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Viele Male hat Goethe im Lauf seines Lebens Ilmenau, sein thüringisches Arkadien, aufgesucht, zuletzt wenige Monate vor seinem Tod im August 1831. In jenen sechs Tagen, die den Handlungsrahmen für Sigrid Damms Buch abgeben, hält Goethe Rückschau auf sein Leben, erinnert sich an seine Frau Christiane, an die böhmischen Bäder, wo er zum letztenmal die Liebe erlebte, bis er, zurückgewiesen von der jungen Ulrike von Levetzow, sich seines Alters verzweifelt bewußt wird. Wie in allen ihren Büchern bringt uns Sigrid Damm auch den Alltag nahe: Goethe als großzügiger Gastgeber, der sein culinarisches Regiment mit Seltenheiten illustriert. Sie schildert bisher kaum berührte Seiten in Goethes Leben: sein schwieriges Verhältnis zu seinem Sohn in den letzten Jahren und das freudige zum kleinen Volk im zweiten Grade, zu seinen Enkeln, die er verwöhnt und für die er – nach dem Tod des Sohnes – die Vaterstelle einnimmt.
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Seitenzahl: 398
Viele Male hat Goethe im Lauf seines Lebens Ilmenau besucht und hierher, in sein thüringisches Arkadien, wo auch sein berühmtes Gedicht »Über allen Gipfeln« entstand, führt ihn ein halbes Jahr vor seinem Tod seine letzte Reise. Es wird eine Reise in die Vergangenheit, eine Reise des Abschieds, eine Wallfahrt zu den Stätten früherer Leiden und Freuden.
In den sechs Augusttagen des Jahres 1831, die den Handlungsrahmen für Sigrid Damms Buch abgeben, erinnert sich Goethe an seine Frau Christiane, an die böhmischen Bäder, wo er zum letzten Mal die Liebe erlebte, bis er, zurückgewiesen von der jungen Ulrike von Levetzow, sich seines Alters verzweifelt bewußt wird. Er antwortet darauf mit seiner großen Altersdichtung, der »Marienbader Elegie«. Goethe denkt an sein Werk, an »Faust. Zweiter Teil«, und den Entschluß, ihn zu versiegeln, er reflektiert sein Verhältnis zum Veloziferischen seiner Zeit und zur Julirevolution 1830 als der größten Denkübung seines Lebens.
»Wie immer wahrt Sigrid Damm die Würde der Menschen, die sie porträtiert, und erzählt doch sehr persönlich vom Leben – und vom Abschiednehmen.« Brigitte
»So gelingt ihr ein facettenreiches Porträt, eine letztlich lebensumspannende Studie ...« Susanne Beyer, Der Spiegel
»Sigrid Damms Buch, eine anmutige, kunstvolle Erzählung von wunderbarer Leichtigkeit, findet so schnell nichts Ebenbürtiges.« Klaus Bellin, Neues Deutschland
Sigrid Damm, geboren in Gotha/Thüringen, lebt als freie Schriftstellerin in Berlin und Mecklenburg.
Von Sigrid Damm liegen im insel taschenbuch außerdem vor: Vögel, die verkünden Land. Das Leben des Jakob Michael Reinhold Lenz (it 1399), Cornelia Goethe (it 1452), Christiane und Goethe. Eine Recherche (it 2800) und Das Leben des Friedrich Schiller. Eine Wanderung (it 3232). Als suhrkamp taschenbuch sind erschienen: Ich bin nicht Ottilie (st 2999), Diese Einsamkeit ohne Überfluß (st 3175).
Sigrid Damm
Goethes letzte Reise
Insel Verlag
Umschlagabbildung: Andy Warhol, Goethe, 1982.
© Andy Warhol Foundation for the Visual Arts / Artists Rights Society (ARS),
New York
eBook Insel Verlag Berlin 2014
© Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 2007
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Hinweise zu dieser Ausgabe am Schluß des Bandes
eISBN 978-3-458-73025-5
www.insel-verlag.de
Im August des Jahres 1831 entschließt sich Goethe zu einer Reise.
Am 24. August notiert er: Brachte mit Vorbereitungen zur Abreise zu. Am 25.: Alles Nöthige zusammen gepackt.
Am 26. August, es ist ein Freitag, ein Wolkiger regenloser Tag, wie das Tagebuch vermerkt, verläßt er die thüringische Residenzstadt.
Goethe ist einundachtzig Jahre alt. Reisen ist für ihn keineswegs mehr das Gewohnte. Im Gegenteil.
In den zurückliegenden Jahren hat der lebenslang reisehungrige, wanderbegierige Goethe – Reisen ein unabdingbarer Teil seiner Kreativität – dieser ihm so vertrauten und geliebten Existenzform fast völlig entsagt.
Das Jahr 1823 bringt den Einschnitt. Es bedeutet das Ende der großen Reisen. Die über Jahrzehnte beibehaltene Gewohnheit der langen Sommeraufenthalte in den böhmischen Bädern wird jäh aufgegeben. In diesem Sommer 1823, Goethe ist nach dem Tod seiner Frau Christiane seit sieben Jahren Witwer, versucht er sein Leben neu zu gestalten, eine junge Frau an seine Seite zu nehmen. Der Plan scheitert. Er verläßt Böhmen. Kehrt nie wieder dorthin zurück.
Ist es die in Marienbad und Karlsbad erfahrene Zurückweisung seiner Liebe durch die junge Ulrike von Levetzow, die ihn zu dieser Entsagung drängt? Ist es sein Alter, das ihm durch diese Zurückweisung bewußt wird? Er geht auf das fünfundsiebzigste Jahr zu.
Von da an gehören die Zeiten seiner Reisen der Vergangenheit an.
Nach 1823 verläßt Goethe Thüringen nicht mehr.
Er wird ein Seßhafter, spricht von sich als Sedentarier. Seine Weimarer Häuser und Gärten am Frauenplan und in den Ilmwiesen werden der Raum seiner Welt. Seine Arbeitsstube, im hinteren Teil des Stadthauses zum Garten und zur Ackerwand hin gelegen, nennt Goethe seine Klause, seine Klosterzelle; sich selbst einen Einsiedler, einen Eremiten.
Der Rückzug in die thüringische Residenzstadt.
Auch ihr kehrt er in all den Jahren, abgesehen von Ausfahrten in die Umgebung und kurzen Aufenthalten in Jena, nur noch ein einziges Mal den Rücken. Im Sommer 1828, als der Herzog stirbt. Der Mann, der ihn vor über einem halben Jahrhundert nach Weimar geholt hat, mit dem ihn eine an Höhen und Tiefen reiche Arbeits- und Lebenspartnerschaft verbindet. Am Tag, als der Leichnam des Herzogs in Weimar feierlich aufgebahrt wird (Solenne Ausstellung der fürstlichen Leiche auf dem Paradebette in der Schloßkirche, notiert Riemer), die Beerdigungszeremonien beginnen, zieht Goethe sich auf die Dornburger Schlösser zurück. Die Paraden im Tode sind nicht das, was ich liebe. Er verläßt die Stadt, ohne Abschied von der sterblichen Hülle des Freundes zu nehmen. Eine Reise wider Willen; Flucht vor dem Tod.
Nun, im August 1831, eine erneute Reise.
Aber diesmal ist es keine Flucht, sondern ein heiterer, freier Reiseentschluß. Wie es scheint, ist diese Reise lange im Kopf geplant, ist Belohnung für ein zeitlich festgelegtes und erreichtes Arbeitsziel.
26. August. In zwei Tagen wird sein 82. Geburtstag sein.
... faßt ich den festen Vorsatz, es müsse vor meinem Geburtstag geschehen, schreibt er dem Altersfreund Carl Friedrich Zelter. Und an Carl Friedrich von Reinhard: ich bestimmte fest in mir: es müsse vor meinem Geburtstag geschehen seyn.
Um was geht es?
Um seinen »Faust«, das Werk, das ihn sein ganzes Leben lang in Atem hält.
Für dessen Vollendung hat er sich ultimativ einen Termin gesetzt: den 28. August 1831.
Es sei, äußert er, keine Kleinigkeit, das, was man im zwanzigsten Jahre concipirt hat, im 82. außer sich darzustellen und ein solches inneres lebendiges Knochengeripp mit Sehnen, Fleisch und Oberhaut zu bekleiden, auch wohl dem fertig Hingestellten noch einige Mantelfalten umzuschlagen, damit alles zusammen ein offenbares Räthsel bleibe, die Menschen fort und fort ergetze und ihnen zu schaffen mache.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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