Gelingende Fern-Beziehung - Peter Wendl - E-Book

Gelingende Fern-Beziehung E-Book

Peter Wendl

4,9

Beschreibung

Immer mehr Menschen leben in Fern-Beziehungen – und fragen sich: "Können wir uns treu sein?" "Leben wir uns auseinander?" "Wie gestalten wir die gemeinsame, wie die getrennte Zeit, so dass unsere Partnerschaft hält?" Der bewährte Ratgeber macht Mut, das Wagnis der Fernbeziehung zu nutzen, und er zeigt, wie die Partnerschaft lebendig bleiben, reifen und die Fernbeziehung schließlich gelingen kann.

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Peter Wendl

Gelingende Fern-Beziehung

entfernt - zusammen - wachsen

Übersichten über Gefühlsentwicklungen, ausführliche Tipps und Regeln, ein Frage-Antwort-Katalog und Selbsthilfe-Fragebögen für die Beziehung auf Distanz

Impressum

Titel der Originalausgabe: Gelingende Fern-Beziehung

entfernt – zusammen – wachsen

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Christian Langohr, Freiburg

Umschlagmotiv: Roy Lichtenstein, Blonde Waiting 1964

© VG Bild-Kunst, Bonn 2012

E-Book-Konvertierung: epublius GmbH, Berlin

ISBN (E-Book): 978-3-451-80372-7

ISBN (Buch): 978-3-451-30737-9

Inhalt

1 Fern-Beziehung – was nun?

1.1 Der Kern: Chancen und Belastungen der Fern-Beziehung

1.2 Fern-Beziehung: Krisenzeit und gelingende Partnerschaft?

1.3 Widerspruch Fern-Beziehung: Vermeidung von Alltag und Sehnsucht nach Alltag?

2 Die Entwicklung der Gefühle

2.1 Die Entwicklung der Gefühle in belastenden Zeiten

2.2 Die Entwicklung der Gefühle bei längeren Fern-Beziehungen (über Wochen und Monate) – vor, während und nach der Abreise

2.3 Partnerschaft als Wochenendbeziehung

2.4 Die Entwicklung der Gefühle bei kürzeren, aber häufigeren Fern-Beziehungen (Wochenendbeziehung)

3 Geschichte und begriffliche Entwicklungen der Fern-Beziehungen

4 Wie Fern-Beziehung gelingt: Bewältigungs-Hilfen

4.1 Tipps zur Erhaltung der Liebe in der Fern-Beziehung

4.2 „Mir selbst gut tun“: Orientierungen für mich in der Fern-Beziehung

4.3 Regeln für die Fern-Beziehung

5 Kinder und Erziehung in Fern-Beziehungen

6 Wenn Fern-Beziehungspaare zusammenziehen

7 Fern-Freundschaft – oder wie Freundschaften auch entfernt lebendig bleiben

8 Frage-Antwort-Katalog als Zusammenfassung für Partner in Fern-Beziehung

8.1 Phase I – Vor der Abreise

8.2 Phase II – Nach der Abreise und während des Entferntseins

8.3 Phase III – Bei und nach dem Wiedersehen

9 Konkrete Selbst-Hilfen und Fragebögen für Partner in Fern-Beziehung

9.1 Die Planung der gelingenden Fern-Beziehung

9.2 Fragebögen als Selbst-Hilfe: Erleichterter Austausch von Gedanken und Gefühlen in der Fern-Beziehung

9.3 Praktische Hilfestellung: Probleme lösen in der Fern-Beziehung

9.4 Wesentliche Regeln für ein gelingendes Gespräch

10 Fern-Beziehung mit „anderen“ Worten

11 Weiterführende Programme und Literatur

Dank

Fußnoten

Vorbemerkung: Wenn an verschiedenen Stellen im Text nur die männliche Sprachform verwendet wird (der Partner usw.), dann deshalb, um die Formulierungen möglichst flüssig zu halten. Selbstverständlich sind dabei Frauen und Männer gemeint.

Gedanken vorab zur Fern-Beziehung …

Fern-Beziehung: wie mühsam, welch Wagnis – aber welch Chance:

Entfernt zusammen wachsen …

Ob auf Distanz oder in der Nähe! Wir wachsen zusammen!

Mehr Zeit getrennt als zusammen?!

Aber ob nah oder fern – immer WIR!

Ist die Distanz gewollt – oder ist sie geduldet, erlitten?

Ist die Distanz wohltuend, bereichernd oder quälend?

Ersehne ich Nähe oder Entfernung?

Was also macht UNS aus – die Nähe oder der Abstand?

Behalten wir die Entfernung bei –

oder ist sie Durchgangs-Lebensform?

Wollen wir das beide so?

Fern-Beziehung, weil ich UND du Abstand wollen und brauchen – oder weil es nicht anders geht?

Wie auch immer – stets neu müssen die zwei Lebenswelten zusammenfinden …

Ist es zermürbend lang – oder stets neu bereichernd?

Getrennt zusammen leben!?

Nah in der Ferne?!

Lieben über die Distanzen?!

In der Nähe oft entfernt – in der Ferne oft nah?!

Wir wachsen zusammen! Ob auf Distanz oder in der Nähe!

Kaum erringen wir unsere Nähe, reist einer ab.

Kaum sind wir uns mühsam „entfernt geworden“ –

kommt einer heim …

Wir „funktionieren“ auch ohne einander.

Aber eben anders …

Welche Welt also ist unsere gemeinsame Welt?

Wir gehören zusammen! Ob auf Distanz oder in der Nähe!

Lieber nah in der Ferne – als fern in der Nähe …

Nicht die Ferne ist das Entscheidende –

sondern unsere Beziehung, die wächst!

Fern-Beziehung: entfernt zusammen wachsen …

Fern-Beziehung: wie mühsam, welch Wagnis, welch Chance!

1 Fern-Beziehung – was nun?

Fern-Beziehung:

Welch Wagnis,

welch Herausforderung,

welch Chance!

Eine Fern-Beziehung zu führen, egal ob vorübergehend oder langfristig, ist eine außergewöhnliche Chance für beide Partner. Natürlich gibt es genügend Klippen und Gefahren. Dennoch: Eine Fern-Beziehung bietet die Möglichkeit, die Partnerschaft auf intensivste Weise zu erleben und zu gestalten. Fern-Beziehung heißt, bei allen Nachteilen, Freiraum für sich, Freiraum für die Beziehung und vor allem Freiraum, sich bewusst zu werden: Was ist uns wichtig? Was ist mir wichtig? Wie soll unsere Partnerschaft langfristig aussehen (oder eben absolut nicht aussehen)? Fern-Beziehung heißt konzentriert (und vielleicht auch schmerzlich) erleben, was das Paar zusammenhält und was es ändern muss, damit die Partnerschaft langfristig gelingt.

Eine Fern-Beziehung steht in der Spannung zwischen Befürchtungen und Traurigkeit bei der Abreise einerseits, und der Vorfreude auf das Wiedersehen andererseits. Zwischen Höhen und Tiefen, zwischen Abschied und Wiedersehen, d.h. in der Zwischen-Zeit der miteinander geteilten Zeit liegen Partnerschaft und gemeinsame Entwicklung pur. Stets neu müssen sich die Partner „zusammenraufen“ und zusammenwachsen.

Eine Fern-Beziehung ist immer auch gefährlich und belastend. Beide nehmen nicht mehr regelmäßig – oder eben im wahrsten Sinne nur noch entfernt – am Alltagsleben des anderen teil. Freuden und Sorgen werden oft nur noch „entfernt“ wahrgenommen. Daran schließt sich beim Wiedersehen eine (oft zunächst) ungewohnt dichte Zeit der Nähe an. Die Erwartungen hinsichtlich der gemeinsamen Zeiten wachsen – was das Wiedersehen meist nicht ganz unbeschwert sein lässt. Im Unterschied zu anderen, „normalen“ Beziehungen wird ein größerer Freiraum, aber auch eine stetige Sehnsucht, zum ständigen Begleiter der Partner.

Die gelingende Verbindung von Partnerschaft, beruflichen Ansprüchen (Karriere, Ausbildung, Studium usw.) und privaten Träumen erscheint allgemein schon schwer genug. Um wie viel schwieriger ist dagegen eine Beziehung, bei der die Partner noch nicht einmal am selben Ort leben, ja mehrere Flug-, Bahn- oder Autostunden voneinander entfernt sind und oftmals sogar selbst das vermeintlich sichere Wochenende als gemeinsame Zeit-Insel noch in Frage steht? Diese Beziehungen, die hier übergreifend „Fern-Beziehungen“ genannt werden, bedürfen ganz eigener „Regeln“, um bestehen zu können, um neben der Sehnsucht nach gelingender Gemeinsamkeit auch die Sehnsucht nach Selbständigkeit erfüllen zu können. Neben allen Belastungen, die die Vereinbarung von Beruf und Partnerschaft auf größere Entfernungen mit sich bringt, gilt es jedoch, den Blick für eine wesentliche Tatsache nicht zu verschließen: Fern-Beziehungen bieten eine Möglichkeit, die Partnerschaft zu beleben, reifen zu lassen, Alltäglichkeiten bereichernd zu erleben, zu teilen und zu gestalten – oder auch notwendige Veränderungen zu erkennen. Fern-Beziehungen bergen also nicht nur Risiken und Gefahren in sich. Sie können gelingen, sofern sich beide Partner darüber verständigen, wie ihre Beziehung gelebt werden soll, wenn beide Partner die Vorteile dieser speziellen Partnerschaft für sich erkennen und nutzen und wenn sich beide Partner rechtzeitig den Konflikten stellen. Fern-Beziehungen erfordern von den Partnern, die Beziehung bewusst und kreativ zu gestalten und stetig voranzukommen – in der Entwicklung ihrer Persönlichkeiten und auf dem gemeinsamen Weg zum täglich neuen „Wir“.

Lassen sich beide Partner auf die Herausforderung einer räumlich getrennten Partnerschaft ein, werden sich zwischen Annäherung und Distanzierung wie auch im Ringen um das gemeinsame Beziehungsleben und die Entwicklung der Partnerschaft einige Fragen ergeben, die nie ein für alle Mal beantwortet sein werden.

Im Wechsel von Nähe und Distanz stellen sich wichtige Fragen immer wieder:

Wie halten wir unsere Liebe lebendig? Wie schaffen wir einen erfüllenden Austausch unserer Gedanken und Gefühle? Wie können wir uns über die Distanz hinweg die notwendige Geborgenheit geben? Wie können wir gemeinsame, erfüllende Sexualität erleben und gestalten? Kann ich dir, wirst du mir treu sein?

Wie gestalten wir unseren Kontakt, so dass wir genügend teilnehmen können am Leben des anderen – und uns dabei doch nicht überfordern? Wie schaffen wir ein Gleichgewicht, so dass keiner von uns zu wenig Aufmerksamkeit bekommt?

Wie werde ich die Zeit alleine bestehen? Welche Freiräume muss und kann ich alleine besser nutzen, welche Schwierigkeiten muss und kann ich alleine bewältigen? Wer übernimmt meine Rolle in deinem Leben – oder werde ich gar überflüssig?

Wie wird das Wiedersehen sein? Fühlt sich einer von uns womöglich nur noch als Gast? Wie haben wir uns, ich mich und du dich, in der Zwischenzeit verändert – und wie gewöhnen wir uns immer wieder neu an die Veränderungen im Aussehen, im Charakter, in der Persönlichkeit und im Verhalten usw.?

Diese Fragen deuten bereits an, dass eine Beziehung auf Distanz keinesfalls „einfach so“ gelingt. Damit sie gelingen kann, bedarf es der Einsicht, dass jeder Partner sich für das Gelingen einsetzen muss und dass in der Partnerschaft der Umgang miteinander von Fairness und großer Offenheit geprägt sein muss. Eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass sich beide Partner intensiv austauschen und darüber klar werden, was ihre Partnerschaft trägt, wohin sie sich entwickeln soll und worin die Chancen und Gefahren einer Beziehung auf Distanz liegen. Dieser Austausch wird nie wirklich abgeschlossen sein, sondern muss immer wieder neu in Gang gebracht werden. Die Fern-Beziehung, ob nun kurzfristig, langfristig, einmalig oder häufiger, ist kein endgültiger Zustand, sondern vielmehr ein ständiger gemeinsamer Entwicklungs-Prozess hin zu dem, was die Partnerschaft trägt und ausmacht.

Partner in einer Fern-Beziehung sollten das Leben nicht unterscheiden in Zeiten, die „zusammen“ oder „getrennt“ verbracht werden. Aus vermeintlich vielen Einzelteilen entwickelt sich vielmehr ein zusammengehöriges Ganzes, auch wenn es vielleicht aus zwei unterschiedlichen Lebenswelten zusammenwächst. Aber ist das nicht bei jeder Partnerschaft so? Nicht „dann und dort“ lebe ich, leben wir, sondern das Paar lernt immer besser zu verstehen: Das alles zusammen bin ich und sind wir. Aus den unterschiedlichen Bausteinen der Partnerschaft kann trotz aller Unterschiede und Distanzen EIN farbiges, spannendes Ganzes entstehen, das immer mehr und immer neu als „unser Beziehungs-Mosaik“ Form annimmt.

In diesem breiten Feld einer Partnerschaft auf Distanz, mit sehr unterschiedlichen Herausforderungen, aber auch Chancen für die Partner, möchte dieses Buch eine Orientierung und Unterstützung sein. Es möchte neugierig machen auf die großen Gestaltungsmöglichkeiten und die mögliche Vielfalt einer Fern-Beziehung – ohne die Nachteile, Gefährdungen und Belastungen zu vernachlässigen. Dieser Band möchte Mut machen, sich auf die Partnerschaft auf Distanz einzulassen und bietet den Partnern daher Informationen, konkrete Tipps und kreative Unterstützung, damit das Wagnis einer Fern-Beziehung gelingen kann. Natürlich muss letztlich jedes Paar selbst die Beziehung leben und die Belastungen der Partnerschaftsform bewältigen. Es gibt jedoch eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten, die das Gelingen und die Chance, gemeinsam zu wachsen, deutlich unterstützen und fördern. Diese Gesichtspunkte werden hier aufgezeigt. Der Band ist in zwei übergeordnete Abschnitte gegliedert und dabei so angelegt, dass jedes Kapitel für sich gelesen werden kann.

Der erste Abschnitt (Kapitel 1–3) bietet als Grundlagenteil Übersichten darüber, was eine Fern-Beziehung in ihren Gefahren und Chancen ausmacht. Es wird ein Raster aufgezeigt, welche Gefühlsentwicklungen die Partner vor und während der Abreise und nach dem Wiedersehen möglicherweise zu erwarten haben. Ziel ist es, diese Phasen besser verständlich – und damit besser „bestehbar“ werden zu lassen. Schließlich wird aufgezeigt, wie sich die verschiedenen Fern-Beziehungsformen unterscheiden.

Der zweite Abschnitt (Kapitel 4–6) zeigt praktische Hilfestellungen für das Gelingen der Beziehung auf Distanz. Er bietet für die Partner ganz konkrete Orientierungen, Regeln und Tipps, einen Frage-Antwort-Katalog sowie fünf Selbsthilfe-Fragebögen.

Einen alternativen Zugang zum Thema sowie gleichzeitig eine Zusammenfassung dessen, was Fern-Beziehung ausmacht, bieten – anstelle eines Schlusswortes – sechs knappe Texte (Kapitel 7). Sie verdeutlichen die Situation einer Fern-Beziehung mit „etwas anderen“ Worten.

Dieses Buch ist so geschrieben, dass es eine grundlegende Information für die Partner zum Thema Fern-Beziehung bietet. Daher wird bestehende Literatur zum Thema „Beziehung auf Distanz“ mit einbezogen. Relevante Titel werden zudem am Ende des Buches in einer Literaturempfehlung aufgeführt. Auch werden weiterführende Programme für Paare später vorgestellt, so dass insgesamt ein ausführlicher Überblick über weitere Hilfestellungen zum Thema gegeben wird (Kapitel 8).

1.1 Der Kern: Chancen und Belastungen der Fern-Beziehung

Den Kern der Fern-Beziehung bilden die beiden (oft extrem) unterschiedlichen Lebenswelten der Partner im entfernten Alltag, die bei jedem Wiedersehen immer wieder zu einer möglichst gemeinsamen Welt zusammengefügt werden sollen – mit allen Veränderungen und Entwicklungen, die die getrennte Zeit für beide Partner mit sich gebracht hat.

Die Partner leben während der Trennungszeit in eigenen Alltags-Welten. Diese Zeit der Trennung birgt einerseits eine Gefahr und Herausforderung für die Partnerschaft. Zugleich bieten die Zeiten ohne den Partner aber auch die große Chance, sich in anderen Lebensbereichen zu entfalten und Vorhaben zu realisieren, die in der nahen Partnerschaft oft nicht möglich wären. Dadurch kann auch das eigene Selbst-Bewusst-Sein entdeckt und gestärkt werden. In der gemeinsamen Zeit müssen die unterschiedlichen Lebenswelten, Erlebnisse, Erwartungen, Glücks- oder Unglückszustände des Paares zusammengeführt werden, ja sie müssen und sollen zusammen erlebt und gelebt werden. Dies ist ein Kernpunkt der Partnerschaft auf Distanz, unabhängig von allen äußeren Rahmenbedingungen: ob diese Lebensform an sich gewollt ist oder nicht, ob sie nur vorübergehend ist oder dauerhaft, ob sie zufrieden macht oder nicht. Ein Schlüssel dafür, wie Fern-Beziehung gelingen kann, liegt darin, ob das Paar damit zurechtkommt, mit den wechselnden Phasen des Getrenntseins, mit dem Alleinsein, mit den Phasen des Zusammenkommens und des schließlich jedes Mal neuen Zusammenseins umzugehen. Das gilt unabhängig davon, ob die Trennung nun Tage, Wochen oder Monate dauert, und diese Herausforderung stellt sich sowohl für jeden Einzelnen als auch für das Paar als solches. Im Grunde können Gefährdung und Chance auch darin gesehen werden, ob der bzw. die Einzelne den Zustand des Getrenntseins auf Zeit positiv zu akzeptieren und umzusetzen in der Lage ist. Stets aber gilt es die daraus resultierende Hauptaufgabe zu bewältigen, nämlich die angesprochene Notwendigkeit des Neuanfangs so oft wie möglich zu wagen, sie als Chance für sich und die Beziehung zu sehen und manchmal auch einfach zu ertragen.

Die Belastungen und Aufgaben verändern sich je nach dem, welche Fern-Beziehungsform vorliegt. Die Kern-Aufgabe bleibt jedoch jeweils sehr ähnlich. Das Wochenend-Beziehungs-Paar etwa sieht sich meist ein bis drei Tage in der Woche, und doch besteht die Schwierigkeit, die beiden Lebenswelten neu zusammenzubringen und wieder zu einem Paar zu werden, das nach einiger Zeit der Entfernung nun wieder eine gemeinsame Zeit vor sich hat. Die Phasen, in denen sich das Paar nicht sieht, sind ebenso wie die gemeinsamen Phasen relativ kurz. Jeden Freitag aber stellt sich das Kernproblem aufs Neue. Um die Aufgabe, die beiden unterschiedlichen Welten miteinander zu vereinen, zu lösen, bleiben meist nur wenige Tage bzw. Stunden, ehe die nächste Trennung kommt und beide wieder in ihre anderen Welten eintauchen. Die gemeinsame Zeit vor Ort muss durch den Abschied aufgegeben werden und spaltet sich in zwei unterschiedliche, durch den Beruf und den Alltag geprägte Lebenswelten. Beide Partner müssen sich mit diesem Rhythmus arrangieren zwischen Abschied und Wiedersehen, Nähe und Distanz. Aber auch nach einer Trennung, die Wochen oder gar Monate dauerte, stellt sich diese Grundaufgabe. Die gemeinsame Lebenswelt wird für die räumlich getrennte Phase aufgegeben. Die zwei Welten gilt es zu vereinen bzw. so miteinander zu verknüpfen, dass wieder eine Vertrautheit oder gar eine neue und vielleicht veränderte Basis für die neue gemeinsame Zeit entstehen kann.

Mit dem Begriff „entstehen“ ist eine weitere Bedeutsamkeit angesprochen: Nur selten funktioniert das gemeinsame Zusammenkommen selbstverständlich oder gar automatisch. Gewisse Rituale und Abläufe sowie der Umgang mit der Situation können sich zwar „einspielen“, aber im Grunde gibt es keinen feststehenden „Mechanismus“ für die gemeinsame Zeit. Zur Gewohnheit kann diese Beziehungsform kaum werden, auch wenn viele Abläufe nach und nach gleichsam wie von selbst funktionieren. Ein Automatismus oder gar eine Abhärtung im Umgang miteinander würde sich jedoch auch bei aller notwendigen Vertrautheit auf Dauer lähmend auswirken. Vielmehr müssen die Partner bei jedem Wiedersehen aufs Neue aus ihren unterschiedlichen Alltagshorizonten eine, nämlich ihre gemeinsame, Basis vor Ort entwerfen. Jedes Wiedersehen kann zur Chance, aber zugleich auch zu einer Gefährdung der Beziehung werden. In jedem Fall bleibt es immer eine besondere Herausforderung, die Partnerschaft neu entstehen zu lassen, vielleicht neue Entwicklungen am Partner zu entdecken und sich stets neu darum bemühen zu lernen, die beiden eigenständigen Welten und die unterschiedlichen Erlebnisse und Persönlichkeiten gemeinsam wachsen zu lassen.

Wesentliche Belastungen und Chancen bei Fern-Beziehungen sind demnach:1

Der große Anteil an gemeinsamer Lebenszeit, der im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke bleibt.

Der eigene, der Fernbeziehung angepasste Lebensrhythmus schließt oftmals andere Menschen (Freunde und Verwandte) sowie liebgewordene Gewohnheiten (Hobby) aus.

Die Entwicklung unterschiedlicher Lebenswelten zwischen den Paaren – und die Problematik, aus diesen Unterschieden, je nach gemeinsamen Zeit-Frequenzen, stets neu eine gemeinsame Beziehungswelt erringen zu müssen.

Die außergewöhnliche Chance auf Selbständigkeit und Selbstbewusstsein in der Partnerschaft: Single-Zeiten wechseln sich mit Zeiten intensiver Verbundenheit ab.

Die Tatsache, dass gemeinsames Alltagsleben nur in den gemeinsamen Zeiten gelebt werden kann. Partner können in den getrennten Zeiten kaum unmittelbar mit dem Lebenspartner rechnen.

Da meist ein Partner deutlich mehr Zeit in der gemeinsamen Wohnung verbringt, wird das Zuhause zunehmend unterschiedlich (meist sogar nicht mehr neutral, sondern positiv oder negativ) empfunden. Es besteht stets die Gefahr, dass ein Partner die gemeinsame Zeit als „Einbruch“ in den eigenen Alltag empfinden könnte (die „Erleichterung“ darüber, wieder allein sein zu können im eigenen Reich). So spielen sich gemeinsame Rituale ein, sowohl für die gemeinsamen als auch für die getrennten Zeiten. Es besteht aber auch die große Chance einer stetigen Verlebendigung und die Möglichkeit, den „Alltagstrott der Beziehung“ zu verhindern. Das einseitig Eingespielte, Langweilende im Alltagstrott ist immerhin eine der größten Gefahren für viele Beziehungen.

Die Partner verändern sich während längerer Trennungen (äußerlich wie „innerlich“). Kleinste Veränderungen werden intensiver (positiv wie negativ) wahrgenommen.