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Dieses Buch ist ein Appell zur Rückkehr zu einem natürlichen, von echtem Vertrauen geprägten Umgang mit Schwangerschaft und Geburt. Es ist ein Gegengewicht zur aktuellen, in meinen Augen kranken, gesellschaftlichen Entwicklung hin zu immer mehr Technisierung des Lebensbeginns. Während der Schwangerschaft mit meiner Tochter Hanna, ihrer Geburt und der Zeit danach durfte ich dank der Begleitung durch den Gynäkologen und Geburtshelfer Dr. med. Mehdi Djalali unzählige wundervolle Erfahrungen machen. Mit der Erzählung meiner Erfahrungen möchte ich aufzeigen, dass es möglich ist, einen anderen Weg zu gehen. Ein Weg, der uns die Möglichkeit eröffnet, unseren Kindern Geschenke von unschätzbarem Wert mitzugeben. Nämlich wahre Geborgenheit und Freiheit - die Voraussetzungen für ein erfülltes, glückliches Leben, und damit die Wurzeln für eine friedlichere Welt.
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Seitenzahl: 182
Veröffentlichungsjahr: 2020
FÜR HANNA
Dank
Vorwort
Über Dr. med. Mehdi Djalali
Einleitung
Mein kleiner Beitrag
Dr. Djalalis Begleitung
Wie alles begann
Eine Frage der Haltung
Bevor unser Kind zu uns kam
Das Baby in meinem Bauch
Das Baby kommt bei uns an
Ein anderer Weg von Anfang an
Die Haptonomie
Fragen in der Schwangerschaft
Die Erfahrungen mit der Haptonomie aus Sicht des Vaters
Die Geburt
Unsere Geburtserfahrung
Analyse von 250 haptonomisch begleiteten Geburten
Die Zeit nach der Geburt
Stillen
Es gibt kein besseres Mittel als die Brust
So viel mehr als nur Nahrungsaufnahme
Geben und Nehmen
Haptonomische Schwangerschaftsbegleitung als Voraussetzung
Anstrengung, die sich so sehr lohnt
Stillalltag
Stillen und Berufstätigkeit
Tragen
Haptonomisches Tragen – Freiheit in Geborgenheit
Tragen – immer und überall
Reaktionen auf das Tragen aus dem Umfeld
Haptonomisches Tragen und die (unbegründete)Angst vor Reizüberflutung
Tragen und Vertrauen
Tragen lohnt sich
Tragen und Freiheit
Verhalten und Entwicklung gut getragener Kinder
Tragen – wie lange?
Schlafen
Familienbett statt Kinderbett
Das Kind entscheidet, wann es schlafen möchte
Durchschlafen...
Essen
Von der Muttermilch zur festen Nahrung
Bitte nicht füttern
Verschlucken
Begleiten und vertrauen, statt erziehen und belehren
Für unser Kind da sein
Krankheit und Schmerz
Das Umfeld
Die Eltern
Die Heilung der Wunden der Eltern
Die Beziehung
Nachtrag
Schlusswort
Literatur
Ich danke meiner Tochter Hanna, von der und durch die ich in den letzten vier Jahren so viel lernen durfte.
Ich danke meinem Mann Felix, der mich bedingungslos und voller Liebe unterstützt, wenn es manchmal schwer ist, und der mich unermüdlich ermutigt hat, dieses Buch zu schreiben.
Ich danke meinen Eltern, die mir die Offenheit und den Mut mitgegeben haben, in meinem Leben immer wieder unkonventionelle Wege zu gehen und gegen den Strom zu schwimmen.
Ich danke Dr. Djalali, der uns für eine wunderbare Haltung dem Menschen gegenüber sensibilisierte.
Schließlich danke ich der Lektorin Roswitha Jendryschik, die mit viel Geduld und Feingefühl dem Geschriebenen den letzten Schliff gegeben hat.
von Dr. med. Mehdi Djalali, Juli 2019
Seit langem wünschen sich viele Paare, die ich begleitet habe, ein Buch von mir über meine Erfahrungen und meine Arbeit.
Sie möchten die für sie sehr wichtigen Erfahrungen, die sie mit mir gemacht haben, anderen Menschen zugänglich machen.
Bis jetzt bin ich diesem Wunsch nicht nachgekommen, weil schon tausende von Veröffentlichungen über Schwangerschaft und Geburt existieren.
Das Werk, das Kathrin Lösch präsentiert, hat eine andere Bedeutung: Sie erzählt aus Sicht einer Mutter, die den Weg von Schwangerschaft und Geburt sehr intensiv gegangen ist. Sie und ihr Mann erleben tagtäglich den immensen Einfluss ihres Umgangs mit ihrer Tochter.
Diese Vermittlung von Informationen aus der Warte der Erlebenden ist für die Leser sicherlich einprägender als Darlegungen von einem Fachmann.
Mit großer Freude und Erstaunen muss ich sagen, dass die Autorin sehr genau die Intention meiner Arbeit wiedergibt.
Nach 40 Jahren Erfahrung mit Kindern im Mutterleib, unter der Geburt und beim Erwachsenwerden, wird es mir immer klarer, wie grob − und an den Grundbedürfnissen der Kinder vorbei − wir mit Kindern in unserer Gesellschaft umgehen.
Mir wurde auch klar, wie wichtig die Entwicklung von Urvertrauen und Autonomie für Kinder ist, und dass diese Entwicklung bereits ab der Einnistung des Ungeborenen in der Gebärmutter beginnt.
Diese Aspekte werden im vorliegenden Buch sehr anschaulich dargestellt.
Ich gehe davon aus, dass nicht wenige Leserinnen und Leser mit einigen Darstellungen in diesem Buch nicht zurechtkommen werden. Hauptsächlich mit den Aspekten des Langzeitstillens und Tragens.
Ich wünsche mir aber, dass viele Mütter bzw. Eltern durch die Lektüre motiviert und unterstützt werden, die lebenswichtigen Bedürfnisse ihrer Kinder zu erfüllen.
Ich danke Familie Lösch für diese Publikation.
Zum Schluss ein Zitat von Jalal Ed Din Rumi (1207-1273 n. Chr.), das sinngemäß meine Vorstellung vom Kind im Mutterleib wiedergibt: „Der Körper entwickelt sich aus uns, nicht umgekehrt. Wir schaffen unseren Körper. Zelle für Zelle schaffen wir ihn. Wir sind nicht gemacht worden. Wir sind Geist und Körper.“
Dr. med. Mehdi Djalali (geboren in Teheran/Iran) lebt ab seinem zwölften Lebensjahr mit seiner Mutter und Geschwistern in Deutschland. Er studierte Medizin und absolvierte eine Facharztausbildung für Gynäkologie und Geburtshilfe. Nach jahrelanger Oberarzttätigkeit ließ er sich in Düsseldorf mit Belegarzttätigkeit nieder. Dr. Djalali absolvierte eine Ausbildung in der Haptonomie bei Frans Veldmann und ist Mitglied der C.I.R.D.H (Internationales Centrum zur Erforschung und Entwicklung der Haptonomie).
Zur Zeit führt Dr. Djalali eine Privatpraxis in Düsseldorf und gibt regelmäßig Vorträge und Workshops im In- und Ausland.
Kontakt:
E-Mail: [email protected]
Tel: +49 211 8369005
Das vorliegende Buch entstand während der ersten vier Lebensjahre unserer Tochter Hanna.
Hätte man mir noch vor wenigen Jahren gesagt, dass ich zum Thema Schwangerschaft und leben mit Kindern schreiben würde, hätte ich wohl laut gelacht und erwidert: Niemals! Damals war das Thema schlichtweg nicht präsent in meinem Leben. In meinem Umfeld gab es kaum Kinder, mit denen ich in Berührung kam und ich selbst war felsenfest davon überzeugt, keine eigenen Kinder zu wollen. Seit damals hat sich sehr viel geändert.
Mein Mann Felix und ich erlebten den Gynäkologen und Geburtshelfer Dr. med. Mehdi Djalali zum ersten Mal im Herbst 2014 bei einem Vortrag.
Was wir seither von ihm gelernt haben über die Begleitung eines Menschenlebens hinein in diese Welt von Anfang an, über Schwangerschaft, Geburt, die Zeit danach und nicht zuletzt über uns selbst, hat unsere Einstellungen und Sichtweisen diesbezüglich grundlegend verändert.
Ich habe seit Beginn der Schwangerschaft sehr viel geschrieben, was mir geholfen hat, vieles zu verstehen und zu verarbeiten. So füllte ich ein Notiz-Büchlein nach dem anderen. Irgendwann kam mir der Gedanke, es wäre vielleicht schön, auch andere Menschen an all diesen Erfahrungen teilhaben zu lassen. Nun gibt es schon unzählige Bücher zum Thema Kinder, in denen Ärzte, Hebammen, Psychotherapeuten oder Mütter uns wissen lassen, wie wir unsere Kinder am besten begleiten oder erziehen sollten. So dachte ich zuerst: wieso sollte ich jetzt auch noch meine Meinung in die Welt posaunen? Aber mit der Zeit wurde mir immer klarer, dass es nicht darum geht, anderen meine Meinung kundzutun, sondern darum, meine Erfahrungen zu teilen, die ich seit Beginn meiner Schwangerschaft machen durfte. Erfahrungen, die natürlich individuell geprägt sind und von ganz vielen verschiedenen Faktoren abhängen, die aber zu einem grossen Teil nur dank Dr. Djalalis Begleitung möglich waren. Ich denke, viele Eltern, die ebenfalls von Dr. Djalali begleitet wurden, haben ähnliche Erfahrungen gemacht.
Dr. Djalali zeigt einen von vielen möglichen Wegen auf, wie wir unsere Kinder begleiten können. Natürlich müssen Eltern ihren eigenen Weg finden und ihre eigenen Erfahrungen im Umgang mit ihren Kindern machen. Ich glaube auch nicht, dass es einen einzigen „richtigen“ Weg gibt. Aber vielleicht spüren, genau wie ich damals, auch andere Menschen, dass Dr. Djalalis Weg der Kinderbegleitung der Weg ist, der ihnen entspricht.
Und sollte es nur eine einzige (zukünftige) Mutter sein, die sich durch meine Zeilen inspiriert fühlt, dann hat sich das Schreiben gelohnt.
Es geht mir nicht darum, Schuldgefühle zu erwecken oder Eltern anzuklagen, die andere Wege gehen wollen bzw. gegangen sind als den, den wir gewählt haben.
In der letzten Zeit habe ich immer wieder gespürt, wie hochsensibel viele Menschen (ich eingeschlossen) reagieren, wenn es um das Kinderkriegen geht und um die Art und Weise, wie wir mit unseren Kindern umgehen.
Deshalb ist mir auch bewusst, dass es wohl unvermeidlich ist, dass sich einige Menschen beim Lesen dieses Buches vor den Kopf gestoßen fühlen werden. Dies ist nicht meine Absicht. Im Gegenteil. Ich möchte gegen die aktuelle, in meinen Augen kranke, gesellschaftliche Entwicklung anschreiben. Eine Entwicklung hin zu immer mehr Technisierung von Schwangerschaft und Geburt, womit wir uns immer weiter von unserem Urvertrauen gegenüber uns selbst, und vor allem unseren Kindern gegenüber, entfernen – ein Urvertrauen, das in uns allen vorhanden ist, aber leider immer mehr vergessen geht.
Ich möchte vermitteln, dass es möglich ist, einen anderen Weg zu gehen, dass es möglich ist, zurück zu unserem Urvertrauen zu finden und dies an unsere Kinder weiter zu geben. Ich möchte die Menschen dazu ermutigen, gegen den Strom zu schwimmen. Das kann zwar manchmal sehr anstrengend sein, hat aber so heilende Folgen für uns und für unsere Kinder, und damit für unsere zukünftige Welt, dass es sich in JEDEM Fall lohnt.
In den letzten vier Jahren habe ich vieles gelesen und gehört rund um das Thema Kinder. Darunter auch einige sehr interessante und inspirierende Dinge. Da gibt es Autoren, welche die Wichtigkeit der Zeit des Ungeborenen im Mutterleib für das spätere Leben betonen, ohne jedoch vertieft darauf einzugehen, wie wir diese Zeit idealerweise gestalten können. Andere wiederum stellen das Erlebnis der Geburt ins Zentrum und wieder andere geben hilfreiche Ratschläge für die Zeit nach der Geburt.
Dr. Djalali scheint all dies in umfassender und in sich stimmiger Weise zu verbinden.
Für mich erscheint Dr. Djalali wie ein liebevoller Vater aller Ungeborenen, der für ihre wahren Bedürfnisse einsteht, der ihnen eine Stimme gibt, die sie in unserer Welt leider nicht haben, da sie meist als Objekte und nicht als eigenständige Persönlichkeiten angesehen werden und der damit Tausenden von Kindern einen Start ins Leben ohne die üblichen und leider mittlerweile als normal angesehenen Traumatisierungen ermöglicht hat. Traumatisierungen, die wir später mühsam und mit begrenztem Erfolg mithilfe der zahlreich vorhandenen Therapieansätze und Methoden der Lebenshilfe aufzulösen versuchen.
Von Dr. Djalali begleitete Kinder sind wahre Glückskinder.
Eine Begleitung durch Dr. Djalali beginnt so früh wie möglich in der Schwangerschaft und umfasst idealerweise regelmässige Besuche bei ihm während der gesamten Schwangerschaft und auch über die Geburt hinaus. Ein wichtiger Teil der Begleitung ist die Haptonomie, auf welche ich später in diesem Buch eingehen werde.
Natürlich setzen die Eltern das von Dr. Djalali Gehörte nicht alle genau gleich um, sondern immer nach ihren eigenen Möglichkeiten und biografischen Prägungen.
Ich möchte an dieser Stelle trotzdem einige Punkte erwähnen, von denen ich denke, dass sie zu einem großen Teil ein Resultat des Umgangs mit Hanna sind, so wie Dr. Djalali ihn vermittelt.
Unsere Tochter Hanna ist jetzt vier Jahre alt. Seit sie bei uns ist, hatten wir nicht eine schlaflose Nacht. Das Stillen hat von Anfang an wunderbar geklappt und ist bis heute problemlos (sie stillt immer noch sehr gern). Wir mussten uns noch nie darum kümmern, ob sie genügend Nahrung bekommt oder wie viel sie wohl braucht. Gefüttert haben wir sie noch nie. Wir haben in unserem Haus nichts umgeräumt, weggestellt oder irgendwelche Sicherheitsvorkehrungen vorgenommen. Wir mussten ihr nicht ständig hinterher rennen, weil sie sonst Dinge herunter riss, Schränke oder Schubladen ausräumte, am Herd herum spielte oder in Steckdosen hinein fasste. Hanna ist sehr unkompliziert und braucht keine spezielle Aufmerksamkeit, solange sie einfach bei uns sein kann. Hanna ist immer und überall mit dabei. Auf Spielsachen ist sie nicht angewiesen. Sie strahlt eine tiefe Zufriedenheit aus.
All das könnte so erscheinen, als ob Hanna ein besonders ruhiges, braves Kind sei. Das ist sie aber zum Glück keineswegs. Sie ist eigentlich ganz „normal“: sehr präsent, temperamentvoll, neugierig und vor allem willensstark – alles Eigenschaften, die jedes Kind auf diese Welt mitbringt und auch behält, solange wir Eltern diese Eigenschaften nicht in vielen Machtkämpfen zerstören, um ein braves, angepasstes Kind heranzuziehen.
Begonnen hat alles im Sommer 2014. Bis dahin waren mein Mann Felix und ich uns einig, dass wir keine Kinder wollten. Dies hatten wir beide unabhängig voneinander entschieden, schon bevor wir uns kennen lernten. Wir hatten damals einfach andere Prioritäten im Leben und waren überzeugt, dass diese nicht mit Kindern zu vereinbaren wären.
Doch plötzlich kam bei mir wie aus dem nichts immer häufiger die Frage an die Oberfläche: „Warum eigentlich keine Kinder?“ Plötzlich konnten mich meine eigenen jahrelang für mich gültigen Argumente gegen Kinder nicht mehr überzeugen und ich geriet diesbezüglich in tiefe Zweifel. Es fühlte sich irgendwie nicht mehr „richtig“ an, das Kinderkriegen einfach auszuschließen. Vielmehr hatte ich das Gefühl, wir sollten diese Entscheidung der Natur (oder wie immer man dies nennen will: Schicksal, höhere Kraft, Karma, Gott) überlassen. Wenn dann ein Kind kommen sollte, ist es gut, wenn nicht, dann ist es eben auch gut und „richtig“. Zwar verspürte ich nach wie vor beim Anblick von Müttern, die ihre Kinder im Kinderwagen vor sich herschoben oder sich auf dem Spielplatz mit anderen Müttern und Kindern trafen, gar keine Lust, dies auch zu tun. Ich konnte irgendwie gar nicht auf den Punkt bringen, was meinen Kinderwunsch ausmachte. Soviel ich auch danach suchte, ich fand einfach keine rationale Erklärung dafür.
Heute sehe ich, dass es diese rationale Erklärung gar nicht geben konnte, weil es sich um ein tiefes, inneres Wissen, eine Art Urinstinkt, handelte, der mit dem Verstand nicht zu fassen war. Vielleicht war es auch unsere kleine Tochter, die mir zu verstehen gab, dass sie unbedingt zu uns kommen wollte.
Nach einiger Zeit merkte ich, dass der Kinderwunsch wohl nicht einfach wieder von allein verschwinden würde und ich mich damit auseinandersetzen musste. Ich erzählte also meinem Mann davon mit der Erwartung, dass er aus allen Wolken fallen würde. Ich muss hier erwähnen, dass mein Mann kurz nachdem wir uns kennen gelernt hatten, eine Vasektomie (Sterilisation, operative Unterbrechung der Samenleiter) hat machen lassen – so sicher waren wir uns, dass wir keine Kinder wollten.
Felix reagierte jedoch sehr verständnisvoll und mitfühlend und meinte, in diesem Fall müssen wir uns eben damit auseinander setzen, wie es wäre, vielleicht doch ein Kind zu bekommen. Bis dahin war ich überzeugt, dass eine Vasektomie endgültig ist. Ich dachte, für mich ginge es jetzt einzig darum, mich auf gute Weise mit meinem nicht erfüllbaren Kinderwunsch abzufinden. Zumal ich ja auch meinen Mann nicht zu etwas zwingen wollte oder konnte, was wir vor Jahren beide ausgeschlossen hatten für unser gemeinsames Leben. Doch nach seiner verständnisvollen und offenen Reaktion erkundigte ich mich, ob eine Vasektomie rückgängig gemacht werden konnte. Tatsächlich bestand diese Möglichkeit. Die Wahrscheinlichkeit, nach einem solchen Eingriff, der sogenannten Vasovasostomie, schwanger zu werden, wurde aber gemäß meiner Recherchen als nicht sehr hoch eingestuft. Schließlich waren mein Mann und ich bereits 38 Jahre alt, was schon allein für sich als Risikofaktor für eine Schwangerschaft angesehen wird. Ich war jedoch überzeugt, dass, wenn wir uns dafür entscheiden sollten, uns für ein Kind zu öffnen, keine Statistiken oder Wahrscheinlichkeiten darüber befinden würden, ob ein Kind zu uns kommt oder nicht. Es würde einfach das passieren, was passieren musste.
Je länger ich mich mit meinen Gefühlen befasste, desto mehr fühlte es sich richtig an, einem Kind die Möglichkeit zu geben, zu uns zu kommen. Felix hatte zwar nicht dieses starke Gefühl des Kinderwunsches, er war aber auch nicht abgeneigt.
Nach vielen langen Gesprächen entschieden wir schließlich, dass Felix eine Vasovasostomie machen ließ. Nun waren wir gespannt, was die Zukunft bringen würde.
Im Oktober 2014 besuchten wir eine Tagung, an der Dr. Djalali einen Vortrag hielt. Mein Mann und ich waren begeistert und tief berührt von seinen Worten. Damals sagten wir uns, egal ob ich schwanger werde oder nicht, diesen Menschen wollten wir unbedingt persönlich kennen lernen. Das dachte unsere kleine Tochter wohl auch. Sie kam genau neun Monate später zur Welt.
Ich denke, was mir bei Dr. Djalalis Vortrag damals (und heute immer wieder) so unter die Haut ging, war seine Haltung gegenüber einem neuen Menschenleben, die so anders war als alles, was mir bis dahin begegnet war.
Eine Haltung, die das Ungeborene von Anfang an als kompetentes, eigenständiges Wesen betrachtet statt als ein Objekt unserer Wünsche und Erwartungen. Eine Haltung, die immer wieder versucht, die Perspektive des Kindes einzunehmen, statt nur aus unserer eigenen Perspektive zu urteilen und zu handeln. Eine Haltung, die dem Kind von Anfang an Entscheidungsfähigkeit und Autonomie zuspricht. Eine Haltung voller Bescheidenheit, Respekt und Vertrauen.
Dies mag nun schön und eigentlich ganz einfach klingen, aber wie lässt sich eine solche Haltung tatsächlich umsetzen?
Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass für die meisten von uns eine Verinnerlichung dieser Haltung nicht von heute auf morgen geschehen kann. Wir sind alle geprägt von der Gesellschaft, in der wir leben, von unseren eigenen Erfahrungen und Denk- und Handlungsmustern, die sich über viele Jahre in uns verfestigt haben und von denen wir einige vielleicht noch nie hinterfragt haben. Aber wir alle können uns auf den Weg machen, um dieser Haltung ein Stück näher zu kommen.
Für meinen Mann und mich war und ist es ein andauernder Prozess, unsere festgefahrenen Muster loszulassen. Es ist, als ob wir eine Schicht falscher Vorstellungen nach der anderen ablegen würden, um ganz tief in unserem Inneren zu eben dieser Haltung vorzudringen, die sich so richtig und echt anfühlt.
Als Dr. Djalali zum Beispiel vom Vertrauen gegenüber dem Kind sprach, dachte ich: „Natürlich vertraue ich meinem Kind, das ist ja nicht so schwer.“ Das war ganz schön arrogant von mir gedacht. Zu sagen, ich vertraue meinem Kind und es tatsächlich auch zu tun – dazwischen liegen Welten. Dies musste ich immer wieder feststellen, während ich meine Verhaltensweisen beobachtete und hinterfragte. So lernte ich, diesen Weg mit Bescheidenheit und viel Achtsamkeit zu gehen.
Ich halte es für wichtig, an dieser Stelle nochmals auf die Zeit einzugehen, bevor unser Baby zu uns kam.
Meinem Mann und mir war damals bewusst, dass nicht wir die Entscheidung treffen konnten, ob ein Kind zu uns kommen würde oder nicht. Wir konnten nur die nötigen Bedingungen herstellen, also uns für ein Kind voll und ganz öffnen. So redeten wir zum Beispiel nie davon, dass „wir uns entschieden hätten, ein Kind zu bekommen“. Wir waren uns auch einig, dass wir keinerlei medizinische Maßnahmen ergreifen würden, wenn kein Kind zu uns kommen sollte. Wir waren sicher, dass das geschehen würde, was dieses Leben für uns vorgesehen hatte. Mein Mann und ich waren schon ein sehr glückliches Paar, bevor unsere Tochter zu uns kam und wir glaubten, dass dies auch so bleiben würde ohne ein Kind. Unser Wunsch, ein Kind möge zu uns kommen, hatte auch nichts damit zu tun, dass wir darin den Sinn des Lebens suchten. Das half uns, gleichmütig mit dem ganzen Thema umzugehen.
Die Tatsache, dass ich nur wenige Wochen nach der Vasovasostomie meines Mannes schwanger wurde, hat in meinen Augen sehr viel mit dieser Einstellung zu tun.
Dr. Djalali formulierte dies damals in seinem Vortrag so: das Kind entscheidet, ob es zu uns kommen möchte, nicht die Eltern.
Unsere Haltung der Bescheidenheit, unser Vertrauen in das Kind sollte also schon in der Zeit vor der Schwangerschaft beginnen.
Vielleicht können wir uns folgende Fragen stellen, um uns über unsere Absichten klarer zu werden, die hinter einem Kinderwunsch stehen:
Will ich ein Kind haben? Stehen meine Wünsche im Vordergrund, die ich mit einem Kind verbinde? Habe ich bereits bestimmte Erwartungen an das Kind, bevor es da ist? Habe ich bestimmte Vorstellungen von der Zeit, wenn das Kind da ist?
Oder will ich einem Kind ermöglichen, zu mir zu kommen, um mit ihm zu sein? Will ich das Kind bedingungslos annehmen, genau so, wie es ist und versuchen, seine Bedürfnisse zu erfüllen?
Dr. Djalali sagte einmal, viele Paare, die sich ein Kind wünschen, haben leider mehr Vertrauen in medizinische Statistiken und Maßnahmen als in das Kind. Könnten sie diese Haltung des Vertrauens in das Kind schon zu diesem frühen Zeitpunkt einnehmen, würden nicht so viele Paare vor den sogenannten Kinderwunschkliniken Schlange stehen.
Ich möchte damit auf keinen Fall das Leid der Paare, deren Kinderwunsch nicht erfüllt wird, herunterspielen oder über die Inanspruchnahme medizinischer Hilfe urteilen. Im Gegenteil, ich habe sehr viel Verständnis und Mitgefühl für diese Paare. Aber leider suggeriert uns die Gesellschaft, wenn es mit dem Kinderwunsch nicht gleich klappt, müssten wir möglichst schnell etwas unternehmen, also eingreifen. Ich bin überzeugt, würden wir wieder lernen, der Entstehung von neuem Leben mit Bescheidenheit, Vertrauen und Geduld zu begegnen, bliebe vielen Paaren großes Leid erspart.
Kurze Zeit nach der Konzeption (ich bin mir eigentlich sicher, dass diese am 18. Oktober war, also am Tag des Vortrages von Dr. Djalali) „wusste“ ich, dass ein Baby zu uns gekommen war. Ich hatte natürlich noch keine Fakten, die „bewiesen“, dass ich schwanger war, aber ich hatte ein sehr starkes Gefühl. Ein Gefühl, das ich nicht kannte bis dahin, ein Gefühl voller Freude und Glück, eine Art angenehmes Kribbeln im Bauch. Zunächst tat mein Verstand dies jedoch ab als irgendeine Einbildung.
Mein Verstand sagte mir Dinge wie: „Ach, das ist nur ein trügerisches Gefühl, dass Du schwanger bist. So schnell kann es ja gar nicht gehen. Außerdem, in diesem Stadium fühlt man doch noch nichts. Vor allem ist es jetzt viel zu früh, sich zu freuen, da wird man dann nur enttäuscht.“
Dieses Gefühl bzw. dieses tiefe Wissen, dass ein kleines Wesen in meinem Bauch angekommen war, war aber so stark und so deutlich, dass mein Verstand irgendwann nicht mehr dagegen ankam. Das hat mich damals ziemlich beeindruckt. Wenn ich heute zurückschaue, erscheint mir dies jedoch völlig klar und nachvollziehbar. Es wäre doch vielmehr komisch gewesen, hätte ich nichts gespürt bei einem so großen und besonderen Ereignis.
Ich muss erwähnen, dass ich mich selbst immer gerne als Kopfmenschen bezeichnete, der sich, wenn immer möglich, auf Fakten stützte und bestimmt nicht irgendwelchen „Bauchgefühlen“ folgte oder sich gar auf diese verlassen hätte. Ein Umstand, der sich seither wie so vieles andere grundlegend verändert hat.
Natürlich konnte ich meine Gedanken nicht von heute auf morgen ausschalten und ab sofort nur noch auf diese innere,