Gesamelte Werke Arthur Schopenhauers. Illustrierte - Arthur Schopenhauer - E-Book

Gesamelte Werke Arthur Schopenhauers. Illustrierte E-Book

Arthur Schopenhauer

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Beschreibung

Schopenhauer entwarf eine Lehre, die gleichermaßen Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ästhetik und Ethik umfasst. Er sah sich selbst als Schüler und Vollender Immanuel Kants, dessen Philosophie er als Vorbereitung seiner eigenen Lehre auffasste. Weitere Anregungen bezog er aus der Ideenlehre Platons und aus Vorstellungen östlicher Philosophien. Diese Sammlung der Werke von Arthur Schopenhauer, des berühmten deutschen Philosophen (Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ästhetik und Ethik, Subjektiven Idealismus) enthält u. a.: Die Welt als Wille und Vorstellung Ergänzungen zum ersten Buch Über das Geistersehn und was damit zusammenhängt Über die Weiber Die Kunst, Recht zu behalten Dialektik Eristische Dialektik Aphorismen Paränesen und Maximen Unser Verhalten gegen uns selbst betreffend Vom Unterschiede der Lebensalter Arthur Schopenhauer's handschriftlicher Nachlaß Einleitung in die Philosophie Exordium über meinen Vortrag und dessen Methode Über das Studium der Philosophie Theorie des gesammten Vorstellens und Erkennens Exordium zur Dianoiologie Über die Endlichkeit und Nichtigkeit der Erscheinungen Metaphysik der Natur Metaphysik des Schönen Metaphysik der Sitten Abhandlungen Eristische Dialektik Basis aller Dialektik Über das Interessante Einleitung in die Philosophie Eristische Dialektik Ueber das Interessante Schriften zu Philosophie, Dialektik, Ästhetik, Mataphysik, Sprache. 

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Gesamelte Werke Arthur Schopenhauers

Die Kunst, Recht zu behalten, Die Welt als Wille und Vorstellung, Aphorismen

Illustrierte

Schopenhauer entwarf eine Lehre, die gleichermaßen Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ästhetik und Ethik umfasst. Er sah sich selbst als Schüler und Vollender Immanuel Kants, dessen Philosophie er als Vorbereitung seiner eigenen Lehre auffasste. Weitere Anregungen bezog er aus der Ideenlehre Platons und aus Vorstellungen östlicher Philosophien.

Diese Sammlung der Werke von Arthur Schopenhauer, des berühmten deutschen Philosophen (Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ästhetik und Ethik, Subjektiven Idealismus) enthält u. a.:

Die Welt als Wille und Vorstellung

Ergänzungen zum ersten Buch

Über das Geistersehn und was damit zusammenhängt

Über die Weiber

Die Kunst, Recht zu behalten

Dialektik

Eristische Dialektik

Aphorismen

Paränesen und Maximen

Unser Verhalten gegen uns selbst betreffend

Vom Unterschiede der Lebensalter

Arthur Schopenhauer's handschriftlicher Nachlaß

Einleitung in die Philosophie

Exordium über meinen Vortrag und dessen Methode

Über das Studium der Philosophie

Theorie des gesammten Vorstellens und Erkennens

Exordium zur Dianoiologie

Über die Endlichkeit und Nichtigkeit der Erscheinungen

Metaphysik der Natur

Metaphysik des Schönen

Metaphysik der Sitten

Abhandlungen

Eristische Dialektik

Basis aller Dialektik

Über das Interessante

Einleitung in die Philosophie

Eristische Dialektik

Ueber das Interessante

Schriften zu Philosophie, Dialektik, Ästhetik, Mataphysik, Sprache.

Inhaltsverzeichnis
Die Welt als Wille und Vorstellung
Erster Band.
Vorworte
Vorbemerkungen des Herausgebers.
Vorrede zur ersten Auflage.
Vorrede zur zweiten Auflage.
Vorrede zur dritten Auflage.
Erstes Buch.
§. 1.
§. 2.
§. 3.
§. 4.
§. 5.
§. 6.
§. 7.
§. 8.
§. 9.
§. 10.
§. 11.
§. 12.
§. 13.
§. 14.
§. 15.
§. 16.
Zweites Buch.
§. 17.
§. 18.
§. 19.
§. 20.
§. 21.
§. 22.
§. 23.
§. 24.
§. 25.
§. 26.
§. 27.
§. 28.
§. 29.
Drittes Buch.
§. 30.
§. 31.
§. 32.
§. 33.
§. 34.
§. 35.
§. 36.
§. 37.
§. 38.
§. 39.
§. 40.
§. 41.
§. 42.
§. 43.
§. 44.
§. 45.
§. 46.
§. 47.
§. 48.
§. 49.
§. 50.
§. 51.
§. 52.
Viertes Buch.
§. 53.
§. 54.
§. 55.
§. 56.
§. 57.
§. 58.
§. 59.
§. 60.
§. 61.
§. 62.
§. 63.
§. 64.
§. 65.
§. 66.
§. 67.
§. 68.
§. 69.
§. 70.
§. 71.
Anhang.
Arthur Schopenhauer
Die Welt als Wille und Vorstellung. Zweiter Band
Ergänzungen zum ersten Buch.
Kapitel 1. Zur idealistischen Grundansicht.
Kapitel 2. Zur Lehre von der anschauenden, oder Verstandes-Erkenntniß.
Kapitel 3. Ueber die Sinne.
Kapitel 4. Von der Erkenntnißa priori.
Anmerkungen zur beigefügten Tafel.
Zweite Hälfte. Die Lehre von der abstrakten Vorstellung, oder dem Denken.
Kapitel 5 Vom vernunftlosen Intellekt.
Kapitel 6. Zur Lehre von der abstrakten, oder Vernunft-Erkenntniß.
Kapitel 7 Vom Verhältniß der anschauenden zur abstrakten Erkenntniß.
Kapitel 8 Zur Theorie des Lächerlichen.
Kapitel 9 Zur Logik überhaupt.
Kapitel 10. Zur Syllogistik.
Kapitel 11. Zur Rhetorik.
Kapitel 12. Zur Wissenschaftslehre.
Kapitel 13. Zur Methodenlehre der Mathematik.
Kapitel 14. Ueber die Gedankenassociation.
Kapitel 15. Von den wesentlichen Unvollkommenheiten des Intellekts.
Kapitel 16. Ueber den praktischen Gebrauch der Vernunft und den Stoicismus.
Kapitel 17. Ueber das metaphysische Bedürfniß des Menschen.
Ergänzungen zum zweiten Buch.
Kapitel 18. Von der Erkennbarkeit des Dinges an sich.
Kapitel 19. Vom Primat des Willens im Selbstbewußtseyn.
Kapitel 20. Objektivation des Willens im thierischen Organismus.
Anmerkung zu dem über Bichat Gesagten.
Kapitel 21. Rückblick und allgemeinere Betrachtung.
Kapitel 22. Objektive Ansicht des Intellekts.
Kapitel 23. Ueber die Objektivation des Willens in der erkenntnißlosen Natur.
Kapitel 24. Von der Materie.
Kapitel 25. Transzendente Betrachtungen über den Willen als Ding an sich.
Kapitel 26. Zur Teleologie.
Kapitel 27. Vom Instinkt und Kunsttrieb.
Kapitel 28. Charakteristik des Willens zum Leben.
Ergänzungen zum dritten Buch.
Kapitel 29. Von der Erkenntniß der Ideen.
Kapitel 30. Vom reinen Subjekt des Erkennens.
Kapitel 31. Vom Genie.
Kapitel 32. Ueber den Wahnsinn.
Kapitel 33. Vereinzelte Bemerkungen über Naturschönheit.
Kapitel 34. Ueber das innere Wesen der Kunst.
Kapitel 35. Zur Aesthetik der Architektur.
Kapitel 36. Vereinzelte Bemerkungen zur Aesthetik der bildenden Künste.
Kapitel 37. Zur Aesthetik der Dichtkunst.
Kapitel 38. Ueber Geschichte.
Kapitel 39. Zur Metaphysik der Musik.
Ergänzungen zum vierten Buch.
Kapitel 40. Vorwort.
Kapitel 41. Ueber den Tod und sein Verhältniß zur Unzerstörbarkeit unsers Wesens an sich.
Kapitel 42. Leben der Gattung.
Kapitel 43. Erblichkeit der Eigenschaften.
Kapitel 44. Metaphysik der Geschlechtsliebe.
Anhang zum vorstehenden Kapitel.
Kapitel 45. Von der Bejahung des Willens zum Leben.
Kapitel 46. Von der Nichtigkeit und dem Leiden des Lebens.
Kapitel 47. Zur Ethik.
Kapitel 48. Zur Lehre von der Verneinung des Willens zum Leben.
Kapitel 49. Die Heilsordnung.
Kapitel 50. Epiphilosophie.
Über das Geistersehn und was damit zusammenhängt
Vorwort.
Über das Geistersehn
Über die Weiber
Die Kunst, Recht zu behalten
Eristische Dialektik
Basis aller Dialektik
Kunstgriff 1
Kunstgriff 2
Kunstgriff 3
Kunstgriff 4
Kunstgriff 5
Kunstgriff 6
Kunstgriff 7
Kunstgriff 8
Kunstgriff 9
Kunstgriff 10
Kunstgriff 11
Kunstgriff 12
Kunstgriff 13
Kunstgriff 14
Kunstgriff 15
Kunstgriff 16
Kunstgriff 17
Kunstgriff 18
Kunstgriff 19
Kunstgriff 20
Kunstgriff 21
Kunstgriff 22
Kunstgriff 23
Kunstgriff 24
Kunstgriff 25
Kunstgriff 26
Kunstgriff 27
Kunstgriff 28
Kunstgriff 29
Kunstgriff 30
Kunstgriff 31
Kunstgriff 32
Kunstgriff 33
Kunstgriff 34
Kunstgriff 35
Kunstgriff 36
Kunstgriff 37
Letzter Kunstgriff
I.
II.
Aphorismen
Zur Einführung
Einleitung
Kapitel I Grundeinteilung
Kapitel II Von dem, was einer ist
Kapitel III Von dem, was einer hat
Kapitel IV
Kapitel V Paränesen und Maximen
A. Allgemeine.
B. Unser Verhalten gegen uns selbst betreffend.
C. Unser Verhalten gegen andere betreffend.
D. Unser Verhalten, gegen den Weltlauf und das Schicksal betreffend.
Kapitel VI Vom Unterschiede der Lebensalter
Arthur Schopenhauer's handschriftlicher Nachlaß.
Einleitung in die Philosophie.
Exordium über meinen Vortrag und dessen Methode
Über das Studium der Philosophie.
Einleitung
Erster Theil
Theorie des gesammten Vorstellens und Erkennens
Exordium zur Dianoiologie
Ueber die Endlichkeit und Nichtigkeit der Erscheinungen
Zweiter Theil
Metaphysik der Natur
Dritter Theil
Metaphysik des Schönen
Vierter Theil
Metaphysik der Sitten
Eristische Dialektik
Basis aller Dialektik
Anmerkung
Schlußbemerkung
§ 1. Vorbemerkungen. Orthographie
§ 2. Präfixa und Affixa
§ 3. Weggelassene und durch keinen Artikel ersetzte Flexionen der Nomina propria
§ 4. Pronomina
§ 5. Adjektiva und Adverbia
§ 6. Zusammenziehung von Substantiv und Adjektiv in Ein Wort
§ 7. Präpositionen
§ 8. Konjunktionen und Partikeln
§ 9. Unworte
§ 10. Falsch gebrauchte Worte
§ 11. Proskribirte Worte
§ 12. Substituirung des Imperfekts für jedes Präteritum
§ 13. Auxiliarverba
§ 14. Kakophonien
§ 15. Gallicismen
§ 16. Stil und Perioden
Finale
Schluß
Bibliographischer Anhang
Einleitung in die Philosophie
I.
II.
III.
Abhandlungen Eristische Dialektik
Ueber das Interessante
Ueber die, seit einigen Jahren, methodisch betriebene Verhunzung der Deutschen Sprache
Verzeichniß der wichtigeren in der Abhandlung über die Sprachverhunzung besprochenen Worte

Die Welt als Wille und Vorstellung

Erster Band.

Vier Bücher, nebst einem Anhange, der die Kritik der Kantischen Philosophie enthält.

Ob nicht Natur zuletzt sich doch ergründe?

Goethe.

Vorworte

Vorbemerkungen des Herausgebers.

Die gegenwärtige Gesammtausgabe der WerkeArthur Schopenhauersenthält in ihren sechs Bänden »Alles, was er je geschrieben«, in der von ihm selbst noch, nicht lange vor seinem Tode, entworfenen Anordnung.

Sie eröffnet (I und II) mit den beiden Bänden der »Welt als Wille und Vorstellung«, nach der »dritten verbesserten und beträchtlich vermehrten Auflage« (Leipzig, F. A. Brockhaus, 1859), deren Seitenzahlen unserm Abdruck in eingefügt sind. Jene dritte ist die Ausgabe letzter Hand, da Schopenhauer bereits im folgenden Jahre starb. Die in seinem mit Papier durchschossenen Exemplar hinzugeschriebenen bez. in seinen Manuskriptbüchern hinterlassenen Zusätze sind von mir, durch ein † ausgezeichnet, unter den Text gesetzt. Der erste Band weist nur wenige Zusätze auf, die ich nach der von Dr. phil. Julius Frauenstädt in Berlin, dem Erben der Schopenhauer'schen Handexemplare und Manuskripte, herausgegebenen 4. Auflage (Leipzig 1873) reproducirt habe (Seite 297, 449, 502, 527). Dagegen konnte ich von den verhältnißmäßig zahlreichen Zusätzen zum zweiten Bande eine Anzahl, und zwar darunter gerade die umfangreicheren aus derHandschriftSchopenhauer's wiedergeben. Die betreffenden Stellen sind sämmtlich in seinem letzten Manuskriptenbuch, den »Senilia«, enthalten und daselbst, als zur Einfügung in eine künftige Auflage der »Welt als Wille und Vorstellung« bestimmt, kenntlich gemacht. In der gegenwärtigen Ausgabe befinden sie sich Seite 143, 417, 418, 563, 564, 596, 757; die übrigen Zusätze sind dagegen auf Grund der Frauenstädt'schen 4. Auflage aufgenommen. Welche Unterschiede, infolge des Zurückgehns auf die Urschrift,meinText von dem Frauenstädt'schen aufweist, sowie wodurch sich, auch in anderer Hinsicht, dieser Neudruck des »Hauptwerks« vor allen posthumen auszeichnet; darüber darf ich auf den bibliographischen Anhang im VI. Bande verweisen.

 

 

Der III. Band der Werke vereinigt die kleineren Schriften: »Ueber den Satz vom zureichenden Grunde«, »Ueber den Willen in der Natur«, und die »Ethik«, die folgenden beiden Bände (IV und V) bringen die »Parerga und Paralipomena«, und im VI. Bande hat die Abhandlung »Ueber das Sehn und die Farben«, nebst der »Theoria colorum physiologica«, ihren Platz gefunden. In diesem Schlußbande gebe ich sodann eine chronologische Uebersicht von Schopenhauers Leben und Schriften, sowie die schon erwähnte ausführliche bibliographische Nachweisung (insbesondere über meine Textbehandlung); endlich zum ersten Male ein Namen- und Sachregister.

Ich benutze zugleich die Gelegenheit, um der Königlichen Bibliothek in Berlin, welche mir das Studium des ihr von Dr. Frauenstädt vermachten Schopenhauer'schen handschriftlichen Nachlasses seit Jahren, mit der größten Liberalität gestattete, hier auch öffentlich meinen Dank auszusprechen.

Berlin, an Arthur Schopenhauer's 30jährigem Todestage.

Eduard Grisebach.

Vorrede zur ersten Auflage.

Wie dieses Buch zu lesen sei, um möglicherweise verstanden werden zu können, habe ich hier anzugeben mir vorgesetzt. – Was durch dasselbe mitgetheilt werden soll, ist ein einziger Gedanke. Dennoch konnte ich, aller Bemühungen ungeachtet, keinen kürzern Weg ihn mitzutheilen finden, als dieses ganze Buch. – Ich halte jenen Gedanken für Dasjenige, was man unter dem Namen der Philosophie sehr lange gesucht hat, und dessen Auffindung, eben daher, von den historisch Gebildeten für so unmöglich gehalten wird, wie die des Steines der Weisen, obgleich ihnen schon Plinius sagte:Quam multa fieri non posse, prisquam sint facta, judicantur? (Hist. nat., 7, 1.)

Je nachdem man jenen einen mitzuteilenden Gedanken von verschiedenen Seiten betrachtet, zeigt er sich als Das, was man Metaphysik, Das, was man Ethik und Das, was man Aesthetik genannt hat; und freilich müßte er auch dieses alles seyn, wenn er wäre, wofür ich ihn, wie schon eingestanden, halte.

EinSystem von Gedankenmuß allemal einen architektonischen Zusammenhang haben, d. h. einen solchen, in welchem immer ein Theil den andern trägt, nicht aber dieser auch jenen, der Grundstein endlich alle, ohne von ihnen getragen zu werden, der Gipfel getragen wird, ohne zu tragen. Hingegenein einziger Gedankemuß, so umfassend er auch seyn mag, die vollkommenste Einheit bewahren. Läßt er dennoch, zum Behuf seiner Mittheilung, sich in Theile zerlegen; so muß doch wieder der Zusammenhang dieser Theile ein organischer, d. h. ein solcher seyn, wo jeder Theil ebenso sehr das Ganze erhält, als er vom Ganzen gehalten wird, keiner der erste und keiner der letzte ist, der ganze Gedanke durch jeden Theil an Deutlichkeit gewinnt und auch der kleinste Theil nicht völlig verstanden werden kann, ohne daß schon das Ganze vorher verstanden sei. – Ein Buch muß inzwischen eine erste und eine letzte Zeile haben und wird insofern einem Organismus allemal sehr unähnlich bleiben, so sehr diesem ähnlich auch immer sein Inhalt seyn mag: folglich werden Form und Stoff hier im Widerspruch stehen.

Es ergiebt sich von selbst, daß, unter solchen Umständen, zum Eindringen in den dargelegten Gedanken, kein anderer Rath ist, alsdas Buch zwei Mal zu lesenund zwar das erste Mal mit vieler Geduld, welche allein zu schöpfen ist aus dem freiwillig geschenkten Glauben, daß der Anfang das Ende beinahe so sehr voraussetze, als das Ende den Anfang, und eben so jeder frühere Theil den spätern beinahe so sehr, als dieser jenen. Ich sage »beinahe«: denn ganz und gar so ist es keineswegs, und was irgend zu thun möglich war, um Das, welches am wenigsten erst durch das Folgende aufgeklärt wird, voranzuschicken, wie überhaupt, was irgend zur möglichst leichten Faßlichkeit und Deutlichkeit beitragen konnte, ist redlich und gewissenhaft geschehen: ja, es könnte sogar damit in gewissem Grade gelungen seyn, wenn nicht der Leser, was sehr natürlich ist, nicht bloß an das jedesmal Gesagte, sondern auch an die möglichen Folgerungen daraus, beim Lesen dächte, wodurch, außer den vielen wirklich vorhandenen Widersprüchen gegen die Meinungen der Zeit und muthmaaßlich auch des Lesers, noch so viele andere anticipirte und imaginäre hinzukommen können, daß dann als lebhafte Mißbilligung sich darstellen muß, was noch bloßes Mißverstehen ist, wofür man es aber um so weniger erkennt, als die mühsam erreichte Klarheit der Darstellung und Deutlichkeit des Ausdrucks über den unmittelbaren Sinn des Gesagten wohl nie zweifelhaft läßt, jedoch nicht seine Beziehungen auf alles Uebrige zugleich aussprechen kann. Darum also erfordert die erste Lektüre, wie gesagt, Geduld, aus der Zuversicht geschöpft, bei der zweiten Vieles, oder Alles, in ganz anderem Lichte erblicken zu werden. Uebrigens muß das ernstliche Streben nach völliger und selbst leichter Verständlichkeit, bei einem sehr schwierigen Gegenstande, es rechtfertigen, wenn hier und dort sich eine Wiederholung findet. Schon der organische, nicht kettenartige Bau des Ganzen machte es nöthig, bisweilen dieselbe Stelle zwei Mal zu berühren. Eben dieser Bau auch und der sehr enge Zusammenhang aller Theile hat die mir sonst sehr schätzbare Eintheilung in Kapitel und Paragraphen nicht zugelassen; sondern mich genöthigt, es bei vier Hauptabteilungen, gleichsam vier Gesichtspunkten des einen Gedankens, bewenden zu lassen. In jedem dieser vier Bücher hat man sich besonders zu hüten, nicht über die nothwendig abzuhandelnden Einzelheiten den Hauptgedanken, dem sie angehören, und die Fortschreitung der ganzen Darstellung aus den Augen zu verlieren. – Hiemit ist nun die erste und, gleich den folgenden, unerläßliche Forderung an den (dem Philosophen, eben weil der Leser selbst einer ist) ungeneigten Leser ausgesprochen.

Die zweite Forderung ist diese, daß man vor dem Buche die Einleitung zu demselben lese, obgleich sie nicht mit in dem Buche steht, sondern fünf Jahre früher erschienen ist, unter dem Titel: »Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde: eine philosophische Abhandlung.« – Ohne Bekanntschaft mit dieser Einleitung und Propädeutik ist das eigentliche Verständniß gegenwärtiger Schrift ganz und gar nicht möglich, und der Inhalt jener Abhandlung wird hier überall so vorausgesetzt, als stände sie mit im Buche. Uebrigens würde sie, wenn sie diesem nicht schon um mehrere Jahre vorangegangen wäre, doch wohl nicht eigentlich als Einleitung ihm vorstehen, sondern dem ersten Buch einverleibt seyn, welches jetzt, indem das in der Abhandlung Gesagte ihm fehlt, eine gewisse Unvollkommenheit schon durch diese Lücken zeigt, welche es immer durch Berufen auf jene Abhandlung ausfüllen muß. Indessen war mein Widerwille, mich selbst abzuschreiben, oder das schon einmal zur Genüge Gesagte mühsälig unter andern Worten nochmals vorzubringen, so groß, daß ich diesen Weg vorzog, ungeachtet ich sogar jetzt dem Inhalt jener Abhandlung eine etwas bessere Darstellung geben könnte, zumal indem ich sie von manchen, aus meiner damaligen zu großen Befangenheit in der Kantischen Philosophie herrührenden Begriffen reinigte, als da sind: Kategorien, äußerer und innerer Sinn u. dgl. Indessen stehen auch dort jene Begriffe nur noch, weil ich mich bis dahin nie eigentlich tief mit ihnen eingelassen hatte, daher nur als Nebenwerk und ganz außer Berührung mit der Hauptsache, weshalb denn auch die Berichtigung solcher Stellen jener Abhandlung, durch die Bekanntschaft mit gegenwärtiger Schrift, sich in den Gedanken des Lesers ganz von selbst machen wird. – Aber allein wenn man durch jene Abhandlung vollständig erkannt hat, was der Satz vom Grunde sei und bedeute, worauf und worauf nicht sich seine Gültigkeit erstrecke, und daß nicht vor allen Dingen jener Satz, und erst in Folge und Gemäßheit desselben, gleichsam als sein Korollarium, die ganze Welt sei; sondern er vielmehr nichts weiter ist, als die Form, in der das stets durch das Subjekt bedingte Objekt, welcher Art es auch sei, überall erkannt wird, sofern das Subjekt ein erkennendes Individuum ist: nur dann wird es möglich sein, auf die hier zuerst versuchte, von allen bisherigen völlig abweichende Methode des Philosophirens einzugehen.

Allein der selbe Widerwille, mich selbst wörtlich abzuschreiben, oder aber auch mit anderen und schlechteren Worten, nachdem ich mir die besseren selbst vorweggenommen, zum zweiten Male ganz das Selbe zu sagen, hat noch eine zweite Lücke im ersten Buche dieser Schrift veranlaßt, indem ich alles Dasjenige weggelassen habe, was im ersten Kapitel meiner Abhandlung »Ueber das Sehn und die Farben« steht und sonst hier wörtlich seine Stelle gefunden hätte. Also auch die Bekanntschaft mit dieser frühern kleinen Schrift wird hier vorausgesetzt.

Die dritte all den Leser zu machende Forderung endlich könnte sogar stillschweigend vorausgesetzt werden: denn es ist keine andere, als die der Bekanntschaft mit der wichtigsten Erscheinung, welche seit zwei Jahrtausenden in der Philosophie hervorgetreten ist und uns so nahe liegt: ich meyne die Hauptschriften Kant's. Die Wirkung, welche sie in dem Geiste, zu welchem sie wirklich reden, hervorbringen, finde ich in der That, wie wohl schon sonst gesagt worden, der Staaroperation am Blinden gar sehr zu vergleichen: und wenn wir das Gleichniß fortsetzen wollen, so ist mein Zweck dadurch zu bezeichnen, daß ich Denen, an welchen jene Operation gelungen ist, eine Staarbrille habe in die Hand geben wollen, zu deren Gebrauch also jene Operation selbst die nothwendigste Bedingung ist. – So sehr ich demnach von Dem ausgehe, was der große Kant geleistet hat; so hat dennoch eben das ernstliche Studium seiner Schriften mich bedeutende Fehler in denselben entdecken lassen, welche ich aussondern und als verwerflich darstellen mußte, um das Wahre und Vortreffliche seiner Lehre rein davon und geläutert voraussetzen und anwenden zu können. Um aber nicht meine eigene Darstellung durch häufige Polemik gegen Kant zu unterbrechen und zu verwirren, habe ich diese in einen besondern Anhang gebracht. So sehr nun, dem Gesagten zufolge, meine Schrift die Bekanntschaft mit der Kantischen Philosophie voraussetzt; so sehr setzt sie also auch die Bekanntschaft mit jenem Anhange voraus: daher es in dieser Rücksicht rathsam wäre, den Anhang zuerst zu lesen, um so mehr, als der Inhalt desselben gerade zum ersten Buche gegenwärtiger Schrift genaue Beziehungen hat. Andererseits konnte, der Natur der Sache nach, es nicht vermieden werden, daß nicht auch der Anhang hin und wieder sich auf die Schrift selbst beriefe: daraus nichts anderes folgt, als daß er eben sowohl, als der Haupttheil des Werkes, zwei Mal gelesen werden muß.

KantsPhilosophie also ist die einzige, mit welcher eine gründliche Bekanntschaft bei dem hier Vorzutragenden geradezu vorausgesetzt wird. – Wenn aber überdies noch der Leser in der Schule des göttlichenPlatongeweilt hat; so wird er um so besser vorbereitet und empfänglicher seyn, mich zu hören. Ist er aber gar noch der Wohlthat derVeda's theilhaft geworden, deren uns durch die Upanischaden eröffneter Zugang, in meinen Augen, der größte Vorzug ist, den dieses noch junge Jahrhundert vor den früheren aufzuweisen hat, indem ich vermuthe, daß der Einfluß der Sanskrit-Litteratur nicht weniger tief eingreifen wird, als im 15. Jahrhundert die Wiederbelebung der Griechischen: hat also, sage ich, der Leser auch schon die Weihe uralter Indischer Weisheit empfangen und empfänglich aufgenommen; dann ist er auf das allerbeste bereitet zu hören, was ich ihm vorzutragen habe. Ihn wird es dann nicht, wie manchen Andern fremd, ja feindlich ansprechen; da ich, wenn es nicht zu stolz klänge, behaupten möchte, daß jeder von den einzelnen und abgerissenen Aussprüchen, welche die Upanischaden ausmachen, sich als Folgesatz aus dem von mir mitzutheilenden Gedanken ableiten ließe, obgleich keineswegs auch umgekehrt dieser schon dort zu finden ist.

Aber schon sind die meisten Leser ungeduldig aufgefahren und in den mühsam so lange zurückgehaltenen Vorwurf ausgebrochen, wie ich doch wagen könne, dem Publikum ein Buch unter Forderungen und Bedingungen, von denen die beiden ersten anmaaßend und ganz unbescheiden sind, vorzulegen, und dies zu einer Zeit, wo ein so allgemeiner Reichthum an eigentümlichen Gedanken ist, daß in Deutschland allein solche jährlich in drei Tausend gehaltreichen, originellen und ganz unentbehrlichen Werken, und außerdem in unzähligen periodischen Schriften, oder gar täglichen Blättern, durch die Druckerpresse zum Gemeingute gemacht werden? zu einer Zeit, wo besonders an ganz originellen und tiefen Philosophen nicht der mindeste Mangel ist; sondern allein in Deutschland deren mehr zugleich leben, als sonst etliche Jahrhunderte hintereinander aufzuweisen hatten? wie man denn, frägt der entrüstete Leser, zu Ende kommen solle, wenn man mit einem Buche so umständlich zu Werke gehen müßte?

Da ich gegen solche Vorwürfe nicht das Mindeste vorzubringen habe, hoffe ich nur auf einigen Dank bei diesen Lesern dafür, daß ich sie bei Zeiten gewarnt habe, damit sie keine Stunde verlieren mit einem Buche, dessen Durchlesung ohne Erfüllung der gemachten Forderungen nicht fruchten könnte und daher ganz zu unterlassen ist, zumal da auch sonst gar Vieles zu wetten, daß es ihnen nicht zusagen kann, daß es vielmehr immer nurpaucorum hominumseyn wird und daher gelassen und bescheiden auf die Wenigen warten muß, deren ungewöhnliche Denkungsart es genießbar fände. Denn, auch abgesehen von den Weitläufigkeiten und der Anstrengung, die es dem Leser zumuthet, welcher Gebildete dieser Zeit, deren Wissen dem herrlichen Punkte nahe gekommen ist, wo paradox und falsch ganz einerlei sind, könnte es ertragen, fast auf jeder Seite Gedanken zu begegnen, die Dem, was er doch selbst ein für allemal als wahr und ausgemacht festgesetzt hat, geradezu widersprechen? Und dann, wie unangenehm wird Mancher sich getäuscht finden, wenn er hier gar keine Rede antrifft von Dem, was er gerade hier durchaus suchen zu müssen glaubt, weil seine Art zu spekuliren zusammentrifft mit der eines noch lebenden großen Philosophen, Welcher wahrhaft rührende Bücher geschrieben und nur die kleine Schwachheit hat, Alles, was er vor seinem funfzehnten Jahre gelernt und approbirt hat, für angeborene Grundgedanken des menschlichen Geistes zu halten. Wer möchte alles dies ertragen? Daher mein Rath ist, das Buch nur wieder wegzulegen.

Allein ich fürchte selbst so nicht loszukommen. Der bis zur Vorrede, die ihn abweist, gelangte Leser hat das Buch für baares Geld gekauft und fragt, was ihn schadlos hält? – Meine letzte Zuflucht ist jetzt, ihn zu erinnern, daß er ein Buch, auch ohne es gerade zu lesen, doch auf mancherlei Art zu benutzen weiß. Es kann, so gut wie viele andere, eine Lücke seiner Bibliothek ausfüllen, wo es sich, sauber gebunden, gewiß gut ausnehmen wird. Oder auch er kann es seiner gelehrten Freundin auf die Toilette, oder den Theetisch legen. Oder endlich er kann ja, was gewiß das Beste von Allem ist und ich besonders rathe, es recensiren.

Und so, nachdem ich mir den Scherz erlaubt, welchem eine Stelle zu gönnen in diesem durchweg zweideutigen Leben kaum irgend ein Blatt zu ernsthaft seyn kann, gebe ich mit innigem Ernst das Buch hin, in der Zuversicht, daß es früh oder spät Diejenigen erreichen wird, an welche es allein gerichtet seyn kann, und übrigens gelassen darin ergeben, daß auch ihm in vollem Maaße das Schicksal werde, welches in jeder Erkenntniß, also um so mehr in der wichtigsten, allezeit der Wahrheit zu Theil ward, der nur ein kurzes Siegesfest beschieden ist, zwischen den beiden langen Zeiträumen, wo sie als paradox verdammt und als trivial geringgeschätzt wird. Auch pflegt das erstere Schicksal ihren Urheber mitzutreffen. – Aber das Leben ist kurz und die Wahrheit wirkt ferne und lebt lange: sagen wir die Wahrheit.

(Geschrieben zu Dresden im August 1818.)

Vorrede zur zweiten Auflage.

Nicht den Zeitgenossen, nicht den Landsgenossen, – der Menschheit übergebe ich mein nunmehr vollendetes Werk, in der Zuversicht, daß es nicht ohne Werth für sie seyn wird; sollte auch dieser, wie es das Loos des Guten in jeder Art mit sich bringt, erst spät erkannt werden. Denn nur für sie, nicht für das vorübereilende, mit seinem einstweiligen Wahn beschäftigte Geschlecht, kann es gewesen seyn, daß mein Kopf, fast wider meinen Willen, ein langes Leben hindurch, seiner Arbeit unausgesetzt obgelegen hat. An dem Werth derselben hat, während der Zeit, auch der Mangel an Theilnahme mich nicht irre machen können; weil ich fortwährend das Falsche, das Schlechte, zuletzt das Absurde und Unsinnige in allgemeiner Bewunderung und Verehrung stehen sah und bedachte, daß wenn Diejenigen, welche das Aechte und Rechte zu erkennen fähig sind, nicht so selten wären, daß man einige zwanzig Jahre hindurch vergeblich nach ihnen sich umsehen kann, Derer, die es hervorzubringen vermögen, nicht so wenige seyn könnten, daß ihre Werke nachmals eine Ausnahme machen von der Vergänglichkeit irdischer Dinge; wodurch dann die erquickende Aussicht auf die Nachwelt verloren gienge, deren Jeder, der sich ein hohes Ziel gesteckt hat, zu seiner Stärkung bedarf. – Wer eine Sache, die nicht zu materiellem Nutzen führt, ernsthaft nimmt und betreibt, darf auf die Theilnahme der Zeitgenossen nicht rechnen. Wohl aber wird er meistens sehen, daß unterdessen der Schein solcher Sache sich in der Welt geltend macht und seinen Tag genießt: und dies ist in der Ordnung. Denn die Sache selbst muß auch ihrer selbst wegen betrieben werden: sonst kann sie nicht gelingen; weil überall jede Absicht der Einsicht Gefahr droht. Demgemäß hat, wie die Litterargeschichte durchweg bezeugt, jedes Werthvolle, um zur Geltung zu gelangen, viel Zeit gebraucht; zumal wenn es von der belehrenden, nicht von der unterhaltenden Gattung war; und unterdessen glänzte das Falsche. Denn die Sache mit dem Schein der Sache zu vereinigen ist schwer, wo nicht unmöglich. Das eben ist ja der Fluch dieser Welt der Noth und des Bedürfnisses, daß Diesen Alles dienen und fröhnen muß: daher eben ist sie nicht so beschaffen, daß in ihr irgend ein edles und erhabenes Streben, wie das nach Licht und Wahrheit ist, ungehindert gedeihen und seiner selbst wegen daseyn dürfte. Sondern selbst wenn ein Mal ein solches sich hat geltend machen können und dadurch der Begriff davon eingeführt ist; so werden alsbald die materiellen Interessen, die persönlichen Zwecke, auch seiner sich bemächtigen, um ihr Werkzeug, oder ihre Maske daraus zu machen. Demgemäß mußte, nachdem Kant die Philosophie von Neuem zu Ansehen gebracht hatte, auch sie gar bald das Werkzeug der Zwecke werden, der staatlichen von oben, der persönlichen von unten; – wenn auch, genau genommen, nicht sie; doch ihr Doppelgänger, der für sie gilt. Dies darf sogar uns nicht befremden: denn die unglaublich große Mehrzahl der Menschen ist, ihrer Natur zufolge, durchaus keiner andern, als materieller Zwecke fähig, ja, kann keine andern begreifen. Demnach ist das Streben nach Wahrheit allein ein viel zu hohes und excentrisches, als daß erwartet werden dürfte, daß Alle, daß Viele, ja daß auch nur Einige aufrichtig daran Theil nehmen sollten. Sieht man dennoch ein Mal, wie z. B. eben jetzt in Deutschland, eine auffallende Regsamkeit, ein allgemeines Treiben, Schreiben und Reden in Sachen der Philosophie; so darf man zuversichtlich voraussetzen, daß das wirklicheprimum mobile, die versteckte Triebfeder solcher Bewegung, aller feierlichen Mienen und Versicherungen ungeachtet, allein reale, nicht ideale Zwecke sind, daß nämlich persönliche, amtliche, kirchliche, staatliche, kurz, materielle Interessen es sind, die man dabei im Auge hat, und daß folglich bloße Parteizwecke die vielen Federn angeblicher Weltweisen in so starke Bewegung setzen, mithin daß Absichten, nicht Einsichten, der Leitstern dieser Tumultuanten sind, die Wahrheit aber gewiß das Letzte ist, woran dabei gedacht wird. Sie findet keine Parteigänger; vielmehr kann sie, durch ein solches philosophisches Streitgetümmel hindurch, ihren Weg so ruhig und unbeachtet zurücklegen, wie durch die Winternacht des finstersten, im starrsten Kirchenglauben befangenen Jahrhunderts, wo sie etwan nur als Geheimlehre wenigen Adepten mitgetheilt, oder gar dem Pergament allein anvertraut wird. Ja, ich möchte sagen, daß keine Zeit der Philosophie ungünstiger seyn kann, als die, da sie von der einen Seite als Staatsmittel, von der andern als Erwerbsmittel schnöde mißbraucht wird. Oder glaubt man etwan, daß bei solchem Streben und unter solchem Getümmel, so nebenher auch die Wahrheit, auf die es dabei gar nicht abgesehen ist, zu Tage kommen wird? Die Wahrheit ist keine Hure, die sich Denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr Alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß seyn darf.

Machen nun die Regierungen die Philosophie zum Mittel ihrer Staatszwecke; so sehen andererseits die Gelehrten in philosophischen Professuren ein Gewerbe, das seinen Mann nährt, wie jedes andere: sie drängen sich also danach, unter Versicherung ihrer guten Gesinnung, d. h. der Absicht, jenen Zwecken zu dienen. Und sie halten Wort: nicht Wahrheit, nicht Klarheit, nicht Platon, nicht Aristoteles, sondern die Zwecke, denen zu dienen sie bestellt worden, sind ihr Leitstern und werden sofort auch das Kriterium des Wahren, des Werthvollen, des zu Beachtenden, und ihres Gegentheils. Was daher jenen nicht entspricht, und wäre es das Wichtigste und Außerordentlichste in ihrem Fach, wird entweder verurtheilt, oder, wo dies bedenklich scheint, durch einmüthiges Ignoriren erstickt. Man sehe nur ihren einhelligen Eifer gegen den Pantheismus: wird irgend ein Tropf glauben, der gehe aus Ueberzeugung hervor? – Wie sollte auch überhaupt die zum Brodgewerbe herabgewürdigte Philosophie nicht in Sophistik ausarten? Eben weil dies unausbleiblich ist und die Regel »Weß Brod ich ess', deß Lied ich sing'« von jeher gegolten hat, war bei den Alten das Geldverdienen mit der Philosophie das Merkmal des Sophisten. – Nun kommt aber noch hinzu, daß, da in dieser Welt überall nichts als Mittelmäßigkeit zu erwarten steht, gefordert werden darf und für Geld zu haben ist, man mit dieser auch hier vorlieb zu nehmen hat. Danach sehen wir denn, auf allen Deutschen Universitäten, die liebe Mittelmäßigkeit sich abmühen, die noch gar nicht vorhandene Philosophie aus eigenen Mitteln zu Stande zu bringen, und zwar nach vorgeschriebenem Maaß und Ziel; – ein Schauspiel, über welches zu spotten beinahe grausam wäre.

Während solchermaaßen schon lange die Philosophie durchgängig als Mittel dienen mußte, von der einen Seite zu öffentlichen, von der andern zu Privatzwecken, bin ich, davon ungestört, seit mehr als dreißig Jahren, meinem Gedankenzuge nachgegangen, eben auch nur weil ich es mußte und nicht anders konnte, aus einem instinktartigen Triebe, der jedoch von der Zuversicht unterstützt wurde, daß was Einer Wahres gedacht und Verborgenes beleuchtet hat, doch auch irgendwann von einem andern denkenden Geiste gefaßt werden, ihn ansprechen, freuen und trösten wird: zu einem solchen redet man, wie die uns Aehnlichen zu uns geredet haben und dadurch unser Trost in dieser Lebensöde geworden sind. Seine Sache treibt man derweilen ihrer selbst wegen und für sich selbst. Nun aber steht es um philosophische Meditationen seltsamerweise so, daß gerade nur Das, was Einer für sich selbst durchdacht und erforscht hat, nachmals auch Andern zu Gute kommt; nicht aber Das, was schon ursprünglich für Andere bestimmt war. Kenntlich ist Jenes zunächst am Charakter durchgängiger Redlichkeit; weil man nicht sich selbst zu täuschen sucht, noch sich selber hohle Nüsse darreicht; wodurch dann alles Sophisticiren und aller Wortkram wegfällt und in Folge hievon jede hingeschriebene Periode für die Mühe sie zu lesen sogleich entschädigt. Dem entsprechend tragen meine Schriften das Gepräge der Redlichkeit und Offenheit so deutlich auf der Stirn, daß sie schon dadurch grell abstechen von denen der drei berühmten Sophisten der nachkantischen Periode: stets findet man mich auf dem Standpunkt derReflexion, d. i. der vernünftigen Besinnung und redlichen Mittheilung, niemals auf dem derInspiration, genannt intellektuelle Anschauung, oder auch absolutes Denken, beim rechten Namen jedoch Windbeutelei und Scharlatanerei. – In diesem Geiste also arbeitend und während dessen immerfort das Falsche und Schlechte in allgemeiner Geltung, ja, Windbeutelei und Scharlatanerei in höchster Verehrung sehend, habe ich längst auf den Beifall meiner Zeitgenossen verzichtet. Es ist unmöglich, daß eine Zeitgenossenschaft, welche, zwanzig Jahre hindurch, einen Hegel, diesen geistigen Kaliban, als den größten der Philosophen ausgeschrien hat, so laut, daß es in ganz Europa wiederhallte, Den, der Das angesehen, nach ihrem Beifall lüstern machen könnte. Sie hat keine Ehrenkränze mehr zu vergeben: ihr Beifall ist prostituirt, und ihr Tadel hat nichts zu bedeuten. Daß es hiemit mein Ernst sei, ist daraus ersichtlich, daß, wenn ich irgend nach dem Beifall meiner Zeitgenossen getrachtet hätte, ich zwanzig Stellen hätte streichen müssen, welche allen Ansichten derselben ganz und gar widersprechen, ja, zum Theil ihnen anstößig seyn müssen. Allein ich würde es mir zum Vergehen anrechnen, jenem Beifall auch nur eine Silbe zum Opfer zu bringen. Mein Leitstern ist ganz ernstlich die Wahrheit gewesen: ihm nachgehend durfte ich zunächst nur nach meinem eigenen Beifall trachten, gänzlich abgewendet von einem, in Hinsicht auf alle höheren Geistesbestrebungen, tief gesunkenen Zeitalter und einer, bis auf die Ausnahmen, demoralisirten Nationallitteratur, in welcher die Kunst, hohe Worte mit niedriger Gesinnung zu verbinden, ihren Gipfel erreicht hat. Den Fehlern und Schwächen, welche meiner Natur, wie jeder die ihrigen, nothwendig anhängen, kann ich freilich nimmermehr entgehen: aber ich werde sie nicht durch unwürdige Akkommodationen vermehren.

Was nunmehr diese zweite Auflage betrifft, so freut es mich zuvörderst, daß ich nach fünfundzwanzig Jahren nichts zurückzunehmen finde, also meine Grundüberzeugungen sich wenigstens bei mir selbst bewährt haben. Die Veränderungen im ersten Bande, welcher allein den Text der ersten Auflage enthält, berühren demnach nirgends das Wesentliche, sondern betreffen theils nur Nebendinge, größtenteils aber bestehen sie in meist kurzen, erläuternden, hin und wieder eingefügten Zusätzen. Bloß die Kritik der Kantischen Philosophie hat bedeutende Berichtigungen und ausführliche Zusätze erhalten; da solche sich hier nicht in ein ergänzendes Buch bringen ließen, wie die vier Bücher, welche meine eigene Lehre darstellen, jedes eines, im zweiten Bande, erhalten haben. Bei diesen habe ich letztere Form der Vermehrung und Verbesserung deswegen gewählt, weil die seit ihrer Abfassung verstrichenen fünfundzwanzig Jahre in meiner Darstellungsweise und im Ton des Vortrags eine so merkliche Veränderung herbeigeführt haben, daß es nicht wohl anging, den Inhalt des zweiten Bandes mit dem des ersten in ein Ganzes zu verschmelzen, als bei welcher Fusion beide zu leiden gehabt haben würden. Ich gebe daher beide Arbeiten gesondert und habe an der früheren Darstellung oft selbst da, wo ich mich jetzt ganz anders ausdrücken würde, nichts geändert; weil ich mich hüten wollte, nicht durch die Krittelei des Alters die Arbeit meiner jüngern Jahre zu verderben. Was in dieser Hinsicht zu berichtigen seyn möchte, wird sich, mit Hülfe des zweiten Bandes, im Geiste des Lesers schon von selbst zurechtstellen. Beide Bände haben, im vollen Sinne des Worts, ein ergänzendes Verhältniß zu einander, sofern nämlich dieses darauf beruht, daß das eine Lebensalter des Menschen, in intellektueller Hinsicht, die Ergänzung des andern ist: daher wird man finden, daß nicht bloß jeder Band Das enthält, was der andere nicht hat, sondern auch, daß die Vorzüge des einen gerade in Dem bestehen, was dem andern abgeht. Wenn demnach die erste Hälfte meines Werkes vor der zweiten Das voraus hat, was nur das Feuer der Jugend und die Energie der ersten Konception verleihen kann; so wird dagegen diese jene übertreffen durch die Reife und vollständige Durcharbeitung der Gedanken, welche allein den Früchten eines langen Lebenslaufes und seines Fleißes zu Theil wird. Denn, als ich die Kraft hatte, den Grundgedanken meines Systems ursprünglich zu erfassen, ihn sofort in seine vier Verzweigungen zu verfolgen, von ihnen auf die Einheit ihres Stammes zurückzugehen und dann das Ganze deutlich darzustellen; da konnte ich noch nicht im Stande seyn, alle Theile des Systems, mit der Vollständigkeit, Gründlichkeit und Ausführlichkeit durchzuarbeiten, die nur durch eine vieljährige Meditation desselben erlangt werden, als welche erfordert ist, um es an unzähligen Thatsachen zu prüfen und zu erläutern, es durch die verschiedenartigsten Belege zu stützen, es von allen Seiten hell zu beleuchten, die verschiedenen Gesichtspunkte danach kühn in Kontrast zu stellen, die mannigfaltigen Materien rein zu sondern und wohlgeordnet darzulegen. Daher, wenngleich es dem Leser allerdings angenehmer sein müßte, mein ganzes Werk aus Einem Gusse zu haben, statt daß es jetzt aus zwei Hälften besteht, welche beim Gebrauch aneinander zu bringen sind; so wolle er bedenken, daß dazu erfordert gewesen wäre, daß ich in Einem Lebensalter geleistet hätte, was nur in zweien möglich ist, indem ich dazu in Einem Lebensalter hätte die Eigenschaften besitzen müssen, welche die Natur an zwei ganz verschiedene vertheilt hat. Demnach ist die Nothwendigkeit, mein Werk in zwei einander ergänzenden Hälften zu liefern, der zu vergleichen, in Folge welcher man ein achromatisches Objektivglas, weil es aus einem Stücke zu verfertigen unmöglich ist, dadurch zu Stande bringt, daß man es aus einem Konvexglase von Flintglas und einem Konkavglase von Krownglas zusammensetzt, deren vereinigte Wirkung allererst das Beabsichtigte leistet. Andererseits jedoch wird der Leser, für die Unbequemlichkeit zwei Bände zugleich zu gebrauchen, einige Entschädigung finden in der Abwechselung und Erholung, welche die Behandlung des selben Gegenstandes, vom selben Kopfe, im selben Geist, aber in sehr verschiedenen Jahren, mit sich bringt. Inzwischen ist es für Den, welcher mit meiner Philosophie noch nicht bekannt ist, durchaus rathsam, zuvörderst den ersten Band, ohne Hinzuziehung der Ergänzungen, durchzulesen und diese erst bei einer zweiten Lektüre zu benutzen; weil es ihm sonst zu schwer sein würde, das System in seinem Zusammenhange zu fassen, als in welchem es allein der erste Band darlegt, während im zweiten die Hauptlehren einzeln ausführlicher begründet und vollständig entwickelt werden. Selbst wer zu einer zweiten Durchlesung des ersten Bandes sich nicht entschließen sollte, wird besser thun, den zweiten erst nach demselben und für sich durchzulesen, in der geraden Folge seiner Kapitel, als welche allerdings in einem, wiewohl loseren Zusammenhang miteinander stehen, dessen Lücken ihm die Erinnerung des ersten Bandes, wenn er ihn wohl gefaßt hat, vollkommen ausfüllen wird: zudem findet er überall die Zurückweisung auf die betreffenden Stellen des ersten Bandes, in welchem ich, zu diesem Behuf, die in der ersten Auflage durch bloße Trennungslinien bezeichneten Abschnitte in der zweiten mit Paragraphenzahlen versehen habe. –

Schon in der Vorrede zur ersten Auflage habe ich erklärt, daß meine Philosophie von der Kantischen ausgeht und daher eine gründliche Kenntniß dieser voraussetzt: ich wiederhole es hier. Denn Kants Lehre bringt in jedem Kopf, der sie gefaßt hat, eine fundamentale Veränderung hervor, die so groß ist, daß sie für eine geistige Wiedergeburt gelten kann. Sie allein nämlich vermag, den ihm angeborenen, von der ursprünglichen Bestimmung des Intellekts herrührenden Realismus wirklich zu beseitigen, als wozu weder Berkeley noch Malebranche ausreichen: da diese zu sehr im Allgemeinen bleiben, während Kant ins Besondere geht, und zwar in einer Weise, die weder Vorbild noch Nachbild kennt und eine ganz eigentümliche, man möchte sagen unmittelbare Wirkung auf den Geist hat, in Folge welcher dieser eine gründliche Enttäuschung erleidet und fortan alle Dinge in einem andern Lichte erblickt. Erst hiedurch aber wird er für die positiveren Aufschlüsse empfänglich, welche ich zu geben habe. Wer hingegen der Kantischen Philosophie sich nicht bemeistert hat, ist, was sonst er auch getrieben haben mag, gleichsam im Stande der Unschuld, nämlich in demjenigen natürlichen und kindlichen Realismus befangen geblieben, in welchem wir Alle geboren sind und der zu allem Möglichen, nur nicht zur Philosophie befähigt. Folglich verhält ein Solcher sich zu jenem Ersteren wie ein Unmündiger zum Mündigen. Daß diese Wahrheit heut zu Tage paradox klingt, welches in den ersten dreißig Jahren nach dem Erscheinen der Vernunftkritik keineswegs der Fall gewesen wäre, kommt daher, daß seitdem ein Geschlecht herangewachsen ist, welches Kanten eigentlich nicht kennt, da hiezu mehr, als eine flüchtige, ungeduldige Lektüre, oder ein Bericht aus zweiter Hand gehört, und Dieses wieder daher, daß dasselbe, in Folge schlechter Anleitung, seine Zeit mit den Philosophemen gewöhnlicher, also unberufener Köpfe, oder gar windbeutelnder Sophisten, die man ihm unverantwortlicher Weise anpries, vergeudet hat. Daher die Verworrenheit in den ersten Begriffen und überhaupt das unsäglich Rohe und Plumpe, welches aus der Hülle der Pretiosität und Prätensiosität, in den eigenen philosophischen Versuchen des so erzogenen Geschlechts, hervorsieht. Aber in einem heillosen Irrthum ist Der befangen, welcher vermeint, er könne Kants Philosophie aus den Darstellungen Anderer davon kennen lernen. Vielmehr muß ich vor dergleichen Relationen, zumal aus neuerer Zeit, ernstlich warnen: und gar in diesen allerletzten Jahren sind mir in Schriften der Hegelianer Darstellungen der Kantischen Philosophie vorgekommen, die wirklich ins Fabelhafte gehen. Wie sollten auch die schon in frischer Jugend durch den Unsinn der Hegelei verrenkten und verdorbenen Köpfe noch fähig sein, Kants tiefsinnigen Untersuchungen zu folgen? Sie sind früh gewöhnt, den hohlsten Wortkram für philosophische Gedanken, die armsäligsten Sophismen für Scharfsinn, und läppischen Aberwitz für Dialektik zu halten, und durch das Aufnehmen rasender Wortzusammenstellungen, bei denen etwas zu denken der Geist sich vergeblich martert und erschöpft, sind ihre Köpfe desorganisirt. Für sie gehört keine Kritik der Vernunft, für sie keine Philosophie: für sie gehört einemedicina mentis, zunächst als Kathartikon etwanun petit cours de senscommunologie, und dann muß man weiter sehen, ob bei ihnen noch jemals von Philosophie die Rede seyn kann. – Die Kantische Lehre also wird man vergeblich irgend wo anders suchen, als in Kants eigenen Werken: diese aber sind durchweg belehrend, selbst da wo er irrt, selbst da wo er fehlt. In Folge seiner Originalität gilt von ihm im höchsten Grade was eigentlich von allen ächten Philosophen gilt: nur aus ihren eigenen Schriften lernt man sie kennen; nicht aus den Berichten Anderer. Denn die Gedanken jener außerordentlichen Geister können die Filtration durch den gewöhnlichen Kopf hindurch nicht vertragen. Geboren hinter den breiten, hohen, schön gewölbten Stirnen, unter welchen strahlende Augen hervorleuchten, kommen sie, wenn versetzt in die enge Behausung und niedrige Bedachung der engen, gedrückten, dickwändigen Schädel, aus welchen stumpfe, auf persönliche Zwecke gerichtete Blicke hervorspähen, um alle Kraft und alles Leben, und sehen sich selber nicht mehr ähnlich. Ja, man kann sagen, diese Art Köpfe wirken wie unebene Spiegel, in denen Alles sich verrenkt, verzerrt, das Ebenmaaß seiner Schönheit verliert und eine Fratze darstellt. Nur von ihren Urhebern selbst kann man die philosophischen Gedanken empfangen: daher hat wer sich zur Philosophie getrieben fühlt, die unsterblichen Lehrer derselben im stillen Heiligthum ihrer Werke selbst aufzusuchen. Die Hauptkapitel eines jeden dieser ächten Philosophen werden in ihre Lehren hundert Mal mehr Einsicht verschaffen, als die schleppenden und schielenden Relationen darüber, welche Alltagsköpfe zu Stande bringen, die noch zudem meistens tief befangen sind in der jedesmaligen Modephilosophie, oder ihrer eigenen Herzensmeinung. Aber es ist zum Erstaunen, wie entschieden das Publikum vorzugsweise nach jenen Darstellungen aus zweiter Hand greift. Hiebei scheint in der That die Wahlverwandtschaft zu wirken, vermöge welcher die gemeine Natur zu ihres Gleichen gezogen wird und demnach sogar was ein großer Geist gesagt hat lieber von ihres Gleichen vernehmen will. Vielleicht beruht Dies auf dem selben Princip mit dein System des wechselseitigen Unterrichts, nach welchem Kinder am besten von ihres Gleichen lernen.

Jetzt noch ein Wort für die Philosophieprofessoren. – Die Sagacität, den richtigen und seinen Takt, womit sie meine Philosophie, gleich bei ihrem Auftreten, als etwas ihren eigenen Bestrebungen ganz Heterogenes, wohl gar Gefährliches, oder, populär zu reden, etwas das nicht in ihren Kram paßt, erkannt haben, so wie die sichere und scharfsinnige Politik, vermöge derer sie das ihr gegenüber allein richtige Verfahren sogleich herausfanden, die vollkommene Einmüthigkeit, mit der sie dasselbe in Anwendung brachten, endlich die Beharrlichkeit, mit welcher sie ihm treu geblieben sind, – habe ich von jeher bewundern müssen. Dieses Verfahren, welches nebenbei sich auch durch die überaus leichte Ausführbarkeit empfiehlt, besteht bekanntlich im gänzlichen Ignoriren und dadurch im Sekretiren, – nach Goethe's maliziösem Ausdruck, welcher eigentlich das Unterschlagen des Wichtigen und Bedeutenden besagt. Die Wirksamkeit dieses stillen Mittels wird erhöht durch den Korybantenlärm, mit welchem die Geburt der Geisteskinder der Einverstandenen gegenseitig gefeiert wird, und welcher das Publikum nöthigt hinzusehen und die wichtigen Mienen gewahr zu werden, mit welchen man sich darüber begrüßt. Wer könnte das Zweckmäßige dieses Verfahrens verkennen? Ist doch gegen den Grundsatzprimum vivere, deinde philosopharinichts einzuwenden. Die Herren wollen leben und zwar von derPhilosophieleben: andiesesind sie, mit Weib und Kind, gewiesen, und haben, trotz dempovera e nuda vai filosofiades Petrarka, es darauf gewagt. Nun ist aber meine Philosophie ganz und gar nicht darauf eingerichtet, daß man von ihr leben könnte. Es fehlt ihr dazu an den ersten, für eine wohlbesoldete Kathederphilosophie unerläßlichen Requisiten, zunächst gänzlich an einer spekulativen Theologie, welche doch gerade – dem leidigen Kant mit seiner Vernunftkritik zum Trotz – das Hauptthema aller Philosophie sein soll und muß, wenn gleich diese dadurch die Aufgabe erhält, immerfort von dem zu reden, wovon sie schlechterdings nichts wissen kann; ja, die meinige statuirt nicht ein Mal die von den Philosophieprofessoren so klug ersonnene und ihnen unentbehrlich gewordene Fabel von einer unmittelbar und absolut erkennenden, anschauenden oder vernehmenden Vernunft, die man nur gleich Anfangs seinen Lesern aufzubinden braucht, um nachher in das von Kant unserer Erkenntniß; gänzlich und auf immer abgesperrte Gebiet jenseit der Möglichkeit aller Erfahrung, auf die bequemste Weise von der Welt, gleichsam mit vier Pferden einzufahren, woselbst man sodann gerade die Grunddogmen des modernen, judaisirenden, optimistischen Christenthums unmittelbar offenbart und auf das schönste zurechtgelegt vorfindet. Was nun, in aller Welt, geht meine, dieser wesentlichen Requisiten ermangelnde, rücksichtslose und nahrungslose, grüblerische Philosophie, – welche zu ihrem Nordstern ganz allein die Wahrheit, die nackte, unbelohnte, unbefreundete, oft verfolgte Wahrheit hat und, ohne rechts oder links zu blicken, gerade auf diese zusteuert, – jenealma mater, die gute, nahrhafte Universitätsphilosophie an, welche, mit hundert Absichten und tausend Rücksichten belastet, behutsam ihres Weges daherlavirt kommt, indem sie allezeit die Furcht des Herrn, den Willen des Ministeriums, die Satzungen der Landeskirche, die Wünsche des Verlegers, den Zuspruch der Studenten, die gute Freundschaft der Kollegen, den Gang der Tagespolitik, die momentane Richtung des Publikums und was noch Alles vor Augen hat? Oder was hat mein stilles, ernstes Forschen nach Wahrheit gemein mit dem gellenden Schulgezänke der Katheder und Bänke, dessen innerste Triebfedern stets persönliche Zwecke sind? Vielmehr sind beide Arten der Philosophie sich von Grund aus heterogen. Darum auch giebt es mit mir keinen Kompromiß und keine Kameradschaft, und findet bei mir Keiner seine Rechnung, als etwan Der, welcher nichts, als die Wahrheit suchte; also keine der philosophischen Parteien des Tages: denn sie alle verfolgen ihre Absichten: ich aber habe bloße Einsichten zu bieten, die zu keiner von jenen passen, weil sie eben nach keiner gemodelt sind. Damit aber meine Philosophie selbst kathederfähig würde, müßten erst ganz andere Zeiten heraufgezogen seyn. – Das wäre also etwas Schönes, wenn so eine Philosophie, von der man gar nicht leben kann, Luft und Licht, wohl gar allgemeine Beachtung gewönne! Mithin war Dies zu verhüten und mußten dagegen Alle für Einen Mann stehen. Beim Bestreiten und Widerlegen aber hat man nicht so leichtes Spiel: auch ist Dies schon darum ein mißliches Mittel, weil es die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Sache hinlenkt, und diesem das Lesen meiner Schriften den Geschmack an den Lukubrationen der Philosophieprofessoren verderben könnte. Denn wer den Ernst gekostet hat, dem wird der Spaaß, zumal von der langweiligen Art, nicht mehr munden. Demnach also ist das so einmüthig ergriffene schweigende System das allein richtige, und kann ich nur rathen, dabei zu bleiben und damit fortzufahren, so lange es geht, so lange bis nämlich einst aus dem Ignoriren die Ignoranz abgeleitet wird: dann wird es zum Einlenken gerade noch Zeit seyn. Unterweilen bleibt ja doch Jedem unbenommen, sich hier und da ein Federchen zu eigenem Gebrauch auszurupfen, da zu Hause der Ueberfluß an Gedanken nicht sehr drückend zu seyn pflegt. So kann denn das Ignorir- und Schweigesystem noch eine gute Weile vorhalten, wenigstens die Spanne Zeit, die ich noch zu leben haben mag; womit schon viel gewonnen ist. Wenn auch dazwischen hie und da eine indiskrete Stimme sich hat vernehmen lassen, so wird sie doch bald übertäubt vom lauten Vortrag der Professoren, welche das Publikum von ganz andern Dingen, mit wichtiger Miene, zu unterhalten wissen. Ich rathe jedoch, auf die Einmüthigkeit des Verfahrens etwas strenger zu halten und besonders die jungen Leute zu überwachen, als welche bisweilen schrecklich indiskret sind. Denn selbst so kann ich doch nicht verbürgen, daß das belobte Verfahren für immer vorhalten wird, und kann für den endlichen Ausgang nicht einstehen. Es ist nämlich eine eigene Sache um die Lenkung des im Ganzen guten und folgsamen Publikums. Wenn wir auch so ziemlich zu allen Zeiten die Gorgiasse und Hippiasse oben auf sehen, das Absurde in der Regel kulminirt und es unmöglich scheint, daß durch den Chorus der Bethörer und Bethörten die Stimme des Einzelnen je durchdränge; – so bleibt dennoch jederzeit den ächten Werken eine ganz eigentümliche, stille, langsame, mächtige Wirkung, und wie durch ein Wunder sieht man sie endlich aus dem Getümmel sich erheben, gleich einem Aerostaten, der aus dem dicken Dunstkreise dieses Erdenraums in reinere Regionen emporschwebt, wo er, ein Mal angekommen, stehen bleibt, und Keiner mehr ihn herabzuziehen vermag.

Geschrieben in Frankfurt a. M. im Februar 1844.

Vorrede zur dritten Auflage.

Das Wahre und Aechte würde leichter in der Welt Raum gewinnen, wenn nicht Die, welche unfähig sind, es hervorzubringen, zugleich verschworen wären, es nicht aufkommen zu lassen. Dieser Umstand hat schon Manches, das der Welt zu Gute kommen sollte, gehemmt und verzögert, wo nicht gar erstickt. Für mich ist seine Folge gewesen, daß, obwohl ich erst dreißig Jahre zählte, als die erste Auflage dieses Werkes erschien, ich diese dritte nicht früher, als im zweiundsiebenzigsten erlebe. Darüber jedoch finde ich Trost inPetrarka's Worten:si quis, tota die currens, pervenit ad vesperam, satis est (de vera sapientia, p. 140). Bin ich zuletzt doch auch angelangt und habe die Befriedigung, am Ende meiner Laufbahn den Anfang meiner Wirksamkeit zu sehen, unter der Hoffnung, daß sie, einer alten Regel gemäß, in dem Verhältniß lange dauern wird, als sie spät angefangen hat. –

Der Leser wird in dieser dritten Auflage nichts von Dem vermissen, was die zweite enthält, wohl aber beträchtlich mehr erhalten, indem sie, vermöge der ihr gegebenen Zusätze, bei gleichem Druck, 136 Seiten mehr hat, als die zweite.

Sieben Jahre nach dem Erscheinen der zweiten Auflage habe ich zwei Bände »Parerga und Paralipomena« herausgegeben. Das unter letzterem Namen Begriffene besteht in Zusätzen zur systematischen Darstellung meiner Philosophie und würde seine richtige Stelle in diesen Bänden gefunden haben: allein ich mußte es damals unterbringen wo ich konnte, da es sehr zweifelhaft war, ob ich diese dritte Auflage erleben würde. Man findet es im zweiten Bande besagter Parerga und wird es an den Ueberschriften der Kapitel leicht erkennen.

Frankfurt a. M. im September 1859.

Erstes Buch.

Der Welt als Vorstellung erste Betrachtung: Die Vorstellung unterworfen dem Satze vom Grunde: das Objekt der Erfahrung und Wissenschaft.

Sors de l'enfance, ami, réveille-toi! Jean-Jacques Rousseau.

§. 1.

»Die Welt ist meine Vorstellung:« – dies ist eine Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende Wesen gilt; wiewohl der Mensch allein sie in das reflektirte abstrakte Bewußtsein bringen kann: und thut er dies wirklich; so ist die philosophische Besonnenheit bei ihm eingetreten. Es wird ihm dann deutlich und gewiß, daß er keine Sonne kennt und keine Erde; sondern immer nur ein Auge, das eine Sonne sieht, eine Hand, die eine Erde fühlt; daß die Welt, welche ihn umgiebt, nur als Vorstellung da ist, d. h. durchweg nur in Beziehung auf ein Anderes, das Vorstellende, welches er selbst ist. – Wenn irgend eine Wahrheita prioriausgesprochen werden kann, so ist es diese: denn sie ist die Aussage derjenigen Form aller möglichen und erdenklichen Erfahrung, welche allgemeiner, als alle andern, als Zeit, Raum und Kausalität ist: denn alle diese setzen jene eben schon voraus, und wenn jede dieser Formen, welche alle wir als so viele besondere Gestaltungen des Satzes vom Grunde erkannt haben, nur für eine besondere Klasse von Vorstellungen gilt; so ist dagegen das Zerfallen in Objekt und Subjekt die gemeinsame Form aller jener Klassen, ist diejenige Form, unter welcher allein irgend eine Vorstellung, welcher Art sie auch sei, abstrakt oder intuitiv, rein oder empirisch, nur überhaupt möglich und denkbar ist. Keine Wahrheit ist also gewisser, von allen andern unabhängiger und eines Beweises weniger bedürftig, als diese, daß Alles, was für die Erkenntniß da ist, also diese ganze Welt, nur Objekt in Beziehung auf das Subjekt ist, Anschauung des Anschauenden, mit Einem Wort, Vorstellung. Natürlich gilt Dieses, wie von der Gegenwart, so auch von jeder Vergangenheit und jeder Zukunft, vom Fernsten, wie vom Nahen: denn es gilt von Zeit und Raum selbst, in welchen allein sich dieses alles unterscheidet. Alles, was irgend zur Welt gehört und gehören kann, ist unausweichbar mit diesem Bedingtseyn durch das Subjekt behaftet, und ist nur für das Subjekt da. Die Welt ist Vorstellung.

Neu ist diese Wahrheit keineswegs. Sie lag schon in den skeptischen Betrachtungen, von welchen Kartesius ausging. Berkeley aber war der erste, welcher sie entschieden aussprach: er hat sich dadurch ein unsterbliches Verdienst um die Philosophie erworben, wenn gleich das Uebrige seiner Lehren nicht bestehen kann. Kants erster Fehler war die Vernachlässigung dieses Satzes, wie im Anhange ausgeführt ist. – Wie früh hingegen diese Grundwahrheit von den Weisen Indiens erkannt worden ist, indem sie als der Fundamentalsatz der demVyasazugeschriebenen Vedantaphilosophie auftritt, bezeugt W.Jones,in der letzten seiner Abhandlungen:on the philosophy of the Asiatics; Asiatic researches, Vol.IV, p. 164: the fundamental tenet of the Vedanta school consisted not in denying the existence of matter, that is of solidity, impenetrability, and extended figure (to deny which would be lunacy), but in correcting the popular notion of it, and in contending that it has no essence independent of mental perception; that existence and percibility are convertible terms.Diese Worte drücken das Zusammenbestehn der empirischen Realität mit der transscendentalen Idealität hinlänglich aus.

Also nur von der angegebenen Seite, nur sofern sie Vorstellung ist, betrachten wir die Welt in diesem ersten Buche. Daß jedoch diese Betrachtung, ihrer Wahrheit unbeschadet, eine einseitige, folglich durch irgend eine willkürliche Abstraktion hervorgerufen ist, kündigt Jedem das innere Widerstreben an, mit welchem er die Welt als seine bloße Vorstellung annimmt; welcher Annahme er sich andererseits doch nimmermehr entziehen kann. Die Einseitigkeit dieser Betrachtung aber wird das folgende Buch ergänzen, durch eine Wahrheit, welche nicht so unmittelbar gewiß ist, wie die, von der wir hier ausgehen; sondern zu welcher nur tiefere Forschung, schwierigere Abstraktion, Trennung des Verschiedenen und Vereinigung des Identischen führen kann, – durch eine Wahrheit, welche sehr ernst und Jedem, wo nicht furchtbar, doch bedenklich seyn muß, nämlich diese, daß eben auch er sagen kann und sagen muß: »die Welt ist mein Wille.« –

Bis dahin aber, also in diesem ersten Buch, ist es nöthig, unverwandt diejenige Seite der Welt zu betrachten, von welcher wir ausgehen, die Seite der Erkennbarkeit, und demnach, ohne Widerstreben, alle irgend vorhandenen Objekte, ja sogar den eigenen Leib (wie wir bald näher erörtern werden) nur als Vorstellung zu betrachten, bloße Vorstellung zu nennen. Das, wovon hierbei abstrahirt wird, ist, wie später hoffentlich Jedem gewiß seyn wird, immer nur derWille, als welcher allein die andere Seite der Welt ausmacht: denn diese ist, wie einerseits durch und durchVorstellung, so andererseits durch und durchWille. Eine Realität aber, die keines von diesen Beiden wäre, sondern ein Objekt an sich (zu welcher auch Kants Ding an sich ihm leider unter den Händen ausgeartet ist), ist ein erträumtes Unding und dessen Annahme ein Irrlicht in der Philosophie.

§. 2.

Dasjenige, was Alles erkennt und von Keinem erkannt wird, ist dasSubjekt. Es ist sonach der Träger der Welt, die durchgängige, stets vorausgesetzte Bedingung alles Erscheinenden, alles Objekts: denn nur für das Subjekt ist, was nur immer da ist. Als dieses Subjekt findet Jeder sich selbst, jedoch nur sofern er erkennt, nicht sofern er Objekt der Erkenntniß ist. Objekt ist aber schon sein Leib, welchen selbst wir daher, von diesem Standpunkt aus, Vorstellung nennen. Denn der Leib ist Objekt unter Objekten und den Gesetzen der Objekte unterworfen, obwohl er unmittelbares Objekt ist. Er liegt, wie alle Objekte der Anschauung, in den Formen alles Erkennens, in Zeit und Raum, durch welche die Vielheit ist. Das Subjekt aber, das Erkennende, nie Erkannte, liegt auch nicht in diesen Formen, von denen selbst es vielmehr immer schon vorausgesetzt wird: ihm kommt also weder Vielheit, noch deren Gegensatz, Einheit, zu. Wir erkennen es nimmer, sondern es eben ist es, das erkennt, wo nur erkannt wird.

Die Welt als Vorstellung also, in welcher Hinsicht allein wir sie hier betrachten, hat zwei wesentliche, nothwendige und untrennbare Hälften. Die eine ist dasObjekt: dessen Form ist Raum und Zeit, durch diese die Vielheit. Die andere Hälfte aber, das Subjekt, liegt nicht in Raum und Zeit: denn sie ist ganz und ungetheilt in jedem vorstellenden Wesen; daher ein einziges von diesen, eben so vollständig, als die vorhandenen Millionen, mit dem Objekt die Welt als Vorstellung ergänzt: verschwände aber auch jenes einzige; so wäre die Welt als Vorstellung nicht mehr. Diese Hälften sind daher unzertrennlich, selbst für den Gedanken: denn jede von beiden hat nur durch und für die andere Bedeutung und Daseyn, ist mit ihr da und verschwindet mit ihr. Sie begränzen sich unmittelbar: wo das Objekt anfängt, hört das Subjekt auf. Die Gemeinschaftlichkeit dieser Gränze zeigt sich eben darin, daß die wesentlichen und daher allgemeinen Formen alles Objekts, welche Zeit, Raum und Kausalität sind, auch ohne die Erkenntniß des Objekts selbst, vom Subjekt ausgehend gefunden und vollständig erkannt werden können, d. h. in Kants Sprache,a prioriin unserm Bewußtseyn liegen. Dieses entdeckt zu haben, ist ein Hauptverdienst Kants und ein sehr großes. Ich behaupte nun überdies, daß der Satz vom Grunde der gemeinschaftliche Ausdruck für alle diese uns a priori bewußten Formen des Objekts ist, und daß daher Alles, was wir reina prioriwissen, nichts ist, als eben der Inhalt jenes Satzes und was aus diesem folgt, in ihm also eigentlich unsere ganzea priorigewisse Erkenntniß ausgesprochen ist. In meiner Abhandlung über den Satz vom Grunde habe ich ausführlich gezeigt, wie jedes irgend mögliche Objekt demselben unterworfen ist, d. h. in einer nothwendigen Beziehung zu andern Objekten steht, einerseits als bestimmt, andererseits als bestimmend: dies geht so weit, daß das ganze Daseyn aller Objekte, sofern sie Objekte, Vorstellungen und nichts anderes sind, ganz und gar zurückläuft auf jene ihre nothwendige Beziehung zu einander, nur in solcher besteht, also gänzlich relativ ist: wovon bald ein Mehreres. Ich habe ferner gezeigt, daß, gemäß den Klassen, in welche die Objekte ihrer Möglichkeit nach zerfallen, jene nothwendige Beziehung, welche der Satz vom Grunde im Allgemeinen ausdrückt, in andern Gestalten erscheint; wodurch wiederum die richtige Eintheilung jener Klassen sich bewährt. Ich setze hier beständig alles dort Gesagte als bekannt und dem Leser gegenwärtig voraus: denn es würde, wenn es nicht dort schon gesagt wäre, hin seine nothwendige Stelle haben.

§. 3.

Der Hauptunterschied zwischen allen unsern Vorstellungen ist der des Intuitiven und Abstrakten. Letzteres macht nureineKlasse von Vorstellungen aus, die Begriffe: und diese sind auf der Erde allein das Eigenthum des Menschen, dessen ihn von allen Thieren unterscheidende Fähigkeit zu denselben von jeherVernunftgenannt worden ist. Wir werden weiterhin diese abstrakten Vorstellungen für sich betrachten, zuvörderst aber ausschließlich von derintuitiven Vorstellungreden. Diese nun befaßt die ganze sichtbare Welt, oder die gesammte Erfahrung, nebst den Bedingungen der Möglichkeit derselben. Es ist, wie gesagt, eine sehr wichtige Entdeckung Kants, daß eben diese Bedingungen, diese Formen derselben, d. h. das Allgemeinste in ihrer Wahrnehmung, das allen ihren Erscheinungen auf gleiche Weise Eigene, Zeit und Raum, auch für sich und abgesondert von ihrem Inhalt, nicht nurin abstractogedacht, sondern auch unmittelbar angeschaut werden kann, und daß diese Anschauung nicht etwan ein durch Wiederholung von der Erfahrung entlehntes Phantasma ist, sondern so sehr unabhängig von der Erfahrung, daß vielmehr umgekehrt diese als von jener abhängig gedacht werden muß, indem die Eigenschaften des Raumes und der Zeit, wie sie die Anschauunga priorierkennt, für alle mögliche Erfahrung als Gesetze gelten, welchen gemäß diese überall ausfallen muß. Dieserhalb habe ich, in meiner Abhandlung über den Satz vom Grunde, Zeit und Raum, sofern sie rein und inhaltsleer angeschaut werden, als eine besondere und für sich bestehende Klasse von Vorstellungen betrachtet. So wichtig nun auch diese von Kant entdeckte Beschaffenheit jener allgemeinen Formen der Anschauung ist, daß sie nämlich für sich und unabhängig von der Erfahrung anschaulich und ihrer ganzen Gesetzmäßigkeit nach erkennbar sind, worauf die Mathematik mit ihrer Unfehlbarkeit beruht; so ist es doch eine nicht minder beachtungswerthe Eigenschaft derselben, daß der Satz vom Grunde, der die Erfahrung als Gesetz der Kausalität und Motivation, und das Denken als Gesetz der Begründung der Urtheile bestimmt, hier in einer ganz eigentümlichen Gestalt auftritt, der ich den NamenGrund des Seynsgegeben habe, und welche in der Zeit die Folge ihrer Momente, und im Raum die Lage seiner sich ins Unendliche wechselseitig bestimmenden Theile ist.