Gore - Alfred Bäurle - E-Book

Gore E-Book

Alfred Bäurle

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Handlung ist eingebunden in die Zeit der geschichtlichen Ereignisse der spanischen und österreichischen Erbfolgekriege. Das Schicksal der Hauptperson Gore und anderer Akteure ist frei erfunden. Namensgleichheiten mit lebenden Personen sind also rein zufällig. Es ist zu Recht verboten, zu rauben, zu morden und Hab und Gut zu vernichten. Geschieht dies aber im großen Stil wird Gewalt zur Pflicht erhoben. Fremdes Verbrechen nennt man Tyrannei, eigene Schandtaten Verteidigung. Dies aufzuzeigen ist das Anliegen der Novelle. Die geschichtlichen Daten und Namen sind dem Internet und einschlägiger Literatur geschuldet. Die Information über den Eulenhof bei Laub sind dem 35. Jahrbuch 2017 des historischen Vereins für Nördlingen und das Ries entnommen. Es nicht die Absicht des Autors, bestimmte Institutionen oder Personen pauschal zu verurteilen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 86

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Nach der Schlacht

Die Flucht

Als Bänkelsänger in Miltenberg

Besuch des Klosters in Amorbach

Der Weg in das Ries

Die Jahre auf dem Eulenhof

Nachwort

Vorwort

Die Handlung ist eingebunden in die Zeit der spanischen und österreichischen Erbfolgekriege.

Das Schicksal der Hauptperson Gore und weiterer Akteure ist frei erfunden.

Namensgleichheiten mit lebenden Personen sind also rein zufällig.

Es ist zu Recht verboten, zu rauben, zu morden und Hab und Gut von Mitmenschen zu vernichten. Geschieht dies aber im großen Stil, wird Gewalt von den Herrschenden zur Pflicht erhoben. Fremdes Unrecht nennt man dann Terror und Verbrechen, eigene Schandtaten dagegen Kollateralschäden und Verteidigung.

Die Sinnlosigkeit von Kriegen und das Hegonomiestreben von Herrschenden und Staaten aufzuzeigen, ist das Anliegen der Novelle.

Die geschichtlichen Daten und Namen sind dem Internet und einschlägiger Literatur geschuldet.

Die Information über den Eulenhof bei Laub sind dem 35. Jahrbuch 2017 des historischen Vereins für Nördlingen und das Ries entnommen.

Nach der Schlacht

„Sinnlos, sinnlos, das ist alles sinnlos!“

Gore schreit es immer wieder in die Nacht hinein.

Kalt und gefühllos schüttet der Mond sein fahles Licht durch die dünne Wolkendecke. Es scheint, als wollten die bleichen Schleier am Himmel die Toten, die tausendfach blutüberströmt herumliegen, bedecken.

Die Schlacht ist geschlagen,

die Erbstreitigkeiten der Adelshäuser aber sind noch nicht zu Ende. Über Dettingen hängen immer noch die Rauchwolken der Kanonen und Geschütze. Zahllose Raben fliegen über dem Feld der Ehre, krächzen über den Leichen, setzen sich auf die leblosen Leiber und hacken mit ihren kräftigen Schnäbeln in die offenen Wunden.

Mitternacht, ein neuer Tag beginnt. Wird er genau so grausam, so unerbittlich, so rabiat und gnadenlos sein wie der 27. Juni 1743?

Die Gefallenen müssen begraben werden. Gore ahnt, was am frühen Morgen zu seinen Aufgaben gehören wird.

Schon beim Morgengrauen kommt der Befehl, zusammen mit hundert Kameraden einen langen Graben auszuheben. Mit Pickel und Spaten macht er sich, gemeinsam mit den ausgemergelten Soldaten, an die Arbeit.

Junge Männer liegen mit verrenkten Gliedern, blutüberströmten Gesichtern, wirren Haaren zuhauf vor ihnen. Gore fasst zusammen mit einem Kameraden die leblosen Körper, er selbst an den Armen und sein Helfer an den Beinen. Sie tragen die Erschlagenen zum Graben und werfen sie hinein. Stunde um Stunde. Fluchend und stöhnend verrichten sie ihre Arbeit.

Schwer atmend bleiben beide einige Augenblicke stehen.

Sie starren auf den Körper eines Gefallenen.

„Der lebt noch, hast du es nicht gesehen Gore?“ Gleichzeitig beugen sie sich über den Mann.

Aus den Augen des Sterbenden flackert schreckliche Wut. Blutgerinsel hängt an seinen Lippen. Er versucht noch etwas sagen, aber es ist nur noch ein schwaches Röcheln.

„Go---Go---re, Gore, Go---re“ der Kopf des Mannes fällt nach vorn. Die Augen werden plötzlich starr und das Leuchten in den Pupillen erlischt.

O Gott, es ist Boleslaw, stöhnt Gore, als er den Verstorbenen zurück auf die Erde legt.

Boleslaw stammt aus Böhmen. Seit mehreren Jahren kämpfen und feiern sie Seite an Seite.

Immer einer der Beschützer des anderen.

Gore kennt das Schicksal des Böhmen, der seinen Vater nie kennengelernt hat. Die Mutter ist eine einfache Dienstmagd gewesen. In jungen Jahren auffallend schön, schlank und mit allen Attributen einer erwachsenen Frau ausgestattet.

Dies ist natürlich einem österreichischen Herzog nicht verborgen geblieben, in dessen Hofstaat sie als Magd diente.

Des Herzogs Gattin soll eine herrschsüchtige, bigotte, hochnäsige Fürstentochter gewesen sein.

Bekannt ist ihr Spruch geworden: „Der Mensch beginnt beim Adel, alles andere ist Dreck.“

Den erotischen Begierden ihres Mannes ist sie nie gerecht geworden. Als der Herzog an einem warmen Sommerabend am Ziehbrunnen vorbeikam, sah er die junge Frau, die gerade mit einem Ledereimer Wasser schöpfte.

Die Gelegenheit schien ihm günstig. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen.

Ohne Umschweife fasste er dem Mädchen an die prallen Brüste, während er mit der anderen Hand unter ihren Rock griff und zwischen den Oberschenkeln hinaufgleiten ließ.

Die junge Frau wehrte die lüsternen Aktionen ihres Dienstherrn energisch ab. Aber es nutzte ihr nichts. Brutal warf sie der Herzog zu Boden, riss ihr die Kleider vom Leib und verging sich an ihr.

Keuchend stand er wieder auf, schloss seinen Hosenlatz, lachte höhnisch und ging seines Weges.

Die brutale Vergewaltigung ist nicht ohne Folgen geblieben. Als der Herzog davon erfuhr, erfand er einen fadenscheinigen Grund und jagte die schwangere Frau davon.

„Ich dulde in meinem Haus keine Dirnen und Schlampen“ schrie er ihr noch nach. Dies wohl nur deshalb, weil seine Frau danebenstand.

Neun Monate später erblickte Boleslaw das Licht der Welt.

Welches Licht gibt es für einen Bastard?

Welches Glück, welche Zukunft für eine geschändete Frau?

Bei einer Gruppe von Zigeunern, jenen verachteten Menschen, fanden sie Unterschlupf.

Dort ist Boleslaw aufgewachsen. Hier lernte er die Kunst des Überlebens, die schwermütigen Lieder, den Umgang mit der Leier und wie man die Nächte in freier Natur verbringt.

Wenngleich er ein lernbegieriger Junge war, fand er keinen Ausbildungsplatz.

Einem Bastard ist der Makel, wie ein Kainsmal, unsichtbar auf die Stirn gebrannt.

Warum man ihm die Schandtat seines Vaters zur Last legte, hat er nie begriffen. Er hat seinen Erzeuger nie gesehen. Seine Mutter ist, noch jung an Jahren, an Schwindsucht verstorben.

Er begann mit Gott, der Kirche und noch mehr mit ihren Würdenträgern zu hadern.

So trat er in den Dienst der Habsburger Österreichs.

Soldaten wurden immer gebraucht. Dafür sorgten die Machtgelüste und Erbstreitigkeiten der Adligen. Im Kriegslager haben Gore und Boleslaw sich kennengelernt und sind zu unzertrennlichen Freunden geworden.

Aber nun liegt er tot in seinen Armen.

Werden die Geschichtsbücher sein bitteres Los erzählen? Wird der Name Boleslaw in den Annalen verzeichnet sein?

Lähmende Trauer erfasst Gores Gemüt.

Instinktiv macht er das Kreuzzeichen auf die Stirn des Freundes. Die Lippen murmeln irgendein Gebet.

Gore ist nicht bewusst, warum er so handelt.

Er bemerkt die dünne Kette um den Hals des Freundes. Das verschlossene Amulett hängt an dem schlichten Gliederband. Er öffnet das Medaillon. Ein primitiv eingeritztes Herz und das Wort „Mom“, das vielleicht Mutter oder Mama bedeutet, sind zu sehen. Er nimmt seinem toten Freund die Kette vom Hals und steckt sie mit dem Amulett ein.

Sein ganzes Leben lang, so schwört er im Stillen, soll es ihn an Boleslaw erinnern.

Zusammen mit seinem Kameraden tragen sie den Toten zum Massengrab. Sie werfen ihn aber nicht hinein. Behutsam legen sie ihn auf die Körper, die schon im Graben liegen.

Während die Männer die letzten Erschlagenen in die Grube werfen, beginnen die anderen, den Graben mit Erde zu füllen.

Die Arbeit ist getan. Die Leichen sind der Erde übergeben. Mit schweren Schritten gehen die Männer in ihr Lager zurück.

Gore verharrt noch gedankenverloren an seine Schaufel gelehnt.

Tausend Fragen zermartern gleichzeitig sein Gehirn. Wie Nadelstiche bohren unzählige Gedanken unter seinen Schläfen.

„Warum mache ich das, was ich tue?

Wer gibt mir den Auftrag, Menschen zu töten, die ich nicht kenne und denen ich niemals zuvor begegnet bin?

Auch um diese Toten werden irgendwo Mütter, Väter, Geschwister oder junge Frauen weinen.

„Du sollst nicht töten“, so hat er vor vielen Jahren im Religionsunterricht gelernt.

„Warum tue ich es trotzdem?

Wem muss ich in meinem Leben gehorchen?

Den Generälen, den Herzögen, den Fürsten, Adligen, Pfarrern, Kardinälen, den Edlen?

Wem!, wem!, wem und warum?“

„Echter Adel wächst aus dem Gemüt, nicht aus dem Geblüt“, philosophiert er vor sich hin.

Wie Donnerschläge zermartern alle diese Gedanken sein Gehirn.

„Bin ich nicht ein freier Mann, allein meinem eigenen Gewissen verantwortlich?“

Irgendwann wird ein genialer Kunstschaffender, ein Komponist oder Musiker, den glorreichen Sieg der Einen mit einer grandiosen Hymne verewigen.

Ein Te Deum über den Sieg! Großer Gott wir loben dich werden sie dann voll Inbrunst singen.

Aber der große Gott wird weinen über die Schandtaten seiner Geschöpfe.

Die Toten werden in einer solchen Huldigung nicht vorkommen.

„Gore! Gore!

Kehr um, folge deiner inneren Stimme!

Höre auf dein Herz!“

Vieles erschließt sich dem Verstand nicht!

Er weiß nicht woher diese Worte in seine Ohren dringen, aber er vernimmt sie immer deutlicher.

„Ich werde mein Leben ändern.

Nicht irgendwann.

Nicht ab morgen

Nein jetzt, in diesem Augenblick.“

Als er wieder in die Wirklichkeit zurückkehrt, bemerkt er, dass er ganz allein neben den Massengräbern steht.

Jetzt, in diesem Augenblick, muss er diesem Teufelskreis entrinnen.

Er sieht die Lagerfeuer seiner Kameraden, dreht sich abrupt um und läuft ohne einen Plan oder ein Ziel vor Augen einfach weg.

Gore hat dem Tod oft in die kalten Augen gesehen.

Er fürchtet den drohenden Galgen nicht.

Die Flucht

Es dauert nicht lange, bis die Oberen bemerken, dass der Soldat Gore nicht vom Massenbegräbnis zurückgekehrt ist.

Der Kommandant läßt die Begräbnisgruppe antreten. Aber keiner kann berichten, wo ihr Kamerad abgeblieben ist.

„Wenn er getürmt ist wird dieser Feigling am Galgen hängen bevor die Sonne untergeht“, brüllt er die stramm stehenden Soldaten an. „Ich muss ihn haben, diesen fahnenflüchtigen Lumpen, tot oder lebendig. Kommt mir nicht ohne ihn zurück“, so schreit er mit sich überschlagender Stimme.

Umgehend wird begonnen, den Deserteur zu suchen. Eine Hundertschaft durchstreift die Umgebung.

Gore läuft hinunter zum Ufer des Mains.

Dann, so sein Plan, wird er den Fluss durchschwimmen, irgendwo zivile Kleider organisieren und danach Richtung Odenwald weiterlaufen. „In den Wäldern kann ich mich besser verstecken“, murmelt er leise vor sich hin.

Er gönnt sich keine Minute, um zu verschnaufen, äugt unentwegt in alle Richtungen, um lauernde Gefahren zu erkennen. Schon sieht er den Fluss dessen Fluten silbrig glänzend dem Rhein entgegenfließen.

Hohe Schilfrohre wachsen am Ufer, Kalmus ragt aus dem Wasser. Er kennt die heilende Wirkung der Kalmuswurzeln, die ihm schon öfters bei Magenbeschwerden geholfen haben. Auch die essaren „Würstchen“, die von den Blättern nahezu ganz eingeschlossen zu finden sind. Gore reißt einige davon ab und ißt sie rasch auf.

Stimmengewirr schreckt ihn auf.

Er lugt aus seinem Schilfversteck hervor und erschrickt, als er eine Schar Soldaten auf sich zukommen sieht. In das Wasser springen, um an das andere Ufer schwimmen, dazu war es zu spät. Im Wasser würden sie ihn schnell entdecken. Es waren so viele, und sie würden ihn jagen, wie eine Meute kläffender Hunde.

Fieberhaft arbeitet sein Gehirn. Als Junge hat er oft mit seinen Freunden Tauchübungen gemacht und gewettet wer am längsten unter Wasser bleiben kann. Er fischt sein Messer aus der zerschlissenen Hosentasche, schneidet leise ein dickes Schilfrohr zurecht, nimmt ein Rohrende in den Mund und lässt sich langsam in das Wasser gleiten.