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Der junge Dichter Lucien von Rubempré liebt die Kurtisane Esther. Aber auch der reiche Baron von Nucingen ist von Esther angetan und er hat das Geld, Esther alles zu kaufen. Balzac liefert eine umfassende Studie der Pariser Unterwelt. Nie zuvor fühlte man die dunklen Geschöpfe der Nacht, die Kurtisanen, die Tagediebe, die Schieber und Hehler, die kleinen und großen Verbrecher, aber auch die Polizei und die Justiz so verstanden wie hier. In keinem anderen Werk hat Balzac seine Zeitgenossen so kritisiert und karikiert. Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 942
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Honoré de Balzac
Glanz und Elend der Kurtisanen
Honoré de Balzac
Glanz und Elend der Kurtisanen
(Splendeurs et misères des courtisanes)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]Übersetzung: Felix Paul Greve EV: Insel-Verlag zu Leipzig, 1926 3. Auflage, ISBN 978-3-954183-95-1
null-papier.de/neu
Inhaltsverzeichnis
Zum Buch
I. Teil – Von der Liebe der Dirnen
II. Teil – Was alte Herren sich die Liebe kosten lassen
III. Teil – Der Weg des Bösen
IV. Teil – Vautrins letzte Verkörperung
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Der junge Dichter Lucien von Rubempré liebt die Kurtisane Esther. Aber auch der reiche Baron von Nucingen ist von Esther angetan und er hat das Geld, Esther alles zu kaufen.
Balzac liefert eine umfassende Studie der Pariser Unterwelt. Nie zuvor fühlte man die dunklen Geschöpfe der Nacht, die Kurtisanen, die Tagediebe, die Schieber und Hehler, die kleinen und großen Verbrecher, aber auch die Polizei und die Justiz so verstanden wie hier.
In keinem anderen Werk hat Balzac seine Zeitgenossen so kritisiert und karikiert.
Beim letzten Opernball des Jahres 1824 fiel mehreren Masken die Schönheit eines jungen Mannes auf, der in den Gängen und im Foyer auf und ab ging; und zwar in der Haltung eines Menschen, der eine durch unvorhergesehene Umstände in ihrem Hause zurückgehaltene Frau sucht. Das Geheimnis dieses bald eiligen, bald lässigen Schritts ist nur alten Frauen und einigen ausgedienten Pflastertretern bekannt. Bei jenem ungeheuren Stelldichein beobachtet die Masse die Masse nur wenig; die Interessen sind leidenschaftlich, selbst der Müßiggang ist beschäftigt. Der junge Dandy wurde von seiner unruhigen Suche so sehr in Anspruch genommen, dass er seinen Erfolg gar nicht bemerkte: die spöttisch bewundernden Rufe gewisser Masken, das ernsthafte Erstaunen, die beißenden ›lazzi‹,1 die süßesten Worte hörte und sah er nicht. Obgleich seine Schönheit ihn unter die Ausnahmepersonen einreihte, die den Opernball besuchen, um dort ein Abenteuer zu verfolgen, und die es erwarteten, wie man zu Lebzeiten Frascatis einen Glücksfall beim Roulette erwartete, so schien er doch seines Abends sicher wie ein Bürger; er musste der Held eines jener Mysterien sein, die sich unter drei Personen abspielen, jener Mysterien, aus denen der ganze Opernball besteht und die nur denen bekannt sind, die eine Rolle darin haben; denn für junge Frauen, die hingehen, um sagen zu können: ›Ich habe es gesehen‹, für Provinzialen, für unerfahrene junge Leute und Fremde muss die Oper an diesen Abenden der Palast der Ermüdung und der Langweile sein. Für sie ist diese schwarze, langsame und gedrängte Masse, die kommt und geht, sich schlängelt und wendet und wieder wendet, hinauf und hinab steigt und sich mit nichts vergleichen lässt als mit Ameisen auf ihrem Haufen, ebensowenig verständlich, wie die Börse einem bretonischen Bauern verständlich ist, der nichts vom Dasein der Staatspapiere weiß. Mit seltenen Ausnahmen tragen die Männer in Paris keine Maske; ein Mann im Domino macht einen lächerlichen Eindruck. Darin zeigt sich das Genie der Nation. Leute, die ihr Glück verbergen wollen, können auf den Opernball gehen, ohne erkannt zu werden, und die Masken, die unbedingt gezwungen sind, einzutreten, verlassen ihn alsbald wieder.2 Eins der amüsantesten Schauspiele bietet das Gedränge, das, sowie der Ball eröffnet wird, beim Eingang die Flut der Gehenden im Kampf mit denen, die kommen, hervorruft. Maskierte Männer sind also entweder eifersüchtige Gatten, die ihre Frauen beobachten wollen, oder Gatten, die ein galantes Abenteuer haben und sich von ihren Frauen nicht beobachten lassen wollen: beide Situationen fordern gleichermaßen den Spott heraus. Nun folgte dem jungen Mann, ohne dass er es merkte, einem Mörder gleich, eine kurze, dicke Maske, die wie eine Tonne in sich selbst zurückzulaufen schien. Für jeden Stammgast der Oper glich dieser Domino einem Verwaltungsbeamten, einem Geldwechsler, einem Bankier, einem Notar, kurz, irgendeinem Bürger, der seine Ungetreue in Verdacht hat; denn in der höchsten Gesellschaft läuft niemand demütigenden Beweisen nach. Schon hatten sich mehrere Masken lachend diese missgestaltete Persönlichkeit gezeigt; andere hatten ihn angesprochen, ein paar junge Leute hatten sich über ihn lustig gemacht. Seine Schulterbreite und seine Haltung aber deuteten auf eine ausgesprochene Verachtung für diese bedeutungslosen Pfeile; er folgte dem jungen Manne, wohin der ihn führte, wie ein verfolgter Eber dahinläuft und sich weder um die Kugeln kümmert, die seine Ohren umpfeifen, noch um die Hunde, die hinter ihm bellen. Obwohl es auf den ersten Blick hätte scheinen können, dass die Suche nach dem Genuss und die Besorgnis dasselbe Kostüm, jenes berühmte venezianische schwarze Gewand, angelegt hätten, und obwohl auf dem Opernball alles durcheinander wogt, so finden, kennen und beobachten sich doch die verschiedenen Kreise, aus denen die Pariser Gesellschaft besteht. Einzelne Eingeweihte haben so scharfumrissene Begriffe, dass ihnen dieses wirre Buch der Interessen lesbar wird wie ein amüsanter Roman. Für die Stammgäste konnte dieser Mann sich also nicht der Gunst einer Frau erfreuen; er hätte unfehlbar irgendein verabredetes Kennzeichen getragen, ein rotes, weißes oder grünes, wie es ein von langer Hand vorbereitetes Glück verrät. Handelte es sich um eine Rache? Ein paar Müßiggänger kamen, als sie diese Maske einem von Frauengunst beglückten Mann so dicht folgen sahen, auf das schöne Gesicht zurück, dem der Genuss seine göttliche Aureole aufgesetzt hatte. Der junge Mann interessierte: je länger er so hin und her schritt, umso mehr Neugier weckte er. Alles deutete übrigens an ihm auf die Gewohnheiten eines eleganten Lebens. Nach einem Gesetz, das unserem Zeitalter verhängnisvoll eigen ist, besteht, sei es im Moralischen, sei es im Physischen, kaum ein Unterschied zwischen dem vornehmsten, dem besterzogenen Sohn eines Herzogs und Pairs und einem reizenden Burschen, den mitten in Paris noch eben das Elend mit seinen ehernen Händen drosselte. Jugend und Schönheit können tiefe Abgründe verbergen; bei ihm wie bei vielen jungen Leuten, die in Paris eine Rolle spielen wollen, ohne das für ihre Ansprüche nötige Kapital zu besitzen, und die mit jedem Tage alles für alles aufs Spiel setzen, indem sie dem Gotte opfern, dem in dieser königlichen Stadt am meisten geschmeichelt wird: dem Zufall. Nichtsdestoweniger waren seine Kleidung und seine Manieren einwandfrei; er bewegte sich auf dem klassischen Parkett des Foyers wie ein Stammgast der Oper. Wer hat noch nicht bemerkt, dass es dort wie in allen Zonen von Paris ein Auftreten gibt, das offenbart, wer man ist, was man tut, woher man kommt und was man will?
»Was für ein hübscher junger Mann! Hier kann man sich umdrehen und ihn ansehen«, sagte eine Maske, in der die Stammgäste des Balls eine anständige Frau erkannten. »Sie entsinnen sich seiner nicht?« antwortete der Herr, der ihr den Arm reichte. »Und doch hat Frau du Châtelet ihn Ihnen vorgestellt …« »Wie! das ist der Apothekerssohn, in den sie sich vernarrt hatte und der Journalist wurde, der Liebhaber des Fräulein Coralie?« »Ich glaubte, er wäre zu tief gefallen, um je wieder in die Höhe zu kommen, und ich verstehe nicht, wie er in der Pariser Gesellschaft wieder auftreten kann?« sagte der Graf Sixtus du Châtelet. »Er sieht aus wie ein Prinz«, sagte die Maske; »und nicht die Schauspielerin, mit der er lebte, wird ihn so verwandelt haben; meine Cousine, die ihn entdeckt hatte, hat ihn nicht herauszuputzen verstanden; ich möchte wohl die Geliebte dieses Sargino kennen. Sagen Sie mir etwas aus seinem Leben, was mich instand setzt, ihn zu beunruhigen.«
Dieses Paar, das dem jungen Manne flüsternd folgte, wurde eben jetzt von der breitschultrigen Maske scharf beobachtet.
»Lieber Herr Chardon«, sagte der Präfekt der Charente, indem er den Dandy am Arm nahm, »erlauben Sie mir, Ihnen jemanden vorzustellen, der seine Bekanntschaft mit Ihnen wieder anknüpfen möchte …« »Lieber Graf Châtelet«, erwiderte der junge Mann, »ebendiese Dame hat mich gelehrt, wie lächerlich der Name war, den Sie mir geben. Eine Verordnung des Königs hat mir den meiner Vorfahren mütterlicherseits, der Rubemprés, verliehen. Wenn auch die Zeitungen diese Tatsache gemeldet haben, so geht sie doch nur eine so dürftige Persönlichkeit an, dass ich nicht erröte, sie meinen Freunden, meinen Feinden und den Gleichgültigen ins Gedächtnis zurückzurufen: Sie werden sich rechnen, worunter Sie wollen; aber ich bin überzeugt, Sie werden nicht eine Maßregel missbilligen, die Ihre Frau mir anriet, als sie nur erst eine Frau von Bargeton war.«
Dieser hübsche Stachel, über den die Marquise lächeln musste, verursachte dem Präfekten ein nervöses Zittern.
»Sie werden ihr sagen«, fügte Lucien hinzu, »dass ich jetzt den roten Schild mit dem wütenden Silberstier im grünen Felde führe.« »Dem Silberstier …« wiederholte Châtelet. »Die Frau Marquise wird Ihnen erklären, weshalb dieses alte Wappenschild etwas Besseres ist als der Kammerherrnschlüssel und die goldenen Bienen des Kaiserreichs, die sich in dem Ihren befinden, und zwar zur großen Verzweiflung der Frau Châtelet, gebornen Nègrepelisse d’Espard …« sagte Lucien lebhaft. »Da Sie mich erkannt haben, kann ich Sie nicht mehr beunruhigen; und ich könnte Ihnen nicht erklären, wie sehr Sie mich beunruhigen«, sagte die Marquise d’Espard mit leiser Stimme zu ihm, ganz erstaunt über die Unverschämtheit und Sicherheit, die dieser einst von ihr verachtete Mann sich erworben hatte. »Erlauben Sie also, gnädige Frau, dass ich mich nicht der einzigen Möglichkeit beraube, Ihre Gedanken zu beschäftigen; lassen Sie mich in diesem geheimnisvollen Halbschatten«, sagte er mit dem Lächeln eines Mannes, der ein sicheres Glück nicht gefährden will. Die Marquise konnte eine kleine, herbe Bewegung nicht unterdrücken, als sie sich, nach einem englischen Ausdruck, von Luciens Schärfe so ›geschnitten‹ sah. »Ich mache Ihnen mein Kompliment zu Ihrem Standeswechsel«, sagte der Graf du Châtelet zu Lucien. »Ich nehme es an, wie Sie es geben«, erwiderte Lucien, indem er die Marquise mit unendlicher Anmut grüßte. »Der Geck!« sagte der Graf leise zu Frau d’Espard, »endlich hat er seine Vorfahren erobert!« »Bei jungen Leuten deutet die Geckerei, wenn sie sich gegen uns wendet, fast immer auf ein sehr hoch stehendes Glück; denn unter Ihnen deutet sie auf Unglück. Deshalb möchte ich diejenige unserer Freundinnen kennen, die diesen schönen Vogel in ihren Schutz aufgenommen hat; vielleicht sähe ich dann eine Möglichkeit, mich heute Abend zu amüsieren. Mein anonymer Brief ist zweifellos eine von einer Rivalin vorbereitete Bosheit, denn es ist von diesem jungen Mann darin die Rede; seine Unverschämtheit wird ihm diktiert worden sein: spionieren Sie ihm nach. Ich will den Arm des Herzogs von Navarreins nehmen; Sie werden mich schon wiederfinden können.«
In dem Augenblick, als Frau d’Espard ihren Verwandten anreden wollte, trat die geheimnisvolle Maske zwischen sie und den Herzog, um ihr ins Ohr zu sagen: »Lucien liebt Sie; er hat den Brief geschrieben; Ihr Präfekt ist sein größter Feind; konnte er sich vor ihm erklären?«
Der Unbekannte ging und ließ Frau d’Espard in doppelter Überraschung zurück. Die Marquise kannte keinen Menschen auf der Welt, der imstande gewesen wäre, die Rolle dieser Maske zu spielen; sie fürchtete eine Falle, setzte und versteckte sich.
Der Graf Sixtus du Châtelet, dessen ehrgeiziges ›du‹ Lucien mit einer Absichtlichkeit unterdrückt hatte, die nach lange erträumter Rache roch, folgte dem wunderbaren Dandy aus einiger Ferne; bald traf er auf einen jungen Mann, dem er sein Herz ausschütten zu können vermeinte. »Nun, Rastignac, haben Sie Lucien gesehen? Er hat sich gehäutet.« »Wenn ich ein ebenso hübscher Junge wäre wie er, wäre ich noch reicher als er«, erwiderte der junge Lebemann in leichtem, aber feinem Ton, der eine attische Spötterei verriet. »Nein«, sagte ihm die dicke Maske ins Ohr, und durch den Ton, mit dem sie das eine Wort aussprach, gab sie ihm tausend Spöttereien für seine eine zurück. Rastignac, der nicht der Mann dazu war, eine Beleidigung hinunterzuschlucken, stand da wie vom Blitz getroffen und ließ sich von einer Eisenhand, die abzuschütteln ihm unmöglich war, in die Nische eines Fensters führen. »Sie junger Hahn aus Mama Vauquers Hühnerstall, Sie, dem es an Herz fehlte, die Millionen des Papa Taillefer zu packen, als der größte Teil der Arbeit schon getan war, erfahren Sie zu Ihrer persönlichen Sicherheit dies: wenn Sie sich gegen Lucien nicht wie gegen einen Bruder verhalten, den Sie lieben, so sind Sie in unserer Hand, ohne dass wir in Ihrer wären. Schweigen und Ergebenheit! Sonst mische ich mich in Ihr Spiel ein und stoße Ihnen die Kegel um. Lucien von Rubempré steht im Schutz der größten Macht von heute, der Kirche. Wählen Sie zwischen Leben und Tod. Ihre Antwort?«
Rastignac schwindelte es wie einen Menschen, der im Walde eingeschlafen ist und an der Seite einer ausgehungerten Löwin erwacht. Er fürchtete sich, und er hatte keine Zeugen: in solchen Fällen überlassen sich die mutigsten Männer der Furcht. »Nur er kann wissen … und wagen …« sagte er halblaut vor sich hin. Die Maske drückte ihm die Hand, um ihn zu verhindern, dass er seinen Satz aussprach. »Handeln Sie, als wäre er es«, sagte sie. Rastignac tat, was ein Millionär auf der Landstraße täte, wenn er einen Räuber auf sich anschlagen sähe: er kapitulierte.
»Mein lieber Graf«, sagte er zu du Châtelet, als er zu ihm zurückkehrte, »wenn Ihnen an Ihrer Stellung liegt, so behandeln Sie Lucien von Rubempré wie einen Menschen, den Sie eines Tages viel höher gestellt sehen werden, als Sie es sind.«
Die Maske ließ sich eine unmerkliche Geste der Befriedigung entschlüpfen und nahm die Spur Luciens wieder auf.
»Mein Lieber, Sie haben Ihre Meinung über ihn gar schnell geändert«, erwiderte der mit Recht erstaunte Präfekt. »Genau so schnell wie die, welche im Zentrum sitzen und mit der Rechten abstimmen«, antwortete Rastignac diesem Präfekt-Deputierten, dessen Stimme seit einigen Tagen im Ministerium fehlte. »Gibt es heute noch Meinungen? Es gibt nur noch Interessen«, fiel Des Lupeaulx, der sie hörte, ein; »um was handelt es sich?« »Um den Herrn von Rubempré, den Rastignac als eine Persönlichkeit ausgeben will«, sagte der Deputierte zu dem Generalsekretär. »Mein lieber Graf«, erwiderte Des Lupeaulx mit ernsthafter Miene, »Herr von Rubempré ist ein junger Mann von höchstem Verdienst; und er hat so gute Stützen, dass ich mich glücklich schätzen würde, wenn ich meine Bekanntschaft mit ihm wieder anknüpfen könnte.« »Da wird er gleich in das Wespennest der Wüstlinge unserer Zeit hineingeraten«, sagte Rastignac.
Die drei Teilnehmer des Gesprächs wandten sich einem Winkel zu, in dem ein paar Schöngeister, mehr oder minder berühmte Leute, und einige Elegants standen. Diese Herren teilten sich ihre Beobachtungen, ihre Witze und ihre Bosheiten mit, indem sie versuchten, sich zu amüsieren, oder indem sie auf ein Vergnügen warteten. In dieser so wunderlich zusammengesetzten Gruppe befanden sich auch Leute, zu denen Lucien Beziehungen gehabt hatte und unter deren scheinbar gutem Verhältnis zu ihm sich schlimme Dienste verbargen.
»Nun, Lucien, mein Kind, mein Liebchen, da sind Sie ja wieder ausgestopft und ausstaffiert. Woher kommen wir? Sind wir endlich mit Hilfe der Geschenke aus Florines Boudoir wieder in den Sattel gekommen? Bravo, mein Junge!« sagte Blondet, indem er Finots Arm losließ, um Lucien vertraulich um die Hüften zu fassen und ans Herz zu drücken.
Andoche Finot war der Besitzer einer Zeitschrift, an der Lucien fast unentgeltlich mitgearbeitet hatte und die Blondet durch seine Artikel, seine klugen Ratschläge und die Tiefe seiner Gesichtspunkte reich machte. Finot und Blondet personifizierten Bertrand und Raton,3 doch mit dem Unterschied, dass Lafontaines Kater schließlich merkt, wie er betrogen wird, während Blondet, obwohl er wusste, dass er betrogen wurde, Finot weiterdiente. Dieser glänzende Kondottiere der Feder sollte noch lange Sklave bleiben. Finot verbarg unter schwerfälligen Formen, unter der Schläfrigkeit einer unverschämten Dummheit, die etwa so am Geist gerieben worden war, wie ein Handlanger sein Brot an Knoblauch reibt, einen brutalen Willen. Er verstand das, was er auf den Feldern des wüsten Lebens, wie es Literaten und Politiker führen, mähte, die Ideen und die Taler, auch in die Scheuer zu bringen. Blondet hatte zu seinem Unglück seine ganze Kraft in den Sold seiner Laster und seiner Trägheit gestellt. Da ihn immer von Neuem die Not überfiel, so gehörte er zu dem armen Geschlecht der hervorragenden Leute, die für das Glück anderer alles vermögen, nichts aber für ihr eigenes Glück: zum Geschlecht der Aladdins, die sich ihre Lampe abborgen lassen. Das Urteil dieser wundervollen Ratgeber ist scharfsinnig und treffend, wenn es nicht vom persönlichen Interesse hin und her gezerrt wird. Bei ihnen handelt der Kopf und nicht der Arm. Daher das Lockere ihrer Sitten, daher der Tadel, mit dem minderwertige Geister sie überhäufen. Blondet teilte seine Börse mit dem Kameraden, den er am Abend zuvor verwundet hatte; er speiste, trank und schlief mit dem zusammen, den er am folgenden Tage umbringen wollte. Seine amüsanten Paradoxe rechtfertigten alles. Wie er die ganze Welt als einen Scherz nahm, wollte er nicht ernst genommen werden. Er war jung, beliebt, fast berühmt und glücklich, und also dachte er nicht wie Finot daran, sich das für den Bejahrten nötige Vermögen zu erwerben.
Es gehörte für Lucien vielleicht der schwierigste Mut dazu, um in diesem Augenblick Blondet zu schneiden, wie er soeben Frau d’Espard und Châtelet geschnitten hatte. Zu seinem Unglück hemmte bei ihm die Genusssucht der Eitelkeit die Entfaltung des Ehrgeizes, der sicherlich der Ausgangspunkt vieler großen Dinge ist. Seine Eitelkeit hatte in jenem ersten Waffengang triumphiert; er hatte sich vor zwei Leuten, die ihn einst in seiner Armut und seinem Elend verachtet hatten, reich, glücklich und geringschätzig gezeigt; aber konnte ein Dichter gleich einem ergrauten Diplomaten zwei sogenannten Freunden die Spitze bieten, die ihn in seinem Elend aufgenommen, die während der Tage seiner Not ihr Bett mit ihm geteilt hatten? Finot, Blondet und er hatten sich gemeinsam weggeworfen; sie hatten sich in Orgien gewälzt, die nicht nur das Geld ihrer Gläubiger auffraßen. Gleich jenen Soldaten, die ihren Mut nicht am rechten Ort anzubringen wissen, tat Lucien jetzt das, was sehr viele Leute in Paris tun: er kompromittierte sich von Neuem, indem er Finots Händedruck annahm und sich gegen Blondets Liebkosung nicht wehrte. Wer sich je mit dem Journalismus befasst hat oder noch befasst, sieht sich in der grausamen Notwendigkeit, Leute, die er verachtet, begrüßen, seinen besten Feinden zulächeln, mit den übelriechendsten Gemeinheiten paktieren und, wenn er seine Angreifer mit ihrer eigenen Münze bezahlen will, sich die Finger beschmutzen zu müssen. Man gewöhnt sich daran, zuzusehen; wenn Schlimmes geschieht, es geschehen zu lassen; man billigt es erst, man tut es schließlich selbst. Auf die Dauer wird die Seele, die durch schmähliche und dauernde Kompromisse unablässig befleckt wird, kleiner, die Sprungfeder edler Gedanken verrostet, die Angeln der Banalität nutzen sich ab und drehen sich von selber. Alzesten werden zu Philinten; Charaktere erschlaffen, Talente werden zu Bastardbegabungen, der Glaube an schöne Werke entfliegt. Wer einst auf die beschriebenen Blätter stolz sein wollte, verschwendet seine Kraft auf traurige Artikel, die sein Gewissen ihm früher oder später als ebenso viel schlimme Handlungen vorwirft. Man war gekommen, wie es bei Lousteau, bei Vernou ging, um ein großer Schriftsteller zu werden, und man erkennt in sich selbst den ohnmächtigen Libellisten. Deshalb kann man jene, bei denen der Charakter auf der Höhe ihres Talents steht, niemals genug loben: die d’Arthez, die sicheren Fußes durch die Klippen des literarischen Lebens zu schreiten wissen, Lucien wusste auf Blondets Schmeicheleien nichts zu erwidern, denn dessen Geist übte auf ihn eine unwiderstehliche Verführung aus, er bewahrte noch immer die Gewalt des Wüstlings über seinen Schüler, und außerdem nahm er durch seine Liaison mit der Gräfin von Montcornet in der Gesellschaft eine gute Stellung ein.
»Haben Sie einen Onkel beerbt?« fragte Finot mit spöttischer Miene. »Ich habe wie Sie begonnen, die Dummen systematisch zu schröpfen«, erwiderte Lucien im gleichen Ton. »Hätte der Herr eine Zeitschrift, irgendein Journal?« fragte Andoche Finot mit der unverschämten Selbstzufriedenheit, die der Ausbeutende dem Ausgebeuteten gegenüber entfaltet. »Ich habe Besseres«, versetzte Lucien, dessen durch die gespielte Überlegenheit des Chefredakteurs verwundete Eitelkeit ihm den Geist seiner neuen Stellung zurückgab. »Und was haben Sie, mein Lieber? …« »Ich habe eine Partei.« »Es gibt eine Partei Lucien?« fragte Vernou lächelnd. »Finot, da hat dich dieser Bursche in Schatten gestellt, ich habe es dir vorhergesagt, Lucien hat Talent, du hast ihn nicht richtig behandelt, du hast ihn gerädert. Bereue, grober Tölpel!« rief Blondet.
Blondet war schlau wie ein Bisam und sah also in Luciens Geste, Ton und Miene mehr als ein Geheimnis; indem er ihn aufheiterte, verstand er es, ihm mit ebendiesen Worten die Kinnkette des Zügels straffer zu fassen. Er wollte wissen, weshalb Lucien nach Paris zurückgekehrt war, wollte seine Pläne und seine Existenzmittel erforschen. »Auf die Knie vor einer Überlegenheit, die du niemals haben wirst, wenn du auch Finot4 bist!« fuhr er fort. »Nimm den Herrn, und zwar auf der Stelle, in die Zahl der ganz Starken auf, denen die Zukunft gehört; er ist einer von uns! Er ist geistreich und schön: muss er nicht durch dein Quibuscunque viis Erfolg haben? Da steht er in seiner guten Mailänder Rüstung, den gewaltigen Dolch halb gezückt und sein Panier gehisst! Tausend Wetter, Lucien, wo hast du denn diese hübsche Weste gestohlen? Nur die Liebe kann solche Stoffe ausfindig machen. Haben wir einen Wohnsitz? Ich muss im Augenblick gerade die Adressen meiner Freunde kennen, ich weiß nicht, wo ich schlafen soll. Finot hat mich für heute Abend unter dem vulgären Vorwand eines galanten Abenteuers vor die Tür gesetzt.« »Mein Lieber«, erwiderte Lucien, »ich habe einen Grundsatz in die Praxis umgesetzt, mit dem man eines ruhigen Lebens sicher ist: Fuge, late, tace. Ich verlasse Sie.« »Aber ich verlasse dich nicht, wenn du nicht mir gegenüber eine heilige Schuld tilgst: jenes kleine Souper, he?« sagte Blondet, der das Wohlleben ein wenig zu sehr liebte und sich bewirten ließ, wenn er gerade ohne Geld war. »Welches Souper?« fragte Lucien, während ihm eine ungeduldige Geste entschlüpfte. »Du entsinnst dich nicht? Daran erkenne ich, wenn es einem Freund gut geht: er hat kein Gedächtnis mehr.« »Er weiß, was er uns schuldig ist, ich verbürge mich für sein Herz«, sagte Finot, indem er Blondets Scherz aufgriff. »Rastignac«, sagte Blondet, indem er den jungen Lebemann in dem Augenblick am Arm fasste, als er das obere Ende des Foyers erreichte und in die Nähe der Säule kam, bei der die sogenannten Freunde standen, »es handelt sich um ein Souper: Sie werden dabei sein … wenn nicht der Herr«, fuhr er ernsthaft fort, indem er auf Lucien zeigte, »darauf besteht, eine Ehrenschuld zu leugnen; er kann es.« »Herr von Rubempré, dafür bürge ich, ist dessen nicht fähig«, sagte Rastignac, der an etwas ganz anderes dachte als eine Mystifikation.5 »Da ist Bixiou«, rief Blondet, »er kommt auch: ohne ihn ist nichts vollständig. Ohne ihn macht mir der Champagner die Zunge schwer, und ich finde alles fad, selbst den Pfeffer der Epigramme.« »Meine Freunde«, sagte Bixiou, »ich sehe, ihr seid um das Wunder des Tages versammelt. Unser teurer Lucien erneuert die Metamorphosen Ovids. Wie die Götter sich, um Frauen zu verführen, in seltsame Gemüse und so weiter verwandelten, so hat er den Chardon6 verwandelt in einen Edelmann, um – wen? – zu verführen … Karl X.! … Mein kleiner Lucien«, sagte er, indem er ihn an einem Knopf seines Rockes fasste, »ein Journalist, der zum großen Herrn wird, verdient eine hübsche Katzenmusik. An deren Stelle«, sagte der unerbittliche Spötter, indem er auf Finot und Vernou zeigte, »würde ich dich in ihrem kleinen Blatt vornehmen: du würdest ihnen einige hundert Franken einbringen: zehn Spalten guter Witze.« »Bixiou«, sagte Blondet, »ein Amphitryo ist uns vierundzwanzig Stunden vor und zwölf Stunden nach dem Gastmahl heilig: unser erlauchter Freund gibt uns ein Souper.« »Wie, wie!« fuhr Bixiou fort; »aber was ist notwendiger, als einen großen Mann vor der Vergessenheit zu bewahren und die dürftige Aristokratie eines talentvollen Mannes mit einer Aussteuer zu versehen? Lucien, du besitzt die Achtung der Presse, deren schönste Zierde du gewesen bist, und wir werden dich stützen. Finot, ein paar Zeilen im Leitartikel! Blondet, ein verfängliches Artikelchen auf der vierten Seite deines Blattes! Wir wollen das Erscheinen des schönsten Buches der Zeit, des ›Bogenschützen Karls IX.‹ melden. Wir wollen Dauriat anflehen, uns bald die ›Margueriten‹ zu bescheren, jene göttlichen Sonette des französischen Petrarka! Erheben wir unsern Freund auf den Schild des Stempelpapiers, das einen Ruf schafft oder vernichtet!« »Wenn du ein Souper willst«, sagte Lucien zu Blondet, um diese Truppe, die immer größer zu werden drohte, abzuschütteln, »so scheint mir, hattest du es einem alten Freund gegenüber nicht nötig, Hyperbeln und Parabeln anzuwenden, als wäre er ein Tropf. Auf morgen Abend, bei Lointier!« sagte er lebhaft, als er eine Frau kommen sah, auf die er zueilte. »Oh! oh! oh!« sagte Bixiou in dreimal wechselndem Ton und mit spöttischer Miene, während es schien, als erkennte er die Maske, der Lucien entgegenging; »das verdient eine Bestätigung.« Und er folgte dem hübschen Paar, ging an ihm vorbei, prüfte es mit scharfblickendem Auge und kehrte zur großen Befriedigung all dieser Neider zurück, die nur zu gern wissen wollten, woher der Wechsel in Luciens Vermögensumständen kam. »Meine Freunde, ihr kennt seit langem das Glück des Herrn von Rubempré«, sagte Bixiou zu ihnen: »es ist die alte Ratte Des Lupeaulx’.«
Eine der jetzt vergessenen Verderbtheiten, die jedoch im Anfang dieses Jahrhunderts sehr verbreitet war, bestand in dem Luxus der ›Ratten‹. Eine Ratte – das Wort ist schon veraltet – nannte man ein Kind von zehn bis elf Jahren, eine Statistin an irgendeinem Theater, vor allem an der Oper, die irgendein Wüstling für das Laster und die Gemeinheit erzog. Eine Ratte war eine Art Höllenpage, ein weiblicher Gassenbube, dem man gute Streiche verzieh. Die Ratte konnte alles nehmen, man musste ihr misstrauen wie einem gefährlichen Tier; sie führte ein Element der Lustigkeit in das Leben ein, wie es in der alten Komödie die Scapins, die Sganarelles und die Frontins taten. Die Ratte war zu teuer: sie trug weder Ehre noch Nutzen noch Vergnügen ein; die Mode der Ratten verschwand so vollständig, dass heute nur wenige Menschen dieses intime Detail des eleganten Lebens vor der Restauration noch kannten, bis ein paar Schriftsteller sich der Ratte als eines neuen Themas bemächtigten.
»Wie, sollte uns Lucien, nachdem ihm Coralie unter dem Leibe getötet wurde, die Torpille7 entführen?« fragte Blondet. Als die Maske mit den athletischen Formen diesen Namen hörte, entschlüpfte ihr eine Bewegung, die Rastignac sah, obwohl sie verhalten war. »Das ist nicht möglich!« erwiderte Finot; »die Torpille hat keinen Heller zu geben: sie hat sich, wie mir Nathan sagte, von Florine tausend Franken geborgt.« »O meine Herren, meine Herren! …« sagte Rastignac, indem er Lucien gegen so gehässige Beschuldigungen zu verteidigen suchte. »Nun«, rief Vernou, »ist denn der ausgehaltene Geliebte Coralies so tugendhaft geworden? …« »O, gerade diese tausend Franken«, sagte Bixiou, »beweisen mir, dass unser Freund Lucien mit der Torpille zusammenlebt …« »Welchen unersetzlichen Verlust erlebt die Elite der Wissenschaft, der Kunst und der Politik!« rief Blondet. »Die Torpille ist das einzige Freudenmädchen, in dem man das Zeug zu einer schönen Kurtisane fand; kein Unterricht hatte sie verdorben, sie konnte weder lesen noch schreiben: sie hätte uns verstanden. Wir hätten unserer Zeit eine jener prachtvollen Aspasiafiguren geschenkt, ohne die es kein großes Jahrhundert gibt. Sehen Sie doch, wie gut die Dubarry dem achtzehnten Jahrhundert steht, Ninon de Lenclos dem siebzehnten, Marion de Lorme dem sechzehnten, Imperia dem fünfzehnten, Flora der römischen Republik, die sie zu ihrer Erbin machte und die mit ihrem Nachlass ihre Staatsschuld tilgen konnte! Was wäre Horaz ohne Lydia, Tibull ohne Delia, Katull ohne Lesbia, Properz ohne Cynthia, Demetrius ohne Lamia, die noch heute seinen Ruhm ausmacht?« »Wenn Blondet im Foyer der Oper von Demetrius redet, so scheint das doch ein wenig zu sehr Leitartikel«, sagte Bixiou seinem Nachbar ins Ohr. »Und was wäre ohne all jene Königinnen das Kaiserreich der Cäsaren?« fuhr Blondet immer noch fort; »Lais und Rhodope sind Griechenland und Ägypten. Alle übrigens sind die Poesie der Jahrhunderte, in denen sie lebten. Diese Poesie, die Napoleon fehlt – denn seine Witwe, die große Armee, ist ein Kasernenscherz –, hat auch der Revolution nicht gefehlt, denn sie hat Frau Tallien besessen. Jetzt, wo es sich in Frankreich darum handelt, wer auf dem Thron sitzen soll, steht sicherlich ein Thron leer. Wir alle, wir können eine Königin schaffen. Ich selbst hätte der Torpille eine Tante gegeben, denn ihre Mutter ist zu offenkundig auf dem Felde der Unehre gefallen; du Tillet hätte ihr ein Hotel bezahlt, Lousteau einen Wagen, Rastignac ihre Lakaien, Des Lupeaulx einen Koch, Finot die Hüte (Finot konnte eine Bewegung nicht unterdrücken, als er aus nächster Nähe diesen Stich erhielt); Vernou hätte für sie Reklame gemacht, Bixiou ihr ihre Witze geliefert! Die Aristokratie wäre zu unserer Ninon gekommen, um sich bei ihr zu amüsieren, und die Künstler hätten wir durch Androhung todbringender Artikel zu ihr gelockt. Ninon II. wäre wunderbar unverschämt, zermalmend luxuriös geworden. Sie hätte Ansichten gehabt. Man hätte bei ihr irgendein verbotenes dramatisches Meisterwerk vorgelesen, das man im Notfall eigens hätte machen lassen. Liberal wäre sie nie geworden, denn eine Kurtisane ist wesentlich monarchisch gesinnt. Ach, welch ein Verlust! Sie hätte ihr ganzes Jahrhundert umarmen müssen und liebt einen kleinen jungen Mann! Lucien wird einen Jagdhund aus ihr machen.« »Keine der weiblichen Großmächte, die du genannt hast, ist durch die Straße gewatet«, sagte Finot, »und diese hübsche Ratte hat sich im Kot gewälzt.« »Wie das Samenkorn einer Lilie in ihrer Düngererde«, erwiderte Vernou, »ist sie dadurch nur schöner geworden; sie hat geblüht. Daher kommt ihre Überlegenheit. Muss man nicht alles kennen gelernt haben, um das Lachen und die Freude zu schaffen, die sich an alles heften?« »Er hat recht«, sagte Lousteau, der bisher beobachtet hatte, ohne zu reden, »die Torpille versteht zu lachen und lachen zu machen. Diese Wissenschaft der großen Schriftsteller und der großen Schauspieler gehört nur denen, die in alle sozialen Tiefen eingedrungen sind. Mit achtzehn Jahren hat dieses Mädchen schon den höchsten Wohlstand, das tiefste Elend und Menschen aller Stufen gekannt. Sie hält etwas wie einen Zauberstab in Händen, mit dem sie die brutalen Begierden entkettet, die bei den Männern so gewaltsam zurückgedrängt sind, wenn sie noch ein Herz haben, obgleich sie sich mit der Politik, der Wissenschaft, der Literatur oder der Kunst beschäftigen. Es gibt in Paris keine zweite Frau, die so wie sie zum Tier sagen kann: Komm hervor! Und das Tier verlässt seinen Stall und wälzt sich in Ausschweifungen: bis an das Kinn setzt sie einen zu Tisch, sie hilft einem trinken und rauchen. Kurz, diese Frau ist das Salz, das Rabelais8 besingt und das, auf die Materie gestreut, die Dinge belebt und bis in die Wunderregionen der Kunst erhebt: ihr Kleid entfaltet unerhörte Pracht, ihre Finger lassen zur rechten Zelt ihre Geschmeide fallen, wie ihr Mund sein Lächeln; sie gibt jedem Ding den Geist des Augenblicks; ihre Rede glitzert von stechenden Pfeilen; sie kennt das Geheimnis der Onomatopöien in den schönsten Farben, die auch am kräftigsten malen …« »Du vergeudest für fünf Franken Feuilleton«, sagte Bixiou, indem er Lousteau unterbrach, »die Torpille ist unendlich viel mehr als all das; ihr alle seid mehr oder minder ihre Liebhaber gewesen, aber keiner von euch kann behaupten, sie sei seine Geliebte gewesen; sie kann euch immer besitzen, ihr werdet sie nie besitzen. Ihr erbrecht ihre Tür, ihr habt sie um einen Dienst zu bitten …« »Oh! sie ist großmütiger als ein Räuberhauptmann, der seine Sache recht macht, und ergebener als der beste Schulkamerad«, sagte Blondet; »man kann ihr seine Börse und sein Geheimnis anvertrauen. Aber das, weswegen ich sie zur Königin wählen würde, ist ihre bourbonische Gleichgültigkeit gegen den gefallenen Günstling.« »Sie ist wie ihre Mutter viel zu teuer«, sagte Des Lupeaulx. »Die schöne Holländerin hätte die Einkünfte des Erzbischofs von Toledo verschlungen, sie hat zwei Notare aufgezehrt …« »Und Maxime von Trailles ernährt, als er Page war«, sagte Bixiou. »Die Torpille ist zu teuer, wie Raffael, wie Carême, wie Taglioni, wie Lawrence, wie Boulle, wie alle genialen Künstler zu teuer waren …« sagte Blondet. »Nie hat Esther so sehr nach einer anständigen Frau ausgesehen«, sagte jetzt Rastignac, indem er auf die Maske zeigte, der Lucien den Arm gereicht hatte. »Ich wette auf Frau von Sérizy.« »Da ist kein Zweifel möglich«, rief du Châtelet; »der Wohlstand des Herrn von Rubempré ist erklärt.« »Ach, die Kirche weiß sich ihre Leviten auszuwählen; was für einen hübschen Gesandtschaftssekretär wird er abgeben!« sagte Des Lupeaulx. »Umso mehr«, fuhr Rastignac fort, »als Lucien ein Mann von Talent ist. Diese Herren haben mehr als einen Beweis dafür erlebt«, fügte er hinzu, indem er Blondet, Finot und Lousteau ansah. »Ja, der Bursche ist dazu geschaffen, um es weit zu bringen«, sagte Lousteau, der vor Eifersucht barst, »umso mehr, als er das hat, was wir ›Unabhängigkeit in den Ideen‹ nennen …« »Du hast ihn zu dem gemacht, was er ist«, sagte Vernou. »Nun«, versetzte Bixiou, indem er Des Lupeaulx ansah, »ich appelliere an die Erinnerungen des Herrn Generalsekretärs und Berichterstatters über die Bittschriften; diese Maske ist die Torpille, ich wette ein Souper …« »Ich halte die Wette«, sagte du Châtelet, der gern die Wahrheit wissen wollte. »Auf! Des Lupeaulx«, sagte Finot, »sehen Sie zu, dass Sie die Ohren Ihrer alten Ratte wiedererkennen.« »Es ist nicht nötig, einen Verstoß gegen die Maskenfreiheit zu begehen«, erwiderte Bixiou, »die Torpille und Lucien werden bis zu uns herkommen, wenn sie das Foyer wieder heraufgehn; ich mache mich anheischig, euch dann zu beweisen, dass sie es ist.« »Er ist also wieder übers Wasser gekommen, unser Freund Lucien?« sagte Nathan, der sich der Gruppe anschloss; »ich glaubte, er wäre für den Rest seiner Tage nach Angoulême zurückgekehrt. Hat er irgendein Geheimnis wider die Manichäer entdeckt?« »Er hat getan, was du so bald nicht tun wirst«, erwiderte Rastignac, »er hat alles bezahlt.« Die dicke Maske nickte beistimmend mit dem Kopf. »Wenn ein Mann in seinem Alter ein ordentlicher Mensch wird, gerät er auf Abwege; er hat keine Kühnheit mehr, er wird Rentier«, versetzte Nathan. »Oh, der wird stets ein großer Herr bleiben, und er wird innerlich stets eine Höhe der Gedanken besitzen, die ihn über viele sogenannte überlegene Menschen erhebt«, gab Rastignac zurück.
In diesem Augenblick sahen die Journalisten, Dandys und Müßiggänger, wie sich etwa Pferdehändler ein Pferd ansehen, das verkauft werden soll, prüfend den reizenden Gegenstand ihrer Wette an. Diese in der Kenntnis der Pariser Verkommenheiten gealterten Richter, lauter Leute von überlegenem Geist, und zwar alle auf verschiedenem Gebiet, alle gleich verderbt und gleichermaßen Verführer, alle wahnsinnigem Ehrgeiz verfallen, daran gewöhnt, alles anzunehmen und alles zu erraten, hefteten die Augen auf eine maskierte Frau, eine Frau, die nur von ihnen entziffert werden konnte. Nur sie und noch ein paar Stammgäste des Opernballs vermochten unter dem langen Leichentuch des schwarzen Dominos, unter der Kapuze und dem herabhängenden Kragen, wie sie alle Frauen unerkennbar machen, die Rundung der Formen, die Besonderheiten der Haltung und des Schritts, die Bewegung der Hüften, die Stellung des Kopfes und all jene Dinge zu erkennen, die gewöhnlichen Augen am wenigsten wahrnehmbar, ihren Augen aber am leichtesten sichtbar waren. Trotz dieser formlosen Hülle konnten sie also das rührendste Schauspiel sehen, das einer von echter Liebe belebten Frau. Mochte es nun die Torpille, die Herzogin von Maufrigneuse oder Frau von Sérizy sein, die letzte oder die erste Sprosse der sozialen Leiter, auf jeden Fall war dieses Geschöpf eine wunderbare Schöpfung, eine Vision glücklicher Träume. Diese alten jungen Leute und diese jungen Greise hatten eine so lebhafte Empfindung, dass sie Lucien um das erhabene Vorrecht der Verwandlung dieser Frau in eine Göttin beneideten. Die Maske ging dort, als wäre sie mit Lucien allein; für diese Frau waren die zehntausend Personen, war die schwere Atmosphäre voller Staub nicht mehr vorhanden; nein, sie stand unter dem Himmelsgewölbe der Liebe da, wie Raffaels Madonnen unter ihrem ovalen Goldreif stehen. Sie fühlte nicht, wie man sie mit Ellbogen streifte; die Flamme ihres Blicks brach durch die beiden Löcher ihrer Maske hervor und entzündete sich an Luciens Augen, und schließlich schien das Zittern ihres Körpers von der Bewegung ihres Freundes auszugehen. Woher kommt diese Flamme, die eine liebende Frau umstrahlt und sie unter allen anderen auszeichnet? Woher kommt jene Leichtigkeit eines Luftgeistes, die die Gesetze der Schwere zu verwandeln scheint? Ist es die nach außen tretende Seele? Hat das Glück physische Kräfte? Die Harmlosigkeit einer Jungfrau, die Anmut der Kindheit verrieten sich unter dem Domino. Obgleich sie getrennt einhergingen, glichen diese beiden Wesen jenen Gruppen Floras und Zephyrs, die von den geschicktesten Bildhauern kunstvoll verschlungen sind; aber es war mehr als Skulptur, als die größte der Künste; Lucien und sein hübscher Domino erinnerten an jene mit Blumen oder Vögeln beschäftigten Engel, die der Pinsel Giovanni Bellinis unter die Bilder der Jungfrau-Mutter setzte; Lucien und diese Frau gehörten der Fantasie an, die über der Kunst steht, wie die Ursache über der Wirkung steht.
Als diese Frau, die alles vergaß, nur noch einen Schritt von der Gruppe entfernt war, rief Bixiou: »Esther!« Die Unglückliche wandte sich lebhaft um, wie jemand, der sich rufen hört, erkannte den boshaften Menschen und senkte den Kopf gleich einem Sterbenden, der den letzten Seufzer ausgestoßen hat. Ein gellendes Gelächter brach aus, und die Gruppe zerstob in der Menge wie ein Trupp erschreckter Feldmäuse, die am Rande des Weges in ihre Löcher schießen. Nur Rastignac entfernte sich nicht weiter, als er musste, damit es nicht aussah, als flöhe er vor den funkelnden Blicken Luciens; er konnte einen zwiefachen, gleich tiefen, wenn auch verschleierten Schmerz bewundern: zunächst die arme Torpille, die wie vom Blitz getroffen war; dann die unverständliche Maske, den einzigen Menschen der Gruppe, der geblieben war. Esther flüsterte Lucien in dem Moment, in dem ihr die Knie brachen, etwas ins Ohr, und Lucien verschwand mit ihr, indem er sie stützte. Rastignac folgte dem hübschen Paar mit dem Blick, versunken in seine Gedanken.
»Woher hat sie diesen Namen der Torpille?« fragte ihn eine düstere Stimme, die ihn bis ins Innerste traf, denn sie war nicht mehr verstellt. »Er ist es, und er ist wieder entkommen …« sagte Rastignac vor sich hin. »Schweig, oder ich bringe dich um«, erwiderte die Maske, indem sie eine andere Stimme annahm. »Ich bin mit dir zufrieden; du hast dein Wort gehalten, und also hast du mehr als einen Arm zu deinem Dienst. Bleibe hinfort stumm wie das Grab; aber ehe du verstummst, antworte auf meine Frage.« »Nun, dieses Mädchen ist so reizvoll, dass sie dem Kaiser Napoleon den Kopf benommen hätte und dass sie selbst einem, der noch schwerer zu verführen ist, den Kopf benehmen würde: dir!« erwiderte Rastignac, indem er fortging. »Einen Augenblick!« sagte die Maske. »Ich will dir zeigen, dass du mich niemals irgendwo gesehen zu haben brauchst.«
Der Fremde nahm die Maske ab; Rastignac zögerte einen Augenblick, da er nichts von der scheußlichen Persönlichkeit erblickte, die er ehemals im Hause Vauquer gekannt hatte. »Der Teufel hat es Ihnen ermöglicht, sich ganz zu verwandeln, nur die Augen nicht, die man niemals vergessen könnte«, sagte er. Die Hand aus Eisen drückte ihm den Arm, um ihm ewiges Schweigen zu empfehlen.
Um drei Uhr morgens fanden Des Lupeaulx und Finot den eleganten Rastignac noch immer an derselben Stelle; er lehnte an der Säule, wo ihn die furchtbare Maske verlassen hatte. Rastignac hatte vor sich selbst gebeichtet: er war in einer Person Priester und Sünder, Richter und Angeklagter gewesen. Er ließ sich zum Frühstück davonführen, und als er nach Hause kam, war er vollständig berauscht, aber schweigsam.
Die Rue de Langlade verunziert mit den anstoßenden Straßen das Palais Royal und die Rue de Rivoli. Dieser Teil eines der glänzendsten Pariser Viertel wird noch lange den Makel tragen, den ihm die Kehrichthügel des alten Paris aufgedrückt haben, auf denen ehemals Mühlen standen. Diese engen, düstern und kotigen Straßen, in denen Industrien getrieben werden, die wenig für ihre äußere Erscheinung sorgen, nehmen nachts eine geheimnisvolle und kontrastreiche Physiognomie9 an. Wenn man von dem lichtreichen Pflaster der Rue Saint-Honoré, der Rue Neuve des Petits Champs und der Rue de Richelieu kommt, in denen sich eine nie ebbende Menge drängt und in denen die Meisterwerke der Industrie, der Mode und der Künste glänzen, so muss jeder, dem das abendliche Paris unbekannt ist, von einer traurigen Angst ergriffen werden, sobald er in das Gewirr der kleinen Straßen gerät, das diesen bis zum Himmel hinaufgespiegelten Glanz umschließt. Dichter Schatten folgt auf die Ströme von Gaslicht. Von Zeit zu Zelt wirft eine bleiche Laterne ihr ungewisses, rauchiges Licht, das gewisse schwarze Sackgassen nicht mehr beleuchtet. Selten sieht man einen Menschen gehen, und der geht schnell. Die Läden sind geschlossen, und wenn einer geöffnet ist, so macht er einen verdächtigen Eindruck; es ist eine dunkle, unsaubere Kneipe oder ein Wäscheladen, in dem man Eau de Cologne verkauft. Eine ungesunde Kälte legt einem den feuchten Mantel auf die Schultern. Es kommen wenig Wagen durch. Es gibt unheimliche Winkel, unter denen sich die Rue de Langlade, die Mündung der Saint-Guillaume-Passage und ein paar Straßenecken auszeichnen. Die Gemeindeverwaltung hat bislang wenig tun können, um dieses große Aussatzspital auszuspülen; denn seit langem hat hier die Prostitution ihr Hauptquartier aufgeschlagen. Vielleicht ist es ein Glück für die Welt von Paris, wenn man diesen Gassen ihren Kotanblick lässt. Wenn man bei Tage durchkommt, so kann man sich nicht vorstellen, was bei Nacht aus all diesen Straßen wird; sie werden durchstreift von wunderlichen Wesen, die keiner Welt angehören; halbnackte weiße Gestalten stehen an den Mauern hin; der Schatten ist belebt. Zwischen dem Hausgemäuer und den Vorübergehenden gleiten Kleider, die gehen und reden. Gewisse angelehnte Türen brechen jäh in schallendes Gelächter aus. Worte fallen einem ins Ohr, die, wie Rabelais sagt, gefroren waren und jetzt schmelzen. Aus dem Pflaster tönen Refrains herauf. Es ist kein vages Geräusch, es bedeutet irgendetwas; wenn es heiser wird, so ist es eine menschliche Stimme; aber wenn es einem Singen gleicht, so hat es nichts Menschliches mehr und nähert sich einem Zischen. Oft wird plötzlich gepfiffen. Endlich haben die Stiefelabsätze irgendetwas Herausforderndes und Spöttisches. Einen schwindelt bei diesem Gesamteindruck der Dinge. Dort sind die atmosphärischen Verhältnisse verwandelt: man schwitzt im Winter und friert im Sommer. Aber welches Wetter auch herrsche, diese seltsame Natur bietet stets dasselbe Schauspiel dar: hier lebt die fantastische Welt des Berliners Hoffmann. Der am rechnerischsten veranlagte Kassierer findet hier nichts Wirkliches mehr, wenn er die Straßenengen hinter sich hat, die zu den anständigen Straßen führen, wo es Passanten, Läden und Lampen gibt. Wählerischer oder schamhafter als Könige und Königinnen vergangener Zeiten, die sich nie fürchteten, sich mit den Kurtisanen zu beschäftigen, wagt die moderne Verwaltung oder Politik es nicht mehr, dieser Wunde der großen Städte ins Gesicht zu sehen. Sicherlich müssen sich die Maßregeln mit den Zeiten wandeln, und solche, die das Individuum und seine Freiheit angreifen, sind heikel; aber vielleicht sollte man sich in den rein materiellen Dingen, in Bezug auf Licht, Luft und Lokale, weitherzig und kühn zeigen. Der Moralist, der Künstler und der weise Verwalter werden die alten Holzgalerien des Palais Royal zurückersehnen, wo sich diese Schäflein drängten, die immer dahin kommen werden, wohin die Spaziergänger gehen: und ist es nicht besser, wenn die Spaziergänger dahin gehen, wo sie sich befinden? Was ist geschehen? Heute sind die glänzendsten Teile der Boulevards, ist diese Zauberpromenade am Abend der Familie entzogen. Die Polizei hat die Auskunftsmittel nicht zu benutzen verstanden, die ihr in dieser Hinsicht einige Durchgänge boten, sodass sie die öffentliche Straße hätte retten können.
Das auf dem Opernball von einem Wort gebrochene Mädchen wohnte seit einem oder zwei Monaten in der Rue de Langlade, in einem Hause von gemeinem Äußeren. Dieser Bau, der sich an die Mauer eines ungeheuren Hauses anlehnt, ist schlecht stuckiert, ohne Tiefe und von fabelhafter Höhe; er bezieht sein Licht von der Straße und hat nicht geringe Ähnlichkeit mit einer Hühnerstiege. In jedem Stockwerk liegt eine Wohnung von zwei Zimmern. Eine schmale Treppe führt hinauf, die an die Mauer angeklebt ist und wunderlich beleuchtet wird durch Fensterklappen; die geben außen den Gang des Gewindes an, und jeder Treppenabsatz wird markiert durch eine Abflussrinne, eine der scheußlichsten Eigentümlichkelten von Paris. Laden und Zwischenstock gehörten ehemals einem Blechschmied; der Besitzer des Hauses wohnte im ersten Stock; die vier anderen Stockwerke hatten sehr anständige Grisetten inne, die vom Wirt und der Schließerin allerlei Rücksichten und Gefälligkeiten beanspruchen konnten, weil es schwer war, ein so sonderbar gebautes und gelegenes Haus zu vermieten. Der Charakter dieses Viertels findet seine Erklärung eben im Vorhandensein einer großen Menge solcher Häuser, die der Handel nicht will und die nur von verleugneten, anrüchigen oder würdelosen Industrien ausgebeutet werden können.
Um drei Uhr nachmittags hatte die Pförtnerin, die um zwei Uhr morgens gesehen hatte, wie Fräulein Esther sterbenskrank von einem jungen Mann nach Hause gebracht wurde, eben mit der Grisette vom oberen Stockwerk beratschlagt; das Mädchen hatte ihr, ehe sie in den Wagen stieg, um sich zu einer Lustpartie zu begeben, gesagt, wie unruhig sie in betreff Esthers wäre: sie hätte sie sich nicht rühren hören. Esther schlief ohne Zweifel noch; aber dieser Schlummer schien verdächtig. Da die Pförtnerin in ihrer Loge allein war, bedauerte sie, nicht hinaufsteigen zu können, um sich zu erkundigen, was im vierten Stock, wo Fräulein Esther wohnte, vorging. In dem Augenblick, als sie sich entschloss, die Wache in ihrer Loge, einer Art Nische im Zwischenstock, wo die Mauer ein wenig einsprang, dem Sohn des Blechschmieds anzuvertrauen, hielt ein Fiaker vor der Tür. Ein Mann, der vom Kopf bis zu den Füßen in einen Mantel eingehüllt war, und zwar in der offenbaren Absicht, sein Kostüm oder seinen Stand zu verbergen, stieg aus und fragte nach Fräulein Esther. Die Pförtnerin war sofort vollkommen beruhigt; das Schweigen und die Ruhe bei der Eingeschlossenen schienen ihr jetzt ganz erklärlich. Als der Besucher die Stufen oberhalb der Loge hinaufstieg, bemerkte die Pförtnerin die silbernen Schnallen, die seine Schuhe verzierten; sie glaubte die Fransen des Gürtels einer Soutane zu sehen; sie ging hinunter und fragte den Kutscher, der wortlos Antwort gab, und die Pförtnerin begriff abermals. Der Priester pochte, erhielt keine Antwort, hörte leises Stöhnen und erbrach die Tür mit einem Schulterhub, und zwar mit einer Kraft, wie sie ihm zweifellos die Wohltätigkeit verlieh, die aber bei jedem anderen die Gewohnheit verraten hätte. Er eilte in das zweite Zimmer und sah die arme Esther vor einer heiligen Jungfrau aus farbigem Stuck knien; oder besser, sie war dort mit gefalteten Händen zusammengebrochen. Die Grisette lag in den letzten Zügen. Ein Becken mit verbrannter Kohle erzählte die Geschichte dieses furchtbaren Morgens. Die Kapuze und der Überwurf des Dominos lagen am Boden. Das Bett war nicht benutzt. Das arme Geschöpf, das im Herzen von tödlicher Wunde getroffen war, hatte ohne Zweifel bei der Rückkehr aus der Oper alles so gelassen. Ein Kerzendocht, der in dem Wasser, das der Leuchtereinsatz enthielt, erstarrt war, bewies, wie tief Esther in ihre letzten Gedanken versunken gewesen war. Ein von Tränen benetztes Taschentuch zeigte die Aufrichtigkeit dieser Reue einer Magdalena, deren klassische Haltung die der gottlosen Kurtisane war. Diese unbedingte Reue entlockte dem Priester ein Lächeln. In ihrer Ungeschicklichkeit hatte sie, als sie sterben wollte, ihre Tür offen gelassen, ohne zu berechnen, dass die Luft der beiden Zimmer eine größere Menge von Kohlen verlangte, um jedes Atmen unmöglich zu machen; das Kohlengas hatte sie nur betäubt; die frische Luft, die jetzt von der Treppe her eindrang, gab sie allmählich dem Gefühl für ihre Leiden zurück. Der Priester blieb stehen; er war in düstere Gedanken versunken, und ohne sich von der göttlichen Schönheit dieses Mädchens rühren zu lassen, beobachtete er ihre ersten Bewegungen, als wäre sie irgendein Tier. Seine Augen schweiften von diesem zusammengebrochenen Körper zu gleichgültigen Gegenständen hinüber, und zwar scheinbar in voller Gleichgültigkeit. Er sah sich das Mobiliar des Zimmers an, dessen roter, gescheuerter, kalter Boden von einem schlechten, fadenscheinigen Teppich kaum verdeckt war. Eine altmodische Bettstelle von gestrichenem Holz, verhängt mit Gardinen aus gelbem Kattun mit roten Rosetten; ein einziger Sessel und zwei Stühle, gleichfalls aus gestrichenem Holz und bezogen mit demselben Kattun, der auch die Vorhänge der Fenster geliefert hatte; eine mit Blumen getüpfelte Tapete, deren grauer Grund von Alter und Fett schwarz geworden war; ein Nähtisch aus Mahagoni; ein mit Küchengerät der gewöhnlichsten Art überladener Kamin, zwei angebrochene Holzbündel, ein Steingesims, auf dem hier und da, untermischt mit Schmuck und Scheren, ein paar Glassachen standen; ein schmutziges Nähkissen, weiße parfümierte Handschuhe, ein entzückender Hut, der auf die Wasserkanne geworfen war, ein Ternauxschal, der das Fenster verstopfte, ein elegantes Kleid, das an einem Nagel hing, ein kleines hartes Kanapee ohne Kissen; gemeine Überschuhe und reizende Schuhe, Stickereien, die den Neid einer Königin hätten erwecken können, Teller aus gewöhnlichem Porzellan, auf denen man die Reste der letzten Mahlzeit sah, die Stoßstellen zeigten und Messer und Gabeln aus Weißblech trugen, dem Silber des Pariser Armen; ein Korb voll Kartoffeln und schmutziger Wäsche, darüber eine frische Gazehaube, und ein schlechter, offen und verlassen dastehender Spiegelschrank, auf dessen Konsolen sich Pfandscheine zeigten: das war das Gesamtbild düsterer und heiterer, elender und reicher Dinge, das sich dem Blick darbot.
Diese Spuren des Luxus unter den Scherben, diese Einrichtung, die so gut zu dem Bohêmeleben des Mädchens passte, das hier in seiner wirren Unterkleidung zusammengebrochen war, einem in seinem Geschirr verendeten und unter der zerbrochenen Deichsel in seine Leinen verwickelten Pferd vergleichbar: gab dieses seltsame Schauspiel dem Priester seine Gedanken ein? Sagte er sich, dass dieses verirrte Geschöpf wenigstens selbstlos sein musste, um solche Armut mit der Liebe zu einem reichen jungen Mann zu paaren? Schrieb er die Unordnung des Mobiliars der Unordnung des Lebens zu? Empfand er Mitleid, Schrecken? Nährte sich sein Erbarmen? Wer ihn gesehen hätte, wie er mit untergeschlagenen Armen dastand, mit sorgenvoller Stirn, mit zusammengekniffenen Lippen und hartem Auge, hätte glauben müssen, er wäre mit finsteren, gehässigen Empfindungen beschäftigt, mit widerspruchsvollen Gedanken, mit unheimlichen Plänen. Auf jeden Fall war er unempfindlich für die hübschen Rundungen einer Brust, die unter der Last des vorgebeugten Oberkörpers fast erdrückt wurde, und für die entzückenden Formen der kauernden Venus, die unter dem schwarzen Unterrock sichtbar waren, so straff war die Sterbende in sich zusammengebrochen; die Hingeschmiegtheit dieses Kopfes, der, von hinten gesehen, dem Blick seinen weißen, weichen und biegsamen Nacken darbot, die schönen Schultern in ihrer kühn enthüllten Nacktheit rührten ihn nicht; er hob Esther nicht auf, er schien ihr herzzerreißendes Atmen, das die Rückkehr zum Leben verriet, nicht zu hören: es bedurfte eines grauenhaften Schluchzens und des beängstigenden Blicks, den ihm dies Mädchen zuwarf, damit er sie aufzuheben und zum Bett zu tragen geruhte, was er mit einer Leichtigkeit tat, die eine fabelhafte Kraft offenbarte.
»Lucien!« sagte sie murmelnd. »Die Liebe kehrt zurück, da ist die Frau nicht mehr fern«, sagte der Priester mit einer gewissen Bitterkeit.
Jetzt erkannte das Opfer Pariser Ausschweifungen das Kleid seines Retters, und mit dem Lächeln des Kindes, das endlich die Hand auf etwas lang Ersehntes legt, sagte sie: »Ich soll also nicht sterben, ohne mich mit dem Himmel versöhnt zu haben!« »Sie werden Ihre Fehler sühnen können«, sagte der Priester, indem er ihr die Stirn mit Wasser benetzte und sie an einem Essigkännchen riechen ließ, das er in einem Winkel fand. »Ich fühle, wie das Leben, statt mich zu verlassen, auf mich einströmt«, sagte sie, als sie diese Pflegerdienste von dem Priester erhielt, indem sie ihrem Dank durch Gesten voller Natürlichkeit Ausdruck gab. Diese reizvolle Pantomime, die die Grazien hätten spielen können, um zu verführen, rechtfertigte den Beinamen dieses seltsamen Mädchens vollkommen. »Fühlen Sie sich wohler?« fragte der Geistliche, indem er ihr ein Glas Zuckerwasser zu trinken gab.
Dieser Mensch schien solche merkwürdigen Hauswesen zu kennen; er wusste genau in ihnen Bescheid, er war wie zu Hause. Dieses Vorrecht, überall zu Hause zu sein, besitzen nur Könige, Dirnen und Diebe.
»Wenn Ihnen wieder ganz wohl ist«, fuhr der eigentümliche Priester nach einer Pause fort, »werden Sie mir sagen, welche Gründe Sie zu Ihrem letzten Verbrechen, diesem versuchten Selbstmord, trieben.« »Meine Geschichte ist ganz einfach, mein Vater«, erwiderte sie. »Vor drei Monaten lebte ich noch in der Einordnung, in der ich geboren wurde. Ich war das letzte und verworfenste Geschöpf; jetzt bin ich nur noch das unglücklichste auf der Welt. Erlauben Sie mir, Ihnen von meiner Mutter nichts zu erzählen, sie wurde ermordet …« »Und zwar von einem Hauptmann, in einem verdächtigen Hause«, sagte der Priester, indem er sein Beichtkind unterbrach. »Ich kenne Ihren Ursprung und weiß, dass, wenn je ein Wesen Ihres Geschlechts für einen schmählichen Lebenswandel eine Entschuldigung hatte, Sie es sind, denn Ihnen haben die guten Beispiele gefehlt.« »Ach, ich bin nicht einmal getauft; ich habe in keiner Religion Unterweisung erhalten.« »So ist also alles noch wieder gutzumachen«, fuhr der Priester fort, »vorausgesetzt, dass Ihr Glaube und Ihre Reue aufrichtig und ohne Hintergedanken sind.« »Lucien und Gott füllen mein Herz aus«, sagte sie mit rührender Naivität. »Sie hätten sagen können: Gott und Lucien«, gab der Priester lächelnd zurück. »Sie erinnern mich an den Zweck meines Besuchs. Lassen Sie nichts aus, was diesen jungen Mann betrifft.« »Sie kommen um seinetwillen?« fragte sie mit einem Ausdruck der Liebe, der jeden anderen Priester gerührt hätte. »Oh, er hat alles geahnt!« »Nein«, erwiderte er, »nicht um Ihren Tod, sondern um Ihr Leben macht man sich Sorge. Reden Sie, erklären Sie mir Ihre Beziehungen.« »Mit einem Wort«, sagte sie.
Das arme Mädchen zitterte bei dem schroffen Ton des Geistlichen, aber doch als eine Frau, die die Brutalität seit langem nicht mehr überraschte.
»Lucien ist Lucien«, fuhr sie fort, »der schönste junge Mann und das beste aller lebenden Wesen; aber wenn Sie ihn kennen, so muss Ihnen meine Liebe sehr natürlich erscheinen. Ich habe ihn vor drei Monaten zufällig in der Porte Saint-Martin10 getroffen, wohin ich an einem Ausgehtag gegangen war; denn im Hause der Frau Meynardie, in dem ich lebte, hatten wir einen Tag in der Woche frei. Sie begreifen wohl, dass ich mich am folgenden Tag ohne Urlaub frei machte. Die Liebe war in mein Herz gedrungen und hatte mich so sehr verändert, dass ich mich selbst nicht mehr erkannte, als ich aus dem Theater kam: mir graute vor mir selber. Nie hat Lucien irgendetwas erfahren dürfen. Statt ihm zu sagen, wo ich lebte, gab ich ihm die Adresse dieser Wohnung, die damals eine meiner Freundinnen inne hatte und die sie mir aus Gefälligkeit abtrat. Ich schwöre Ihnen auf mein heiliges Wort …« »Sie dürfen nicht schwören.« »Ist es denn ein Schwur, wenn ich Ihnen mein heiliges Wort gebe? Nun, seit jenem Tage habe ich in diesem Zimmer wie eine Verlorene gearbeitet und für achtundzwanzig Sous das Stück Hemden genäht, um von ehrlicher Arbeit leben zu können. Einen Monat lang habe ich nur Kartoffeln gegessen, um anständig und Luciens würdig zu bleiben; denn er liebt mich wie die Tugendhafteste der Tugendhaften. Ich habe der Polizei meine förmliche Erklärung abgegeben, um wieder in den Besitz meiner bürgerlichen Rechte zu gelangen, und man hat mir zwei Jahre der Überwachung auferlegt. Dieselben, die einen so leicht in die Register der Schmach eintragen, machen außerordentliche Schwierigkeiten, wenn sie einen streichen sollen. Ich bat den Himmel nur um eins, darum, meinen Entschluss zu festigen. Ich werde im April neunzehn Jahre alt: in diesem Alter hat man noch Möglichkelten. Mir wenigstens scheint es, als wäre ich erst vor drei Monaten geboren worden … Ich habe jeden Morgen zum lieben Gott gebetet und ihn angefleht, dass Lucien nie etwas von meinem früheren Leben erfahren möchte. Ich habe mir die Jungfrau gekauft, die Sie hier sehen; ich habe auf meine Art zu ihr gebetet, denn Gebete kenne ich nicht; ich kann weder lesen noch schreiben, ich bin nie in einer Kirche gewesen und habe mir den lieben Gott nur aus Neugier bei den Prozessionen angesehen.«
»Was sagen Sie denn zu der Jungfrau?« »Ich spreche zu ihr, wie ich zu Lucien spreche, in jenen Seelenergüssen, die ihm Tränen entlocken.« »Ach, er weint?« »Vor Freude«, sagte sie lebhaft. »Der arme Junge! Wir verstehen uns so gut, dass wir nur eine Seele haben! Er ist so zart, so einschmeichelnd, so sanft im Herzen, in seiner Gesinnung und seinen Manieren! … Er sagt, er sei ein Dichter; ich sage, er ist ein Gott … Verzeihen Sie, aber Sie als Priester wissen nicht, was die Liebe ist. Übrigens kennen nur wir die Männer genau genug, um einen Lucien zu würdigen. Ein Lucien, sehen Sie, ist ebenso selten wie eine Frau ohne Sünde; wenn man ihm begegnet, kann man nur ihn noch lieben: das ist es. Aber ein solches Wesen braucht seinesgleichen. Ich wollte also der Liebe meines Lucien würdig werden. Daher kam mein Unglück. Gestern wurde ich in der Oper von ein paar jungen Leuten wiedererkannt, die so wenig ein Herz haben, wie Tiger Mitleid kennen; aber mit einem Tiger wollte ich mich noch verständigen! Der Schleier der Unschuld, den ich trug, ist gefallen; ihr Lachen hat mir Kopf und Herz zerrissen. Glauben Sie nicht, Sie hätten mich gerettet; ich werde vor Kummer sterben.« »Ihr Schleier der Unschuld? …« fragte der Priester. »So haben Sie Lucien mit äußerster Strenge behandelt?« »O ehrwürdiger Vater, wie können Sie, der Sie ihn kennen, eine solche Frage stellen?« erwiderte sie, indem sie ihm ein wunderbares Lächeln zuwarf. »Einem Gott leistet man keinen Widerstand!« »Lästern Sie nicht«, sagte der Geistliche mit sanfter Stimme. »Niemand kann Gott gleichen: die Übertreibung steht der wahren Liebe schlecht, Sie haben für Ihr Idol noch keine reine und echte Liebe gefühlt. Wenn Sie den Wandel empfunden hätten, den durchgemacht zu haben Sie sich rühmen, so hätten Sie Tugenden erworben, wie sie das Erbteil der Jugend sind; Sie hätten die Wonnen der Keuschheit und die Feinheiten der Scham kennen gelernt, jene beiden Ruhmestitel des jungen Mädchens. Sie lieben nicht.«
Esther machte eine Bewegung des Schreckens, die der Priester sah, die jedoch die Gleichgültigkeit dieses Beichtvaters nicht erschütterte. »Ja, Sie lieben ihn um Ihretwillen und nicht um seinetwillen, wegen der weltlichen Genüsse, die Sie bezaubern, und nicht um der Liebe selber willen. Wenn Sie sich seiner so bemächtigt haben, so empfanden Sie nicht jenes heilige Zittern, wie es ein Wesen einflößt, auf das Gott den Stempel der anbetungswürdigsten Vollkommenheit gedrückt hat: haben Sie daran gedacht, dass Sie ihn durch Ihre vergangene Unreinheit erniedrigen, dass Sie ein Kind verderben wollen durch jene grauenhaften Verzückungen, die Ihnen Ihren glorreichen gemeinen Beinamen eingetragen haben? Sie sind in sich selbst und in Ihrer Leidenschaft eines Tages inkonsequent gewesen …« »Eines Tages!« wiederholte sie, indem sie die Augen hob. »Mit welchem Namen soll man eine Liebe nennen, die nicht ewig ist, die uns mit dem, was wir lieben, nicht bis in die Zukunft des Christen hinein vereinigt?« »Ach, ich will katholisch werden!« rief sie mit einem dumpfen und gewaltsamen Ton, der ihr die Gnade unseres Heilands erworben hätte. »Kann ein Mädchen, das weder die Taufe der Kirche noch die des Wissens empfangen hat, das weder zu lesen noch zu schreiben noch zu beten versteht, das keinen Schritt zu tun vermag, ohne dass das Pflaster aufsteht, um sie anzuklagen, das einzig bemerkenswert ist durch das vergängliche Vorrecht einer Schönheit, die vielleicht morgen schon eine Krankheit vernichtet: kann dieses verderbte, erniedrigte Geschöpf, das seine Erniedrigung kannte – ohne dieses Wissen und mit weniger Liebe wären Sie eher entschuldbar gewesen –, kann die künftige Beute des Selbstmords und der Hölle Lucien von Rubemprés Frau werden?«
Jeder Satz war ein Dolchstoß, der im innersten Herzen traf. Bei jedem Satz zeugten das immer sich steigernde Schluchzen und die reichlichen Tränen des verzweifelten Mädchens für die Gewalt, mit der das Licht hereinbrach in ihren Verstand, der unbelehrt war wie der eines Wilden, in ihre endlich erweckte Seele, in ihr eigentliches Wesen, über das die Verderbtheit eine Schicht kotigen Eises gebreitet hatte, die jetzt an der Sonne des Glaubens schmolz.