Gib dich nicht auf, lass dich wieder ein! - Matthias Wengenroth - E-Book

Gib dich nicht auf, lass dich wieder ein! E-Book

Matthias Wengenroth

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Beschreibung

Warten Sie nicht darauf, dass irgendetwas von allein passiert, sondern nehmen Sie Ihr Leben selbst in die Hand! Es gibt eine Reihe von Wegen in die Depression hinein – und zum Glück auch mehrere Wege wieder hinaus. Matthias Wengenroth liefert auf Basis der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) einen umsetzbaren Weg aus der Depression. Schritt für Schritt führt er anhand Themen wie destruktive Gedanken erkennen und ihnen die Macht nehmen bewusst im Hier und Jetzt leben (Achtsamkeit) Wertvorstellungen umsetzen, wieder in Bewegung kommen (Commitment) durch ein Programm, das perfekt geeignet ist, Sie bei der Linderung oder Überwindung Ihrer Depressionen zu unterstützen. "Gib dich nicht auf, lass dich wieder ein!" beinhaltet konkrete Anleitungen, Übungen und Impulse. Arbeitsblätter helfen Ihnen, Ihr Vorgehen zu strukturieren und Ihre Fortschritte zu überprüfen.

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Seitenzahl: 203

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Matthias Wengenroth

Gib dich nicht auf, lass dich wieder ein!

Depressionen mit der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) überwinden

Gib dich nicht auf, lass dich wieder ein!

Matthias Wengenroth

Matthias Wengenroth

Mankhauser Strasse 1

42699 Solingen

Deutschland

E-Mail: [email protected]

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Hogrefe AG

Lektorat Psychologie

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Dr. Susanne Lauri

Bearbeitung: Friederike Moldenhauer, Hamburg

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: iStock / hobo_018

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Illustrationen: Marcus Wilke, Berlin

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Format: EPUB

1. Auflage 2019

© 2019 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-95885-9)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-75885-5)

ISBN 978-3-456-85885-2

http://doi.org/10.1024/85885-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Gebrauchsanweisung für dieses Buch

Übungsplan

1 Selbstanteilnahme entwickeln

2 Den Blick nach innen richten

3 Meinen Umgang mit Gefühlen näher anschauen

4 Gefühle annehmen

5 Erkennen, was mir wichtig ist

6 Mich annehmen, wie ich bin

7 Klarheit gewinnen darüber, wie ich leben will

8 Innere Barrieren erforschen

9 Schwierige Gedanken entschärfen

10 Mich wieder auf das Leben einlassen

11 Mein Leben aktiv gestalten

12 Stabilität gewinnen, Rückschläge verkraften

Literatur

Weiterführende Literatur

|7|Vorwort

Nehmen Sie dieses Buch in die Hand, weil Sie nach Möglichkeiten suchen, sich selbst zu helfen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie unter sehr belastenden Beschwerden leiden. Ihre Stimmung ist vermutlich stark schwankend oder auch ständig gedrückt. Sie trauen sich nur noch wenig zu, mögen sich vielleicht gar nicht mehr leiden. Möglicherweise machen Sie sich schwere Vorwürfe wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Verfehlungen und Schwächen. Sind leicht reizbar und sehen alles schwarz. Sie grübeln viel und können sich an nichts mehr erfreuen. Vielleicht haben Sie quälende Gefühle, leiden unter einem ständigen inneren Schmerz, eventuell fühlen Sie auch überhaupt nichts mehr. Das Leben hat für Sie seinen Glanz verloren. Möglicherweise haben sich auch Ihre körperlichen Reaktionen und Bedürfnisse verändert und das macht sich bei der Energie, dem Appetit, dem Schlaf und in der Sexualität bemerkbar. Vielleicht sind Sie das erste Mal depressiv, vielleicht kennen Sie diesen Zustand gut. Möglicherweise haben Sie schon viel versucht, um sich aus dieser leidvollen Situation zu befreien: haben schon andere Bücher gelesen, Medikamente eingenommen, sich einem Angehörigen oder dem Hausarzt anvertraut und um Rat und Unterstützung gebeten. Oder Sie haben bei der Telefonseelsorge angerufen oder Therapien und andere Hilfsangebote in Anspruch genommen.

Die Auffassungen darüber, wie Depressionen entstehen und was dagegen hilft, gehen weit auseinander. Dieses Buch vertritt einen von mehreren Standpunkten zu diesen Fragen, der auf Erkenntnissen der Lerntheorie fußt und als Weiterentwicklung der sogenannten kognitiven Verhaltenstherapie betrachtet werden kann. Dieser Ansatz ist nicht besser oder schlechter als manch anderer. Noch ist die Wissenschaft nicht so weit, eindeutig sagen zu können, was gegen Depressionen am besten hilft. Es gibt eine Reihe von Wegen in die Depression hinein – und zum Glück auch mehrere Wege wieder heraus. Die in diesem Buch dargestellten Maßnahmen |8|um aus der Depression herauszukommen haben bereits vielen Betroffenen geholfen, so viel kann bei der aktuellen Erkenntnislage schon einmal gesagt werden. Manche tun gar nichts gegen eine Depression, sondern warten einfach ab, bis sie wieder vorbei ist. Auch das ist eine Möglichkeit. Da Sie dieses Buch lesen, möchten Sie vermutlich einen anderen, aktiveren Weg einschlagen.

Das in diesem Buch vorgestellte Programm beruht auf der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (kurz ACT, gesprochen wie das englische to act, handeln). Entwickelt wurde dieser therapeutische Ansatz von dem amerikanischen Psychologen Steven Hayes und seinen Mitarbeitern. Hayes hat intensiv zu der Frage geforscht, wie wir eigentlich das Denken lernen und wie unser Denken unser Fühlen und Handeln beeinflusst. Auf der Grundlage der Erkenntnisse seiner Arbeitsgruppe haben er und seine Mitarbeiter eine Theorie und ein Behandlungskonzept für unterschiedliche psychische Probleme (von Ängsten und Zwängen über Depressionen bis hin zu Suchtproblemen und Beziehungsstörungen) entwickelt, die sie erstmalig im Jahr 1999 in Buchform vorstellten. Eine überarbeitete Version erschien auf Deutsch im Jahr 2014 unter dem Titel Akzeptanz- & Commitment-Therapie. Achtsamkeitsbasierte Veränderungen in Theorie und Praxis1. Ehe ich näher darauf eingehe, was diesen Ansatz zur Überwindung von Depressionen und anderen seelischen Problemen so besonders macht, möchte ich kurz etwas über die Vorgeschichte von Gib dich nicht auf, lass dich wieder ein sagen.

Als ich vor etwa zehn Jahren an einen Verlag mit dem Vorschlag herantrat, ein Buch über die Akzeptanz- und Commitmenttherapie zu schreiben, stieß ich sowohl auf Interesse als auch auf Skepsis. „Das hört sich alles sehr gut an, ist mal etwas Anderes. Also mir gefällt’s“, so in etwa äußerte sich die damalige Lektorin. „Andererseits … weiß ich nicht, ob das in unser Programm passt. Diese Therapie fällt ja schon ein bisschen aus dem Rahmen des Üblichen. Wir achten sehr darauf, dass unsere Bücher auf gesicherten Erkenntnissen beruhen, das muss alles wissenschaftlich abgesichert sein. Ich werde es mir noch mal durch den Kopf gehen lassen und unsere Experten zurate ziehen.“ ACT war damals noch ziemlich neu |9|und im deutschsprachigen Raum weitgehend unbekannt. Ein paar Tage später rief die Lektorin wieder an, um mir mitzuteilen, dass sich der Verlag gegen eine Veröffentlichung entschieden habe. Sie riet mir, es bei einem anderen Verlag zu versuchen, der etwas aufgeschlossener gegenüber neuen Ansätzen wäre. Ich bedankte mich und legte etwas enttäuscht auf. Zehn Minuten später klingelte das Telefon erneut. Es war wieder die Lektorin: „Ich bin es noch mal. Wissen Sie was? Wir machen es doch. Man muss auch mal etwas wagen! Schreiben Sie das Buch!“ Im Jahr 2008 kam Das Leben annehmen beim Hans Huber Verlag heraus. Ich hatte es als Selbsthilfebuch auf der Grundlage der Akzeptanz- und Commitmenttherapie für Menschen geschrieben, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben. Das Leben annehmen stieß auf deutlich mehr positive Resonanz als der Verlag und ich gehofft hatten und findet nach wie vor seine Leserschaft.

Depression und Psychotherapie

Wenn Sie sich bereits mit dem Thema Depression und Psychotherapie beschäftigt haben, werden Sie die – vielleicht etwas frustrierende – Feststellung gemacht haben, dass es unter den Psychotherapeuten kein klares, einheitliches Bild davon gibt, wodurch eine Depression entsteht und wie man sie am besten behandelt und überwindet. Vielmehr herrscht auf dem Gebiet eine zum Teil verwirrende Vielfalt an Erkenntnissen, Theorien und Behandlungsmethoden vor. Das hat zum einen damit zu tun, dass es sich bei psychischen Problemen in der Regel um komplexe seelische Vorgänge handelt. Zum anderen werden zwar Fortschritte in der Behandlung erzielt, doch hat sich noch kein bestimmtes Vorgehen als den anderen eindeutig überlegen erwiesen. Daher werden immer neue Therapien und Methoden entwickelt in der Hoffnung, das bisherige Vorgehen zu verbessern und mehr Betroffenen wirksamer helfen zu können. ACT, die Therapie, auf der das Programm beruht, das ich vorstellen werde, gehört zur Gruppe der Verhaltenstherapien. Deren gemeinsames Ziel besteht darin, konkrete Veränderungen im Umgang mit dem eigenen Erleben und mit bestimmten schwierigen Situationen zu fördern. Es sollen Lernprozesse in Gang gesetzt werden, die die Betroffenen unterstützen, bestimmte Herausforderungen besser zu bewältigen. Ursprünglich war die Verhaltenstherapie in der Behandlung von Depressionen darauf ausge|10|richtet, Betroffenen zu helfen, ihre Probleme zu lösen und mit Konflikten sowie anderen zwischenmenschlichen Schwierigkeiten besser umzugehen. Sie unterstützte die Patienten darin, insgesamt aktiver zu werden und mehr positive Aktivitäten zu planen und durchzuführen. In den letzten Jahrzehnten wurde in der Therapie zusätzlich versucht, ungünstige Denkmuster zu verändern. Neben diesen Zielen bemüht sich die Akzeptanz- und Commitmenttherapie darum, zusätzlich Lernprozesse in folgenden Bereichen anzustoßen:

Im Umgang mit Gefühlen: Anstatt bestimmte Gefühle – koste es, was es wolle – loswerden zu wollen, lernen wir, ihnen Raum zu geben und sie als das, was sie sind, anzunehmen.

Im Umgang mit Gedanken: Wir entwickeln eine hilfreiche Haltung im Umgang mit unseren Denkprozessen, die – einfach formuliert – darin besteht, nicht alles zu glauben, was wir denken, und damit die Macht ungünstiger Gedanken über unser Fühlen und Handeln zu schwächen.

Im Umgang mit unserer Aufmerksamkeit: Wir lernen, unsere Aufmerksamkeit flexibel auf das zu richten, was hier und jetzt gerade wichtig und hilfreich ist – und uns nicht in Grübeleien über Vergangenes oder Sorgen über Zukünftiges zu verlieren.

Im Umgang mit unserem Ich: Wir lernen, uns aus dem Gefängnis von Vorurteilen uns selbst gegenüber zu befreien und unser Ich ganz anders zu verorten: als stabiler, grenzenloser und außerhalb von Bewertungen stehender Beobachter.

Im Umgang mit den Möglichkeiten unseres Lebens: Wir lernen, uns Klarheit darüber zu verschaffen, was für uns wirklich zählt, und dies nicht aus dem Blick zu verlieren.

Im Umgang mit unseren Entscheidungen: Wir lernen, Passivität und Impulsivität zu überwinden und da, wo es möglich und sinnvoll ist, unser Handeln daran auszurichten, was uns wichtig ist und was unter den gegebenen Umständen funktioniert.

Warum dann noch ein Buch, wenn es doch schon eines gibt, das den Anspruch hat, die Grundideen und Vorgehensweisen von ACT so darzustellen, dass auch Laien sie nachvollziehen und eigenständig anwenden können? Meiner Meinung nach besteht dafür ein Bedarf. ACT ist zwar eine sogenannte „transdiagnostische“ Therapie und damit für die Behandlung |11|von unterschiedlichsten psychischen Problemen gedacht, also nicht nur von Depressionen, sondern z. B. auch von Zwängen, Ängsten, Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol, Nikotin oder Drogen, Ess-Störungen oder den Folgen von extrem belastenden Ereignissen (posttraumatische Störungen). Und es gibt sicher einige Überschneidungen und Gemeinsamkeiten von all diesen verschiedenen Problemen. Allerdings gibt es auch bedeutsame Unterschiede. In einem Buch, das die Bewältigung von Depressionen in den Vordergrund stellt, kann spezifisch auf die Probleme von Menschen eingegangen werden, die unter den typischen mit diesem Störungsbild verbundenen Beschwerden leiden.

In diesem Buch beschreibe ich ein Programm, das aus einer vorgegeben Abfolge einzelner Schritte besteht.2 Im Gegensatz dazu enthält der Vorläufer relativ viele Hintergrunderklärungen sowie zu jedem Thema zahlreiche Übungen und Umsetzungsvorschläge.3Gib dich nicht auf, lass dich wieder ein! hält die Erläuterungen bewusst knapp und beschränkt sich auf solche Übungen und Anregungen, die besonders gut geeignet sind, Menschen bei der Linderung oder Überwindung von Depressionen in bestimmten Situationen zu unterstützen.

Die Entscheidung, ein Buch zu diesem Thema zu schreiben, ließ mich innerlich nicht kalt: Zum einen überfiel mich eine gewisse Last und Schwere. Ich habe im Laufe meiner Berufstätigkeit eine ganze Reihe von Menschen durch eine Depression begleitet und immer wieder erfahren, wie groß der Schmerz, die Trauer, die Verzweiflung und die Hilflosigkeit der Betroffenen – und auch ihrer Angehörigen – oft sind. Ich erinnere mich an viele Patienten, die in meinem Sprechzimmer bittere Tränen vergossen haben – und an viele, die keine Tränen mehr hatten, denen jegliche Empfindung abhandengekommen war. Um Letztere habe ich mir oft besonders große Sorgen gemacht. Viele Patienten, die sehr depressiv sind, leiden unter einer quälenden inneren Leere und einer gefühlten Sinnlosigkeit. Häufig stellt sich bei Menschen in einer solchen Situation der Wunsch ein, nicht mehr leben zu wollen – und schwebt oftmals über ihnen und über ihrem Umfeld wie ein Damoklesschwert. |12|Während für manche Betroffene die Vorstellung, sie könnten ihrem Leben selbst ein Ende setzen, so etwas wie ein Strohhalm ist, an den sie sich klammern können und der ihnen ein wenig Erleichterung verschafft, bedeutet dies für ihr Gegenüber, dass sich in die Schwere und das Mitgefühl, das der depressive Mensch auslöst, auch eine große Portion Sorge mischt. Sorge, Schmerz, Hilf- und Hoffnungslosigkeit, diese Gefühle sind mit dem Begriff Depression verbunden – auch für mich, wenn ich mich mit dem Thema befasse. Zweifel kamen hinzu: Werde ich es schaffen, ein Buch zu schreiben, das der damit verbundenen Verantwortung gerecht wird? Ein Buch, das die Hoffnungen, die ein schwer leidender, deprimierter Mensch da reinsetzt, nicht enttäuscht? Was, wenn mir das nicht gelingt, wenn die Botschaft nicht richtig ankommt und der Leser nach der Lektüre genauso verzweifelt ist wie zuvor? Oder sogar noch verzweifelter, weil sich wieder ein Weg als Sackgasse erwiesen hat? Bedrückung, Sorge, Zweifel – solche dunklen Gefühle stellten sich also nach dem Entschluss, dieses Buch zu schreiben, bei mir ein. Und auch eine Tendenz, diesen Gefühlen aus dem Weg zu gehen: Sollte ich nicht vielleicht die Finger davon lassen? Ein anderes Thema aussuchen? Ein leichteres, eines, das mich nicht so „herunterziehen“ würde?

Aber da war auch noch ein anderes Motiv: Erinnerungen an wunderbare Erfahrungen, an denen mich viele meiner Patienten teilhaben ließen. Der Moment, wenn sich ein Mensch nach einer langen schweren Zeit auf einmal wieder zu erholen beginnt, wenn wieder Bewegung in die versteinerten Gesichtszüge kommt. Wenn sich ein erstes leichtes Lächeln seinen Weg bahnt, möglicherweise noch unter Tränen. Wenn mir jemand berichtet, dass er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Wärme in seinem Herzen gespürt hat, einen Anflug von Lebendigkeit. Wieder lachen konnte. Wenn Menschen, die sich fast aufgegeben haben, wieder eine Richtung in ihrem Leben einschlagen, sich wieder auf den Weg machen, vielleicht noch mit zaghaften kleinen Schritten und weichen Knien, aber wieder bewusst und absichtsvoll. Nicht, weil sie müssen, weil sie mechanisch irgendeine Pflicht erfüllen, sondern weil sie eine Wahl treffen, aus einer zurückgewonnenen inneren Freiheit heraus. Dies sind kostbare Momente für mich. Wo das Leid groß ist, ist auch der Bedarf an Hilfe groß. Menschen, die in schwerer innerer Bedrängnis sind, mithilfe von gesprochenen oder geschriebenen Worten zu unterstützen ist etwas zutiefst Sinnvolles – auch wenn es sich nicht in jedem Moment gut anfühlt.

|13|Bitte sehen Sie es mir nach, dass ich von mir und meinem Erleben spreche. Es soll in erster Linie nicht um mich gehen in diesem Buch, sondern um Sie. Um Ihr Leben, Ihre Schwierigkeiten und Ihre Möglichkeiten, mit sich selbst wieder besser zurechtzukommen. Nur hilft es manchen Menschen in ihrer Not zu sehen, dass sie nicht die einzigen sind, die belastende Gefühle und Gedanken kennen. Sie fühlen sich getröstet durch die Erfahrung, dass auch andere von Zweifeln, Sorgen und Niedergeschlagenheit geplagt werden, selbst Therapeuten. Und dass niemand von ihnen verlangt, diese Gedanken und Gefühle loszuwerden oder in den Griff zu bekommen, denn darum geht es nicht.

Worum geht es dann? Wozu dieses Buch, wenn es nicht darauf abzielt, innere „Dämonen“ – Schuld- und Schamgefühle, Trauer, Selbstzweifel, Ängste – loszuwerden? Ist es denn nicht so, dass Menschen in Depressionen versinken, weil sie zu traurig sind, zu ängstlich, zu viele trübe Gedanken haben? Und dass Hilfe darin besteht, diese „negativen“ Gefühle und Gedanken, diese „Symptome der Krankheit Depression“ abzumildern, zu überwinden, wegzutherapieren? Damit es dann im Leben des Betroffenen wieder weitergehen kann? Wenn Sie so denken, sind Sie in guter Gesellschaft. Diese Einstellung ist in unserer Kultur weit verbreitet. Auch ich selbst erwische mich immer noch dabei, obwohl ich es eigentlich besser wissen sollte …

Das ist eine von den Sachen, die unser Verstand macht: Er spult immer wieder dieselben „Weisheiten“ ab, die ihm irgendwann eingetrichtert wurden oder die er sich zusammengereimt hat. Dazu später mehr. Meine Erfahrung ist jedenfalls Folgende: Ob es jemandem gelingt, ein Leben zu führen, das er als erfüllend und beglückend erlebt, hängt nicht davon ab, wie viele negative Gedanken und Gefühle er hat, weder von seinen Ängsten, belastenden Erinnerungen noch von Zweifeln oder seinem Kummer. Wenn nicht davon, wovon dann, werden Sie zu Recht fragen.

Nach ACT sind es zwei zentrale Fragen, die darüber entscheiden, ob es uns Menschen gelingt, auch unter schwierigen inneren und äußeren Bedingungen unsere Möglichkeiten zu nutzen, ein sinnvolles und erfülltes Leben zu führen. Die erste lautet: Wie gehst du mit Schmerz, Angst, Traurigkeit und Verletzbarkeit um? Die zweite lautet: Wie schaffst du es, mit dem in Verbindung zu bleiben, was dir lieb und teuer ist?

Auf diese beiden Fragen gibt ACT, wie ich finde, einige kluge und hilfreiche Antworten. Sie sind die Grundlage für das Programm, das Ihnen auf |14|den Seiten des vorliegenden Buches vorgestellt wird und in dem Sie ganz gezielt dabei unterstützt werden, Erkenntnisse zu gewinnen und Fähigkeiten aufzubauen, die Ihnen bei der Überwindung Ihrer Depressionen und der Vermeidung von Rückfällen helfen werden.

Mit Hilfe dieses Programms werden Sie Schritt für Schritt

lernen eine freundlich-anteilnehmende Haltung zu sich selbst einzunehmen

Ihre Fähigkeit zur Selbstbeobachtung verbessern

darin unterstützt, Dingen und insbesondere Gefühlen, die Sie sowieso nicht ändern können, mit Akzeptanz zu begegnen, anstatt sich in einen vergeblichen und aufreibenden Kampf dagegen zu verstricken

lernen, schwierigen Gedanken (z. B. den typisch depressiven Schuld- und Minderwertigkeitsgefühlen) ihren Stachel zu nehmen

mehr Klarheit darüber gewinnen, was für Sie im Leben wirklich zählt

Ihr Ich-Gefühl stärken und

lernen, wie Sie auch in emotional schwierigen Momenten positive und werteorientierte Verhaltensmuster aufbauen und festigen können.

Die Inhalte, die Sie in diesem Buch lesen, sind zum allergrößten Teil nicht auf meinem Mist allein gewachsen. Ich verdanke meine Ideen dem Austausch mit der emsigen internationalen ACT-Gemeinschaft, die so großzügig mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen umgeht. Ich bin diesem Kreis genauso dankbar wie den Menschen mit Depressionen und anderen seelischen Nöten, die mir ihr Vertrauen schenken und es mir ermöglichen, ACT lebendig werden zu lassen und dadurch auch selbst zu lernen und zu wachsen. Für ihre zahlreichen hilfreichen Vorschläge zur Verbesserung dieses Textes danke ich der Lektorin Friederike Moldenhauer, meiner Mutter Bärbel Wengenroth und meiner Freundin und Kollegin Dr. Manuela Kolla. Mein verbindlichster Dank gilt außerdem Susanne Lauri vom Hogrefe Verlag für die hervorragende Zusammenarbeit.

1

Hayes, S. C., Strosahl, K. D. & Wilson, K. G. (2014). Akzeptanz- & Commitment-Therapie. Achtsamkeitsbasierte Veränderungen in Theorie und Praxis. Paderborn: Junfermann.

2

Ähnliche Programme für die psychotherapeutische Behandlung von Depressionen auf der Basis der Akzeptanz- und Commitmenttherapie wurden von anderen Autoren entwickelt und beschrieben, z. B. in den USA von Zettle (2007) und in Deutschland von Hofheinz, Heidenreich und Michalak (2017).

3

Das Gleiche gilt auch für das Selbsthilfebuch, das Steven Hayes geschrieben hat.

|15|Gebrauchsanweisung für dieses Buch

Das Programm, das ich hier vorstelle, wendet sich an Menschen, die unter Depressionen leiden und nach Wegen suchen, aus dem lähmenden Zustand, in dem sie sich befinden, herauszukommen. Es zielt darauf ab, Sie, die Leserin, den Leser, in die Lage zu versetzen, sich Klarheit über Ihren persönlichen Umgang mit Ihrem seelischen Schmerz zu verschaffen, zu erkennen, mit welchen Verhaltensweisen Sie sich möglicherweise selbst im Wege stehen und Alternativen dazu kennenzulernen, auszuprobieren und einzuüben.

In diesem Moment, in dem Sie diesen Text lesen, sind Sie möglicherweise schon fest entschlossen, ACT eine Chance zu geben und können es vielleicht gar nicht abwarten, mit der Lektüre und den Übungen zu beginnen. Vielleicht sind Sie aber auch noch skeptisch, wollen sich erst mal einen Eindruck davon verschaffen, worum es eigentlich geht und ob die Überlegungen und Anregungen zu Ihnen und Ihren Schwierigkeiten passen. An welchem Punkt auch immer Sie stehen, die Tatsache, dass Sie dieses Buch zur Hand genommen haben, spricht dafür, dass Sie jemand sind, der darauf vertraut, dass ihm Informationen, Erkenntnisse und Einsichten weiterhelfen können. Ihre Einschätzung teile ich, sonst hätte ich das Buch nicht geschrieben.

Allerdings können Informationen, Erkenntnisse und Einsichten zwar hilfreich sein, aber allein reichen sie in der Regel nicht aus, um aus einer Depression wieder herauszufinden. Was man bislang an Gewohnheiten im Umgang mit sich selbst und mit seinem Leben erworben hat, ist nicht von heute auf morgen entstanden. Genauso wenig wird es über Nacht auch wieder verschwinden, selbst wenn man meint, endlich eine heilsbringende Einsicht gewonnen zu haben, mit der sich nun alles ändert. Unser Verstand sagt vielleicht: „Aha, jetzt weiß ich endlich, wieso alles so ist, wie es ist, und was anders laufen muss. Jetzt wird alles anders.“ Die Wirklichkeit sieht oft anders aus: Wenn wir eine Erkenntnis nicht durch regelmäßiges Tun in unserem Handlungsrepertoire verankern, verblasst sie |16|und bald darauf verfallen wir wieder in unsere alten Gewohnheiten. Möchten Sie nachhaltig etwas an Ihrem Umgang mit sich selbst verändern, sollten Sie nicht allein auf Einsichten und Erkenntnisse setzen, sondern auch darauf, neue Gewohnheiten aufzubauen. Dazu braucht es regelmäßige Übung. Dieses Buch enthält zahlreiche Anregungen dazu.

Jeder Mensch hat seine eigene Art, sich mit neuen Informationen auseinanderzusetzen, und ich kann und will Ihnen natürlich keine Vorschriften machen, wie Sie mit diesem Buch umzugehen haben. Wenn Sie erst einmal alles durchlesen wollen, ohne eine Übung umzusetzen, oder wenn Sie darauf bauen, dass das Gelesene von allein seine Wirkung entfaltet, ohne dass Sie bewusst üben – dann tun Sie dies. Vielleicht picken Sie sich auch nur einige Übungen heraus, die Ihnen nützlich erscheinen, möglicherweise ist das auch ausreichend. Jeder Mensch ist anders und jede Situation ist anders. Depression ist nicht gleich Depression. Vielleicht benötigen Sie nur einen kleinen Anstoß, vielleicht sogar nur eine Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein.

Empfehlen würde ich Ihnen dennoch ein systematisches Vorgehen. Nehmen Sie sich für jeden Schritt des Programms etwa eine Woche Zeit, lesen Sie zunächst das gesamte Kapitel durch und halten Sie sich an den „Trainingsplan“. Ich habe versucht, die Übungen zu erklären, aber selbst wenn Sie ihren Sinn und Zweck nicht bis ins Letzte verstehen (also Ihr Verstand weiterhin Fragen und Zweifel dazu aufwirft), können Sie sie dennoch ausprobieren und einfach schauen, ob die Einheit eine hilfreiche Wirkung entfaltet. Sie müssen es nicht, aber es ist möglich, diese Entscheidung zu treffen – auch wenn Ihr Verstand daran etwas auszusetzen hat.

Manche Übungen werden Ihnen vielleicht schwerfallen, andere weniger. Eventuell werden Sie manchmal eine Übung aufgeben, weil sie Ihnen zu leicht oder zu schwierig vorkommt. Das kann durchaus berechtigt sein. Vielleicht beherrschen Sie die Fähigkeit, die im Fokus steht, schon „aus dem FF“, und benötigen kein zusätzliches Training. Und Übungen können natürlich auch tatsächlich zu schwierig sein in dem Sinne, dass Sie etwas voraussetzen, was momentan (noch) außerhalb Ihrer Möglichkeiten liegt. Dann sollten Sie sie eventuell erst einmal zurückstellen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgreifen. Wenn Ihr Verstand immer wieder Übungen als zu leicht – ist doch „Pipikram“ – bezeichnet, ist jedoch Skepsis angezeigt. Vielleicht verwechselt er das Verstehen einer Übung mit ihrer Umsetzung. Das sind aber zwei verschiedene Dinge. Genauso skeptisch |17|sollten Sie sein, falls Sie denken: „Das ist viel zu schwer, das schaffe ich nie.“ Ein solcher Gedanke hat vielleicht eher mit Ihrer gedrückten Stimmung und Ihrem negativ verzerrten Selbstbild zu tun als mit einer tatsächlichen Überforderung. Geben Sie der Übung eine Chance, auch wenn Ihr Verstand alles andere als optimistisch ist.

Es hat einen großen Vorteil, sich zu entscheiden, das gesamte Programm mit allen Übungen so, wie es hier dargestellt ist, durchzuarbeiten, selbst wenn Ihnen die eine oder andere Aufgabe unverständlich oder sehr leicht oder schwer erscheint. Sie entlasten sich damit nämlich von der Notwendigkeit, immer wieder neu entscheiden zu müssen. Außerdem mindert dieses Vorgehen die Gefahr, sich durch Zweifel und negative Bewertungen (die Ihr Verstand zurzeit wahrscheinlich en masse produziert, egal zu welchem Thema und in welcher Situation) blockieren und lähmen zu lassen. Selbst wenn Sie Zweifel haben, ob das Programm etwas bringt und es für Sie das Richtige ist, müssen Sie nicht jeden Tag neu darüber nachdenken, denn Sie haben sich ja schon entschieden. Nachdem Sie das Programm durchgearbeitet haben, werden Sie sehen, inwiefern Sie davon profitiert haben.