Gefühle besser verstehen - Cornelia Dehner-Rau - E-Book

Gefühle besser verstehen E-Book

Cornelia Dehner-Rau

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  • Herausgeber: TRIAS
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2010
Beschreibung

Viele Menschen werden immer wieder von unangenehmen Gefühlen wie Selbstzweifel, Angst, Traurigkeit oder Wut, Ekel, Neid geplagt. Basierend auf den neuesten Erkenntnissen der Hirnforschung, hilft dieser Leitfaden, diese Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen und angemessen mit ihnen umzugehen. Der Leser erhält ganz konkrete Anregungen, wie er Auswege aus emotional belastenden Situationen finden und wieder mit sich ins Reine kommen kann - Gefühle sind der Königsweg zum Glück.

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Seitenzahl: 247

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Die Autorinnen

Dr. med. Cornelia Dehner-Rau ist Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin und Psychotherapie. Nach ihrem Medizinstudium in Würzburg war sie Assistenzärztin an der Baar Klinik in Donaueschingen, einer Klinik für Psychosomatik und Verhaltensmedizin. Seit 2001 arbeitet sie als Ärztin und Psychotherapeutin an der Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld. Durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema Gefühle haben sowohl ihre therapeutische Arbeit als auch ihr persönliches Erleben an Tiefe und Lebendigkeit gewonnen: »Ich erfahre immer wieder, wie stark die bewusste Wahrnehmung und Würdigung der eigenen Gefühle machen kann, aber auch wie schwer es manchmal ist, belastende Gefühle auszuhalten.«

Prof. Dr. Luise Reddemann ist Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalytikerin. Bis Ende 2003 leitete sie die Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld. Dort entwickelte sie ihr erfolgreiches Behandlungsangebot für Menschen mit Traumafolgeerkrankungen, das sie in zahlreichen Veröffentlichungen der Fachwelt wie auch Betroffenen vorgestellt hat. Wegen ihres Engagements für traumatisierte Frauen erhielt sie mehrere Auszeichnungen. Prof. Reddemann gilt als eine der Pionierinnen der Traumatherapie in Deutschland.

Danksagung

An dieser Stelle bedanke ich mich bei allen, die direkt oder indirekt zum Gelingen des Buches beigetragen haben. Die jahrelange und intensive Arbeit mit Patientinnen und Überlebenskünstlern sowie der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen haben meinen Blick geweitet für Fähigkeiten wie Geduld und Frustrationstoleranz, Demut und Dankbarkeit. Die Fülle des Lebens erschließt sich, wenn man im Miteinander eine Weiterentwicklung erfährt.

Meine Tochter Kristin hat sich immer gut zu beschäftigen gewusst, wenn ich Zeit für das Buch brauchte.

Frau Duelli als Programmplanerin und Frau Bleick als Lektorin unterstützten uns dabei, das weite Feld der Gefühle in die Form eines Ratgebers zu bringen, der den Verstand und die Gefühle anspricht.

Wie schon beim Buch »Trauma – Folgen erkennen, überwinden und an ihnen wachsen« empfinde ich es als eine besondere Ehre, gemeinsam mit Frau Reddemann ein Buch zu schreiben, die ich als Professorin, Therapeutin, Mentorin und als Mensch hoch schätze. Ich danke ihr für das mir entgegengebrachte Vertrauen und die Wertschätzung.

Es würde zu weit führen, alle Menschen namentlich zu erwähnen, deren Erfahrungsschatz mit in dieses Buch eingeflossen ist. Es sind viele, und ich bin allen sehr dankbar.

Cornelia Dehner-Rau

Liebe Leserin, lieber Leser

Gefühle sind unsere wichtigsten Wegweiser

Warum halten wir es für sinnvoll, ein Buch über Gefühle zu schreiben? Obwohl uns Gefühle oft lästig erscheinen, wir womöglich unter ihnen leiden, ist ein Leben ohne Gefühle kaum vorstellbar. Gefühle haben viel Macht über uns, wir wollen ihnen aber nicht ausgeliefert sein. Wir wollen Ihnen Mut machen, die Scheu vor Gefühlen zu überwinden, und mit diesem Buch Ihr Bewusstsein schärfen: für den Sinn und die Botschaften, die Gefühle in sich tragen.

Hierzu vermittelt das Buch Ihnen die wichtigen Erkenntnisse der Neurobiologie, die besser begreifen lassen, wie Gefühle im Gehirn entstehen und verarbeitet werden und wie Gefühle untrennbar mit dem Körper verbunden sind. Sie erfahren, wie Gedanken und Gefühle sich gegenseitig beeinflussen, welche Rolle Erinnerungen und Lebenserfahrungen spielen und warum wir überhaupt fühlen können, was andere fühlen.

Statt »Ich denke, also bin ich« gilt heute vielmehr »Ich fühle, also bin ich«.

Wir wollen Ihnen keine Regeln für ein glücklicheres Leben vermitteln, Sie sollen Ihre eigenen Experten und Expertinnen werden, jedoch sind wir überzeugt: Der Zugang zu den eigenen Gefühlen ebnet den Königsweg zu einem erfüllten Leben. Wer je nach Lebenssituation die ganze Brandbreite an Gefühlen empfinden kann, wird seelisch und körperlich gesünder sein. Auch die von uns als negativ, belastend empfundenen Gefühle sind sinnvoll, wenn wir sie als Signale für notwendige Veränderungen begreifen, die uns wachsen und reifen lassen. Tiefe und Lebendigkeit entwickeln sich erst durch Gegensätze: Licht und Schatten, Freude und Trauer, Kämpfen und Aushalten. Ein Bewusstsein für die eigenen Emotionen zu haben und mit diesen achtsam umzugehen, trägt zur Ganzheit bei. Das ist nach unserer Überzeugung die Basis für ein gesundes Selbstvertrauen und ein gelingendes Leben.

Mit den Übungen in diesem Buch, die in unserer therapeutischen Praxis schon vielen Menschen geholfen haben, entdecken Sie eigene Ressourcen und kann Ihre Widerstandskraft wachsen. Sie öffnen sich für Gefühle von Kreativität und Freude. Lassen Sie sich inspirieren und werden Sie stark durch Gefühle.

Ihre Dr. med. Cornelia Dehner-Rau

Ihre Prof. Dr. Luise Reddemann

Einleitung

An wen richtet sich dieses Buch?

Das Buch richtet sich an alle Menschen, die sich intensiver mit ihrem Innenleben beschäftigen wollen. Bereiten Ihnen belastende Gefühle Probleme? Möchten Sie besser mit diesen umgehen? Das vermittelte Wissen wird Ihr Bewusstsein schärfen für den Sinn von Gefühlen und Sie dabei unterstützen, Ihre Gefühle als Ressource einzusetzen. Dieses Buch kann auch bei Ängsten und Depression hilfreich sein sowie bei Störungen der Befindlichkeit, die mit einem Zuviel oder einem Zuwenig an Gefühlen verbunden sind. Nicht zuletzt stellt es eine Fundgrube für ressourcenorientiert arbeitende Therapeuten dar.

Was will dieses Buch?

Einigen mag es anmaßend erscheinen, einen Ratgeber über Gefühle zu schreiben. Denn einerseits ist es ein so weites Feld, dass man dabei ins Schwärmen geraten könnte, andererseits kennt jeder von uns den Zustand, von Gefühlen geradezu überwältigt zu werden. Unsere Gefühle können wir mit dem Verstand allenfalls bruchstückhaft erfassen. Die meisten Zusammenhänge sind uns nicht bewusst und unterstehen nicht unserer willentlichen Kontrolle. Wir alle spüren die Macht der Gefühle, wollen ihnen aber nicht ausgeliefert sein.

Von einem Buch über Gefühle versprechen wir uns womöglich mehr Wissen und damit mehr Einflussnahme, viele wünschen sich mehr angenehme und weniger belastende Gefühle. Statt Gefühle als negativ zu bewerten, ist es hilfreicher, von leidverursachenden Gefühlen zu sprechen. Denn was wir als positiv erleben, hängt sehr von unserer subjektiven Bewertung ab. Es soll nicht darum gehen, die Gefühle, die wir als eher negativ bewerten, aus unserem Erleben abzuspalten, sie nicht mehr wahrzunehmen. Damit würden wir einen Teil von uns selbst verlieren. Wir hätten kein Erleben mehr für mögliche Gefahren, wenn die Angst wegfiele, was lebensbedrohlich wäre. Uns würden Signale fehlen für notwendige Veränderungen, die uns wachsen und reifen lassen. Ein gesundes Selbstvertrauen beinhaltet ein Bewusstsein für das eigene Selbst, die Wahrnehmung und den achtsamen Umgang mit den eigenen Gefühlen. Es geht um die Selbstannahme mit all den dazu gehörigen Gefühlen. So kann Ihre Widerstandskraft wachsen und Sie öffnen für Gefühle von Kreativität und Freude. Musik, Bewegung, Meditation, spirituelles Erleben sowie Ihr ganzer Erfahrungsschatz sind Elemente, die dazu beitragen, Ihr Potenzial auszuschöpfen, sich Ihrer selbst bewusst und authentisch zu sein.

Warum halten wir es für sinnvoll?

Wenn Menschen traumatische Erfahrungen machen mussten, versuchen sie die damit verbundenen Gefühle zu vermeiden, als Folge spüren sie sich immer weniger. Um die Angst vor überwältigenden Gefühlen abzubauen, bedarf es eines behutsamen Vorgehens. Man braucht das Erleben von Sicherheit und sozialer Unterstützung, um Gefühle spüren zu können, diese auszuhalten. Wir wollen Ihnen Mut machen, die Angst vor Gefühlen zu überwinden, dann können Gefühle zu einem wesentlichen Teil Ihrer Lebendigkeit werden.

Gefühle sind Teil unserer Kultur und werden in verschiedenen Völkern unterschiedlich wahrgenommen und ausgedrückt. Mittlerweile weiß man, dass man Gefühle nicht unabhängig vom Körper erforschen kann, denn im Unterschied zur Vernunft ist ein Gefühl körperlich spürbar. Wie kann man Gefühle über die Sprache und den Körper ausdrücken? Wie beeinflussen sich Gedanken und Gefühle gegenseitig? Welche Rolle spielen Erinnerungen und Lebenserfahrungen? Wie stark wirken Gene und Umwelt? Das sind nur einige der Fragen, die wir klären wollen.

Auch wenn unser bewusster Einfluss auf die Emotionen schwach sein mag, so haben wir doch das Ziel, Vernunft und Leidenschaft im Gehirn und im Körper harmonisch zu integrieren. Je besser wir unsere wahren Gefühle erkennen, desto wirksamer können wir sie für ein erfülltes Leben nutzen. Dieses Buch soll Ihnen dabei helfen.

Was sind Gefühle und wofür sind sie gut?

Gefühle beeinflussen alles. Wie wir uns selbst sehen. Wie wir andere sehen. Auch Vernunft und Denken sind enger mit unseren Gefühlen verknüpft, als man lange Zeit annahm. Aber was sind Emotionen eigentlich: Körperliche Reaktionen, geistige Zustände, unbewusste Impulse oder alles zusammen?

Wie drücken wir Gefühle aus?

Gefühle sind oft schwer fassbar. Sie können sich vage oder diffus anfühlen. Sie können sich hinter anderen Emotionen oder körperlichen Symptomen verstecken. Hilfreich ist es, Gefühle zu benennen. Um sich selbst besser begreifen zu können und um sich anderen mitzuteilen.

Gefühle sind unser wichtigster Wegweiser zu einem authentischen Leben. Im Extremfall dienen Gefühle unserem Überleben. Denken Sie zum Beispiel an das Gefühl der Angst. Wir müssen uns vor gefährlichen Situationen schützen, die Angst setzt dabei Überlebensstrategien in Gang wie Kampf, Flucht oder Erstarrung. Triebe und Instinkte sorgen für das Überleben des Einzelnen und der Art: Hierzu gehören der Nahrungstrieb, das Bedürfnis nach Schlaf, nach sozialem Kontakt, nach Sexualität und vieles mehr. Solche elementaren Affektzustände sind angeboren und müssen nicht erlernt werden. Emotionen spielen bei der Motivation eine wesentliche Rolle, sie beeinflussen unsere Entscheidungen und Handlungen. Durch Furcht oder Abneigung werden bestimmte Verhaltensweisen vermieden, andere durch den Willen gefördert.

wichtig

Von Antonio R. Damasio, weltweit einem der bedeutendsten Hirnforscher, stammt folgendes Zitat: »Emotionen sind kein Luxus, sondern ein komplexes Hilfsmittel im Daseinskampf.« Und wir möchten ergänzen, sie verbinden uns mit der Quelle unserer Lebendigkeit.

Heute wissen wir, dass sich Gefühle in Körperreaktionen spiegeln, Gefühle erst über den Körper spürbar werden. Trotz ihrer Körperlichkeit sind Gefühle schwer zu fassen, beeinflussen aber unser Verhalten in erheblichem Maße. Diese »Bewegungskraft« von Gefühlen kann durchaus etwas Beängstigendes haben.

Sprachbilder

Die antiken Philosophen und Schriftsteller sprachen im Griechischen von »pathos« und im Lateinischen von »passio«, also von dem, worunter man leidet. Im Deutschen verwenden wir den Begriff »Leidenschaften« bei schwer zu zügelnden Gefühlszuständen. Das Wort »Emotion«, abgeleitet von »emotio« im Lateinischen und seiner Wurzel »movere« (bewegen) betont den Aspekt des Ergriffen- und Bewegtseins. Ebenfalls aus dem Lateinischen kommt der Begriff »affectus« bzw. »affectio«, als Verb »afficere« (»anmachen«, »anrühren«). In der modernen Psychologie werden die Begriffe »Emotion« und »Affekt« sowohl im Deutschen wie im Englischen (emotion, affect) häufig synonym verwendet. Das deutsche Wort »Gefühl« entspricht dem englisch-französischen Begriff »sentiment« und meint ursprünglich einen Zustand des »Sich Anfühlens« und des Erlebens.

Unsere Sprache ist voller Bilder, wie bei der Musik gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Sprache und Gefühlen. Wenn wir uns isoliert und ausgeschlossen fühlen, erleben wir, wie kalt sich Einsamkeit anfühlen kann. Wissenschaftliche Versuche haben gezeigt, dass uns kühler wird in einer Ausgrenzungssituation als beim Erleben von Gemeinschaft. Vielleicht haben Sie selbst schon die Erfahrung gemacht, dass Ihnen ein heißes Getränk guttut, wenn Ihnen gerade menschliche Wärme und Zuwendung fehlt.

Wir lernen früh, dass ein warmes Körpergefühl – zum Beispiel wenn einen die Mutter oder der Vater in den Arm nimmt – Zuneigung bedeutet. Diese Verbindung ist so stark, dass eine bestimmte Region des Großhirns, die Inselrinde, nicht nur auf physikalische Wärme reagiert, sondern ebenso auf Berührung und menschliche Wärme. Und dieselbe Region wird aktiv, wenn man sich ausgeschlossen oder zurückgewiesen fühlt.

So wie Wärme in unserer Vorstellung mit Zuneigung verknüpft ist, hängen auch Schuld und Beschmutzung eng miteinander zusammen. Der Ausdruck »seine Hände in Unschuld waschen« macht das deutlich. Wenn wir peinliche Gefühle im wahrsten Sinne des Wortes abwaschen können, fühlen wir uns weniger verpflichtet, uns mit Schuld- oder Schamgefühlen auseinanderzusetzen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass man sich durch Händewaschen offenbar auch von moralischen Verpflichtungen befreien kann. Ohne diese Möglichkeit der »Säuberung« sind Menschen anderen gegenüber hilfsbereiter. Waschzwänge als extremere Form haben kurzfristig oft eine entlastende Funktion. Zumindest vorübergehend sinkt die Angst, beschmutzt oder ekelig zu sein. Wie bei vielen anderen Störungen stellt der Zwang jedoch nur eine Notlösung dar. Längerfristig wird das wirkliche Problem des eigenen Selbstbildes nicht gelöst, im Gegenteil: Der Zwang wird zum zusätzlichen Problem.

wichtig

Unser Denken spielt sich zum Großteil in Metaphern, also in Bildern, ab. Der Ausdruck von Gefühlen über die Sprache steht auch in engem Zusammenhang mit der Bewertung von Gefühlen.

Seit der Zeit der alten Griechen unterscheiden Menschen zwischen Vernunft und Leidenschaft, zwischen Denken und Fühlen, zwischen Kognition und Emotion. Mittlerweile weiß man, dass ein Geist ohne Emotionen überhaupt kein Geist ist. Und bei den Emotionen funktioniert das Gehirn nicht unabhängig vom Körper. Für diese Entwicklungen maßgebend sind die Arbeiten der amerikanischen Neurobiologen Joseph LeDoux und Antonio Damasio sowie ihrer Mitarbeiter Ende der 1980er und im Laufe der 1990er Jahre.

Die Beschäftigung mit Gefühlen hat also eine lange Geschichte, die Differenzierung von Gefühlen erfolgt im Wesentlichen über die Sprache. Inzwischen lässt sich eine Sprachverarmung in Bezug auf Gefühlsausdrücke feststellen, was zu einem Verlust an Gefühlsnuancen führt. Alte Begriffe wie Gram, Kummer, Güte oder Barmherzigkeit werden kaum noch verwendet, weshalb viele junge Menschen diese nicht mehr kennen. Durch diesen kollektiven Vorgang der Sprachverarmung werden auch Gefühle undifferenzierter erlebt, was zu einer gewissen Selbstentfremdung beiträgt. Wenn wir lernen, unseren Körper und unsere Gedanken bewusster wahrzunehmen und unser Empfinden differenziert in Worte zu fassen, können wir dem entgegenwirken.

Affekt, Emotion, Gefühl – was sie unterscheidet

Eine ganz scharfe Unterscheidung zwischen Affekten, Emotionen, Gefühlen und Stimmungen ist nicht möglich. Auch in der Verwendung der verschiedenen Begriffe wird meist nicht genau differenziert. Für ein besseres Verständnis versuchen wir dennoch, die Begrifflichkeiten voneinander zu trennen.

Verschiedene Gefühlszustände treffen auf das angeborene Temperament eines Menschen. Diese »emotionale Voreinstellung« charakterisiert das Wesen eines Menschen und erfasst eine Art Grundstimmung oder Persönlichkeitsstruktur, die natürlich vielen Umwelteinflüssen ausgesetzt ist und von diesen moduliert wird. Stimmungen, Gefühle und Affekte sind Arten des Sichselbst-Erlebens, sie wirken auf das Selbstgefühl und die Identität zurück.

Emotion. Eine Emotion ist eine plötzliche Reaktion unseres gesamten Organismus. Sie enthält verschiedene Komponenten: Die physiologische betrifft unseren Körper, die kognitive unseren Geist und die Verhaltenskomponente unser Handeln. Eine Emotion hält in der Regel nur kurz an (z. B. Freude, Überraschung). Sie kann relativ schnell in eine andere Emotion wechseln. Bei kleinen Kindern kann man das besonders gut beobachten. Fällt ein Kind hin und tut sich dabei weh, kann es unter dem Eindruck des ersten Schrecks und der Überraschung regelrecht verzweifelt sein. Wird es dann zum Beispiel von der Mutter getröstet, kann es sich in kurzer Zeit beruhigen und seine Aufmerksamkeit auf Neues richten. Im Gegensatz zu Affekten sind Emotionen meist milder in ihrer Intensität und deutlicher von Lernen und Erfahrung beeinflusst.

Die Basisemotionen

Furcht, Zorn, Ekel und Freude gehören zu den sogenannten Basisemotionen. Schon kleine Kinder zeigen die typischen, weltweit gleichen Gesichtsausdrücke bei Freude oder Ekel. Der Psychologe Paul Ekman hat insgesamt 15 grundlegende Emotionen ausgemacht.

Zu den Basisemotionen gehören: Glück/Vergnügen, Ärger/Zorn, Verachtung, Zufriedenheit, Ekel, Verlegenheit, Aufgeregtheit, Furcht, Schuldgefühl, Stolz auf Erreichtes, Erleichterung, Trauer/Kummer, Befriedigung/Genugtuung, Sinneslust und Scham. Trauer, Eifersucht, schwärmerische Liebe und elterliche Liebe sind für Ekman eher längerfristige Gefühlszustände oder Stimmungen und daher nicht unbedingt als Emotionen anzusehen.

Auch wenn sich die Listen sogenannter elementarer Emotionen unterscheiden und darüber diskutiert wird, welche Rolle die Biologie bzw. die Psychologie spielt, findet man als Basisemotionen fast immer Furcht, Zorn, Ekel und Freude. Zu den Grenzfällen gehören Interesse, Begehren und Überraschung.

Eine Basisemotion zeichnet sich durch folgende Kriterien aus:

Sie setzt abrupt ein als Reaktion auf ein Ereignis oder einen Gedanken.

Sie ist von kurzer Dauer im Unterschied zu Gefühlen oder Stimmungen.

Sie muss sich deutlich von anderen Emotionen unterscheiden.

Sie kommt schon bei kleinen Kindern vor.

Sie äußert sich in charakteristischen körperlichen Reaktionen: Angst und Zorn führen beide zu einem schnelleren Herzschlag. Jedoch steigt beim Zorn die Oberflächentemperatur der Finger, während sie bei der Angst sinkt. Auch im Gehirn kommt es bei verschiedenen Emotionen zu Aktivierungen in anderen Hirnzonen.

Die Evolutionspsychologen betonen noch die folgenden Kriterien:

Für eine elementare Emotion soll es weltweit einen typischen Gesichtsausdruck geben.

Auslöser für Basisemotionen sind universell: Gefahr löst Angst aus, der Verlust eines geliebten Wesens ruft Traurigkeit hervor.

Elementare Emotionen findet man auch bei unseren nächsten Verwandten im Tierreich, zum Beispiel bei Schimpansen.

Gefühl. Unter einem Gefühl versteht man die subjektive Wahrnehmung einer Emotion. Die Fähigkeit, Gefühle zu haben, erfordert ein Bewusstsein seiner selbst und des eigenen Verhältnisses zur Umwelt. Gefühle können also nur als solche erlebt werden, wenn das Gehirn neben einem Überlebenssystem auch die Fähigkeit zum Bewusstsein besitzt. Gefühle können wir benennen oder über Bilder mitteilen, wir können sie aber auch verstecken. Die »Innerlichkeit« des Gefühls steht im Gegensatz zum beobachtbaren Ausdruck von Emotionen. Im Unterschied zu Stimmungen sind Gefühle spezifischer, auf konkrete Ziele, Anlässe oder Personen bezogen und von kürzerer Dauer. Gefühle sind mit Kognition verbunden, also mit dem Denken, dem Gedächtnis und unseren Weltanschauungen. Sie werden beeinflusst durch unsere früheren Lebenserfahrungen, unsere persönlichen Vorstellungen und Bewertungen. Welche Gefühle wir haben, hängt letztendlich von unserer eigenen Interpretation ab. Ohne Gefühle wäre uns alles egal.

Affekt. Werden Handlungen ausgelöst, die nicht oder in geringerem Maße kontrollierbar sind, spricht man von Affekten oder »Affekthandlungen«. Affekte sind die einschießenden, heftigen Gefühle, die körperlich deutlich erlebbar sind, mit hoher psychischer Erregung einhergehen und meistens eine soziale Reaktion hervorrufen. Sie sind das Ergebnis unbewusster affektiver Verarbeitungsprozesse, je nach Bewertung fallen sie positiv oder negativ aus. Oft werden Affekte als diffuse Zustände erlebt, die sich in körperlichen Reaktionen zeigen können wie Anspannung, Druck in der Brust, Verkrampfung im Magen oder Ähnliches. Ein bewusster Zugang zu Auslösereizen besteht bei den Affekten im Gegensatz zu den Emotionen nicht. Bei den Emotionen sind nicht nur affektive, sondern auch kognitive Verarbeitungsprozesse beteiligt, was sie dem Bewusstsein zugänglicher macht.

Stimmung. Die Stimmung ist so etwas wie der atmosphärische Hintergrund unseres Lebens, als Grundstimmung ist sie das Basisgefühl der Identität. Ein Verstimmtsein bedeutet, nicht mehr im Einklang mit sich selbst und mit der Welt zu sein. Stärkere Stimmungsschwankungen zeigen uns an, dass etwas nicht stimmt. Sich seine Stimmung bewusst zu machen heißt, zu spüren und zu erkennen, was die Stimmung verändert und auf welche Weise. Ausdrücken kann man die Stimmung durch Vergleiche mit dem Wetter (heiter oder bewölkt), mit Farben (grau oder bunt) oder mit der Musik (Dur oder Moll oder ein ganz bestimmtes Musikstück), sie kann sich auch in Bildern oder Tagträumen spiegeln. Gut ist es zu wissen, was einen in Stimmung bringt. Allerdings wird es in einer depressiven Stimmung schwer fallen, Heiterkeit zu erleben. Stimmungen unterscheiden sich von Gefühlen, Emotionen und Affekten durch ihre längere Dauer (z. B. Heiterkeit, Trauer oder Depression). Um eine bestimmte Stimmung zu haben, brauchen wir kein Gegenüber und auch keine konkrete Vorstellung.

Emotionen, Gefühle, Affekte und Stimmungen sind ein wesentlicher Teil zwischenmenschlicher Kommunikation. Sie zeigen uns, wie wir uns in bestimmten Situationen oder mit bestimmten Menschen fühlen. Sie helfen uns, körperliche und seelische Grenzen wahrzunehmen. Bei entsprechenden Belastungen spüren wir Unlust, Ermüdung oder sogar Erschöpfung. Ohne die Wahrnehmung von Gefühlen in einer Situation würde uns die Triebfeder unseres Handelns, die Motivation, fehlen.

Intuition. Die Intuition schließlich beruht auf einer Ahnung, dass eine bestimmte Entscheidung richtig oder falsch sein könnte, Gründe dafür können wir in der Regel nicht genau benennen. »Bauchentscheidungen« treffen wir relativ schnell und spontan, häufig geht es dabei um Flucht, Abwehr oder Verteidigung, aber auch um spontane Zuneigung, da hat der Verstand wenig zu suchen. Auf den folgenden Seiten wollen wir diesen »siebten Sinn« noch etwas näher beleuchten.

Intuition oder das Geheimnis der guten Wahl

Tagtäglich treffen wir eine Unmenge von Entscheidungen, die meisten davon unbewusst. Das heißt nicht, dass wir einfach unseren Trieben oder niederen Instinkten folgen. Im Gegenteil: Wir schöpfen aus unserem riesigen Erfahrungs- und Wissensschatz, der uns lehrt, wie die Welt funktioniert.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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