir nicht, einen Vorfall zu schildern, bei dem meine eigene fantastische Vorstellungskraft eine so wesentliche Rolle gespielt haben muss. Was ich sah – oder zu sehen glaubte – hat sicherlich so nicht stattgefunden; es sollte eher als Ergebnis meiner damaligen Lektüren in Ägyptologie betrachtet werden und den darauffolgenden Spekulationen zu diesem Thema, die meine damalige Umgebung natürlicherweise hervorrief. Diese imaginativen Anreize, verstärkt durch die Aufregung eines an sich schon schrecklichen Ereignisses, führten zweifellos zu dem ausufernden Grauen jener grotesken Nacht, die mittlerweile so weit zurückliegt.
Im Januar 1910 hatte ich ein berufliches Engagement in England beendet und einen Vertrag für eine Tournee durch verschiedene australische Theater unterschrieben. Da mir für die Reise nach Australien ausreichend Zeit eingeräumt wurde, war ich entschlossen, das Beste aus dieser Gelegenheit zu machen und plante den Trip so, dass meine privaten Interessen Berücksichtigung fanden. So driftete ich, begleitet von meiner Frau, entspannt die Küstenlinie des europäischen Kontinents entlang und schiffte mich schließlich in Marseille auf dem P&O-Dampfer Malwa ein, der nach Port Said unterwegs war. Von dort ausgehend plante ich, die wichtigsten historischen Orte Unterägyptens zu besuchen, bevor ich danach endgültig nach Australien aufbrechen würde.
Die Reise war angenehm und wurde durch viele amüsante Vorfälle belebt, die einem magischen Künstler nur fernab seiner Arbeit widerfahren können. Ich hatte ursprünglich beabsichtigt, meinen Namen geheim zu halten, um möglichst ungestört reisen zu können. Allerdings wurde ich durch einen Magier-Kollegen, der darauf erpicht war, die Passagiere mit seinen recht gewöhnlichen Tricks zu verblüffen, dazu angetrieben, mich zu offenbaren, indem ich seine Kunststücke auf eine Art und Weise nachahmte und übertraf, dass sich mein Inkognito nicht mehr aufrechterhalten ließ. Ich erwähne diesen Umstand wegen seiner letztendlichen Auswirkungen – einer Wirkung, die ich eigentlich hätte vorhersehen müssen, bevor ich mich einer Schiffsladung Touristen enttarnte, die sich im Anschluss im Nil-Tal tummeln sollte. Die Folge war, dass überall, wo ich mich später aufhielt, meine Identität bereits bekannt war, und mir und meiner Frau daher jegliche ruhige Unauffälligkeit geraubt wurde, nach der wir uns eigentlich so sehr gesehnt hatten. Auf meiner Suche nach Kuriositäten im Land der Pharaonen wurde ich somit selbst zu einer Art Kuriosum für die Einheimischen!
Wir kamen nach Ägypten auf der Suche nach dem Malerischen und mystisch Beeindruckenden, fanden davon aber höchst wenig, als das Schiff in Port Said anlegte und seine Passagiere in kleinen Booten entließ. Niedrige Sanddünen, schaukelnde Bojen im flachen Wasser und eine triste, europäisch wirkende Kleinstadt, mit nichts von Interesse außer der großen Statue von De-Lesseps, ließen uns darauf brennen, etwas zu finden, das unserer Reise würdiger war. Nach einigen Unterredungen beschlossen wir, sofort nach Kairo, zu den Pyramiden weiterzureisen, und von dort aus später nach Alexandria weiterzuziehen, zu dem Schiff, das uns nach Australien bringen würde, und den griechisch-römischen Sehenswürdigkeiten, die diese alte Metropole zweifelsohne beherbergen musste.
Die Zugfahrt war gut auszuhalten und dauerte kaum viereinhalb Stunden. Wir sahen viel vom Suezkanal, dessen Lauf wir bis Isma’ilia folgten, und bekamen später beim Anblick des restaurierten Süßwasserkanals des mittleren Reiches einen Eindruck vom alten Ägypten. Dann endlich erblickten wir Kairo, das in der zunehmenden Dämmerung schimmerte; eine schillernde Erscheinung, die schließlich im hellsten Glanz erstrahlte, als wir am großen Gare Centrale anhielten.
Aber einmal mehr wurden wir enttäuscht, denn alles, was wir sahen, war europäisch, bis auf die Kleidung und die Menschenmassen. Eine prosaische Unterführung führte zu einem Platz, der vor Kutschen, Taxis und Straßenbahnen nur so wimmelte und aufs Prächtigste mit elektrischem Licht beleuchtet war, das von den hohen Gebäuden herab schien. Das Theater, in dem man mich vergeblich darum gebeten hatte, aufzutreten, dass ich aber später als Zuschauer besuchte, war erst kürzlich in ‚American Cosmograph‘ umbenannt worden. Wir übernachteten im Shepherd‘s Hotel, zu dem wir mit einem Taxi gelangten, das über breit angelegte und hübsch bebaute Straßen raste; und inmitten der perfekten Dienstbarkeiten seiner Restaurants, Fahrstühle und dem allgegenwärtigen anglo-amerikanischen Luxus schienen der geheimnisvolle Osten und die antike Vergangenheit sehr weit entfernt.
Der nächste Tag stürzte uns jedoch auf sehr angenehme Art und Weise in das Zentrum der Atmosphäre aus 1001 Nacht; und in den gewundenen Gassen und der exotischen Skyline von Kairo schien das Bagdad von Harun-al-Raschid wieder zum Leben zu erwachen. Geführt von unserem Baedeker liefen wir östlich entlang an den Ezbekiyeh-Gärten und vorbei am Muski auf der Suche nach dem Viertel der Einheimischen und befanden uns bald in den Händen eines lärmenden Fremdenführers, der – ungeachtet der späteren Ereignisse – sicherlich ein Meister seines Faches war.
Erst nachträglich wurde mir klar, dass ich im Hotel nach einem lizenzierten Führer hätte fragen sollen. Dieser Mann, ein rasiertes, etwas hohl klingendes, dafür aber relativ sauberes Individuum, das aussah wie ein Pharao und sich ‚Abdul Reis el Drogman‘ nannte, schien viel Macht über seine anderen Landsleute zu haben; obwohl die Polizei später vorgab, ihn nicht zu kennen und anzudeuten versuchte, dass Reis einfach nur der Name für eine x-beliebige Autoritätsperson sei, während ‚Drogman‘ offensichtlich nicht mehr ist als eine ungeschickte Abwandlung des Wortes für den Führer einer Touristengruppe – Dragoman.