Goldene Hochzeit und Das Gelübde - Theodor Fontane - E-Book

Goldene Hochzeit und Das Gelübde E-Book

Theodor Fontane

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Beschreibung

Sie erhalten zwei Kurzromane in einem Paket. Goldene Hochzeit ist einer der schönsten Texte aus Fontanes Werk. Das Gelübde gehört zu den absoluten Klassikern aus dem Werk von E. T. A. Hoffmann. Auszug: Am Michaelistage, eben als bei den Karmelitern die Abendhora eingeläutet wurde, fuhr ein mit vier Postpferden bespannter stattlicher Reisewagen, donnernd und rasselnd durch die Gassen des kleinen polnischen Grenzstädtchens L., und hielt endlich still vor der Haustür des alten teutschen Bürgermeisters. Neugierig steckten die Kinder die Köpfe zum Fenster heraus, aber die Hausfrau stand auf von ihrem Sitze und rief, indem sie ganz unmutig ihr Nähzeug auf den Tisch warf, dem Alten, der aus dem Nebenzimmer schnell eintrat, entgegen: »Schon wieder Fremde, die unser stilles Haus für eine Gastwirtschaft halten, das kommt aber von dem Wahrzeichen her. Warum hast du auch die steinerne Taube über der Tür aufs neue vergolden lassen?«

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Goldene Hochzeit und Das Gelübde

Goldene Hochzeit (Theodor Fontane)Das Gelübde (E. T. A. Hoffmann)AnmerkungenImpressum

Goldene Hochzeit (Theodor Fontane)

Sie hießen Großvater und Großmutter; jedes Kind im Dorfe kannte sie. Sie hatten selbst einst Kinder gehabt, zwei Söhne; aber das war lange her. Der eine starb jung, der andre war im Felde geblieben; nun war das Dorf ihr Kind und morgen war goldene Hochzeit.

Sie bewohnten ein Häuschen, das ihnen die Gutsherrschaft geschenkt hatte. Jeder im Dorfe gab ihnen nach seiner Kraft; aber sie verdienten auch dazu. Großvater war Zimmermann gewesen und war es noch. Wenn der Sommer kam, nahm er Axt und Säge über die Schulter und ging »scharwerken«, wie er's nannte. Was er darunter verstand, war nur aus seiner Arbeit abzusehen. Er flickte Treppen und Scheuntore, machte Schwellen und Leitersprossen, und so alt er war, 's ging ihm flink genug von der Hand. Im Winter saß er hinterm Ofen und spaltete Schindelholz; Großmutters Spinnrad surrte ihm dann zur Seite und ein Rotkehlchen, das sich ihnen aus freien Stücken zugesellt hatte, zwitscherte leis aus seinem Bauer herab. Es hätte lauter singen können, ohne zu stören, denn die beiden Alten waren halbtaub und nur untereinander verstanden sie jedes Wort.

Sie wohnten jetzt zehn Jahre in ihrem Häuschen. Damals hatte der Gutsherr gesagt: »Großvater, bau' ein Haus, so und so.« Der Alte war ans Werk gegangen (denn er war noch rüstig damals) und sieh da, in zwölf Wochen hatte er's hergerichtet, das ganze Haus: eine Stube, ein Flur, eine Küche und ein rotes lachendes Dach drüberhin. Als er fertig war, war auch der Gutsherr schon zur Stelle und sagte: »nun bleib nur gleich hier, Du hast es für Dich gebaut.« Der Alte wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte; zuletzt tat er beides. Und wie die Freude nie allein kommt, so auch hier. Das ganze Dorf, das nicht Zurückbleiben wollte hinter der Herrschaft, hatte sich aufgemacht wie zur Kirmes und eh noch der Alte sein neues Besitztum dreimal umschritten und die Wirklichkeit seines selbstgebauten Hauses mit Händen gefühlt hatte, da kam es schon die Dorfgasse herauf, in langem Zuge Männer und Frauen, jeder mit einem Stück in die Wirtschaft und alle mit lachenden Gesichtern. Der Kupferschmied, der den Zug eröffnete, brachte einen Kessel und schlug ihn wie eine Pauke. Das war zuviel für Großmutter; sie vergaß fast das Haus über den Kessel, und wäre sie hundert Jahr alt geworden, diesen Tag hätte sie nicht vergessen.

Seitdem waren zehn Jahre vergangen, still, geräuschlos, zufrieden. Sie forderten nichts vom Leben, drum hatten sie Alles. In der Küche, jahrein, jahraus, brodelte im braunen Topf ein brauner Trank, den nannten sie »Kaffee« und Großmutter lebte davon. Der Alte blies Wolken aus seiner kurzen tönernen Pfeife und wenn man ihn fragte: Großvater, wie geht's? so antwortete er: 't geiht jo, ick hev min Pip Toback.

Nun war Pfingsten. Die Sonne ging festlich auf und blickte in das Zimmer der alten Leute. Die schliefen noch und selbst das Rotkehlchen saß geduckt in einer Ecke des Bauers. Aber die Wände trugen schon ihr pfingstlich Kleid und der Schatten der grünen Maienblätter tanzte auf Diele und Decke umher. Am Fenster stand ein fichtner, blankgescheuerter Tisch und in der Mitte desselben lag eine aufgeschlagene Bibel. Der Goldrand an Schnitt und Ecken war abgegriffen; man sah, es war eine Bibel zum Lesen.

Nach einer halben Stunde sah die Sonne wieder nach; da waren die alten Leute auf und schon fertig zum Kirchgang. Großvater trug seinen langen blauen Rock mit dem Stehkragen und den großen, seidebesponnenen Knöpfen. Die Schöße gingen bis nahe an die Knöchel und man sah wenig von den samtnen Kniehosen und schwarzen Seidenstrümpfen, Überbleibseln aus einer längst vergangenen Zeit. Er stand jetzt am Fenster, daran ein kleiner mit rotem Papier umklebter Spiegel hing und sein spärliches, schneeweißes Haar nach hinten streichend, versuchte er mit einem Kamm es festzustecken. Dabei zitterte der alte Mann und es war doch Pfingsten.

Großmutter war in der Küche beschäftigt und durch die halbgeöffnete Tür klang von Zeit zu Zeit das Knallen und Knistern eines lustigen Feuers. Sie stand am Herd, geputzt, aber gebückt; – eine hübsche alte Frau. Der schwarze, großgeblümte Wollenrock, darauf sich das saubere Brusttuch noch weißer abhob als es war, ließ ihr gut und der schmale Streifen grauen Haares, der glattgescheitelt unter der Seidenmütze hervorsah, gab ihr ein freundliches und ehrwürdiges Ansehen. Sie lächelte; war es die Freude an diesem Tag, oder war es mehr?

Sie trat jetzt wieder in die Stube zurück und den Alten leise auf die Schulter klopfend, sagte sie: drink, Vader, et is Pingsten-Koffee un en Ehren-Koffee darto.

Der Alte nahm und trank; aber ihn fröstelte nach wie vor, und auf die Sonne zeigend, die immer heller ins Zimmer schien, sagte er: kumm in de Sünn, Olling, mi freert.

Er legte seinen Zeigefinger in die aufgeschlagene Bibelstelle, klappte das Buch zu und ging in den Hof. Großmutter folgte ihm auf den Fuß. Der Hof war ein eingezäuntes Viereck, aber so klein, daß ein Kastanienbaum, der in der Mitte stand, mit seinen Zweigen den ganzen Fleck überdachte. Um den Stamm des Baumes herum zog sich eine Rasenbank, die blitzte jetzt von Tautropfen.

Der Alte wollte sich setzen. Töf 'n beten – rief ihm die Alte zu:

Morgendau un Morgenrod Laten wol fien un hebben den Dod;

aber der Alte saß schon und sie setzte sich zu ihm.

Der Himmel war tiefblau und lachte. Kiek Olling – fuhr die Alte fort – de Häwen (Himmel) is so apen, as wull he seggen: kamt in, Kinner.

Der Alte schwieg; er schien nicht gehört zu haben, was sie sagte. Auf den Zweigen über ihnen hüpften die Vögel hin und her und gestreift vom Flügel des einen oder andern, fiel von Zeit zu Zeit ein Blütenblatt auf den Schoß der alten Leute. Sie achteten es nicht, und aufatmend in der warmen Juniluft, starrten sie durch den offnen Lattenzaun in ein unabsehbares Saatfeld hinein, dessen Halme kaum sich neigten, so stille war die Luft. Durch das Grün der Saat lief hier und da in breiten Streifen ein gelbes Rapsfeld und würzte Nähe und Ferne mit seinem Duft.

Großvater schlug die Bibel auf und sagte: we will'n wat lesen und wat recht schön's darto; nich all Sündag is Pingsten un nich all Pingsten is goldne Hochtit.

Er las und sie hörte, was beide auswendig wußten. Eh er noch geendet hatte, da war es plötzlich, als käme ein Luftzug, ein langsam-feierliches Wehen über die Felder her und die Hahne tief niederbeugend, fuhr es jetzt mit lautem Geräusch durch den Wipfel des Baumes. Die Vögel fuhren erschreckt in die Luft; es war, als sei ein Sperber unter sie gefahren. Dann wiederum war alles still.

Eine Stunde verging; fröhliche Pfingstglocken riefen zur Kirche; da kam es singend und scherzend die Dorfgasse herauf; der Gutsherr und der Prediger voran und Mädchen und Knaben mit Kränzen und Blumen hinterdrein. Sie traten in das Haus und endlich in den Hof. Des Gutsherrn Tochter, ein Blondkopf mit langen Flechten, küßte die schmalen Lippen der alten Frau, – sie waren kalt; der Prediger ergriff die Hand des Alten – sie war kalt. »Wir kommen zu spät – wandte er sich an die Umstehenden – sie sind getraut für immer.« Dann nahm er die Bibel und den Spruch erblickend, darauf die Hand des Alten geruht hatte, las er mit bewegter Stimme: Du bist ein frommer und getreuer Knecht gewesen, gehe ein zu Deines Herren Freude.

Geschwisterliebe I

Wenige Jahre waren seit dem großen Brande vergangen, welcher eine der ältesten Städte der Mark Brandenburg in Schutt und Asche legte; allgemach erhob sie sich wieder gar zierlich und nett aus ihren Trümmern, und wie noch vor Kurzem die grauen, mittelalterlichen Giebelhäuser, als die toten Überreste einer schöneren Zeit, Achtung und Ehrfurcht eingeflößt hatten, so machten jetzt die stattlichen Gebäude mit ihren hellen, heiteren Farben den freundlichsten Eindruck auf den Fremden.

Nur einen kleinen Teil der Stadt, und zwar denjenigen, welcher der kreisförmigen Mauer zunächst gelegen war, hatten die Alles verzehrenden Flammen verschont. Hier standen nur Fischerhütten, die sich durch ihr klägliches Äußere stets unvorteilhaft ausgezeichnet hatten und jetzt nun gar, wo die größeren Straßen so sauber und prächtig erschienen, wurde der Unterschied so fühlbar, daß selbst ein letzter Rest der feinen Spießbürgerwelt das verpönte Revier verließ, um seinen Aufenthalt mehr im Mittelpunkt der Stadt zu wählen. Nur Wenige wagten es, gegen den Strom zu schwimmen und blieben in den alten Quartieren, wo sie und ihre Väter glücklich gewesen waren. Zwar sanken diese Märtyrer ihrer vernunftgemäßen Ansichten in der Gunst und Achtung der eitlen, prunksüchtigen Kleinstädter; – der Schnittwarenhändler und erste Senator lüftete kaum den Hut, wenn er dem Einen oder dem Andern jener plebejischen Mitbürger begegnete und ganz unmöglich in ein nahe gelegenes Haus entschlüpfen konnte, und ging gar der Herr Kämmerer, ein ehemaliger Apotheker, mit seinen schnippischen Töchtern durch die unanständige Vorstadt, so drückte er den Filz, fast so spitz wie seine gedrehten Düten, in das noch spitzere Gesicht, das in dem Adler vor der Apotheke auf das Prächtigste konterfeit war. Auch sprach er dann gar eifrig und anhaltend mit den beiden rotköpfigen Töchtern, die wie verschämt zu Boden blickten, und das Alles geschah nur um das hübsche Clärchen nicht grüßen zu müssen, die ohnweit des Seetores gemeinhin am Fenster ihres zwar alten, doch freundlichen Wohnhauses saß mit weiblichen Handarbeiten, oder beim Lesen einzelner Lieblingsschriftsteller fleißig beschäftigt; – denn ein so liebes, gutes Mädchen das anspruchslose Clärchen war, – sie wohnte ja in der Vorstadt, Grund genug, sich ihrer zu schämen.

Jenes Haus, großenteils aus Fachwerk bestehend, zeigte über seiner Tür die frommen Worte: »Gott mit uns!« und wahrlich es gab wohl kein Gebäude in der großen Stadt, das in Bezug auf seine Bewohner diese Inschrift mehr verdient hätte. So groß und umfangreich es auch war, wurde es dennoch nur von zwei Personen bewohnt, von Clärchen und ihrem blinden Bruder Rudolph, der nie das Licht der Welt erblickt hatte.

Ihre Eltern waren vor einigen Jahren gestorben. Der Vater, vormals ein wohlhabender Kaufmann, hatte nach und nach durch schlechte Spekulationen viel von seinem Reichtum eingebüßt, so daß, als er seiner vor Gram dahin geschiedenen Gattin folgte, dem blinden Sohne die schutzbedürftige Tochter, oder richtiger dieser letztem ein blinder Bruder fast als die einzige Hinterlassenschaft anheimgefallen war. Auch das ziemlich wertlose Haus und ein kleiner Rest des einst bedeutenden Vermögens war ihnen geblieben, nur eben hinreichend, um sie der Gnade ihrer Mitmenschen nicht bedürftig zu machen.

Soweit es das unglückliche Schicksal Rudolphs zuließ, lebten die Geschwister in ungetrübter Heiterkeit. Trotz der strengsten, fast klösterlichen Abgeschiedenheit von der übrigen Welt erfüllte die Herzen Beider nimmer jene entsetzliche Leere, welche die Unzufriedenheit stets bedingt. Sie genügten sich in ihrer gegenseitigen Liebe und verschmähten den Umgang mit der Außenwelt, da sie wohl empfanden, wie ein wahrhaftes Glück nur in der eignen Brust zu finden ist. Sie hatten es in sich selbst gesucht, – sie hatten es gefunden und reich an stillen Freuden schwanden Beiden die Tage dahin.

Rudolphs Leben war nur ein halbes; auf die schönsten und größten Genüsse, die der Mensch zu empfinden vermag, mußte er verzichten und wenn er sich von Zeit zu Zeit seines entsetzlichen Unglücks bewußt wurde, wenn er fühlte welch einen unersetzlichen Schatz die Vorsehung ihm verweigert hatte; – da bemächtigte sich seiner jene Bitterkeit, wie sie sich an allen den Beklagenswerten bemerklich zu machen pflegt, die, von einer höhern Hand schrecklich gezeichnet, das Mitleid Weniger auf sich ziehn, aber last immer das Ziel eines empörenden Spottes für diejenigen sind, welchen der Himmel schönere geistige Eigenschaften versagte, die er blind für die Leiden und taub für die Klagen ihrer unglücklichen Mitmenschen erschuf. Seine Harfe und noch mehr sein Clärchen gewährten ihm in solchen trüben Augenblicken, wo es auch in seiner Seele Nacht wurde, den einzigen Trost. Er griff, von wildem Schmerze gefoltert, wild in die Saiten, Disharmonieren entlockte er ihnen, um zu ermessen, ob irgend ein Ton der Erde unharmonischer zu klingen vermöchte, wie eine Saite in seinem Herzen, auf der die Schmerzen gar schaurige Weisen spielten, an der sie zerrten und rissen, ohne sie je zerreißen zu können. Endlich wich dann der wütende Schmerz einer stillen, mildtätigen Wehmut, aus dem ewig geschlossenen Auge drangen die großen Tränen hervor, leiser und immer leiser berührte er die Saiten seiner Harfe, bis endlich ein melancholisches Lied aus ihr ertönte und den wilden Kampf im Herzen des Unglücklichen vollends in einen heiligen Frieden verwandelte.