Geschlechtswandel ohne Grenzen - Johanna Kamermans - E-Book

Geschlechtswandel ohne Grenzen E-Book

Johanna Kamermans

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Vorwort zum eBook Es ist erstaunlich, dass auch rund 20 Jahre später in den entsprechenden TS/TG-"communities" noch genauso besserwisserisch und ichbezogen-individuell diskutiert wird über das bereits seit Jahrtausenden bestehende Faszinosum des sozialen bzw. operativen Geschlechtswandels. Genauso wie eine solche Diskussion auch in den neunziger Jahren bereits überaus vehement in den TS-Selbsthifegruppen bzw. in den Medien stattfand. Offensichtlich haben die Betroffenen bis heute nichts dazugelernt und sind sie immer noch komplett immun gegenüber klaren genetischen bzw. biologischen Mann/Frau-Tatsachen. Die Besserwisserei – oder soll man besser sagen der Selbstbetrug - ist noch immer grenzenlos und Man(n) vergleicht sich heutzutage nicht mehr mit biologischen Frauen sondern nur noch mit sich selbst. Denn jetzt geht es schon so weit, dass viele Betroffene meinen, sie wären schon als Frau geboren und alles andere sei (nur) ein kleiner "Irrtum der Natur". Sie müssten deswegen auch im Verhalten und Gehabe nichts mehr von (biologischen) Frauen dazulernen - denn sie wären ja schliesslich schon gleichwertige Frauen! Der Machbarkeitsglaube in der transsexuellen Glaubensgemeinschaft ist offensichtlich ungebrochen und das Vertrauen in die hormonellen und operativen Möglichkeiten immer noch unerreicht. Irgendwie salopp gesagt: "sexchange to go". Den Geschlechtswechsel "mal eben" durchziehen. "Koste es was es wolle", notfalls auch die eigene Glaubwürdigkeit. Es dürfte tatsachlich so sein, dass das Phänomen Transsexualität soviel Ausformungen kennt wie es Transsexuelle gibt. Leider! Und das beinhaltet gleichzeitig, dass auch immer noch die gleichen Transgender-Grabenkämpfe ausgetragen werden. Also zwischen operierten und nicht-operierten Transsexuellen. Zwischen denen mit operativem Geschlechtswandel und denen mit (nur) sozialem Geschlechtswandel.

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Vorwort zum Konvolut

Es ist erstaunlich, dass auch rund 20 Jahre später in den entsprechenden TS/TG-„communities“ noch genauso besserwisserisch und ichbezogen-individuell diskutiert wird über das bereits seit Jahrtausenden bestehende Faszinosum des sozialen bzw. operativen Geschlechtswandels. Genauso wie eine solche Diskussion auch in den neunziger Jahren bereits überaus vehement in den TS-Selbsthifegruppen bzw. in den Medien stattfand.

Offensichtlich haben die Betroffenen bis heute nichts dazugelernt und sind sie immer noch komplett immun gegenüber klaren genetischen bzw. biologischen Mann/Frau-Tatsachen. Die Besserwisserei – oder soll man besser sagen der Selbstbetrug - ist noch immer grenzenlos und Man(n) vergleicht sich heutzutage nicht mehr mit biologischen Frauen sondern nur noch mit sich selbst. Denn jetzt geht es schon so weit, dass viele Betroffene meinen, sie wären schon als Frau geboren und alles andere sei (nur) ein kleiner „Irrtum der Natur“. Sie müssten deswegen auch im Verhalten und Gehabe nichts mehr von (biologischen) Frauen dazulernen - denn sie wären ja schliesslich schon gleichwertige Frauen! Der Machbarkeitsglaube in der transsexuellen Glaubensgemeinschaft ist offensichtlich ungebrochen und das Vertrauen in die hormonellen und operativen Möglichkeiten immer noch unerreicht. Irgendwie salopp gesagt: „sexchange to go“. Den Geschlechtswechsel „mal eben“ durchziehen. „Koste es was es wolle“, notfalls auch die eigene Glaubwürdigkeit.

Es dürfte tatsachlich so sein, dass das Phänomen Transsexualität soviel Ausformungen kennt wie es Transsexuelle gibt. Leider! Und das beinhaltet gleichzeitig, dass auch immer noch die gleichen Transgender-Grabenkämpfe ausgetragen werden. Also zwischen operierten und nicht-operierten Transsexuellen. Zwischen denen mit operativem Geschlechtswandel und denen mit (nur) sozialem Geschlechtswandel. Diese letztere Gruppe (90 - 95 %) stellt zwar die übergrosse Transgender-Mehrheit aber festgemacht wird fast alles an die kleinere, überaus aktive Gruppe der „Geschlechtsgewandelten“ (5 -10 %).

Die sitzen im Fernsehen bzw. in den SHG-Foren und erzählen ihre an den Haaren herbeigezogenen „Ach ich bin ja so glücklich“- Märchen oder ihre ach so schlimmen, verlogenen „struggle for life“-Leidens- bzw. Betroffenheits-Geschichten. Es zählt dabei - leider auch für die Medien – offensichtlich immer nur der Moment, das Jetzt und Hier. Und nichtzuletzt auch das (vermeintliche) Jungsein im neuen „Frausein“. Aber schon gar nicht die (ferne) Zukunft oder das (mühsame) Leben im Alter: „Nach mir die Sintflut!“. Die Erfahrungen älterer Transsexueller sind nicht gefragt und werden vom Tisch gefegt mit dem billigen „Totschlag“-Argument, dass die heutige OP- „Technik“ und die neuen Hormone „viel besser“ seien bzw. alles „richten“ würden. „Damals? Interessiert uns nicht. Ist alles überholt und von gestern! „Nur die Jetztzeit zählt“ ist die oft gehörte, dummdreiste „illusio virilis“-Entgegnung.

Johanna Kamermans will mit diesem Konvolut der neunziger Jahre in der heutigen Zeit absolut nicht missionieren. Sie hat am Ende Ihrer Wegstrecke andere, wichtigere Dinge zu tun. Aber was einst gesagt wurde in den Vorträgen und Abhandlungen ist wahrlich zeitlos und vielleicht findet irgendein Ansatz dann doch Interesse. Das wäre sicherlich eine kleine Genugtuung für die viele Arbeit, die die Autorin sich im Laufe der Jahre gemacht hat.

 „Perlen vor die Säue werfen?“. Nicht unbedingt, denn eine „Klare Kante“-Sprache kann nie schaden! Aber wie bereits gesagt: „Die TS-Unbelehrbarkeit und der TS-Selbstbetrug sind und bleiben wahrlich grenzenlos!“. Ja, man könnte sagen, dass in der transsexuellen Glaubenswelt der heutigen Zeit fast (wieder) religiöse Ansichten zum Durchbruch gekommen sind: Es wird nur noch „geglaubt“ aber nicht mehr „gewusst !“  

Johanna Kamermans Arnheim 2013

Zur Autorin

Johanna Kamermans, 1938 im niederländisch/seeländischen Vlissingen geboren, zu Anfang der 70er Jahre nahtloser Wechsel vom Bauingenieur zur („geklebten“) Stripteasetänzerin, anschliessend publizistisch tätig und wohnhaft in Hamburg / Berlin / Maastricht / Arnheim. Ihr Credo: "Über die Brücke zwischen Mann und Frau muss man vorsichtig gehen und nicht einfach springen.

Ihr Anliegen: Wieder sichtbar zu machen, dass das Wandeln  Passfoto 1992  zwischen den Geschlechtern so alt ist wie die Menschheit. Die Zeit der grenzenlosen Machbarkeitsträume der 70er und 80er Jahre ist vorüber und die angebliche Auswechselbarkeit der Geschlechter hat sich besonders in den 90er Jahren - im Zeitalter der Genetik und der Molekularbiologie - als Künstlichkeits-Chimäre allerersten Ranges erwiesen.

Johanna Kamermans ist die Autorin zweier Sachbücher über die Transsexualitäts- Thematik („Mythos Geschlechtswandel“  (1992)  und  „Künstliche  Geschlechter“ (1995)) sowie die Protagonistin im NDR-Dokumentationsfilm „Freier Fall: Johanna K.“(1992) von Klaus Wildenhahn. Sie weiss somit, wovon sie redet. Ein autobiografischer Roman (unter Pseudonym) erschien 2012 als eBook.

In ihrem Bemühen, die von ihr seit Jahrzehnten gemachten Erfahrungen bzw. die daraus gewonnenen Erkenntnisse im sachlich-wissenschaftlichen Sinne zu vertiefen, hat sich alsbald herausgestellt, dass sehr oft mit einer solchen TS-Synthese eine Überforderung betroffener bzw. interessierter Leser verbunden ist. Oft fehlt auch das erforderliche Grundwissen.

Andererseits hat sich aus ihrer vergangenen Vortragstätigkeit gezeigt, dass ein sehr grosses Interesse für einzelne, spezielle TS-Thematiken aus der Gesamtheit aller gebotenen Informationen besteht . Eine populär-wissenschaftliche Darlegung gewisser Fakten vermag - sofern eine gewisse Länge nicht überschritten wird - vor allem die geschichtlichen bzw. biologischen Grundlagen des Ganzen besser zu erhellen. Aus dieser Perspektive heraus sind die nachfolgenden Vorträge und Abhandlungen entstanden:

„Transsexualität: Ein kultureller Vergleich“

„Transsexualität im kulturellen Vergleich“

„Alternative Geschlechter in indianischen Kulturen - Integration statt 

Ausgrenzung“

„Mythos Kastration“

„Natur und Geschlechtswechsel - Von der Daphnia zur Luftgängerin“

„Gene und Meme - Evolution in Natur und  Kultur“   

„Transgender gestern und heute“

Diese 7 Aufsätze sind im Konvolut in der jeweiligen Originalfassung wiedergegeben.

ISBN ePub 978-3-8442-5513-3

Copyright JJKV Arnheim 2013

Kontaktwww.transmythos.wildsidewalk.com

Alle Rechte vorbehalten. Es ist nicht erlaubt, die Inhalte dieses eBooks ohne die ausdrückliche Genehmigung durch die Autorin zu kopieren, weiter zu verbreiten. öffentlich vorzutragen oder anderweitig zu publizieren. Änderungen. Satzfehler und Rechtschreibfehler vorbehalten

Es gibt keine falschen Körper, nur falsche Denkmodelle.

Die Perspektiven eines wirklich Neuen Denkens sind angesagt.

Johanna Kamermans macht dies immer wieder

deutlich in ihrem Wirken.

Es gibt noch viel zu tun, packen wir`s an!

Seeländisches Wappen

mit dem Spruch „LUCTOR ET EMERGO“

(„ICH RINGE UND KOMME NACH OBEN“)

Die Vorträge und Abhandlungen

Es gibt keine falschen Körper, nur falsche Denkmodelle.

Die Perspektiven eines wirklich neuen Denkens sind angesagt und Johanna Kamermans macht dies immer wieder deutlich in ihrem Wirken.

Im Laufe der Zeit hat sich allerdings herausgestellt, dass dieses Bemühen, die gemachten Erfahrungen und daraus gewonnenen Erkenntnisse im sachlich-wissenschaftlichen Sinne zu vertiefen, sehr oft zu einer gewissen Überforderung der Aufnahmebereitschaft führt: Oft fehlt auch das erforderliche Grundwissen bzw. die Geduld davon Kenntnis nehmen zu wollen, sei es von betroffener, sei es von interessierter Seite.

Andererseits hat sich auch gezeigt - nicht zuletzt aus der Vortragstätigkeit der Autorin - dass jedoch einzelne, spezielle Transsexualitäts- bzw. Geschlechtswechsel-Thematiken, hervorgehoben aus der Vielfalt aller zur Verfügung stehenden Informationen, durchaus reges Interesse hervorrufen. Einzelne Geschlechtswandel-Thematiken, hervorgehoben aus der Vielfalt aller zur Verfügung stehenden Informationen, vermögen jedoch durchaus zu interessieren. Aus dieser Perspektive sind die nachfolgenden Vorträge entstanden:

„Transsexualität: Ein kultureller Vergleich"

"Transsexualität im kulturellen Vergleich“

„Alternative Geschlechter in indianischen Kulturen - Integration statt Ausgrenzung"

„Mythos Kastration“

„Natur und Geschlechtswechsel - Von der Daphnia zur Luftgängerin“

„Gene und Meme - Evolution in Natur und Kultur“

„Transgender gestern und heute“

Eine vereinfachte populär-wissenschaftliche Darlegung gewisser geschichtlicher bzw. biologischer Grundlagen vermag das Ganze offensichtlich wesentlich besser zu erhellen - Schwerpunktsetzung statt Informationsflut sozusagen..

Aus dieser Perspektive sind die nachfolgenden Vorträge/Abhandlungen entstanden:

Transsexualität: Ein kultureller vergleich
Vortrag Paul-Gerhard-Kirche in Köln anlässlich der Photographie- und Texteausstellung „Im falschen Körper – Transsexuelle Menschen in Deutschland“ von Daniel und Geo Fuchs, 1997,  40 S.
Transsexualität im kulturellen Vergleich
Vortrag Akademie der Künste Berlin, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst NGBK Berlin,1997, 22 S.
Alternative Geschlechter in indianischen Kulturen - Integration statt Ausgrenzung                                     
Vortrag Dialog zwischen den Kulturen Berlin, 1997, 15 S.
Mythos Kastration 1998 , 36 S.
Natur und Geschlechtswechsel - von der Daphnia zur Luftgängerin 1998, 47 S.
Gene und Meme - Evolution in Natur und Kultur 1998, 36 S.
Transgender gestern und heute
Vortrag und Gespräch mit Johanna Kamermans am Freitag den 17.06.2005 im Bürgerhaus Stollwerck Köln, 29 S.

TRANSSEXUALITÄT: EIN KULTURELLER VERGLEICH“

Vortrag und Gespräch mit Johanna Kamermans am 29.01.1997 in der Paul-Gerhardt-Kirche in Köln, anläßlich der Photographie- und Textausstellung "Im falschen Körper - Transsexuelle Menschen in Deutschland" von Daniel und Geo Fuchs.

Guten Abend: mein Name ist Johanna Kamermans, ich komme aus Berlin, erlebe mich selbst - und das seit bald 25 Jahren - als transsexuell und werde - im Rahmen dieses Vortrags - versuchen Geschlechtswandel - Phänomene in anderen Kulturen, Zeiten und Sozialstrukturen zu beleuchten - allerdings nur ansatzweise, da diese Thematik derart vielfältig ist, daß man darin regelrecht versinken kann.

Meine beiden Sachbücher "Mythos Geschlechtswandel" (1992) und "Künstliche Geschlechter" (1995) bilden die Grundlage für die kommenden Ausführungen - allerdings bieten beide Bücher an sich auch nur wieder eine grobe Übersicht. Das auf die Geschlechtswandel - Thematik abzielende Quellenmaterial ist hierbei schier unerschöpflich, vor allem um die Jahrhundertwende gab es unendlich viele Publikationen. Als Beispiel der aktuellen Vielfalt der genannten Thematik sei an dieser Stelle noch verwiesen auf die von der Berliner Buchhandlung Prinz Eisenherz regelmäßig veröffentlichte Auswahlliste der lieferbaren Bücher zum Thema Transsexualität/Transvestitismus - die Liste vom 07.02.1996 weist 126 Titel aus. Und täglich werden es mehr.

Zum Vortrag selber sei noch gesagt, daß hierfür ca. 1 1/2 Stunden vorgesehen sind und anschließend eine Diskussion zur vorgestellten Thematik stattfinden wird. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, sich den Vortrag erst mal anhören zu wollen und diesen - des "Roten Fadens" wegen - nach Möglichkeit nicht zu unterbrechen. Bitte, notieren Sie Ihre Fragen und stellen Sie dieselben in der darauffolgenden Diskussion: ich bin mir sicher, daß wir auf dieser Art und Weise einen für beide Seiten überaus interessanten Gedankenaustausch haben werden. Besten Dank in voraus für Ihr Verständnis - auf geht's!

Vorweg eine kurze Zusammenfassung der zu behandelnden Thematik. Es wird dabei versucht ein Panorama unterschiedlichster Geschlechtswandelphänomene aufzuzeichnen, angefangen bei solchen im Rahmen der vorderasiatischen Fruchtbarkeitskulten der Bronzezeit, der "androgynischen Idee des Lebens" in der Antike sowie des Eindeutigkeitsdenkens späterer monotheistischer Religionen. Weitere Schwerpunkte bilden das überaus verfeinerte Berdachen - System der nordamerikanischen Urindianer und ein Aufriß Hirschfeldscher Ansätze vor 100 Jahren bis zum gesetzlich kanalisierten Transsexualismus unserer Tage. Hierbei soll nicht unterlassen werden, während des Vortrags immer wieder einen Bezug zur aktuellen Transsexualitäts-Problematik zu finden, denn: "Wer das Alte nicht kennt, kann das Neue nicht verstehen!" So weit, so gut.

Der Titel des heutigen Vortrags "Transsexualität: ein kultureller Vergleich" wirft gleich die Frage auf: "gibt es nur eine einzige, medizinisch und juristisch genau definierbare Transsexualität gar im Sinne eines genau normierten Krankheitsbildes, von wo aus die übrigen Geschlechtsidentitäts-Manifestationen zu beurteilen sind, oder gibt es gar viele möglichen Transsexualitäten bzw. trifft es zu, wie die Frankfurter Seelendoktorin Dr. Inoszka Prehm es formuliert: "Transsexualität hat so viele Gesichter, wie es Transsexuelle gibt"?

Ja, Letzteres trifft den Nagel auf den Kopf und ich kann ihr nur voll beipflichten (es ist dies gleichzeitig auch der Tenor dieses Vortrags), wenn sie in einem Stern-Leserbrief (Stern 24/95) dazu weiter ausführt: "Die einen führen ein glückliches Leben ohne die geschlechtsangleichende Operation und die anderen können ohne die chirurgische Geschlechtsänderung nicht leben". Und ganz wichtig: "Es wäre erstrebenswert, wenn die Betroffenen und die, die sie umgeben, lernen könnten, diese beiden Lösungsmöglichkeiten zu akzeptieren." Eine Aufforderung, wie sie nur allzugern an die diversen Transsexuellen-Selbsthilfe-Gruppen und deren Gurus weitergegeben werden darf - denn nur allzuoft hat sich im Laufe der Zeit herausgestellt, daß dieselben nicht die Lösung des Problems sind, sondern das Problem selber. Leider!

Was ist nun das Kennzeichnende einer (heutigen) Transsexualität? Ich glaube, daß man dies - nach dem heutigen Stand der Erkenntnisse - wohl so formulieren darf, wie dies Dr. Wilhelm Preuss von UKE Eppendorf in Hamburg in einem Hamburger Abendblatt-Interview vom 26./27.06.1993 getan hat:

"Transsexuelle Menschen können ihr Gefühl für sich selbst nicht mit ihrem körperlichen Geschlecht vereinbaren. Ihr Selbstwertgefühl und ihr Selbstvertrauen beruhen darauf, gegengeschlechtlich fühlen und denken, sich gegengeschlechtlich verhalten und äußern zu können. Die Geschlechtlichkeit erhält für die Transsexuellen bzw. deren Selbstbehauptung eine zentrale und existentielle Bedeutung. Oder wie die bekannte Entertainerin Romy Haag es ausdrückte: "Ich bin mit mir nur im Kontakt, wenn ich mich voll und ganz als Frau fühle".

Ob man allerdings so weit gehen sollte - wie dies in der begleitenden Fotoausstellung (mal wieder) geschieht - von einem "Im falschen Körper"-Leben zu sprechen, mag dahingestellt werden: "Es gibt keine falschen Körper, genauso wie es keine richtigen Körper gibt".

In einem Interview mit den Badischen Nachrichten vom 07.12.1993 anläßlich der Filmwoche zur Transsexualität im Freiburger Kommunalen Kino habe ich dazu ausgeführt (Auszug):

BN: Grundsätzlich lehnen Sie Geschlechtsumwandlungen nicht ab? KAMERMANS: Wenn derjenige, der sich dazu entschließt, informiert ist. Wenn er weiß, was er seinem Körper und sich da antut. Er wird ja kastriert. Die Folgen können verheerend sein: Der Mensch fällt in sich zusammen, körperlich oder psychisch oder beides. Natürlich: Wenn eine fest daran glaubt, sie ist jetzt eine Frau, dann ist sie unter Umständen glücklicher als vorher. Aber man darf nicht sagen: Du lebst im falschen Körper, und wir holen dich daraus. BN: ... denn damit wäre ja Transsexualität eine Krankheit, die man mehr oder weniger "wegoperieren" kann ...

KAMERMANS: Ich will wegkommen von dem Begriff Krankheit. Wenn sich zum Beispiel in Hamburg Transsexuelle als behindert deklarieren lassen - das ist doch ein total verqueres Denken. Nach meinem Dafürhalten ist Transsexualität ein Konflikt zwischen einer Homosexualität, die man nicht durchkommen läßt, und der kulturellen Norm. BN: Wenn es keinen "falschen Körper" gibt, kann es überhaupt einen "richtigen" geben, in dem der Rest der Gesellschaft glaubt zu leben?

KAMERMANS: Richtig und falsch - das gibt es eben nicht. Was Transsexuelle betrifft: Statt "ich lebe in einem falschen Körper" finde ich es richtiger zu sagen, "ich bin fremd im eigenen Körper". Und das Bild vom "falschen Körper", das haben ja nicht nur Transsexuelle. Das ist ja ein gesellschaftliches Mißverständnis.

Und wie leicht dieses "Im falschen Körper"-Motto mißbraucht werden kann, zeigt die kleine Kultur-Notiz im Spiegel 9/1995, in welcher gleich von "beklemmenden Bildern" die Rede ist - wie bei Außerirdischen bzw. beim Ufo-Glauben. Motto: (meinetwegen) ja!!! Credo:(Glaubensbekenntnis) nein und nochmals nein!!!

Inzwischen sind wir - locker plaudernd - angekommen bei einem ganz wesentlichen Aspekt der gesamten "Geschlechtswandel-Thematik: "Ist das "Anderssein" eines Menschen eine Störung, eine Abweichung, gar eine Krankheit oder - wie dies eben in anderen Kulturen und Zeiten meistens der Fall war bzw. ist - eher eine zu integrierende Identitätsvariante (erinnern wir uns an Inoska Prehms Aussagen)." Interessant ist in diesem Zusammenhang was Susanne Osburg und Cordula Weitze, zwei bekannte Transsexualitäts-Publizistinnen, in einem R&P-Artikel (1996, 14. Jg.) mit dem Titel: "Richterumfrage zum Transsexuellengesetz" vermerken:

"Bei allem medizinischen Fortschritt ist die Ätiologie (Ursächlichkeit) der Transsexualität immer noch ungeklärt. In der Sexualwissenschaft hat sich der Trend durchgesetzt, Transsexualität nicht mehr als Krankheitseinheit, sondern als ein Phänomen innerhalb eines Spektrums von Geschlechtsidentitätsstörungen zu verstehen. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob eine sich noch an einem statischen Krankheitsmodell orientierende Rechtspraxis der Dimension des Problems Transsexualität gerecht wird. Wie Pfäfflin und Junge (1992) sind auch Becker und Hartmann (1995) der Ansicht, daß für die "an ihrer Geschlechtlichkeit leidenden Personen eine erhöhte Toleranz für ungewöhnliche Lebensstile und Lösungen inklusive der Möglichkeit eines (nicht unbedingt auch operativen) Geschlechtswechsel wichtig und wünschenswert ist." Aus Psychotherapien ist bekannt, daß ein Wunsch, dessen Erfüllung mit der subjektiven Gewißheit der Erlösung von einem Leiden verbunden ist, zunächst akzeptiert werden muß, um einer psychischen Bearbeitung und "Enttäuschung" zugänglich zu werden. Dies kann auch in der Behandlung von Transsexuellen beobachtet werden. Mit einem Entgegenkommen an rechtlich-sozialer Akzeptanz, die den dynamischen Aspekt transsexueller Entwicklungen einbezieht und daher auf "irreversible" Tatsachen weitmöglichst verzichtet, wäre es den Betroffenen möglich, ihre subjektiv zunächst unverrückbare Überzeugung auch nach deren weitgehender Realisierung noch einer Überprüfung zu unterziehen und iatrogene Fixierungen zu vermeiden."

Man/frau beachte in diesem Zusammenhang vor allem den ersten Satz des Text-auszugs, selten wird dies so offen gesagt ...! Aber auch der letzte Satz sagt viel aus.

Obwohl auch hier also noch von einem offensichtlich tief und fest eingeschliffenen Geschlechtsidentitäts-"Störungs"-Begriff ausgegangen wird, ist es trotzdem sehr erfreulich feststellen zu können, daß sich in der bisher doch so starren Haltung der TS-Macher (Ärzte, Gutachter, Richter) und der "Gemachten" (speziell TS-Selbsthilfe-Gefolgschaft und deren - Gurus) Bewegung zeigt. Es sieht so aus, als sei ein Umdenken - ganz langsam allerdings - im Gange und zwar vom bisherigen, überaus beliebten "Tunnelblick" zum erforderlichen, allerdings gewöhnungsbedürftigen "Panora-mablick". D. h. es sieht so aus, als würde sich der medizinisch-juristische Griff zum "Pfründephänomen Transsexualität" - als überaus lukrative und von der Realität ablenkende "Krankheit" - allmählich lockern ("dynamischer Aspekt transsexueller Entwicklungen" usw.) und würde sich - endlich und ganz langsam -ein Sichbesinnen auf die jahrtausendalten Geschlechtswandel-Traditionen einstellen: weg vom neuzeitlich-patriarchalischen Kastrations- und Machbarkeits-(Wahn-)Denken, weg vom Störungs- bzw. Krankheitsbegriff und hin zur Akzeptanz bzw. Toleranz einer jeweils völlig individuell geprägten Geschlechtsidentitäts-Variante bzw. seiner höchst persönlichen, gesellschaftlichen Interpretation. Ich freue mich, daran mit meinen Büchern und Artikeln und vor allem auch mit Vorträgen wie diesem, mitwirken zu dürfen. Im vorerwähnten Interview mit den Badischen Nachrichten habe ich noch ergänzend hierzu ausgeführt:

BN: Sie haben ein Buch geschrieben, Sie haben an der Dokumentation Ihres Lebens mitgespielt. Warum drängt es Sie in die Öffentlichkeit?

KAMERMANS: Ich habe sehr darunter gelitten, daß man mich als nicht operierte Transsexuelle in die perverse Nische abgestellt hat. Ich wende mich dagegen, daß diese Operation zum Dogma wird. Und ich würde gerne sehen, daß das Bild vom Transsexuellen korrigiert wird.

BN: In welche Richtung?

KAMERMANS: Es geht um die Eigenverantwortlichkeit im Leben von Transsexuellen. Also jetzt ist es so: Wer seine Transsexualität erkennt, glaubt, er hat keine Wahl, als sich operieren zu lassen. In Wirklichkeit wird er von der gesellschaftlichen Norm, im "richtigen" Körper zu leben, zu einer Operation gezwungen.

BN: "Ihr" Film (NDR-Dokumentarfilm "Freier Fall: Johanna K." von Klaus Wildenhahn) ist mittlerweile auf einer Reihe von Festivals gezeigt worden, Wie sind die Reaktionen?

KAMERMANS: Die Leute können teils nachvollziehen, daß mit dem Selbstverständnis der Transsexuellen was nicht stimmen kann. Es gibt aber auch eine Front gegen mich“.

Zur Gesamtproblematik möchte ich - des besseren Verständnisses wegen - sodann aus einem Stern-Artikel (Stern 21/95) der mir bekannten Stern-Journalistin Uschi Neuhauser zitieren, da darin das gesamte Spektrum der Geschlechtswandel-Thematik kurz und prägnant dargestellt wird (ich selber habe dafür in meinen beiden Büchern 692 Seiten gebraucht!). Es heißt hier (Auszug):

"Das Wandeln zwischen den Geschlechtern ist so alt wie die Welt. Dionysos hat's getan, dieser Gott des Rausches und des Weines, der den Frauen als Mann und den Männern als Frau erschien und lustvoll der zweigeschlechtlichen Ekstase frönte. In den alten Kulturen und bei den Indianern wurden diese Grenzgänger zwischen den Geschlechtern von der Gemeinschaft nicht nur akzeptiert, sie wurden verehrt als mystische Wesen mit übernatürlichen Kräften. Wir aber leben in einer Welt, in der nur zwei streng definierte Rollenbilder existieren dürfen: Mann und Frau. Wer in dieses Schema nicht paßt, ist zur Heimlichkeit verdammt oder Spott und Ächtung ausgeliefert. Oder dem Messer. Geheimniskrämerei zieht sich durch all die Jahrhunderte. Leonardo da Vinci sagt man nach, daß er seine Sehnsucht, dem anderen Geschlecht anzugehören, in seine Frauengemälde hineinprojiziert habe, und Mona Lisa niemand anderer sei als er selber. Charles d`Eon de Beaumont (1728 bis 1810) begann seine Karriere als Vorleserin am russischen Zarenhaus. Mit 42 beeindruckte er als französicher Abgesandter am englischen Hof. Danach diente er Marie Antoinette als Hofdame. Nach seinem Tode wurde sein körperliches Geschlecht eindeutig als männlich definiert. Richard Wagner, der Helden- und Walküren-Komponist, soll im stillen Kämmerchen in Frauenkleidern aus Seide, Samt und Rüschen geschwelgt haben. Nur den Pop-Göttern verzeiht man es, wenn sie das eingeengte Rollenspiel aufbrechen.Prince, Michael Jackson, Grace Jones, Madonna, David Bowie, Amanda Lear.Who`s who?

Transsexualismus nennen Wissenschaftler das Phänomen, wenn im Körper eines Mannes die Seele einer Frau wohnt - oder umgekehrt. Während Transvestiten lustvoll in die Rolle des anderen Geschlechts schlüpfen, ohne das eigene aufzugeben, sehnen sich Transsexuelle mit einer qualvollen Besessenheit in einen anderen Körper. Psychotische Zusammenbrüche, Selbstmord- und Selbstverstümmelungsversuche sind oft die Folge. Seit Ärzte 1952 in Kopenhagen aus einem Soldaten die Blondine Christine Jörgensen schufen, ist die Erfüllung des Traumes chirurgisch machbar. Aus Cross-Dressers, die das Tragen der Kleider des anderen Geschlechts entweder sexuell erregt (vorwiegend Transvestiten) oder psychisch beruhigt (Transsexuelle), werden Cross-Bodies. Allein in Deutschland unterziehen sich pro Jahr 100 bis 150 Transsexuelle einer geschlechtsangleichenden Operation. Ebenso viele behalten aber ihre Körper und wechseln nur die soziale Identität. Auch wenn die meisten Transsexuellen und deren Chirurgen in der Öffentlichkeit beteuern, daß Kastration und lebenslange Hormontherapie immer noch besser sind, als im falschen Geschlecht zu leben - man fragt sich doch, ob es überhaupt künstliche Männer und Frauen geben müßte, wenn unser Kästchendenken nicht das individuelle Ausleben des 'Andersseins' immer mehr ins Abseits stellte und die technisch-chirurgische Machbarkeit in den Vordergrund. Auch der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch, der zahlreiche Transsexuelle in ihrer schwierigen Lebenssituation bis hin zur Operation begleitet hat, beginnt umzudenken und appelliert an sich und seine Medizinerkollegen, doch ihren 'ordnenden Heilungswillen zu dämpfen' und aufzuhören, 'einen unauffälligen Menschen schlechthin als >gesund<, einen befremdlichen aber als >krank< einzustufen'.

In diesem Sinne, wie Frau Neuhauser mich bei ihrer Recherche verstanden hat, lautet auch der erste Satz in meinem 1995 erschienenen Sachbuch "Künstliche Geschlechter":

"Die Transsexualität als solche ist ein uraltes Phänomen - das Wandeln zwischen den Geschlechtern ist so alt wie die Menschheit" ...

Dabei bezieht sich diese Feststellung allerdings in erster Linie auf den Geschlechtswandel im sozialen bzw. religiösen Sinne (auf den Genderbereich sozusagen) und weniger auf die körperlich-chirurgische Angleichung. Im Sachbuch "Mythos Geschlechtswandel" habe ich auf den Seiten 93 und 94 hierzu ausgeführt:

 Das Phänomen der menschlichen Intersexualität ist in den vorgehenden Kapiteln in erster Linie in biologischer Hinsicht dargestellt worden. Hierbei wurde allerdings auch darauf aufmerksam gemacht, daß in den vielfältigen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens nicht nur die sexuellen Komponenten ins Gewicht fallen, sondern auch die sozialen Beziehungen eine überragende Bedeutung haben. Die geschlechts-spezifische Arbeitsteilung spielt eine große Rolle und die Tatsache, wie bei allen höher entwickelten Organismen, daß beide Geschlechter für die Fortpflanzung aufeinander angewiesen sind. Wenn auch in verschiedenen Kulturen und Zivilisationen manchmal sehr strenge geschlechtliche Gegensätze zu verzeichnen sind, so gibt es doch immer, wenn auch manchmal recht minutiös ausgearbeitete, ganz bestimmte Verhaltensweisen für beide Geschlechter, die das Auskommen miteinander sichern. Daß dabei manchmal das eine oder das andere Geschlecht dominiert bzw. dominierend war, dürfte allgemein bekannt sein. Die durch patriarchalische Strukturen gefestigte derzeitige männliche Dominanz in gesellschaftlicher Hinsicht verschiedenster Kulturkreise läßt sich vor allem historisch sehr übersichtlich zurückverfolgen und nachvollziehen - die Vorherrschaft des Mannes im sozialen kollektiven Bereich ist auch heute noch ausgesprochen stabil. Die insbesondere in den westlichen Zivilisationen zu beobachtenden Verfallserscheinungen sind noch zu kurzfristig und zu lokal (denken wir nur an die riesigen asiatischen Kulturen in Indien, China und Japan), um von grundsätzlicher, wegweisender Bedeutung schon zum jetzigen Zeitpunkt sein zu können. An geeigneter Stelle wird hierauf noch zurückgekommen.

Wie gesagt, werden die Beziehungen der Geschlechter definiert durch die biologischen und kulturellen bzw. sozialen Aspekte - speziell die im Zusammenleben der Geschlechter herausgearbeiteten Geschlechtsrollen der jeweiligen männlichen und weiblichen Individuen prägen das so vielfältige Erscheinungsbild des Geschlechtswandels in der menschlichen Gesellschaft besonders eindrucksvoll. Es ist hierbei zu beachten, daß der Mensch in erster Linie ein soziales Wesen ist und das Sich-einfügen-können in die Gesellschaft für seine weitere Entwicklung eine entscheidende Bedeutung hat. Die Kommunikation mit seinen Mitmenschen ist ausschlaggebend für jedes Individuum, die Umwelt bestimmt sein Tun und Lassen, und wenn es sich widersetzt, so muß trotzdem ein Konsens mit dieser Umwelt gefunden werden. In diesem Sinne ist auch der Geschlechtswandel beim Menschen zu sehen: Das Auftreten eines solchen Phänomens kann niemals von der Gesellschaft losgelöst betrachtet werden. Wenn diese Kommunikation nicht stimmt bzw. nicht vorhanden ist oder aufgrund falscher Voraussetzungen aufgebaut wird, können erhebliche Komplikationen für alle Beteiligten auftreten. Ein Wechsel der Geschlechtsrolle, insbesondere im Fall eines transexuellen Erlebens, wird deswegen in erster Linie durch die soziale Akzeptanz gekennzeichnet. Diese Akzeptanz wird wiederum gewichtet durch die möglichst enge Angleichung an das andere Geschlecht, speziell im optischen Gesamtbild, aber nicht zuletzt auch durch das Verhalten des Geschlechtsgewandelten in seiner direkten Umgebung. Toleranz und Zumutbarkeit werden heutzutage im Bereich der Transsexualität allerdings, was die Gesellschaft betrifft, oft im Übermaß belastet, bzw. das Akzeptieren durch die Umwelt oft gegen alle Vernunft erzwungen bzw. durchgesetzt.

 Insofern muß der überaus gängige Begriff "Geschlechtswandel" vor allem auch immer zuerst im sozialen Sinne und erst in zweiter Linie im sexuellen Sinne verstanden werden. Dann kann der soziale Geschlechtswandel als ein bereits seit Jahrtausenden existierendes Phänomen nahezu sämtlicher Kulturkreise dieser Welt angesehen werden. Die erklärende Absicht dieses Buches ist es, auf diesen Sachverhalt aufmerksam zu machen und die heutige suggessive Automatik zwischen sozialem und sexuellem Geschlechtswandel aufzubrechen - der sexuelle Geschlechtswandel, d. h. die anatomische Angleichung auf chirurgischer Grundlage (inkl. der Kastration), kann nur als (moderne) Ausuferung einer (uralten) Gegebenheit gesehen werden.

Diese Feststellungen treffen insbesondere zu auf die Geschlechtswandelphänomene innerhalb der aus den Urzeiten stammenden Fruchtbarheitskulten, welche vor allem in den damaligen, speziell vorder-asiatischen Stadtkulturen der Bronzezeit eine ausgeprägt rituelle Bedeutung erlangten. D.h. wir können bei den damaligen Vorgängen von einer sogenannten rituellen bzw. kultischen Transsexualität sprechen, im Gegensatz zur heutigen sogenannten medizinischen Transsexualität wie wir diese in den derzeitigen westlichen bzw. westlich geprägten Kulturen vorfinden. Die rituelle Transsexualität kennzeichnet sich somit durch den Wunsch der Betroffenen (aber auch manchmal unter Zwang bzw. Anordnung der Umgebung) die Übernahme der weiblichen Verhaltensrolle, speziell auf religiös-sozialem Gebiet einzunehmen bzw. anzustreben. Und zwar meistens auf Dauer. Denn die (männliche) Transvestition wurzelt im alten Verlangen, weibliche Magie (Magna Mater) zu imitieren (koste es was es wolle!?): Die sexuelle Komponente kommt dabei erst in zweiter Linie und erfolgt ohne (bewußte) Täuschung. Man kann dies kurz und prägnant so formulieren: Bei der rituellen Transsexualität versetzte der Glaube an die mythischen Götter Berge, bei der medizinischen Transsexualität ist der Glaube an die Götter in weiß, d.h. an der ärztlichen Kunst.

Hierzu habe ich auf S. 96 von "Mythos Geschlechtswandel" wie folgt ausgeführt:

"Gleichzeitig sind wir hier bei einem fundamentalen Unterschied zwischen beiden Formen der Transsexualität angelangt. Bei der rituellen Transsexualität war das jeweilige Individuum im Kollektiv eingebettet, es fand eine Kommunikation statt zwischen allen Betroffenen, und die Integration geschah einvernehmlich. Der Geschlechtwechsel fand ohne Verleugnung der biologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern statt. Die Kastration wurde nur in bestimmten Kulturen und Epochen praktiziert. Wurde auch die soziale Rolle voll und ganz ausgefüllt, so hatte die sexuelle Rolle in der Folge eine dienende und passive homosexuelle Funktion. Die Partner der Betroffenen mußten auch keine so strenge Unterscheidung zwischen heterosexuell und homosexuell über sich ergehen lassen; die Homosexualität, also der gleichgeschlechtliche Verkehr, speziell der Analverkehr, wurde in den damaligen Zeiten ebenso gesehen, wie es zutreffend ist: als eine sexuelle Variante. Allerdings muß hierbei natürlich der damalige Wissensstand in Sache Sexualität und Fortpflanzung berücksichtigt werden. Nach damaliger Auffassung brauchte sich der Mann quasi nur jeweils ein Gefäß zu suchen zum Ablegen seines Samens ob nun Frau, Mann oder Tier, man wußte es nicht besser, vor allem nicht in Verbindung mit der Fortpflanzung, jedenfalls nicht in den Jahrtausenden der Eisen- und Bronzezeit: Die Zeugunsmitwirkung des Mannes offenbarte sich erst im Laufe der Geschichte.

Es ist in der Folge grundfalsch, wie es in den meisten ärztlichen Publikationen hervorgehoben wird, nur den Wunsch nach einer körperlichen Umwandlung als Kriterium für eine echte Transsexualität einzusetzen. Auch wenn die soziale Anpassung noch so gut gelungen ist, die sexuelle Rolle einer Frau mittels Chirurgie erreichen zu wollen, ist nur auf der Basis einer Täuschung des Partners möglich - eine solche Täuschung muß deshalb individuell bleiben und kann nicht kollektiv vorgeschrieben werden. Deswegen sind die heutigen Transsexuellen-Gesetze bereits prinzipiell falsch konzipiert, weil die Umwelt nur auf freiwilliger Basis bereit sein kann, jeweils mitzuspielen, und nicht mittels gesetzlicher Maßnahmen bzw. Möglichkeiten dazu veranlaßt werden soll, sich damit auseinanderzusetzen bzw. abzufinden.

Eine weitere wichtige Erkenntnis, die das häufige Vorkommen der rituellen Transsexualität in alttestamentarischen Zeiten uns liefert, ist die nahtlose Verknüpfung mit der Homosexualität. Es wurde also nicht zwischen Transsexualität und Homosexualität differenziert, da das nicht erforderlich war: Die Gleichgeschlechtlichkeit war für alle Partner etwas Selbstverständliches. Es war nicht nötig zu täuschen. Die Partner einer geschlechtlichen Beziehung machten sich nichts vor bzw. brauchten sich nichts vorzumachen."

Das heutige, so gängige Kästchendenken (Heterosexualität, Homosexualität, Bisexualität, Hermaphroditismus, Transsexualität, Transvestitismus, Androgyn- Status usw.) gab es wohl in jenen alten Zeiten (noch) nicht - die Sexualität hatte früher im Leben der Menschen einen ganz anderen Stellenwert: man/frau lebte sie, statt sie zu analysieren oder womöglich zu bewerten - es war eben so! Allerdings geschah dies oft sehr zügellos und quer durcheinander, so daß bereits in alttestamentarischen Zeiten gegen die offensichtlich weit verbreitete Freizügigkeit in der Sexualität vehement Stellung bezogen wurde. Ich zitiere wiederum aus "Mythos Geschlechtswandel", S. 95:

"Schon in der Bibel gibt es einen Hinweis darauf, wie bereits in den Urzeiten der menschlichen Geschichte das Phänomen der Transvestition den Menschen vertraut war. So heißt es im 5. Buch Mose (Deuteronomium) 22,5:

"Eine Frau soll nicht Männersachen tragen und ein Mann soll nicht Frauenkleider anziehen: Denn wer das tut, ist dem Herrn, deinem Gott, ein Greuel."

Unzweifelhaft hängt die Aufstellung diese Verbots zusammen mit der beim Volke der Kanaanitern zu jener Zeit üblichen homosexuellen Tempel- und Kultprostitution. Es handelte sich dabei um einen Fruchtbarkeitskult zu Ehren der Göttin Ashera, der Gattin Baals (semitischer Wetter- und Himmelsgott). Die in weiblicher Kleidung durch Lustknaben, auch Kedeshim genannt, ausgeübte homosexuelle Tempelprostitution war den Juden höchst suspekt. Davon zeugen ja auch die übrigen mosaischen Gesetze. So heißt es im 3. Buch Mose 18, 22:

"Du sollst nicht bei Knaben liegen wie beim Weibe; denn es ist ein Greuel."

Und im Vers 29 heißt es noch einmal:

"Denn welche diese Greuel tun, deren Seelen sollen ausgerottet werden von ihrem Volk."

Ebenso heißt es im 3. Buch Mose 20, 13:

"Wenn jemand beim Knaben schläft wie beim Weibe, dann haben sie ein Greuel getan und sollen beide des Todes sterben: ihr Blut sei auf ihnen."

Und an anderen Stellen heißt es:

"Wenn ein Mann sich zu einem anderen Mann wie zu einer Frau legt, haben beide Schändliches begangen. Sie sollten mit dem Tode bestraft werden, es lastet Blutschuld auf ihnen." (Leviticus 20, 13)

"Du darfst mit einem Mann keinen geschlechtlichen Umgang haben wie mit einer 'Frau; es wäre ein Greuel." (Leviticus 18, 22)

"Deshalb überließ sie Gott den schimpflichsten Leidenschaften. Ihre Frauen vertauschten den natürlichen Geschlechtsverkehr mit dem widernatürlichen. Ebenso gaben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in ihrer Begierde gegeneinander: Männer trieben mit Männern Unzucht und empfingen so den gebührenden Lohn für ihre Verirrung." (Römerbrief 1, 26 - 27)

"Oder wißt ihr nicht, daß Ungerechte keinen Anteil am Reiche Gottes haben werden? Gebt euch keiner Täuschung hin. Weder Unzüchtige noch Götzendiener, noch Ehebrecher, noch Weichlinge, noch Knabenschänder... Der Leib dagegen ist nicht für die Unzucht da, sondern für den Herrn und der Herr für den Leib." (Korintherbrief 6, 9 u. 13)

Bereits in diesen weitzurückliegenden Zeiten gab es also die unselige Verbindung von Rollentausch, Homosexualität und Prostitution. Es ist also alles schon einmal dagewesen. Hervorgerufen wurden diese Assoziationen und die damit zusammenhängenden biblischen Ge- und Verbote durch die bereits erwähnten aus den Urzeiten stammenden Fruchtbarkeitskulten, die in den damaligen Stadtkulturen eine ausgeprägt rituelle Bedeutung erlangt hatten."

Sogar biologische Intersexuelle, Hermaphroditen somit, finden wir in den alttestamentarischen Schriften der Talmud-Gelehrten noch erwähnt (auch Jesus sprach noch von den "Eunuchen, die so geboren sind"): sie wurden Saris genannt: "Er ist ein Mensch, der mit seinem 20. Jahr noch keine zwei Haare auf seinem Körper hat und bekommt er diese später, so ist er doch ein Sari. Er hat keinen Bart, seine Haare sind fein und sanft, sein Haut ist glatt; sein Wasser bekommt keinen Schaum, er uriniert nicht mit einem andern, sein Samen ist nicht gebunden, er ist klar wie Wasser, sein Wein ist nicht sauer. Seine Stimme ist wie die einer Frau."

Ebenso werden in den biblischen Schriften die Kennzeichen weiblicher Zwischenstufen, Aìloniths genannt, dargestellt:

"Ein Weib, welches, wenn sie zwanzig Jahre alt ist, noch nicht zwei Haare auf dem Körper hat. Sie hat keine Brüste und die Cohabitation ist ihr widrig. Sie hat keinen weiblichen Mons Veneris. Sie hat eine männliche Stimme."

In dem Werk "Die Medizin der Talmudisten" von Joseph Bergel (Berlin, Leipzig 1885) wurden dann im obenerwähnten Zusammenhang die Worte Weibmann und Mannweib geprägt - beide Bezeichnungen gehören heutzutage zum gebräuchlichen, wissenschaftlichen Idiom. Das vom spätlateinischen "effeminatio" (Verweiblichung) abgeleitete Adjektiv "effeminiert", als Synonym für affektiertes, übertrieben weibliches Verhalten ("weibisch" oder auch "tuntig") war besonders in früheren Zeiten gebräuchlich (speziell in Reiseberichten), ist jedoch im heutigen Sprachgebrauch ins Hintertreffen geraten. Dagegen hat sich im allgemeinen derzeitigen Sprachgebrauch der Ausdruck "Transvestit" fest eingebürgert - eine Bezeichnung, welche nur eine überaus undifferenzierte Charakterisierung darstellen kann und vorwiegend im männlichen Sinne Verwendung findet.

Zurückkommend auf die Geschlechtswandel - Manifestationen im Rahmen der Fruchtbarkeitskulten in Klein-Asien der Bronzezeit bzw. der griechisch-römischen Antike, ist es an der Zeit die dem Ganzen zugrundeliegende "androgynische Idee des Lebens" kurz zu erläutern. Diese besagt, daß die Zusammenlegung beider geschlechtlicher Potenzen eine höhere Wirkmächtigkeit darstellt, als jede für sich, d.h. die Geschlechter sind für ihre Verwirklichung aufeinander angewiesen. Und dies manifestiert sich durch die gelebte Androgynität als die Sehnsucht nach der Einheit, nach der Verbindung der Gegensätze bzw. deren Überwindung, nach Harmonie. Gleichzeitig ist diese Sehnsucht aber auch die Suche nach dem Früheren, nach dem Verlorengegangenen, nach dem Paradies erweiterter Lebensmöglichkeiten, nach dem Anfang von allem. In der Folge spielte diese allgegenwärtige "androgynische Idee des Lebens" vor allem auch in den damaligen Welterklärungsmustern eine herausragende Rolle, nicht zuletzt in den vielen alttestamentarischen Quellen bzw. darauf fußenden biblischen Texten.

Überliefert ist uns zum Beispiel der Fruchtbarkeitskult um Kybele, der Magna Mater, der großen Göttin. Dieser Kult war speziell im sumerischen Kleinasien, in Phrygien, rund um Hierapolis beheimatet. Dieses Fruchbarkeitsbrauchtum, vergleichbar mit dem griechischen Artemis-Kult, verbreitete sich in späteren Zeiten durch dem Aufstieg Roms zur Weltmacht (aber nicht zuletzt auch durch das ungezügelte Zutun verschiedener bizarrer Kaiser wie Caligula und Caracella) im gesamten römischen Weltreich jener Tage. Der Kult geriet vor allem durch die in Frauenkleidern auftretenden Weibmann- Priester, Galli genannt, zu einem riesigen religiösen Spektakel, und nicht zuletzt beim Frühlingsfest geriet auch das Volk außer Rand und Band: Es wurden ekstatische Zeremonien bis zum Exzeß durch- bzw. aufgeführt. Dabei wurde die Kastration mit wahrer Inbrunst betrieben, und die Priester - und mit ihnen viele Gefolgsleute - entmannten sich dabei selber, warfen ihre Genitalien auf den Umzügen in die Häuser, deren Besitzer sie daraufhin mit weiblicher Kleidung ausstatten mußten. Dieser Kastrationsmythos wurde auf den entmannten Hohepriester der Göttin Kybele, Attis genannt, zurückgeführt, der wegen seiner Untreue zur Strafe impotent gemacht werden sollte. Andere Quellen sprechen davon, daß die Mutter-Göttin, die Dea Syria, die abgeschnittenen Genitalien der entmannten Priester gewaschen und gesalbt und sie dann der Erde übergeben habe, sozusagen als Vegetationsopfer. Interessant bei diesen religiösen Bräuchen ist das Phänomen der Selbstkastration - man wollte kein "Mann" mehr sein.

Den Römern war lange Zeit nur die syrische Ursprungsform - und diese eher als Kuriosität - bekannt, ähnlich dem Erscheinungsbild der Hare Krishna-Jünger mit ihren bunten Gewändern im heutigen Straßenbild. Als der Kult sich jedoch über das gesamte römische Reich ausbreitete, änderte sich auch in Rom seine Ausgestaltung, speziell bezogen auf die Kastrationszeremonien. Wurden die Kastrationen bei lärmender, ekstatische Musik und Gesang anfänglich mit dem Zeremonienschwert in einem gezielten Schnitt durchgeführt, so wurden in späteren Zeiten die Techniken mit scharfkantigen Klemmen zur alleinigen Entfernung von Hoden und Hodensack verfeinert. Diese Prozeduren verliefen immer sehr blutig und endeten oft tödlich, vor allem wenn auch das Glied mitentfernt wurde. Es traten auch oft tödliche Infektionen der nun erheblich verkürzten Harnröhe auf, ein Problem, das auch bei den heutigen genital-chirurgischen Anpassungsmaßnahmen beachtet werden muß. Dabei kann nämlich, wie von den kastrierten Eunuchen-Priestern überliefert, eine dauernde Blasenschwäche die Folge sein.

Sind die uns bekannten Kastrationszeremonien jener Zeit heute eher als Ausdruck einer barbarischen Religiosität zu verstehen, so sind dennoch die Beweggründe, die Verehrung einer Muttergöttin, nicht ohne Bezug zu heutigen Zeit. Wir kommen nicht umhin, unwillkürlich an den ausgeprägten Mutterkomplex vieler Transsexueller heutzutage zu denken. In diesen Zusammenhang verweisen wir auch auf Stollers Theorie der dominierenden Mutter und des schwachen Vaters mit dem Sohn als Penis-Ersatz! Ebenso denken wir hierbei an den Versuch, das Phänomen des Transvestitismus als unbewußte Assoziierung mit dem mütterlichen Einssein in frühkindlichen Zeiten zu begründen, als direkt nach der Geburt "Geborgenheit" und "Mutter" über längere Zeit zu identischen Begriffen wurden. Eine solche Assoziationskomponente, ob nun bewußt oder unbewußt vorhanden, darf natürlich auch beim transsexuellen Erleben nicht übersehen werden. Der Vollständigkeit halber sei diesbezüglich erwähnt, daß in vorgeschichtlichen Zeiten Natur und Weiblichkeit eins waren ("Am Anfang war das Weib") - die "Große Mutter" (Magna Mater) wurde dabei in erster Linie als Erhalterin des Lebens, aber nicht zuletzt auch als Todesgöttin dargestellt. Fruchtbar und furchtbar zugleich waren Begriffe, welche die babylonische Ischtar, die semitische Astarte, die syrische Anat, die griechische Artemis, die keltische Andrata oder die germanische Freya durchweg gekennzeichnet haben. Die uralten Fruchtbarkeitsgöttinen forderten dabei besonders Opfer, auch Menschenopfer (meistens männlichen Geschlechts!). Der Historiker Erich Neumann sagt hierzu: "Tötung, Opfer, Zerstückelung und Blutdarbringung sind magische Instrumente der Fruchtbarkeit" (und des TS-Kults?).

Erste Darstellungen der "Ur-Mutter" wurden vor ca. 30´000 Jahren gefertigt: Die berühmteste ist die "Venus von Willendorf" (Niederösterreich), eine ca. 20´000 Jahre alte Steinfigur. Die streitbare amerikanische Feministin Camilla Paglia sagt zu derzeit neu aufgeflammten Natur-Kultur-Diskussion im religiös-geschichtlichen Sinne: "Das Buch der Genesis ist eine männliche Unabhängigkeitserklärung von den uralten Mutterkulturen. Am Anfang war nicht das Wort, sondern die Natur (d.h. das "Weib"). Deren unermeßlicher und unergründlicher Charakter wurde nicht von einem "Männer- Gott" verkörpert, sondern durch die Fruchtbarkeit einer "Großen Mutter". Zu dieser Darstellung kann zurückgegriffen werden auf uralte Mythen und zahlreiche archäologische Funde aus aller Welt. Die "Große Mutter" wurde von Ägypten bis nach Indien, von Kleinasien bis tief nach Afrika hinein verehrt - überall wurde zuerst eine weibliche Gottheit angebetet. Sie war zunächst vermutlich namenlos. Erst die Sumerer haben uns auf 4500 Jahre alten Tafeln in Keilschrift überliefert, wie sie ihre "Große Göttin" nannten: Ianna.

Denn - wie bereits gesagt - in vorgeschichtlicher Zeit waren Natur und Weiblichkeit eins: Die Fruchtbarkeit der Frau, deren biologische Grundlagen damals noch nicht durchschaut wurden, rief Furcht und zugleich heilige Scheu hervor. Die Menschen der Frühzeit spürten intuitiv das Geheimnis des Lebens, das jede Frau ganz selbstverständlich in sich trägt. Und so versuchten sie sich von diesem Geheimnis, von diesem mütterlichen Element des weiblichen Menschen ein Bild zu machen. In heutiger Zeit haben Genetik und Molekularbiologie inzwischen klar aufgezeigt, daß nur die weibliche Urstruktur Ausgang allen (geschlechtlichen) Werdens ist: "Am Anfang war das Weib" - die Ausformung der ungeheuer komplizierten biologischen Prozesse im bisherigen Evolutionsablauf von Natur und Mensch geht vom weiblichen Ur-Element aus. Das männliche Element ist imgrunde nur zusätzlich vorhanden und vom weiblichen abgeleitet. Die eigentliche Berechtigung des Männlichen geht dabei ausschließlich von der Funktion desselben bei der Fortpflanzung, d.h. über die Biologie der Sexualität, aus. Im Sachbuch "Künstliche Geschlechter" (S. 31 - 45) habe ich dazu überaus ausführlich referiert und ich habe hier im Vortrag derart weit ausholen müssen, um vor allem die damit direkt im Zusammenhang stehende Entwicklung der bereits zitierten "androgynischen Idee des Lebens" aufzuzeigen. Daß sich daraus in den letzten 2`000 Jahren die überaus dominierende Stellung des männlichen Prinzips, wiederum aus religiösen Überlegungen, ergeben hat, dürfte allgemein bekannt sein. Bereits James Brown sang: "it´s a man´s man´s man´s world". Daran wird sich so schnell auch nichts ändern, Feminismus hin oder her ...! Die (erneute) Gleichwertigkeit des weiblichen Prinzips ist noch in weiter Ferne!

In dem bereits zitierten Zeitraum der Bronzezeit und der Antike wurde nun die Nähe zur Natur mit ihrem rhythmischen Auferstehen und Erstarren der Natur oft über den dauerhaften bzw. temporären Geschlechtswandel gehuldigt. In späteren Zeiten, als das männliche Prinzip sich immer mehr durchzusetzen begann, verlagerte sich das Ganze dann immer mehr in die "himmlischen Sphären", weg von "Mutter Erde", (biblischer Text: "Macht Euch die Erde untertan"). Entsprechende Fruchtbarkeitskulte wie die um Kybele und Attis finden wir bei den Sumerern und den darauffolgenden babylonischen Kulturen manchmal noch über Tausenden von Jahren. Die damit exzessiv zusammenhängende rituelle Transvestition war deshalb aus den damaligen Gesellschaften bzw. Stadtkulturen nicht wegzudenken und in der Folge auch völlig integriert inkl. den damit zusammengehenden Prostitutionsvorgängen. Wir erinnern diesbezüglich nochmals an die alttestamentarischen Berichte über die Kanaaniter und deren Kult um die Göttin Ashera sowie an die Tempelprostitution des Kedeshim (Lustknaben in weiblicher Kleidung und Aufmachung) sowie die dagegen gerichteten biblischen Ver- und Gebote.

Bei den Babyloniern galt die Göttin Ischtar als doppelgeschlechtlich und bereits dem (himmlischen) Venusstern geweiht: abends weiblich, morgens männlich. Sie wurde oft dargestellt mit einer linken, weiblichen und einer rechten männlichen Hälfte (wir erinnern uns an die biblische "Zela"- Deutung: gleiche gleichwertige Hälftungsidee auch in Indien und Indonesien) sowie mit aus ihren Schultern wachsenden Pflanzen, oft auch mit Bart - ihr Geliebter war der Vegetationsgott Tammuz. Typisch für diesen Kult waren die weibmännlichen Kultpriester, Kurgaru oder Asinnu genannt, deren "Männlichkeit" Ischtar in "Weiblichkeit" verwandelt hatte. Außer bei den orgiastischen Festen zu Ehren Ischtars wirkten diese Kultdiener auch mit beim Neujahrfest zu Babel sowie bei größeren Kranken- und Hexen- Beschwörungszeremonien. Im sexuellen Sinne war ihr Verhalten zweifellos homosexuell und kein Mensch dachte sich offenbar etwas bei diesen gleichgeschlechtlichen Kontakten: Es war eben so! Selbstverständlich spielte hierbei auch die damalige Fortpflanzungs- Ungewißheit eine große Rolle.

Dieses weibmännliche Priestertum steht im Gegensatz zu den in jenen Zeiten ebenfalls häufigen Eunuchen-Priestern im Dienste verschiedenster Kastrationskulten Vorderasiens, wie im vorerwähnten Kybele-Kult. In rezenten Zeiten finden wir eine solche religiöse Kastration u.a. bei der russischen Sekte der Skopzen (sie kannten, je nach Schwere der Operation, die Bezeichnungen "Kleines Siegel" und "Großes Siegel") und auch in Indien bei der in die Hunderttausende gehende Gilde der Hrinjas. Und eines der am besten gehüteten Geheimnisse der frühen Christenheit war die Aufforderung an den speziellen inneren Kreis der Eingeweihten, sich selbst zu entmannen, um durch diesen Beweis der Keuschheit größere Gnade zu erlangen. Die Kirche folgte dem "Buch der Weisheit" und lehrte: "Selig ist auch der Kinderlose (der Eunuch!), der sich nicht frevelhaft verging" (Weisheit 3, 14) und sogar Jesus selbst rief zur Kastration:

"Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig.... manche haben sich selbst dazu gemacht - um des Himmelreiches willen. Wer das erfassen kann, der erfasse es" (Matthäus 19, 12).

Der Kirchenvater Origenes (185-245 n. Chr.) wurde hoch gelobt, weil er sich selbst entmannt hatte. Und in der Apologie des christlichen Philosophen Justinus (100-165 n. Chr.), bekannt durch seine Synthese von griechischer Philosophie und frühem Christentum, ist mehrmals festgehalten, daß die römischen Ärzte damals von gläubigen christlichen Männern belagert wurden, die nach der Operation verlangten. Die in diesem Jahr beim Erscheinen des Kometen Hale-Bopp durch Selbstmord ums Leben gekommenen Anhänger der amerikanischen Sekte "Heaven's Gate" waren übrigens nahezu alle kastriert. Die Geschichte wiederholt sich nur. Weiter erinnern wir noch an die Aussage des lateinischen Kirchenschriftstellers Tertullian (160-220 n. Chr.): "Das Königreich des Himmels steht für Eunuchen offen" und seinen Rat, Christenknaben vor der Pubertät zu kastrieren, damit ihre "Tugend" dauerhaft geschützt sei. Und im Mittelalter sangen in den Chören der Kathedralen, bzw. in der Zeit des Barocks in den Opern, die "castrati" - Gesangskastraten, die vor der Pubertät entmannt worden waren um - neben ihrer Tugend - auch ihre Sopranstimmen zu erhalten. Denn Frauen waren ja vor allem Kirchlichem rigoros ausgeschlossen: männlich-patriarchalisches Eindeutigkeits-Prinzip ad absurdum geführt ...!