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Georg Büchners 1837 entstandenes Drama "Woyzeck" erzählt von einem einfachen Soldaten, der in die Fänge eines skrupellosen Arztes gerät. Um sein schmales Einkommen aufzubessern, lässt sich Woyzeck von dem Arzt für medizinische Experimente missbrauchen – eine Diät aus nichts als Erbsen soll die Auswirkungen von Mangelernährung zeigen. Zugleich schuftet er als Diener seines Hauptmanns, der ihn mit herablassenden moralischen Belehrungen drangsaliert. All das erträgt Woyzeck für Marie und ihr gemeinsames Kind. Doch als Marie eine Affäre mit einem Tambourmajor beginnt, verliert der von Wahnvorstellungen geplagte Mann den letzten Halt. In knappen, expressiven Szenen entwirft Büchner das Bild einer Gesellschaft, die den Schwachen erbarmungslos zertritt. Sein unvollendetes Werk wurde zum Ausgangspunkt des modernen Dramas und inspirierte Künstler aller Gattungen – von Alban Bergs Oper bis zu Werner Herzogs Film.
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Seitenzahl: 33
Georg Büchner
Woyzeck
Copyright © 2024 Novelaris Verlag
1. Auflage
ISBN: 978-3-68931-150-6
Vorbemerkung
Personen
Woyzeck
Cover
Table of Contents
Text
Dieses Stück ist ein Fragment. Es gibt keine einzig richtige Reihenfolge der einzelnen Szenen, denn sie sind weder nummeriert noch in Akte aufgeteilt.
Das Stück spielt in Darmstadt, die Figuren sprechen größtenteils in dortigem Dialekt. Deshalb haben im Hochdeutschen grammatikalisch falsche Konstruktionen hier ihre Richtigkeit.
Woyzeck
Marie
Hauptmann
Doktor
Tamboumajour
Unteroffizier
Andres
Margret
Budenbesitzer
Marktschreier
Alter Mann mit Leierkasten
Jude
Wirt
Erster Handwerksbursch
Zweiter Handwerksbursch
Käthe
Narr Karl
Grossmutter
Erstes, zweites, drittes Kind
erste, zweite Person
Polizeikommissar
Soldaten. Studenten. Burschen und Mädchen. Kinder. Volk
Beim Hauptmann
Hauptmann auf dem Stuhl, Woyzeck rasiert ihn.
Hauptmann: Langsam, Woyzeck, langsam; eins nach dem andern! Er macht mir ganz schwindlig. Was soll ich dann mit den 10 Minuten anfangen, die Er heut zu früh fertig wird? Woyzeck, bedenk Er, Er hat noch seine schönen dreißig Jahr zu leben, dreißig Jahr! Macht dreihundertsechzig Monate! und Tage! Stunden! Minuten! Was will Er denn mit der ungeheuren Zeit all anfangen? Teil Er sich ein, Woyzeck!
Woyzeck: Jawohl, Herr Hauptmann.
Hauptmann: Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die Ewigkeit denke. Beschäftigung, Woyzeck, Beschäftigung! Ewig: das ist ewig, das ist ewig – das siehst du ein; nur ist es aber wieder nicht ewig, und das ist ein Augenblick, ja ein Augenblick – Woyzeck, es schaudert mich, wenn ich denke, daß sich die Welt in einem Tag herumdreht. Was ‘n Zeitverschwendung! Wo soll das hinaus? Woyzeck, ich kann kein Mühlrad mehr sehen, oder ich werd melancholisch.
Woyzeck: Jawohl, Herr Hauptmann.
Hauptmann: Woyzeck, Er sieht immer so verhetzt aus! Ein guter Mensch tut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat. – Red er doch was Woyzeck! Was ist heut für Wetter?
Woyzeck: Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm: Wind!
Hauptmann: Ich spür’s schon. ‘s ist so was Geschwindes draußen: so ein Wind macht mir den Effekt wie eine Maus. – Pfiffig: Ich glaub’, wir haben so was aus Süd-Nord?
Woyzeck: Jawohl, Herr Hauptmann.
Hauptmann: Ha, ha ha! Süd-Nord! Ha, ha, ha! Oh, Er ist dumm, ganz abscheulich dumm! – Gerührt: Woyzeck, Er ist ein guter Mensch – aber – Mit Würde: Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral, das ist, wenn man moralisch ist, versteht Er. Es ist ein gutes Wort. Er hat ein Kind ohne den Segen der Kirche, wie unser hocherwürdiger Herr Garnisionsprediger sagt – ohne den Segen der Kirche, es ist ist nicht von mir.
Woyzeck: Herr Hauptmann, der liebe Gott wird den armen Wurm nicht drum ansehen, ob das Amen drüber gesagt ist, eh er gemacht wurde. Der Herr sprach: Lasset die Kleinen zu mir kommen.
Hauptmann: Was sagt Er da? Was ist das für eine kuriose Antwort? Er macht mich ganz konfus mit seiner Antwort. Wenn ich sag’: Er, so mein’ ich Ihn, Ihn –
Woyzeck: Wir arme Leut – Sehn Sie, Herr Hauptmann: Geld, Geld! Wer kein Geld hat – Da setz einmal eines seinesgleichen auf die Moral in der Welt! Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unsereins ist doch einmal unselig in der und der andern Welt. Ich glaub’, wenn wir in Himmel kämen, so müßten wir donnern helfen.
Hauptmann: Woyzeck, Er hat keine Tugend! Er ist kein tugendhafter Mensch! Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster lieg’, wenn’s geregnet hat, und den weißen Strümpfen nachseh’, wie sie über die Gassen springen – verdammt, Woyzeck, da kommt mir die Liebe! Ich hab’ auch Fleisch und Blut. Aber, Woyzeck, die Tugend! Die Tugend! Wie sollte ich dann die Zeit rumbringen? Ich sag’ mir immer: du bist ein tugendhafter Mensch – gerührt: –, ein guter Mensch, ein guter Mensch.
Woyzeck