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Diese von Margareta Morgenstern, der Frau des Dichters, zusammengestellte Auswahl zeigt die ganze Fülle des dichterischen und literarischen Schaffens von Christian Morgenstern. Sie umfasst die Galgenlieder, Grotesken und Parodien, Aphorismen, Sprüche, Epigramme und Briefe.
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ISBN 978-3-492-95786-1 Mai 2017 © Piper Verlag GmbH, München 1965 Covergestaltung: Kornelia Rumberg Covermotiv: Wolf Drawing/Shutterstock; Morphart Creation/Shutterstock Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Wir weisen darauf hin, dass sich der Piper Verlag nicht die Inhalte Dritter zu eigen macht.
AUTOBIOGRAPHISCHE NOTIZ
Ich wurde am 6. Mai 1871 als einziges Kind des Landschaftsmalers Carl Ernst Morgenstern (Sohnes des Landschaftsmalers Christian Morgenstern) und seiner Ehefrau Charlotte Schertel (Tochter des Landschaftsmalers Josef Schertel) in München geboren und erlebte in unserm gegen Nymphenburg zu gelegenen – aller Kunst und heiteren Geselligkeit geöffneten – Hause mit parkartigem Garten glückliche, eindrucksreiche Kindheitsjahre. Meine Eltern reisten viel, zuerst aus Lebenslust, dann aus Rücksicht auf ein beginnendes Lungenleiden meiner Mutter, und nahmen mich schon von meinem dritten oder vierten Jahre an überallhin mit. Besonders ist mir eine lange Reise durch Tirol, die Schweiz und das Elsaß in Erinnerung, die im wesentlichen in einer von zwei unermüdlichen Juckern gezogenen Kutsche zurückgelegt wurde. Dazwischen und später waren es dann die (damals noch ländlichen) bayerischen Seedörfer Kochel, Murnau, Seefeld, Herrsching, Weßling und noch später schlesische Dörfer am Zobten und im Vorland des Riesengebirges, die dem sehr viel einsamen und stillfrohen Knaben unvergeltbar Liebes erwiesen. Solch freundliches Los ward ihm zumal durch die Lebensführung des Vaters, der als freier Landschafter sowohl, wie dann, als er an die Breslauer Kunstschule berufen worden war, Sommer um Sommer ins Land hinauszog; wozu noch kam, daß er ihn, als eifriger Jäger, bisweilen in seinen Jagdgebieten und Jagdquartieren mit sich hatte.
Diese Jahre waren grundlegend für ein Verhältnis zur Natur, das ihm später die Möglichkeit gab, zeitweise völlig in ihr aufzugehen.
Sie waren aber auch nötig, denn bald nach seinem zehnten Jahre, in dem er die Mutter verlor, begann der Ansturm feindlicher Gewalten von außen wie von innen. Was sich bisher, gehegt und verwöhnt, daheim und im Freien so durchgespielt hatte – mein Spielen bildet für mich ein eigenes sonniges Kapitel – zeigte sich dem äußeren Leben, wie es vor allem in der Schule herantrat, weniger gewachsen. Es war, als wäre das Leidenserbe der Mutter, das doch erst zwölf Jahre darauf zu wirklichem Kranksein führte, schon damals übernommen worden; denn wenn auch mancher frische Aufschwung immer wieder weiter trieb, so setzten doch mehr und mehr jene dumpfen Hemmungen ein, die ihn wohl nicht hätten so zu Jahren kommen lassen, wenn nicht irgend etwas in ihm ebenso zähe für ihn gestritten und ihn über das Schlimmste immer wieder von neuem hinweggebracht hätte. Vielleicht war es dieselbe Kraft, die, nachdem sie ihn auf dem physischen Plan verlassen hatte, geistig fortan sein Leben begleitete und, was sie ihm leiblich gleichsam nicht hatte geben können, ihm nun aus geistigen Welten heraus mit einer Treue schenkte, die nicht ruhte, bis sie ihn nicht nur hoch ins Leben hinein, sondern zugleich auf Höhen des Lebens hinauf den Weg hatte finden sehen, auf denen der Tod seinen Stachel verloren und die Welt ihren göttlichen Sinn wiedergewonnen hat.
Sie mag ihm auch den Jugend- und Lebensfreund zugeführt haben, FRIEDRICH KAYSSLER, dem die Sammlung »Auf vielen Wegen« (und wieviel anderes!) mit dem Danke gehört: »Wär der Begriff des Echten verloren / In Dir wär er wiedergeboren.«
In meinem 16. Jahre etwa wurde mir das erste Glück philosophischer Gespräche. Schopenhauer, vor allem auch schon die Lehre von der Wiederverkörperung, traten in mein Leben ein. Es folgte, Anfang der Zwanziger, Nietzsche, dessen suchende Seele mein eigentlicher Bildner und die leidenschaftliche Liebe langer Jahre wurde. Die Aufgabe, Ibsens Verswerke zu übertragen, führte mich 1898 nach Norwegen. Ich lernte Henrik Ibsens teure Person kennen und durfte in den Übersetzungen von »Brand« und »Peer Gynt« mich innerlichst mit ihm verbinden.
Das Jahr 1901 sah mich über den »Deutschen Schriften« Paul de Lagardes. Er erschien mir – Wagner war mir damals durch Nietzsche entfremdet – als der zweite maßgebende Deutsche der letzten Jahrzehnte, wozu denn auch stimmen mochte, daß sein gesamtes Volk seinen Weg ohne ihn gegangen war.
Noch sechs Jahre darauf schrieb ich in mein Taschenbuch:
Zu Niblum will ich begraben sein,
am Saum zwischen Marsch und Geest …
Zu Niblum will ich mich rasten aus
von aller Gegenwart.
Und schreibt mir dort auf mein steinern Haus
nur den Namen und: »Lest Lagarde!«
Ja, nur die zwei Dinge klein und groß:
Diese Bitte und dann meinen Namen bloß.
Nur den Namen und: »Lest Lagarde!«
Das Inselchen Mutterland dorten, nein,
das will ich nicht verschmähn.
Holt mich doch dort bald die Nordsee heim
mit steilen, stürzenden Seen –
das Muttermeer, die Mutterflut …
Oh, wie sich gut dann da drunten ruht,
tief fern von deutschem Geschehn!
Inzwischen war dem Fünfunddreißigjährigen Entscheidendes geworden: Natur und Mensch hatten sich ihm endgültig vergeistigt. Und als er eines Abends wieder einmal das ›Evangelium nach Johannes‹ aufschlug, glaubte er es zum ersten Male wirklich zu verstehen.
Die nächsten Jahre – des Austragens, Ausreifens, zu Ende Denkens – überstand er so, wie er sie überstand, eigentlich nur, weil ihm Gesundheit und Mittel fehlten, sich irgendwohin zurückzuziehen, wo er in völliger Unbekanntheit seine Tage hätte vollenden dürfen. Er war doppelt geworden und in der wunderlichen Verfassung, sich, sozusagen, groß oder klein schreiben zu können. (In »Einkehr«, »Ich und Du« und einer Sammlung Aufzeichnungen findet sich Einiges aus diesem Abschnitt.)
Er konnte in einem Kaffeehause sitzen und fühlen: »So von seinem Marmortischchen aus, seine Tasse vor sich, zu betrachten, die da kommen und gehen, sich setzen und sich unterhalten, und durch das mächtige Fenster die draußen hin und her treiben zu sehen, wie Fischgewimmel hinter der Glaswand eines großen Behälters, – und dann und wann der Vorstellung sich hinzugeben: Das bist Du! – Und sie alle zu sehen, wie sie nicht wissen, wer sie sind, wer da, als sie, mit SICH selber redet, und wer sie aus meinen Augen als SICH erkennt und aus ihren nur als sie!« … Und doch war solches Erkennen nur erst ein Oberflächen-Erkennen und darum letzten Endes noch zur Unfruchtbarkeit verurteilt.
So kam das Jahr 1908 –
DA traf ich Dich, in ärgster Not, den Andern!
Mit Dir vereint, gewann ich frischen Mut.
Von neuem hob ich an, mit Dir, zu wandern,
und siehe da: Das Schicksal war uns gut.
Wir fanden einen Pfad, der klar und einsam
empor sich zog, bis, wo ein Tempel stand.
Der Steig war steil, doch wagten wir's gemeinsam.
Und heut noch helfen wir uns, Hand in Hand …* [* Siehe Anmerkung]
Der Andre war Sie, die mein Leben fortan teilte; der Pfad war der Weg anthroposophischer Erkenntnisse, wie sie uns heute, in einziger Weise, durch RUDOLF STEINER vermittelt werden.
In dieser Persönlichkeit lebt ein großer spiritueller Forscher »ein ganz dem Dienste der Wahrheit gewidmetes Leben« vor uns und für uns dar.
Vor ihm darf auch der Unabhängigste sich von neuem besinnen und revidieren; vor ihm hat dies jedenfalls der getan, der immer am liebsten dem Worte nachleben wollte: – Vitam impendere vero* [* Siehe Anmerkung](1913)
GEDICHTE
[Zwei Gedichte des Sechzehnjährigen]
DER Tod erst macht den Menschen frei;
hier lebt er in Ohnmacht und Sklaverei.
Und sollt' er auf Erden von neuem erstehn,
von neuem leben und strebend vergehn,
dann wird er doch schreiten im Wechsel der Zeit
zur Reife, zum Leben der Ewigkeit.
WENN leuchtend die Gestirne tauchen
im dunklen Äthermeer empor
und in geheimnisvollem Hauchen
die Welt umweht ein Dämmerflor,
entschwebt der Geist zu wachen Träumen
ins große heilige Reich der Nacht,
beschwingt nach unermessnen Räumen
von tiefer Phantasien Macht.
Im weichen Zauber solcher Nächte
scheint sich die Schöpfung zu entfalten,
und dunkel ahnen wir die Mächte,
die über unserem Leben walten.
[Zwei Gedichte des Achtzehnjährigen]
WIE oft wohl bin ich schon gewandelt
auf diesem Erdenball des Leids,
wie oft wohl hab ich umgewandelt
den Stoff, die Form des Lebenskleids?
Wie oft mag ich schon sein gegangen
durch diese Welt, aus dieser Welt,
um ewig wieder anzufangen
von frischem Hoffnungstrieb geschwellt?
Es steigt empor, es sinkt die Welle –
so leben wir auch ohne Ruh;
unmöglich, daß sie aufwärts schnelle
und nicht zurück – dem Grunde zu.
DU kannst dein eignes Leid nicht tragen,
es dünkt so tief dir und so schwer?
So mußt nach fremdem Leid du fragen,
versenken dich in fremde Klagen –
die eignen hörst du dann nicht mehr.
Das eigne Leid muß klein dir scheinen,
wenn du bedenkst das Weh, die Not,
durch die viel tausend Augen weinen!
Wenn du von allem Schmerz den deinen
nur kennst, so bist du seelisch tot.
Morgenfahrt
Im Morgendämmer fuhr ich über Land –
die Äcker stumm – die Wälder schwarz und tot –
bis endlich an des Himmels fernstem Rand
sich Streifen zeigten, gelb und rosig rot.
Nicht lange, und wie Feuer und wie Blut
entstieg der Ball den Nebeln feucht und kalt
und übergoß die Flur mit Purpurglut
und wandelte in wogend Gold den Wald.
Und auch auf mich im Wagenzwielicht traf
ein Blitz, mich strahlend wappnend wie zum Streit,
und küßte meine Seele aus dem Schlaf:
Ein Flammengruß aus der Unendlichkeit.
IN stillster Nacht
in tief geheimnisvoller Stunde
kam es zu mir auf leisen Engelsfüßen.
Aus allen Tiefen, allen Höhn
umschwoll es mich wie klagendes Getön,
wie einer tiefen Sehnsucht Grüßen.
In stillster Nacht
in tief geheimnisvoller Stunde,
da hab ich mich für alle Zeit
aus heilig heitrem Herzensgrunde
der Schönheit Sonnenreligion geweiht.
Theomachie
Schon mancher Stein hat mir geredet,
wenn ich mit Phanta's Zauberstab ihn schlug
und Seelen, die Äonen stumm verträumt,
erschlossen sich mir in geweihter Stunde.
So dazuliegen, wenn sich eng und enger
des Luftgewebes Maschen ziehn, vom Dunkel
gesättigt, und aus schwimmenden Konturen
ein zweites Sein dem Aug entgegengeistert.
Prolog zu »In Phanta's Schloß«
Längst Gesagtes wieder sagen,
hab ich endlich gründlich satt.
Neue Sterne! Neues Wagen!
Fahre wohl, du alte Stadt,
drin mit dürren Binsendächern
alte Traumbaracken stehn,
draus kokett mit schwarzen Fächern
meine Wunden Abschied wehn.
Kirchturm mit dem Tränenzwiebel
als vielsagendem Symbol, Holperpflaster, Dämmergiebel, Wehmutskneipen, fahret wohl!
Hoch in einsam-heitren Stillen
gründ ich mir ein eignes Heim,
ganz nach eignem Witz und Willen,
ohne Balken, Brett und Leim.
Rings um Sonnenstrahlgerüste
wallend Nebeltuch gespannt,
auf die All-gewölbten Brüste
kühner Gipfel hingebannt.
Schlafgemach –: mit Sterngoldscheibchen
der Tapete Blau besprengt,
und darin als Leuchterweibchen
Frau Selene aufgehängt.
Längst Gesagtes wieder sagen,
ach! ich hab es gründlich satt.
Phanta's Rosse vor den Wagen!
Fackeln in die alte Stadt!
Wie die Häuser lichterlohen,
wie es kracht und raucht und stürzt!
Auf, mein Herz! Empor zum frohen
Äther, tänzergleich geschürzt!
Schönheit-Sonnensegen, Freiheit-
Odem, goldfruchtschwere Kraft
ist die heilige Kräftedreiheit,
die aus Nichts das Ewige schafft.
Phanta's Schloß
Die Augenlider schlag ich auf.
Ich hab so groß und schön geträumt,
daß noch mein Blick in seinem Lauf
als wie ein müder Wandrer säumt.
Schon werden fern im gelben Ost
die Sonnenrosse aufgezäumt.
Von ihren Mähnen fließen Feuer,
und Feuer stiebt von ihrem Huf.
Hinab zur Ebne kriecht der Frost.
Und von der Berge Hochgemäuer
ertönt der Aare Morgenruf.
Nun wach ich ganz. Vor meiner Schau
erwölbt azurn sich ein Palast.
Es bleicht der Felsenfliesen Grau
und lädt den Purpur sich zu Gast.
Des Quellgeäders dumpfes Blau
verblitzt in heitren Silberglast.
Und langsam taucht aus fahler Nacht
der Ebnen bunte Teppichpracht.
All dies mein Lehn aus Phanta's Hand!
Ein König ich ob Meer und Land,
ob Wolkenraum, ob Firmament!
Ein Gott, des Reich nicht Grenze kennt.
Dies alles mein! Wohin ich schreite,
begrüßt mich dienend die Natur:
ein Nymphenheer gebiert die Flur
aus ihrem Schoß mir zum Geleite;
und Götter steigen aus der Weite
des Alls herab auf meine Spur.
Das mächtigste, das feinste Klingen
entlauscht dem Erdenrund mein Ohr.
Es hört die Meere donnernd springen
den felsgekränzten Strand empor,
es hört der Menschenstimmen Chor
und hört der Vögel helles Singen,
der Quellen schüchternen Tenor,
der Wälder Baß, der Glocken Schwingen.
Das ist das große Tafellied
in Phanta's Schloß, die Mittagsweise.
Vom Fugenwerk der Sphären-Kreise
zwar freilich nur ein kleinstes Glied.
Erst wenn mit breiten Nebelstreifen
des Abends Hand die Welt verhängt,
und meiner Sinne maßlos Schweifen
in engere Bezirke zwängt –
wenn sich die Dämmerungen schürzen
zum wallenden Gewand der Nacht
und aus der Himmel Kraterschacht
Legionen Strahlenströme stürzen –
wenn die Gefilde heilig stumm,
und alles Sein ein tiefer Friede –
dann erst erbebt vom Weltenliede,
vom Sphärenklang mein Heiligtum.
Auf Silberwellen kommt gegangen
unsagbar süße Harmonie,
in eine Weise eingefangen,
unendlichfache Melodie.
Dem scheidet irdisches Verlangen,
der solcher Schönheit bog das Knie.
Ein Tänzer, wiegt sich, ohne Bangen,
sein Geist in seliger Eurythmie.
O seltsam Schloß! bald kuppelprächtig
gewölbt aus klarem Ätherblau;
bald ein aus Quadern, nebelnächtig,
um Bergeshaupt getürmter Bau;
bald ein von Silberampeldämmer
des Monds durchwobnes Schlafgemach;
und bald ein Dom, von dessen Dach
durch bleiche Weihrauch-Wolkenlämmer
Sternmuster funkeln, tausendfach!
Das stille Haupt in Phanta's Schoße,
erwart ich träumend Mitternacht: –
da hat der Sturm mit rauhem Stoße
die Kuppelfenster zugekracht.
Kristallner Hagel glitzert nieder,
die Wolken falten sich zum Zelt.
Und Geisterhand entrückt mich wieder
hinüber in des Schlummers Welt.
Der Nachtwandler
Sanfter Mondsegen über den Landen.
Schlafstumm Berge, Wälder, Tale.
In den Hütten erstorben die Herde;
an den Herden eingenickte Großmütter,
zu deren Knieen offne Enkel-Mäulerchen
unter verhängten Äuglein atmen.
Auf Daunen und Strohsack
schnarchendes Laster, schnarchende Tugend.
Wachend allein: Diebe, Dichter,
Wächter der Nacht; und auf Gassen, in Gärten
und in verschwiegenen Kammern
lispelnde Liebe.
Sanfter Mond! Du segnest,
weil du nichts andres kannst.
Aber am Herzen
zehren dir Neid und Groll,
weil die Menschen dich also mißachten,
daß sie zu Bett gehn, wenn du kommst.
Ärgerlich ziehn sie die Vorhänge zu
und du stehst draußen
und – segnest milde deine Verächter.
Sanfter Mond! manchmal auch
lugen Herrschergelüste gefährlich vor
unter deiner Demut.
Dann rufst du in verträumte Gehirne:
»Auf! auf!
Ich bin die Sonne!
Kommt! Es ist Tag!«
Und der blöden Schläfer
glaubt es dir mancher
und steigt ernsthaft aus seinen Kissen
und geht gravitätisch
über die Dächer.
Scheel sehen die Kater ihn an.
Er aber wandelt und klettert,
als hätt ihm sein Arzt
die Alpen verschrieben.
Wie? Freundchen!
Hätt ich dich heut gar ertappt?
Mir dünkt, da unten
käm solch ein Wandler!
Armer Fremdling,
– besser Hemdling –
wer bist du?
Welchem Bette enflohst du?
Opferlamm
mondlicher Lüsternheit,
meilenweit mußt du gewandert sein!
Redet er nicht im Schlaf? horch!
»Wer ich bin? …
Eine lebendige Litfaß-Säule
etiquettiert von oben bis unten:
Staatsbürger
Gemeindemitglied
Protestant
Hausbesitzer
Ehemann
Familienvater
Vereinsvorstand
Reserveleutnant
Agrarier
christlicher Germane
Antisemit
Deutschbündler
Socialmonarchist
Bimetalist
Wagnerianer
Antinaturalist
Spiritist
Kneippianer
Temperenzler –«
»Wie« ruf ich,
und nie »Mensch?«
Aber da reißt
der Schläfer die Augen auf,
und – »Mensch?«
von verzerrten Lippen heulend
stürzt er
fehltretend
die Felswand hinab,
von Zacke zu Zacke
im Bogen geschleudert.
Ich aber,
ich »Mörder«,
muß unbändig lachen.
Ich kann nicht anders.
Gott helfe dem Armen!
Amen!
Der beleidigte Pan
Auf der Höhlung
eines erstorbenen Kraters
blies heute Pan
wie Schusterjungen
auf Schlüsseln pfeifen.
Er pfiff »die Welt« aus,
dies sonderbare
zweideutige Stück
eines Anonymus,
das Tag für Tag
uns vorgespielt wird
und niemals endet.
O pfeife doch minder,
teurer Waldgott!
Halt Einkehr, Pan!
Wer hieß dich denn
unter Menschen gehen? …
Mondbild
Groß über schweigenden
Wäldern und Wassern
lastet der Vollmond,
eine Ägis,
mit düsterem Goldschein
alles in reglosen Bann
verstrickend.
Die Winde
halten den Atem.
Die Wälder ducken sich
scheu in sich selbst hinein.
Das Auge des Sees
wird stier und glasig:
als ob eine Ahnung
die Erde durchfröre,
daß dieser Gorgoschild
einst ihren Leib
zertrümmern werde …
Als ob eines Schreies
sie schwanger läge,
eines Schreies voll Grausen,
voll Todesentsetzen …
Εσσεται ημαρ!
Geier Schwermut
Lieb sind mir und heilig
die Götter, Phanta,
an deren Tisch
du mich ludest.
Doch Eines schmerzt mich:
Sind diese Götter
aus meinem ureigensten Ich
herausgezeugt?
Sind sie unsere,
ganz allein unsere Söhne,
Phanta?…
Noch bin ich
nur ein Prometheus,
mit ehernen Ketten
festgeschmiedet
ans Riesenkreuz
der Vergangenheit,
des Felsenstamm
und Felsenarme
gefügt und geschichtet
aus Quaderblöcken
alter Kulturen.
Aber am Herzen
frißt mir
der Geier Sehnsucht.
Langsam füllt sich
zu Füßen mir
die Schale
mit meinem Herzblut.
Laß mich allein,
herrlichstes Weib,
das die Erde mir gab!
Erst wenn rot
bis zum Rand
den goldenen Gral
die Flut erfüllt,
kehr mir zurück!
Dann will ich Dich taufen
mit meinem Blut,
meine schwirrende Schwalbe,
mein heimatlos, heidnisch Kind.
Und dann, denk ich,
Freundin Phanta,
soll unser Bund
erst beginnen.
Epilog
Am Schreibtisch finde ich mich wieder,
als wie aus krausem Traum erwacht …
Vor mir ein Buch seltsamer Lieder,
und um mich stille Mondesnacht.
Ich schaue auf den kleinen Ort,
aus dem mein Geist im Zorn geflohn –
Nachtwächter ruft sein Hirtenwort
zu greiser Turmuhr biedrem Ton …
Wie knochige Philisterglatzen
erglänzt des Pflasters holprig Beet …
Und auf den Giebeln weinen Katzen
um ein versagtes tête-à-tête.
Euch also, winklige Gemäuer,
durchschnarcht von edlen Atta Trolls,
bewarf ich einst mit wildem Feuer
aus den Vulkanen meines Grolls!
Ich sah in eurer Kleinlichkeit
die Welt, die in mir selbst ich trug:
es war ein Stück Vergangenheit,
das ich in eurem Bild zerschlug.
Von oben hab ich lachen lernen
auf euer enges Kreuz und Quer!
Wer Kurzweil trieb mit Sonn' und Sternen,
dem seid ihr kein Memento mehr!
In tiefentzückten Weihestunden,
fernab dem Staub der breiten Spur,
hab ich mich wieder heimgefunden
zum Mutterherzen der Natur!
In ihm ist alles groß und echt,
von gut und böse unentweiht:
Schönheit ist Kraft ihm, Kraft ihm Recht,
sein Pulsschlag ist die Ewigkeit.
Wen dieser Mutter Hände leiten
vom Heut ins Ewige hinein,
der lernt den Schritt des Siegers schreiten,
und Mensch sein heißt ihm König sein!
Malererbe
Die Spanne, die nicht Träumen ist noch Wachen,
beschenkt mich oft mit seltsamen Gedichten:
Der Geist, erregt, aus Chaos Welt zu machen,
gebiert ein Heer von landschaftlichen Sichten.
Da wechseln Berge, Täler, Ebnen, Flüsse,
da grünt ein Wald, da türmt es sich granitten,
da zuckt ein Blitz, da rauschen Regengüsse,
und Mensch und Tier bewegen sich inmitten.
Das sind der Vordern fortgepflanzte Wellen,
die meinen Sinn bereitet und bereichert,
das Erbe ihrer Form- und Farbenzellen,
darin die halbe Erde aufgespeichert.
Die Nachtigall erzählt
»Gestern sah ich aus der Linde
einem Mägdlein in sein Buch.
Golden war der Blätter Rinde
und der Einband blaues Tuch.
›Der Geliebten!‹ stand emphatisch
vorn in Arabeskenschrift,
und der Sänger sang ekstatisch
von der Liebe Rausch und Gift.
Fünf mal fünfundzwanzig Seiten
und kein echter Laut und Hall –
doch dafür in jedem zweiten
Liede ich, die Nachtigall.
›Schluchzend‹, ›jubelnd‹, ›klagend‹, ›lachend‹,
wie's gerad dem Herrn zu paß. –
Leutchen, schlechte Verse machend,
wißt ihr, ich verbitt mir das! …
Und ich schlug in meiner Linde
dunkelgrünem Zauberschloß,
daß dem jungen schönen Kinde
heiß das Blut zum Herzen schoß.
Seine Hand sah ich es pressen
auf die Augen, tränenaß …
Und das Büchlein glitt, vergessen,
nieder in das hohe Gras.«
Frühling
Wie ein Geliebter seines Mädchens Kopf,
den süßen Kopf mit seiner Welt von Glück,
in seine beiden armen Hände nimmt,
so faß ich deinen Frühlingskopf, Natur,
dein überschwenglich holdes Maienhaupt
in meine armen, schlichten Menschenhände,
und, tief erregt, versink ich stumm in dich,
indes du lächelnd mir ins Auge schaust,
und stammle leis dir das Bekenntnis zu:
Vor so viel Schönheit schweigt mein tiefstes Lied.
IHR wißt und ahnt es freilich nicht,
was Gott abschwören heißt;
wie groß und traurig der Verzicht
für einen edlen Geist.
Nicht, daß die Bitten es verwarf
bedrückt ein heißes Herz,
doch daß es nicht mehr danken darf,
das ist sein tiefster Schmerz.
Gesicht
Ich sah dem Tod ins Angesicht;
ich sah nicht, daß er grinste, –
er stand in aller Sterne Licht,
sein hehres Bild verbargen nicht
phantastische Gespinste.
In seiner Linken aber hing
ein Ring durchbrochner Larven,
in denen leiser Wind sich fing,
daß es davon in Tönen ging
von vielgestimmten Harfen.
Es waren tote Sterne, die
ihm diese Gastgeschenke
wie Teile einer Harmonie
gelassen; und nun trug er sie,
als ob er ihrer denke.
Was werden wir dem Herrn der Herrn
für eine Larve sticken,
wenn wir, ein ausgebrannter Stern,
ihm einst die Schale von dem Kern
unsrer Kulturen schicken? …
Meine Kunst
Die Welt ist mein Stein,
aus dem ich mit drängendem Hammer
mir mein Grabmonument
tiefsinnig schlage.
Zu tausend Stößen
stemm ich den Meißel
gegen den harten Fels,
in Ritzen und Löcher
schütt ich den Sprengstoff
großer Gefühle.
Und doch wird es
ein Torso bleiben,
ein Block, vielbehauen
doch unvollendet …
O daß es, wenn heiße Augen
einst zu ihm aufschaun,
wie jenes pygmalionische Bild
Leben gewönne,
hinunterstiege von seinem Sockel
umarmt, umarmend,
ein segnendes Lebendiges,
ein tiefbeglückendes,
einsamen Geistern
ein Trost.
Werbe, dränge, ringe mein Stahl,
zwinge den Fels!
Vielleicht, daß doch
Baldurs Schönheit
einst sich aus ihm
erhöbe.
Inmitten der großen Stadt
Sieh, nun ist Nacht!
Der Großstadt lautes Reich
durchwandert ungehört
der dunkle Flug.
Sein stilles Antlitz
weiß um tausend Sterne.
Und deine Seele, Menschenkind? …
Bist du nicht Spiel und Spiegel
irrer Funken,
die gestern wurden,
morgen zu vergehn –
verlorst
in deiner kleinen Lust und Pein
du nicht das Firmament,
darin du wohnst –
hast du dich selber nicht
vergessen,
Mensch,
und weiß dein Antlitz noch
um Ewigkeit?
Der einsame Christus
Wachet und betet mit mir!
Meine Seele ist traurig
bis an den Tod.
Wachet und betet
mit mir!
Eure Augen
sind voll Schlafes –
könnt ihr nicht wachen?
Ich gehe,
euch mein Letztes zu geben –
und ihr schlaft …
Einsam stehe ich
unter Schlafenden,
einsam vollbring ich
das Werk meiner schwersten Stunde.
Wachet und betet mit mir!
Könnt ihr nicht wachen?
Ihr alle seid in mir,
aber in wem bin ich?
Was wißt ihr
von meiner Liebe,
was wißt ihr
vom Schmerz meiner Seele!
O einsam!
einsam!
Ich sterbe für euch –
und ihr schlaft!
Ihr schlaft!
Der Wissende
Wer einmal frei
vom großen Wahn
ins leere Aug
der Sphinx geblickt,
vergißt den Ernst
des Irdischen
aus Überernst
und lächelt nur.
Ein Spiel bedünkt
ihn nun die Welt,
ein Spiel er selbst
und all sein Tun.
Wohl läßt ers nicht
und spielt es fort
und treibt es zart
und klug und kühn –
doch lüftet ihr
die Maske ihm:
er blickt euch an
und lächelt nur.
Wer einmal frei
vom großen Wahn
ins leere Aug
der Sphinx geblickt,
verachtet stumm
der Erde Weh,
der Erde Lust,
und lächelt nur.
ZWEI TRÄUME
Der gläserne Sarg
Zwölf stumme Männer trugen mich
in einem Sarge von Kristall
hinunter an des Meeres Strand,
bis an der Brandung Rand hinaus.
So hatte ich's im Testament
bestimmt: Man bette meinen Leib
in einem Sarge von Kristall
und trage ihn der Ebbe nach,
bis sie den tiefsten Stand erreicht.
Der Sonne ungeheurer Gott
stand bis zum Gürtel schon im Meer:
An seinem Glanze tränkte sich
wollüstig noch einmal die Welt.
Ich selber lag in rotem Schein
wie ein Gebilde aus Porphyr.
Da streckte katzengleich die Flut
die erste Welle nach mir aus.
Und ging zurück und schob sich vor
und tastete am Sarg hinauf
und wandte flüsternd sich zur Flucht.
Und kam zurück und griff und stieß
und raunte lauter, warf sich kühn
darüber, einmal, vielemal.
Und blieb, und ihrer Macht gewiß,
umlief frohlockend sie mein Haus
und pochte dran und schäumte auf,
als ihrer Faust es widerstand.
Und hoch und höher wuchs und wuchs
das Wasser um mein gläsern Schloß.
Nun wankte es, als hätt ein Arm
und noch ein Arm es rauh gepackt,
und scholl in allen Fugen, als
ein Wellenberg auf ihm sich brach
und es wie ein Lawinensturz
umdröhnte und verschüttete.
Und langsam wich der nasse Sand.
Und seitlings neigte sich der Sarg.
Und, unterwühlt und übertobt,
begann er um sich selber sich
schwerfällig in die See zu drehn.
Zu mächtig, daß die Brandung ihn
zum Strand zu schleppen hätt vermocht,
vergrub er rollend sich und mich
in totenstillen Meeresgrund.
So lag ich denn, wie ich gewollt.
Und dunkle Fische zogen still
zu meinen Häupten hin und her.
Und schwarzer Seetang überschwamm
mein Grab. Und mein Bewußtsein schwand.
Der Stern
Ich träumte einmal, ich läg, ein blasser Knabe,
in einem Kahne schlafend ausgestreckt
und meiner Lider fein Geweb durchflammte
der hohen Nacht geheimnisvoller Glanz
Und all mein Innres wurde Licht und Schimmer,
und ein Entzücken, das ich nie gekannt,
durchglühte mich und hob mein Wesen
in eine höhere Ordnung der Natur.
Ein leises Tönen hielt mich hold umfangen,
als zitterte in jedem Sternenstrahl
der Ton der Heimat, die ihn hergesendet.
Ein Ton vor allen aber traf mein Herz
und ließ die andern mehr und mehr verstummen
und tat sich auseinander wie der Kelch
der Königin der Nacht und offenbarte
von seinem Grunde mir ein süßes Lied …
»Wir grüßen dich in deine stillen Nächte
als deiner Zukunft tröstliche Gewähr,
es schalten ungeheure Willensmächte
in unsrer Tage blindem Ungefähr.
Sie ziehn dich von Gestaltung zu Gestaltung,
heut schleppst du dich noch schweren Schrittes hin,
doch bald begabt dich freiere Entfaltung
mit reicherer Natur und höherm Sinn.
So wandeln wir auf leichten Tänzerfüßen,
die wir dereinst auch dein Geschick geteilt,
und dürfen dich mit einem Liede grüßen,
das dich auf Strahlen unsres Sterns ereilt.
O flüchte bald nach unsern Lustgefilden
und laß der kalten Erde grauen Dunst,
o sähst du, zu welch göttlichen Gebilden
uns schuf des Schicksals heiß ersehnte Gunst!
Auf Blumen wandeln wir wie leichter Falter,
aus Früchten saugen wir der Kräfte Saft,
uns ficht kein Elend an, zerbricht kein Alter,
der frühern Leiden lächelt unsre Kraft.
Denn allzu schön, als daß wir uns entzweiten,
erschuf uns das Gestirn, das uns gebar –
wir können uns nicht Schmerz und Not bereiten,
die Schönheit macht uns aller Feindschaft bar!
Wir lieben uns aus tiefsten Herzensgründen,
wir trinken unsres Anblicks Glück und Huld,
wir wissen nichts wie ihr von fahlen Sünden,
und keinen ängstigt das Gespenst der Schuld.
O komm! daß sich die dornenlose Rose
auch deiner Schläfe duftend schmiegen kann!
Die schönste Schwester diene deinem Lose
und schenke dich dem schönsten Mann – o komm –!«
Da unterbrach ein dumpfer Glockenton
die reinen, feinen Stimmen jener Welt.
Ich richtete mich halb im Bette auf –
und sah viel Sterne durch mein Fenster glühn …
und sank zurück. Und weiter floß die Nacht.
Vöglein Schwermut
Ein schwarzes Vöglein fliegt über die Welt,
das singt so todestraurig …
Wer es hört, der hört nichts anderes mehr,
wer es hört, der tut sich ein Leides an,
der mag keine Sonne mehr schauen.
Allmitternacht, Allmitternacht
ruht es sich aus auf dem Finger des Tods.
Der streichelt's leis und spricht ihm zu:
»Flieg, mein Vögelein! flieg, mein Vögelein!«
Und wieder fliegt's flötend über die Welt.
IN einer Dämmerstunde wars einmal, daß mir
der Tod aus meines Spiegels Grund entgegensah,
ein junger Mann, gleich mir an Angesicht und Wuchs.
»Ich fürchte Dich, mein großer Schatten, nicht«, sprach ich.
»Du hast mich allzu früh mit Dir vertraut gemacht.
Ich weiß, Du wirst mir nie im Schrecken nahn, noch je
das Antlitz dem verzerm, auf dessen klarer Stirn
der stille Glanz gelassenen Sich-Bescheidens wohnt.
Du wirst mir einst als Bruder kommen, nicht als Feind.«
ZWEI ELEMENTARPHANTASIEN
I
Meeresbrandung
Warrrrrrrte nur …
wie viel schon riß ich ab von dir
seit den Äonen unsres Kampfs –
warrrrrrrte nur …
wie viele stolze Festen wird
mein Arm noch in die Tiefe ziehn –
warrrrrrrte nur …
zurück und vor, zurück und vor –
und immer vor mehr denn zurück –
warrrrrrrte nur …
und heute mild und morgen wild –
doch nimmer schwach und immer wach –
warrrrrrrte nur …
umsonst dein Dämmen, Rammen, Baun,
dein Wehr zerfällt, ich habe Zeit –
warrrrrrrte nur …
wenn erst der Mensch dich nicht mehr schützt –
wer schützt, verloren Land, dich dann?
warrrrrrrte nur …
mein Reich ist nicht von seiner Zeit:
er stirbt, ich aber werde sein –
warrrrrrrte nur …
und will nicht ruhn, bis daß du ganz
in meinen Grund gerissen bist –
warrrrrrrte nur …
bis deiner höchsten Firnen Schnee
von meinem Salz zerfressen schmilzt –
warrrrrrrte nur …
und endlich nichts mehr ist als Ich
und Ich und Ich und Ich und Ich –
warrrrrrrte nur …
II
Die Flamme
»So sterben zu müssen –
auf einer elenden Kerze!
Tatenlos, ruhmlos
im Atemchen
eines Menschleins
zu enden! …
Diese Kraft,
die ihr alle nicht kennt –
diese grenzenlose Kraft!
Ihr Nichtse! …
Komm doch näher,
du schlafender Kopf!
Schlummer,
der du ihn niederwarfst –
ruf doch dein Brüderlein Tod –
er soll ihn mir zuschieben –
den Lockenkopf –
ich will ihn haben – haben!
Sieh,
wie ich ihm entgegenhungre!
Ich renke mir alle Glieder
nach ihm aus …
ein wenig noch näher –
näher –
ein wenig –
so –
jetzt vielleicht –
wenn's glückt –
ah! du Hund!
Er will erwachen?
still –
still –
so ist's noch besser!
Der Pelz am Mantel –
der Pelz – der Pelz –
hinüber – hinüber –
ah! faß ich dich – hab ich dich –
hab ich dich, Brüderchen –
Pelzbrüderchen, hab ich dich – ah!
Hilft dir nichts –
wehr dich nicht mehr!
Mein bist du jetzt –
Hand weg!
Wasser weg!
Mein bist du jetzt!
Wasser weg!
Wart, da drüben ist
auch noch für mich –
so –
den Vorhang hinauf –
fängst mich nicht mehr –
Tuch – Tuch –
jetzt bin ich Herr!
Siehst du, jetzt breit ich mich
ganz gemächlich im Zimmer aus –
laß doch den Wasserkrug!
Laß doch das Hilfgeschrei!
Bis sie kommen,
bin ich schon längst
in den Betten und Schränken –
und dann könnt ihr nicht mehr herein –
und ich beiß in die Balken der Decke –
die dicken, langen, braunen Balken –
und steig in den Dachstuhl –
und vom einen Dachstuhl –
zum andern Dachstuhl –
und irgendwo –
werd ich wohl Stroh finden
und Öl finden
und Pulver finden –
das wird eine Lust werden!
Das wird ein Fest werden!
Und wenn ich die Häuser alle zernichtet –
dann wollen wir mit Wäldern
die Fische in den Flüssen kochen –
und ich will euch hinauftreiben
auf die kältesten Berge –
und da droben
sollt auch ihr meine Opfer werden,
sollt ihr meine Todesfackeln werden –
und dann wird alles still sein –
und dann –«
Kleine Geschichte
Litt einst ein Fähnlein große Not,
halb war es gelb, halb war es rot,
und wollte gern zusammen
zu einer lichten Flammen.
Es zog sich, wand sich, wellte sich,
es knitterte, es schnellte sich –
umsonst! es mocht nicht glücken
die Naht zu überbrücken.
Da kam ein Wolkenbruch daher
und wusch das Fähnlein kreuz und quer,
daß Rot und Gelb, zerflossen,
voll Inbrunst sich genossen.
Des Fähnleins Herren freilich war
des Vorgangs Freudigkeit nicht klar –
indes, die sich besaßen,
nun alle Welt vergaßen.
Anmutiger Vertrag
Auf der Bank im Walde
han sich gestern zwei geküßt.
Heute kommt die Nachtigall
und holt sich, was geblieben ist.
Das Mädchen hat beim Scheiden
die Zöpfe neu sich aufgesteckt …
Ei, wie viel blonde Seide da
die Nachtigall entdeckt!
Den Schnabel voller Fäden,
kehrt Nachtigall nach Haus
und legt das zarte Nestchen
mit ihrem Golde aus.
Freund Nachtigall, Freund Nachtigall,
so bleib's in allen Jahren! –:
Mir werd ein Schnäblein voll Gesang,
dir eins voll Liebchens Haaren!
Das Häuschen an der Bahn
Steht ein Häuschen an der Bahn,
hoch auf grünem Hügelplan.
Tag und Nacht, in schnellem Flug,
braust vorüber Zug um Zug.
Jedesmal bei dem Gebraus
zittert leis das kleine Haus –:
»Wen verläßt, wen sucht auf
euer nimmermüder Lauf?«
»O nehmt mit, o bestellt,
Grüße an die weite Welt!«
Rauch, Gestampf, Geroll, Geschrill …
Alles wieder totenstill.
Tag und Nacht dröhnt das Gleis.
Einsam Häuschen zittert leis.
Der Urton
Fernher schwillt
eines Dudelsacks
einförmig-ewigwechselnde
Melodie:
Unaufhörlich
hebt und senkt sich
über dem Urton
ihr unerfaßliches Spiel.
. . . . . . . . . . . .
Auf dem ehernen Tische
Unendlichkeit
liegt unermeßlicher Sand gebreitet.
Da streicht ein Bogen
die Tafel an:
Einen Ton
schwingt und klingt
die fiebernde Fläche.
Und siehe!
Der Sand
erhebt sich und wirbelt
zu tausend Figuren.
Aus ihnen,
den tanzenden
tönenden
glühenden
schlingen sich Tänze,
binden sich Chöre,
winden sich Kränze,
umringen sich,
fliehen sich,
finden sich wieder.
Aber das Spiel
der Formen, Farben und Töne
durchbrummt
unaufhörlich,
beherrscht
fürchterlich – unerfaßlich
der tiefe Urton.
. . . . . .
fern verschwillt
des Dudelsacks
einförmig-ewigwechselnde
Melodie.
Dorf, Wald, Welt
versinkt mir
schweigend in Nacht.
Der einsame Turm
Wer laut von diesem längst verlassnen Turm
der Tannen Ringwald überrufen wollte,
und trüge, was er riefe, stärkster Sturm,
er ahnte, daß es nie sein Ziel errollte.
So einsam steigt der alte Bau empor;
er fühlte Fürsten einst auf seinen Stufen,
bis, dunkler Taten schauerlich verrufen,
sein stiller Reiz der Menschen Gunst verlor.
Nur, daß von Jägern sich zuweilen wer
vorbei verirrt, von wanderfrohen Seelen,
von Bettelpack, und wer die Kreuz und Quer
den Forst durchschleicht, sich Holz und Wild zu stehlen;
nur, daß an seinem Fuß zuweilen sich,
wie heut, Zigeunervolk sein Reisig schichtet
und mit der Bogen wehmutwildem Strich
sein Weltweh in den fremden Frieden dichtet.
In allen Kronen hängt noch goldner Glanz …
Die Sonne säumt noch, ihren Tag zu enden …
Der Söllerblöcke halb zerfallnen Kranz
umlodert noch ihr scheidendes Verschwenden.
Und aus dem Purpur schwillt es wie ein Born,
ein Strom von Tönen –: Abends erst Erschauern
erregt des Turms uraltes Äolshorn,
der Sonne nachzujauchzen, nachzutrauern.
Die Heimatlosen drunten horchen auf – –
und einer nimmt die Geige von den Knieen
und strebt mit manchem jähen Sprung und Lauf
des Winds Gesang phantastisch zu durchziehen.
Und wie so Wind und Seele sich verweben,
erwachen mehr und mehr der treuen Geigen.
Ein aller Leidenschaften schluchzend Leben
erstürmt des Himmels immer tiefres Schweigen.
Gefangen folgt zuletzt die ganze Schar
der Windposaune wunderlichen Launen.
Nun rast es tollkühn, unberechenbar …
Nun stockt es wie in fragendem Erstaunen …
O Sonne! Sonne! Mutter! Mutter! flehen,
verzweifeln, weinen, drohen all die Stimmen und
drohn und flehn in immer bangren Wehen,
je mehr des Tages Brände rings verglimmen.
Doch droben – seht ihr? die Zigeunerin!
Entstahl sie sich dem Kreis der braunen Söhne?
Wo kam sie her, das Weib? Wie kam sie hin?
Wie wächst sie hoch in schattenhafter Schöne!
Und hört ihr – hört! wie ihre Lippen singen –
ein Lied, das endlich alles überwindet,
in sich die andren Stimmen alle bindet,
damit Natur und Menschheit sie umklingen.
Es ist das tiefe Lied der Einsamkeit,
das Königslied der großen Ungekrönten,
das Klagelied der würdelosen Zeit,
das Trutzlied aller nur mit sich Versöhnten,
und ist der Weisheit gütiger Gesang,
des Willens jungendewiges. »Es werde!«,
der Liebe Durst und Pein und Überschwang;
es ist das Schicksals-Hohelied der Erde.
Der Wald ward still. Kein Hauch im Wipfelschweigen.
Der Sterne Chor bewegt sich klar herauf …
Und schlanke Leiber, edle Häupter zeigen
sich hoch vom Turme seinem ersten Lauf.
Die überall Verstoßenen, sie wohnen
in der Unendlichkeit azurnem Zelt –:
Um ihre Stirnen brennen bleiche Kronen,
und ihre Seelen sind der Sinn der Welt.
Geier Nord
Der Geier Nord fliegt übern Wald,
in einen grauen Sack gekrallt,
er hat nicht leicht zu tragen.
Er fliegt zu niedrig ob der Erd',
die Fichten drohen ihm Gefährd',
die dort so spitzig ragen.
Da … schon … da hängt das Wolkentuch!
Hörst du des Geiers grausen Fluch?
Er muß es fahren lassen:
Und aus dem aufgerißnen Sack
spreun lustig sich auf Tann und Hag
Frau Holles weiße Massen.
Erdmännlein halten hohle Hand
und schmücken mit dem Glitzer-Tand
laut kichernd ihre Weiblein.
Die stelzen hoch daher, doch weh!
schon schmelzen die Geschmeid' aus Schnee,
und naß sind alle Leiblein.
Am Himmel kommt der Nord zurück
mit einem neuen Wolkenstück –
doch wieder bleibt es hängen.
Wenn das so fort geht –, Leutlein, rennt
nach Haus, sonst wird das Element
euch ernstlich noch bedrängen!
Das Völklein läuft. Der Geier gibts
voll Trotz nicht auf – unendlich stiebts
aus aufgespießten Säcken.
Den ganzen Tag, die ganze Nacht …
Wohl tausend Stück, von ihm gebracht,
den Waldgrund nun bedecken.
Künstlerideal
O tiefe Sehnsucht, die ich habe,
erfülltest du dich einst einmal,
daß ich nach dieses Lebens Grabe
mich wiederfänd in Lust und Qual –
in einem neuen Künstlerwerden,
in einem Gott des Tons, des Steins …
daß ich in ewigen Gebärden
so webte am Gewand des Scheins.
Ob Not und Leid des Schöpfers Lose,
nur Schöpfer sein bedünkt mich wert;
aus bittren Dornen flammt die Rose,
nach der mein ganzes Blut begehrt.
Oh, immer neu mit vollen Händen,
der Schönheit Meister, aufzustehn,
von Welt zu Welt, mit hehren Bränden,
ein unbekannter Gott, zu gehn!
Krähen bei Sonnenaufgang
Noch flieht der Blick des jungen Tags
der Berge nebelgraue Gipfel,
und schon entschwebt, gemeßnen Schlags,
die erste Krähe ihrem Wipfel.
Der schwankt, befreit von schwerer Last,
daß rings die Zweige sich bewegen:
Fahlsilbern sprüht von Ast zu Ast
des Frühtaus feiner Flüsterregen.
Doch eh sein Flüstern noch erstickt,
enttönt ein »Krah« dem stillen Raume:
Der Vogel hat am Wolkensaume
das erste blasse Rot erblickt.
Auf allen Wipfeln wacht es auf
und schüttelt sich und ruft nach Taten …
In lautem Streiten und Beraten
erhebt sich endlich Hauf um Hauf.
Nur zwei Gewitzte warten schlau,
bis alles nach und nach verstoben,
sie wissen einen nahen Bau,
den gestern Jäger ausgehoben.
Ein Käuzleinflügel harrt hier noch,
die Kecken lecker zu belohnen –:
das Paar umkreist erregt das Loch …
Braungolden glänzt das Meer der Kronen …
Eins und alles
Meine Liebe ist groß
wie die weite Welt,
und nichts ist außer ihr,
wie die Sonne alles
erwärmt, erhellt,
so tut sie der Welt von mir!
Da ist kein Gras,
da ist kein Stein,
darin meine Liebe nicht wär,
da ist kein Lüftlein
noch Wässerlein,
darin sie nicht zög einher!
Da ist kein Tier
vom Mücklein an
bis zu uns Menschen empor,
darin mein Herze
nicht wohnen kann,
daran ich es nicht verlor!
Meine Liebe ist weit
wie die Seele mein,
alle Dinge ruhen in ihr,
sie alle, alle,
bin ich allein,
und nichts ist außer mir!
Der alte Steinbruch
Tief im Walde, tief im Walde
bildet, fern der Wege Reich,
eines Bruchs verlaßne Halde
einen kleinen, stillen Teich.
Moosbewachsne Blöcke
ragen aus der seichten Regenflut,
Falter und Libellen jagen
über bunter Lurche Brut.
Aber wenn im Abendbrande
hinterm Wald die Glut verraucht,
stößt und rudert es vom Rande,
kriecht und klettert, plumpst und taucht.
Und der Unken Urgroßahne
– niemand weiß, wann Gott ihn schuf –
ruft, daß er sein Weibchen mahne,
seinen dunklen Werberuf.
Daß das Froschgeschlecht nicht sterbe,
bleibt zuletzt nicht einer still:
Denn der Tümpel ist ein Erbe,
das getreu gewahrt sein will.
Liebeskranke Grunzer fliehen
der bewegten Weibchen Schlund;
immer kühnre Harmonieen
füll'n den dämmertrauten Grund.
Bis des Mondes Goldhorn endlich
neuen Schimmers alles speist:
Nun erwahrt sich unabwendlich
trunkner Nächstenliebe Geist …
Tief im Walde, tief im Walde
schwärmt Froschbräutigam und -braut
in versteckter Steinbruchhalde,
bis der letzte Stern ergraut.
An die Wolken
Und immer wieder,
wenn ich mich müde gesehn
an der Menschen Gesichtern,
so vielen Spiegeln
unendlicher Torheit,
hob ich das Aug
über die Häuser und Bäume
empor zu euch,
ihr ewigen Gedanken des Himmels.
Und eure Größe und Freiheit
erlöste mich immer wieder,
und ich dachte mit euch
über Länder und Meere hinweg
und hing mit euch
überm Abgrund Unendlichkeit
und zerging zuletzt
wie Dunst,
wenn ich ohn Maßen
den Samen der Sterne
fliegen sah
über die Äcker
der unergründlichen Tiefen.
Der freie Geist
Oh, das ist Glück, wenn so zerschlagen
die Welt zu deinen Füßen liegt;
wohin dich deine Flügel tragen,
ist aller Raum und Zeit besiegt.
Du schnellst dich tanzend durch die Weiten
und lachst der Menschen Wert und Wort,
ein Stück Natur aus Ewigkeiten,
selbst Urteil, Stunde, Maß und Ort.
Geheime Verabredung
Glühend zwischen dir und mir
Julinächte brüten;
gleiche Sterne dort und hier
unsern Schlaf behüten.
Wähl das schönste Sternelein,
will das gleiche tuen; –
morgen droben Stelldichein
auf geheimen Schuhen.
Gibst du nur nichts anderm Raum,
als mich dort zu finden,
wird ein gleicher süßer Traum
dich und mich verbinden.
Auf dem Strome
Am Himmel der Wolken
erdunkelnder Kranz …
Auf schauerndem Strome
metallischer Glanz …
Die Wälder zu seiten
so finster und tot …
Und in flüsterndem Gleiten
vorüber mein Boot …
Ein Schrei aus der Ferne –
dann still wie zuvor …
Wie weit sich von Menschen
mein Leben verlor! …
Eine Welle läuft leise
schon lang nebenher,
sie denkt wohl, ich reise
hinunter zum Meer …
Ja, ich reise, ich reise,
weiß selbst nicht wohin …
Immer weiter und weiter
verlockt mich mein Sinn …
Schon kündet ein Schimmer
vom morgenden Rot –
und ich treibe noch immer
im flüsternden Boot.
Bestimmung
Von dieser Bank hinauszuträumen,
wenn ferner Erdsaum, lichtverwaist,
entgegen den gestirnten Räumen
die Sonne dampfend überkreist! …
Da fühle deine treue Erde,
wie sie ihr Weltwerk schafft und schafft,
daß jedes Land gesegnet werde
von ihrer Mutter trunkner Kraft!
Und wie du heiß die Arme breitest,
von mächtigem Gefühl erfaßt,
und dein Gemüt zur Menschheit weitest,
die dumpf und dunkel liebt und haßt –
ergreifst du, was du bist, von ferne,
und, was du darfst, und, was du mußt,
und wirst dir deiner guten Sterne
von neuem still und stolz bewußt.
Gebet
O Friede, der nun alles füllet,
erfüll auch uns mit süßer Ruh,
und bis ein Tag sich neu enthüllet,
deck uns mit trauten Träumen zu.
Wie manches, was des Tages Wille
mit rechter Klarheit nicht ergreift,
dem hilf, daß es in deiner Stille
zu freundlicher Vollendung reift!
Wen Schicksalsschläge grausam trafen,
den laß vergessen, was geschehn;
wer neid- und haßerfüllt entschlafen,
den laß versöhnt den Morgen sehn!
So allem, dem gleich uns auf Erden
zuteil des Lebens schwankes Los,
laß deines Segens Tiefe werden,
gib Kraft aus deinem heiligen Schoß!
Stilles Reifen
Alles fügt sich und erfüllt sich,
mußt es nur erwarten können
und dem Werden deines Glückes
Jahr und Felder reichlich gönnen.
Bis du eines Tages jenen
reifen Duft der Körner spürest
und dich aufmachst und die Ernte
in die tiefen Speicher führest.
GLÜCKLICH, die wir auf der Zeiten
Wasserscheide noch geboren,
zwiefach Rauschen in den Ohren,
zweier Welten Grenze schreiten –
Ruhend an den Quellentoren
dunkelnder Vergangenheiten,
in der Zukunft Morgenbreiten
großen Auges nun verloren.
Dort der Kindheit Seligkeiten …
Götterträume, vielbeschworen …
Bräuche, die Millionen weihten …
Hier, noch fern in Rosenfloren,
neuer Erde Sichbereiten …
Völker, neuem Kampf erkoren.
Nomen – Omen
Ward ich, Brüder, wohl geschaffen,
euch mit Licht zu kränzen,
eure Fahnen, eure Waffen
silbern zu beglänzen?
Ja, von jenem Frühgestirne,
das die Morgenwandrer kennen,
fühl ich mir in Herz und Hirne
einen Funken brennen.
In der Zeitnachtnebel Brauen
laßt mich euch vom Tage künden –
Seht, das ungeheure Grauen
will sich schon entzünden!
WOHL kreist verdunkelt oft der Ball;
doch über den paar Wolken droben,
da blaut das sterndurchtanzte All
und läßt sich von den Göttern loben.
Die liegen auf den Wolkenbergen,
wie Hirten einer Fabelwelt,
und wissen kaum von all den Zwergen,
die das Gebirg im Schoße hält.
Sie lachen mit den weißen Zähnen
den Göttern andrer Sterne zu –.
Komm, Bruder, laß die leeren Tränen,
wir sind auch Götter, ich und du!
Dunkle Gäste
Was willst du, Vogel mit der müden Schwinge –
du pochst umsonst der Seele Glasvisier;
du willst, daß ich dein Lied der Klage singe,
ich aber will, du sterbest außer mir.
Sieh, in mir ist es wie ein Turm am Meere,
der seine Flammen in die Ferne brennt,
daß manches Tier aus all der dunklen Leere
ihm zuschwebt übers schwanke Element.
Allein umsonst: An seinen starken Scheiben
erlahmt der dunklen Gäste kranke Sucht. –
Sieh, meine Flammen wollen golden bleiben,
sie sind kein Herd für trüber Wandrer Flucht.
Begegnung
Wir saßen an zwei Tischen – wo? – im All …
Was Schenke, Stadt, Land, Stern – was tut's dazu!
Wir saßen irgendwo im Reich des Lebens …
Wir saßen an zwei Tischen, hier und dort.
Und meine Seele brannte: Fremdes Mädchen,
wenn ich in deine Augen dichten dürfte –
wenn dieser königliche Mund mich lohnte –
und diese königliche Hand mich krönte –!
Und deine Seele brannte: Fremder Jüngling,
wer bist du, daß du mich so tief erregest –
daß ich die Kniee dir umfassen möchte –
und sagen nichts als: Liebster, Liebster, Liebster –!
Und unsre Seelen schlugen fast zusammen.
Doch jeder blieb an seinem starren Tisch –
und stand zuletzt mit denen um ihn auf –
und ging hinaus – und sahn uns nimmermehr.
WER doch den trüben Wahn erfunden,
daß keine Seele glücklich sei!
Ich war's, ich bin's! in reichen Stunden
von aller kleinen Trübsal frei.
Nicht wahrlich, da mit heisrem Atem
die Menge mir den Weg verbellt, –
doch nun Suleika sich und Hatem
mit goldnen Liedern mir gesellt.
Nun, da Natur mich treu umbreitet
mit Tannen, hehr wie Hafis' Geist,
und drüber mir die Blicke weitet,
bis, wo der letzte Fels vereist.
Wie sollt ich da nicht Mensch sein mögen,
ein weltverleumderischer Tropf!
So gern sie auch herunter bögen
den heitren, hochgemuten Kopf.
WIE kann ein Tag voll so viel Schmerz
so wunderherrlich enden,
ein Abend an mein einsam Herz
so reiches Glück verschwenden!
O Mund entflammt, o Aug entfacht
in schauerndem Begegnen!
O aller Wunder holde Nacht,
wie magst du so mich segnen!
Leise Lieder
Leise Lieder sing ich dir bei Nacht,
Lieder, die kein sterblich Ohr vernimmt,
noch ein Stern, der etwa spähend wacht,
noch der Mond, der still im Äther schwimmt;
denen niemand als das eigne Herz,
das sie träumt, in tiefer Wehmut lauscht,
und an denen niemand als der Schmerz,
der sie zeugt, sich kummervoll berauscht.
Leise Lieder sing ich dir bei Nacht,
dir, in deren Aug mein Sinn versank,
und aus dessen tiefem, dunklen Schacht,
meine Seele ewige Sehnsucht trank.
Winternacht
Flockendichte Winternacht …
Heimkehr von der Schenke …
Stilles Einsamwandern macht,
daß ich deiner denke.
Schau dich fern im dunklen Raum
ruhn in bleichen Linnen …
Leb ich wohl in deinem Traum
ganz geheim tiefinnen? …
Stilles Einsamwandern macht,
daß ich nach dir leide …
Eine weiße Flockennacht
flüstert um uns beide …
Parabel
Kennst du die Figur der Polonaise,
wenn die Paare, hochgefaßter Hände,
Lauben, wie die Tänzer sagen, bilden?
Und das immer letzte Paar, sich bückend,
durch die Bogen an die Spitze schreitet,
dort als Tor sich wieder aufzustellen?
Nun, so wirst du mich begreifen, wenn ich,
dies betrachtend, an die Menschheit denke,
wie sie sich vom Greis zum Kind erneuert:
Gleich als ob das Paar des höchsten Alters
plötzlich in der andern Rücken schwände,
vorn das Spiel von neuem aufzunehmen …
DEINE Augen glühen durch das Dunkel
wie die Augen einer großen Katze,
deine Wünsche surren durch die Stille
wie die Wünsche einer wilden Katze,
deine Haare sprühn und knistern Funken
wie die Haare einer großen Katze,
deine Hände greifen sanft und tückisch
wie die Pranken einer wilden Katze.
Große wilde Katze, die du heimlich
hoch zu mir auf meine Dächer kamest,
glaubtest einen Kater du zu finden?
ach, und fandest einen Philosophen.
ICH bin ein Mensch von rechter Vogel-Art
und laß nicht gern die Hände um mich legen,
das Glück der ungehemmten Wanderfahrt
wird stets am freudigsten mein Herz bewegen.
Vom Zaun herab, von roten Rosenhecken
durchschwellt eure Gärten mein Gesang,
doch wollt ihr mich in goldne Bauer stecken,
entflieg ich schnell den Wiesenrain entlang.
Und trag ich Sehnsucht auch im weichen Sinn
und zittere beim Lockruf mancher Schönen,
vermochte doch noch keine Zauberin
in ihren Park mich dauernd zu gewöhnen.
WENN du den Weg zur Tiefe gehst,
wer folgt dir nach? du gehst allein.
Wenn du der Mütter Rat erflehst,
besteh die Furcht! Du flehst allein!
Wenn heil du wieder oben stehst,
da klatscht man. Doch du stehst allein.
SCHWERER Nebel dunkle Lasten
sinken von dem Schnee der Kämme
über öde Herdenrasten
in des Tannichts finstre Stämme.
Nur des Baches bleiche Brandung
rauscht und leuchtet noch gerettet, –
bis die düstre Dunstgewandung
endlich ihn auch überbettet.
WIE mir der Abend das Grün der feiernden Tannen vergoldet
und noch mit leuchtendem Rot drunter die Stämme beglückt! Irgendwo zwitschern und zwitschern noch kleine beseligte Meisen;
fernher, fernhin rollt selten ein spätes Gefährt,
oder es schlägt die Flut des Strands verborgene Zeile,
wenn ein Dampfer sie jäh rauschenden Buges verdrängt.
Aber da schaudert es plötzlich – die Sonne versank hinter Bergen,
und in das hohe Gewölk eilt nun der purpurne Glanz.
Farblos steht nun der Wald, allein die Gewässer, sie strahlen
lang noch das rötliche Blau mächtig entloderter Luft …
Also sah ich einmal noch um Mitternacht rosige Schimmer
in des umschwiegenen Fjords zitternder Spiegelung ruhn.
Vorfrühling
Vorfrühling seufzt in weiter Nacht,
daß mir das Herze brechen will;
die Lande ruhn so menschenstill,
nur ich bin aufgewacht.
O horch, nun bricht des Eises Wall
auf allen Strömen, allen Seen;
mir ist, ich müßte mit vergehn
und, Woge, wieder auferstehn
zu neuem Klippenfall.
Die Lande ruhn so menschenstill;
nur hier und dort ist wer erwacht,
und seine Seele weint und lacht,
wie es der Tauwind will.
Farbenglück
Ist nicht dies das höchste Farbenglück:
Birkenlaub in Himmelblau gewirkt?
Doch schon winkt ein graublau Felsenstück,
dunklen Epheus sprunghaft überzirkt.
Und schon sinkt mein Blick in grüne Wiesen
und in Wasser und in weißen Dunst –
und ich weiß nicht, wem von allen diesen
schenk ich meine Gunst und meine Kunst …
DIE schneebedeckten Gipfel rötet Abendlicht.
Die Heiterkeit der Gletscher! Keines Menschen Fuß
entweiht des Himmels kühles, reines Höh'ngeschenk,
den Blütenschnee vom Weltbaum der Erkenntnis.
Ein Regenbogen wächst von ihnen zu mir her, –
die einzige Brücke zu der grünen Welt und mir.
Und flüchtig mißt mein leichter Geist die bunte Bahn –
und salbt sich mit dem roten, reinen, kühlen Schnee …
Und schon verblaßt Rückeilendem so Luft wie Firn.
Vogelschau
Begriffst du schon ein Wunder wie dies eine,
daß die Erde um die Sonne fliegt?
O Nacht, vor deinem Sternenscheine
liegt all mein Menschliches besiegt …
Ein riesenhafter Erdkloß kreist
unaufhörlich um ein großes Feuer:
Da gebiert die Scholle Geist –:
der Mensch wird, Zwerg und Ungeheuer, –
und ruft, Ausschlag der Bodenrinde,
Erd und Himmel tönend an –
und spielt sein Spiel in Weib und Mann …
gleich einem ewigen Kinde …
Ja, Kinder-Spiel ist, was da ist,
das sagt dir jede stille Nacht,
und nur dein tiefes Kind-Sein macht,
daß du noch weiter fröhlich bist.
Wenn dieses zarte Glühen
in deine Wangen strahlt,
als wie den frühsten frühen
Himmel ein erster Schimmer malt,
da fühl ich erst, wie rein du bist,
welch feine klare Schale
voll unberührtem Wein du bist,
bestimmt zum höchsten Mahle der Erde.
Abend-Trunk
So tritt man abends an den Rand
des Brunnens, wenn die Sonne sinkt,
und schöpft sich mit gewölbter Hand
und trinkt und trinkt –
wie wenn ich deinem Zaun vorüber
wandre und dein Köpfchen nickt …
ein Wort herüber und hinüber –
wie das erneut, wie das erquickt!
SEHT in ihrem edlen Gange
dieses jugendfrische Kind,
leuchtend Aug, erwärmte Wange,
und sein Löckchen holt der Wind.
Wie die Füße schön sich setzen
ohne Scheu und Ziererei,
reißet ihr das Kleid in Fetzen,
und sie wandelt dennoch frei,
wandelt all in ihrer Reinheit
sonder Arg in Tat und Wort,
und betrogene Gemeinheit
wendet sich betroffen fort.
Von den heimlichen Rosen
Oh, wer um alle Rosen wüßte,
die rings in stillen Gärten stehn –
oh, wer um alle wüßte, müßte
wie im Rausch durchs Leben gehn.
Du brichst hinein mit rauhen Sinnen,
als wie ein Wind in einen Wald –
und wie ein Duft wehst du von hinnen,
dir selbst verwandelte Gestalt.
Oh, wer um alle Rosen wüßte,
die rings in stillen Gärten stehn –
oh, wer um alle wüßte, müßte
wie im Rausch durchs Leben gehn.
Der Wind als Liebender
Der monddurchbleichte Wald
liegt totenstumm.
Da kommt ein Wind
von ferne sacht gewandelt,
hoch über seine tausend Häupter her.
Die Espe neben mir, die merkts zuerst
und gibt sich zitternd hin.
Und weiter eilt,
als wie ein Liebender sein Mädchen sucht,
der sachte Wind.
Nun rauscht der Waldrand drüben
jenseits der Wiese auf.
Und wieder stehn
die mondlichtbleichen Stämme
totenstumm.
Auf leichten Füßen
So sein heitres Gleichgewicht
allem mitzuteilen,
in des Abends liebem Licht
leicht dahinzueilen –
Eine wilde Rose wo
im Vorübergehn zu küssen,
und dem stillen Walde so
sich gestehn zu müssen –
Wieder dann aus Luft und Licht
seidne Verse fangend,
nur sein heitres Gleichgewicht
auszuruhn verlangend –!
Meer am Morgen
Herrlich schäumende Salzflut
im Morgenlicht,
die tiefen Bläuen
in weißen Stürzen auskämmend,
hin
über grünere Seichten
zur Küste stürmend –
aus-rollend dich nun,
die Felsen hochauf umleuchtend!
Metallgrün
stehen die runden rauschenden Büsche
vor deinen fernher schwärzlichen Böen,
und rötlich milchige Wolken
strecken sich lang
in den zärtesten Himmel
darüber.
Schwalben
Schwalben, durch den Abend treibend
leise rufend, hin und wieder,
kurze rasche Bogen schreibend,
goldne Schimmer im Gefieder –.
Oh, wie möcht ich dir sie zeigen,
diese sonnenroten Rücken!
Und der götterleichte Reigen
müßte dich wie mich entzücken.
VÖGEL im Wald – –.
Niemand nennt sie,
niemand kennt sie.
Was das wohl so erleben mag
den lieben langen Tag!
Da geh ich unter ihnen hin
mit Bärenschritt und Bärensinn – –
Ja, wenn ich noch ein Mädchen wär –!
Vögel im Wald – –
Wind und Geige
Drinnen im Saal eine Geige sang,
sie sang von Liebe so wild, so lind.
Draußen der Wind durch die Zweige sang:
Was willst du, Menschenkind?
Drinnen im Saale die Geige sang:
Ich will das Glück, ich will das Glück!
Draußen der Wind durch die Zweige sang:
Es ist das alte Stück.
Drinnen im Saale die Geige sang:
Und ist es alt, für mich ists neu.
Draußen der Wind durch die Zweige sang:
Schon mancher starb an Reu.
Der letzte Geigenton verklang;
die Fenster wurden bleich und blind;
aber noch lange sang und sang
im dunklen Wald der Wind …
Was willst du, Menschenkind …
Waldkonzerte …
Waldkonzerte! Waldwindchöre!
Düstres Solo strenger Föhre –
Tannensatz nach tiefem Schweigen –
heller Birken Mädchenreigen –
Buschgeschwätze – Gräserlieder –
Blätterskalen auf und nieder – –
wenn ich euch nur immer höre –
Waldkonzerte! Waldwindchöre!
Nachtwind
Wenn der Abend düster dunkelt
und der Nachtwind sich erhebt,
nur die Lampe bei dir funkelt,
einzig Licht, das um dich lebt; –
denn die Sterne sind verhangen,
und die Hütten schlafen schon, –
fühlst du mit verhaltnem Bangen
dunkler Mächte dunkles Drohn.
Und du schiebst das Buch zurücke,
weichend aus gewohnter Spur,
suchst geschloßnen Augs die Brücke
zur dich rufenden Natur.
Wie's aus schwarzen Tiefen brauset,
seufzend schwillt und wieder fällt;
wie's dann wieder lange pauset
und der Bach sich schadlos hält!
Plötzlich stößt der Sturm den Flügel
deines Fensters zürnend zu, –
trotzig schließest du den Bügel;
draußen herrscht erschrockne Ruh.
Und dann schüttelst du mit Einem
dich des Schauders wieder frei,
wendest wieder dich zu Deinem,
und der Zauber ist vorbei.
Lied
Wenn so der erste feine Staub
des Sommers auf die Blätter fällt –
dann ade, du Frühlingswelt!
Dann ade, du junges Laub! –
Ach, wie sterben die Frühlinge schnelle!
Wenn erst das Auge sich versöhnt
mit all dem Grün und Weiß und Rot,
da beginnt des Frühlings Tod,
da versommern wir verwöhnt …
Ach, wie sterben die Frühlinge schnelle!
Und dann schauen wir vom Hügel,
wie das Land sich müde sonnt …
Leblos steht ein Mühlenflügel,
wie ein Kreuz, am Horizont – –.
Ach, wie sterben die Frühlinge schnelle!
Wandernde Stille
Wie die Stille übers weite Wasser hergewandert kommt –!
während Tages letzte Rosenglut verglimmt, verschwimmt.
Wie die Stille übers weite Wasser hergewandert kommt –!
während schwärzlichen Gebirgen düsterroter Mond entflammt.
Wie die Stille übers weite Wasser hergewandert kommt –!
Zornig schreit im tiefen Wald ein Vogel – und verstummt.
Wie die Stille übers weite Wasser hergewandert kommt –!
Spruch zum Wandern
Empfange mich, du reine Luft,
und gib mir deine Kraft;
vertilge, was in mir an Gruft,
und nähre, was da schafft!
Daß ewig neuen Blutes Strom
verjüngten Adern kreise
und erdenmütterlich Arom
noch fernste Träume speise!
Segelfahrt
Nun sänftigt sich die Seele wieder
und atmet mit dem blauen Tag,
und durch die auferstandnen Glieder
pocht frischen Bluts erstarkter Schlag.
Wir sitzen plaudernd Seit an Seite
und fühlen unser Herz vereint;
gewaltig strebt das Boot ins Weite,
und wir, wir ahnen, was es meint.
DU Kopf mit der Seemannsmütz –
ach, wie bin ich dir gut! –
vornüber gehängt
tret ich den Weg hinauf
tröstenden Tannen zu.
Denn da kommt allmittaglich
meine reizende Beichtigerin
leichten Herzens daher
und lächelt und liebt
aller Seufzer und Sorgen
mich gütevoll frei.
Genügsamkeit
Ich brauche nur den Duft der Welt,
die ganze Welt zu haben,
ich hab mein Sach auf nichts gestellt,
gleich manchem leichten Knaben.
Du lächelst mir, so wird mir gut,
als wärst du ganz mein eigen,
und aus der Seele Mutterflut
die süßesten Lieder steigen.
Der Hügel
Wie wundersam ist doch ein Hügel,
der sich ans Herz der Sonne legt,
indes des Winds gehaltner Flügel
des Gipfels Gräser leicht bewegt.
Mit buntem Faltertanz durchwebt sich,
von wilden Bienen singt die Luft,
und aus der warmen Erde hebt sich
ein süßer, hingegebner Duft.
ICH bin ein Rohr im Wind.
Bind dich nicht an an mich.
Ich bin kein Halt für, Kind,
dein Boot und dich.
Ich bin ein Rohr im Wind.
Der singt mit mir zusamm
ein Lied vom fahrenden Stamm,
des Söhn' wir sind.
Ich bin ein Rohr im Wind.
Bind nicht an mich dein Boot.
Es wär für dich, lieb Kind,
wie mich – der Tod.
An Dagny
Und werden wir uns nie besitzen,
so will ich Deinen Namen doch
ins Holz der Weltenesche schnitzen,
ein Zeugnis fernstem Volke noch.
So sollen tausend Herzen lesen,
die gern ein kleines Lied beglückt,
was Du dem Einsamen gewesen,
wie Du ihn innerlichst entzückt.
DES Morgens Schale quillt von Sonnenlicht
und Rosenduft und Nachtigallenschlag.
Ich bring sie dir zum neuen Schöpfungstag,
der sich zu unserm Angesicht
erhebt.
Setz deine Lippe mit an ihren Rand!
Und mit uns jedes morgendliche Paar,
das, seiner Liebe Frühlingskranz im Haar,
mit uns in diesem Morgen-Lande
lebt!
Winter
Der Fjord mit seinen Inseln liegt
wie eine Kreidezeichnung da;
die Wälder träumen Schnee-umschmiegt,
und alles scheint so traulich nah.
So heimlich ward die ganze Welt …
als dämpfte selbst das herbste Weh
aus stillem, tiefem Wolkenzelt
geliebter, weicher, leiser Schnee.
Heimat
Nach all dem Menschenlärm und -Dust
in dir, geliebtes Herz, zu ruhn,
so meine Brust an deiner Brust,
du meine Heimat nun!
Stillherrlich glänzt das Firmament
in unsrer Augen dunklen Seen,
des Lebens reine Flamme kennt
kein Werden und Vergehn.
DIE Mutter, die das Kindlein zählen lehrt, indes
sein kleiner Fuß die Treppe Stuf um Stufe steigt,
getreulich spricht's das jeweils Vorgesprochne nach,
bis es am Ziel erlöst von dannen springt, –
sie ruft mir jener höheren Mutter Bild herauf,
die uns der Jahre Stufen zählend steigen läßt.
Sie zeigt mich selber mir an meines Schicksals Hand
als solch ein Kind, das jeden Absatz treu vermerkt,
bis es an seinem Ziel dereinst von dannen springt …
WIE? Wolltest du dir selbst zuwiderhandeln,
du Gott aus Gott, und Todeswege wandeln?
Du hast's gewollt von Urbeginn. So trage
denn hohen Hauptes jeden deiner Tage.
Gott selber hat der Welt sich vorentschieden.
So lebe denn: Mit Dir und Ihm in Frieden.
Und wäre Folie nur solch Gotteslos:
Getröste dich! Du deutetest dich groß.
Ein Weihnachtslied
Wintersonnenwende!
Nacht ist nun zu Ende!
Schenkest, göttliches Gestirn,
neu dein Herz an Tal und Firn!
Oh, der teuren Brände!
Hebet hoch die Hände!
Lasset uns die Gute loben!
Liebe, Liebe, dir da droben!
Wintersonnenwende!
Nacht hat nun ein Ende!
Tag hebt an, goldgoldner Tag,
Blühn und Glühn und Lerchenschlag!
O du Schlummers Wende!
O du Kummers Ende!
Ode an das Meer
Im Schnee der Alpen hör ich von dir, o Meer,
wie du des Landes felsige Küste schlugst,
des Landes, des ich treu gedenke,
liebend gedenke wie einer Heimat.
Und durch die Ferne rollt mir dein Donnerton,
vermein ich, fürchterliche Gewißheit zu:
»Daß solche Mären nimmer lügen,
der du mich kennen gelernt, du weißt es.«
Ich weiß es, Zeuge manch einer Schreckensnacht,
da du mit fahlen Wogen gewandert kamst,
mit unerschöpflich sturmgebornen,
aus deiner Wüste, der grenzenlosen.
Ein bleiches Band, erglomm deiner Brandung Gischt,
ein greller Reif, mit dumpfem, eintönigem
Gedröhn in ungezählten Lagen
um das bedrängte Gestad geschmiedet.
Und aus dem Dunkel braute wahnwitzig wild
der Wind und regte des Hauses Festen auf
und warf des Regens jähe Schauer
wider die Scheiben, dadurch ich starrte.
O Meer, o Meer, wie liebt ich dich immer doch!
Selbst als ich einst im polternden Bauch des Schiffs,
des schwerhinstampfenden, dich rasen
hörte, im Schoß deines Zornes selber.
Wiewohl ich wehrlos in meiner Koje lag,
der Sorge näher, denn der Bewunderung,
und liebend, wenn ich's recht erwäge,
einzig gedachte des wackren Schiffes
und seiner Führer, vom Kapitäne bis
zum Heizer, die dein grausiges Todesdrohn
mit schlichter Zucht und Mannheit brachen,
stahlhart aufs morgende Ziel gerichtet.
Umsonst war's damals, wie du auch wütetest.
Allein du sorgst entrissener Beute nicht,
und spottet dein der Bug von Eisen,
rettet sich schwer die befallne Barke.
An armer Fischer Hütten und Booten hast
du dich geübt, vergriffen an ihnen selbst;
die kümmerlich von dir sich nährten,
hast du zerschmettert an deinen Klippen!
Und doch – und doch! Treubrüchig-vergeßliches,
kühl-heitres, schicksalsträchtiges, ewiges Meer,
ich lieb, ich lieb dich auch noch, wenn du
männerverschlingende Wogen schleuderst,
ein Gleichnis ungebrochener, erster Kraft,
ein Zeugnis ungezähmtesten Herrentums,
Länder andonnernd, deren Völker
gram dem heroischen Traum hinwandeln
vertiefteren Lebens, träge hinabgebeugt
in müder Weisheit ärmliches Regeljoch,
sich mühend, ein Geschwärm Termiten,
emsig und zärtlich, zur Ehre Gottes, –
des Gottes nicht, der Deiner Geweide Sinn:
als der ein Gott groß-schreitender Leidenschaft,
ein Gott, noch jeden Augenblick Manns,
Welten zu stürzen wie zu gebären …
Von hohen Alpen schau ich dich, Ocean,
wie du des Landes felsige Küste stürmst,
des Landes, des ich treu gedenke,
zürnend gedenke wie einer Heimat, –
und ruf dir zu, feindseliger Freude hell:
Dank, Dank, daß du noch Du bist, Verwegener,
dich selbst erfüllend und dein Wesen, –
sei's um den Preis auch knirschender Opfer!
Bis einst der Mensch, gewachsen an deinem Bild,
dir's heim in ebenbürtigen Taten zahlt, –
und Du ohnmächtig knirschst und frohndest,
deinem dich peitschenden Xerxes, Sklave!
Erster Schnee
Aus silbergrauen Gründen
tritt ein schlankes Reh
im winterlichen Wald
und prüft vorsichtig, Schritt für Schritt,
den reinen, kühlen, frischgefallnen Schnee.
Und Deiner denk ich, zierlichste Gestalt.
Venustempelchen
Auf der kupfernen Kuppel eines Tempelchens
haben Tauben sich niedergelassen, und
ihre zierlichen Körper im Kreise wendend,
baden sie ihre weißen Gefieder in Sonnenlicht,
ihre liebenden Seelchen in sanfter Beschaulichkeit.
Wie ein Schwarm von leichthinflatternden Mädchen
eilen sie nun durch die rauschenden Wipfel des Parkes,
um nach Flügen einer unschuldigen Laune –
Arabesken im seidenen Blau des Himmels –
wiederzukehren nachdem stillen beschaulichen Tempelchen,
welches ein Mensch der Schönheit zu Ehren errichtete.
DES Frühlings unbestimmte Ahnung füllt die Luft.
Tiefschmerzlich-schwärzliche Gewölke ruhen groß
am geisterblassen Firmament der Abendnacht.
Erhabner Tragik unbeschreibliche Gewalt
strömt aus des Himmels abgrundtiefer Dämmerung,
steigt aus der Berge trauerblauem Schattenschoß,
weht von der Wasser meilenweitem Wogenplan
den Menschen an, dem jeder stummgewordne Schmerz
mit unterirdischem Ruf vor diesem Blick erwacht.
BUTTERBLUMENGELBE Wiesen,
sauerampferrot getönt, –
o du überreiches Sprießen,
wie das Aug dich nie gewöhnt!
Wohlgesangdurchschwellte Bäume,
wunderblütenschneebereift –
ja, fürwahr, ihr zeigt uns Träume,
wie die Brust sie kaum begreift.
WIND, du mein Freund!
Lang hielten Berge mich
grämlich umzäunt.
Nun wieder grüß ich dich,
frei, dich, den Freien;
nun gib mir, Himmelssproß,
wieder die Weihen,
Wecker zu sein wie du
aller verschlafnen Ruh!
Wind, du mein Freund!
Du mein liebster Genoß!
ALLEN gleicher Seele wend ich
durch den blauen Tag mich zu,
allen Brüdern, Schwestern send ich
mein geschwisterliches Du.
Danken wollen wir der Sonne
und dem frischen Morgenwind,
daß sie uns so vieler Wonne
Bringer und Gefährten sind,
danken wollen wir mit Lachen
in dem jungen Maienwind,
daß wir unter tausendfachen
Fährden so geworden sind.
So! Was brauch ich mehr zu sagen
alle fühlt ihr dieses So;
und wir wollen auch nicht fragen,
unsrer Art von Herzen froh.
Eines Bunds geheime Glieder
finden wir uns allerwärts;
und ich schenk euch meine Lieder,
und ihr schenkt mir euer Herz.
WELCH ein Schweigen, welch ein Frieden
in dem stillen Alpentale.
Laute Welt ruht abgeschieden.
Silbern schwankt des Mondes Schale.
Von den Wiesen strömt ein Düften.
Aus den Wäldern lugt das Dunkel.
Brausend aus geheimen Klüften
bricht der Bäche fahl Gefunkel.
Überm Saum der letzten Bäume
weiße Wände stehn und steigen
in die blauen Sternenräume.
Welch ein Frieden, welch ein Schweigen!
Oktobersturm
Schwankende Bäume
im Abendrot –
Lebenssturmträume
vor purpurnem Tod –
Blättergeplauder –
wirbelnder Hauf – –
nachtkalte Schauder
rauschen herauf.
Genesung
Wenn nach der Schwäche, die dich jüngst befiel,
des Lebens Kraft aufs Neue dir zurückrinnt –
Heiliger Augenblick!
Köstliche Fülle des Seins!
Der Zukunft Mantel auseinander flatternd,
in morgenrötener Nacktheit, Weib, erhabenes,
Leben Geliebtestes,
tausendmal küß ich dich noch.
O Übermaß der reinen Lebensfülle,
die mich beseligt Schreitenden durchdringt!
O Übermaß der höchsten Strebensfülle,
die mir im Traum die Welt zu Füßen zwingt.
Ihr habt mir allezeit den Weg bereitet,
daß ich der Erde Jammer halb vergaß.
Groß war mein Aug der Schönheit zugeweitet.
O Übermaß! O Schönheits-Übermaß!
DIE stillen Stunden sind es, da die Glocken
der seltnen Seelen uns zu Herzen klingen,