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Die Schrift "Grundlegendes zur Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen" bildet die Grundlage für die anthroposophische Medizin, Heilkunst und Heilmittelherstellung, die beispielsweise heute von Weleda und Wala hergestellt werden. Behandelt werden unter anderem Aufbau und Funktionszusammenhänge des menschlichen Körpers, therapeutische Denkweise, charakteristische Krankheitsbilder und Heilverfahren.
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Seitenzahl: 141
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LUNATA
Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen
© 1925 by Rudolf Steiner & Its Wegmann
© 2020 Lunata Berlin
I. Wahre Menschenwesen-Erkenntnis als Grundlage medizinischer Kunst
II. Warum erkrankt der Mensch?
III. Die Erscheinungen des Lebens
IV. Von dem Wesen des empfindenden Organismus
V. Pflanze, Tier, Mensch
VI. Blut und Nerv
VII. Das Wesen der Heilwirkungen
VIII. Tätigkeiten im menschlichen Organismus. Diabetes mellitus
IX. Die Rolle des Eiweißes im Menschenkörper und die Albuminurie
X. Die Rolle des Fettes im menschlichen Organismus und die trügerischen lokalen Symptomenkomplexe
XI. Die Gestaltung des menschlichen Körpers und die Gicht
XII. Aufbau und Absonderung des menschlichen Organismus
XIII. Vom Wesen des Krankseins und der Heilung
XIV. Von der therapeutischen Denkweise
XV. Das Heilverfahren
XVI. Heilmittel-Erkenntnis
XVII. Substanz-Erkenntnis als Grundlage der Heilmittel-Erkenntnis
XVIII. Heil-Eurythmie
XIX. Charakteristische Krankheitsfälle
XX. Typische Heilmittel
Nachwort
In dieser Schrift wird auf neue Möglichkeiten für das ärztliche Wissen und Können hingewiesen. Richtig beurteilen wird man das Vorgebrachte nur, wenn man sich auf die Gesichtspunkte einlassen kann, die leitend waren, als die medizinischen Anschauungen zustande kamen, von denen hier gesprochen wird.
Nicht um eine Opposition gegen die mit den anerkannten wissenschaftlichen Methoden der Gegenwart arbeitende Medizin handelt es sich. Diese wird von uns in ihren Prinzipien voll anerkannt. Und wir haben die Meinung, dass das von uns Gegebene nur derjenige in der ärztlichen Kunst verwenden soll, der im Sinne dieser Prinzipien vollgültig Arzt sein kann.
Allein wir fügen zu dem, was man mit den heute anerkannten wissenschaftlichen Methoden über den Menschen wissen kann, noch weitere Erkenntnisse hinzu, die durch andere Methoden gefunden werden, und sehen uns daher gezwungen, aus dieser erweiterten Welt- und Menschenerkenntnis auch für eine Erweiterung der ärztlichen Kunst zu arbeiten.
Eine Einwendung der anerkannten Medizin kann im Grunde gegen das, was wir vorbringen, nicht gemacht werden, da wir diese nicht verneinen. Nur derjenige, der nicht nur verlangt, man müsse sein Wissen bejahen, sondern der dazu noch den Anspruch erhebt, man dürfe keine Erkenntnis vorbringen, die über die seinige hinausgeht, kann unseren Versuch von vornherein ablehnen.
Die Erweiterung der Welt- und Menschenerkenntnis sehen wir in der von Rudolf Steiner begründeten Anthroposophie. Sie fügt zu der Erkenntnis des physischen des Menschen, die allein durch die naturwissenschaftlichen Methoden der Gegenwart gewonnen werden kann, diejenige vom geistigen Menschen. Sie geht nicht durch ein bloßes Nachdenken von Erkenntnissen des Physischen zu solchen des Geistigen über. Auf diesem Wege siebt man sich doch nur vor mehr oder weniger gut gedachte Hypothesen gestellt, von denen niemand beweisen kann, dass ihnen in der Wirklichkeit etwas entspricht.
Die Anthroposophie bildet, bevor sie über das Geistige Aussagen macht, die Methoden aus, die sie berechtigen, solche Aussagen zu machen. Um einen Einblick in diese Methoden zu bekommen, bedenke man das Folgende: Alle Ergebnisse der gegenwärtig anerkannten Naturwissenschaft sind im Grunde aus den Eindrücken der menschlichen Sinne gewonnen. Denn wenn auch der Mensch im Experiment oder in der Beobachtung mit Werkzeugen das erweitert, was die Sinne ihm geben können, so kommt dadurch nichts wesentlich Neues zu den Erfahrungen über die Welt hinzu, in der der Mensch durch seine Sinne lebt.
Aber auch durch das Denken, insofern dieses bei der Erforschung der physischen Welt tätig ist, kommt nichts Neues zu dem sinnfällig Gegebenen hinzu. Das Denken kombiniert, analysiert usw. die Sinneseindrücke, um zu Gesetzen (Naturgesetzen) zu gelangen; aber es muss sich der Erforscher der Sinneswelt sagen: dieses Denken, das da aus mir hervorquillt, fügt etwas Wirkliches zu dem Wirklichen der Sinneswelt nicht hinzu. Das aber wird sogleich anders, wenn man nicht bei dem Denken stehen bleibt, zu dem es der Mensch zunächst durch Leben und Erziehung bringt. Man kann dieses Denken in sich verstärken, erkraften. Man kann einfache, leicht überschaubare Gedanken in den Mittelpunkt des Bewusstseins stellen, und dann, mit Ausschluss aller anderen Gedanken, alle Kraft der Seele auf solchen Vorstellungen halten. Wie ein Muskel erstarkt, wenn er immer wieder in der Richtung der gleichen Kraft angespannt wird, so erstarkt die seelische Kraft mit Bezug auf dasjenige Gebiet, das sonst im Denken waltet, wenn sie in der angegebenen Art Übungen macht. Man muss betonen, dass diesen Übungen einfache, leicht überschaubare Gedanken zugrunde liegen müssen. Denn die Seele darf, während sie solche Übungen macht, keinerlei Einflüssen eines halb oder ganz Unbewussten ausgesetzt sein. (Wir können hier nur das Prinzip solcher Übungen angeben; eine ausführliche Darstellung und Anleitung, wie solche Übungen im Einzelnen zu machen sind, findet man in Rudolf Steiners »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten«, in dessen »Geheimwissenschaft« und in anderen anthroposophischen Schriften.)
Es liegt nahe, den Einwand zu erheben, dass jemand, der sich so mit aller Kraft bestimmten, in den Mittelpunkt des Bewusstseins gerückten Gedanken hingibt, allerlei Autosuggestionen und dergleichen ausgesetzt ist, und dass er einfach in das Gebiet der Einbildung hineinkommt. Allein Anthroposophie zeigt zugleich, wie die Übungen verlaufen müssen, damit dieser Einwand völlig unberechtigt ist. Sie zeigt, wie man innerhalb des Bewusstseins in vollbesonnener Art während des Übens so fortschreitet wie beim Lösen eines arithmetischen oder geometrischen Problems. Wie da das Bewusstsein nirgends ins Unbewusste ausgleiten kann, so auch nicht während des angedeuteten Übens, wenn die anthroposophischen Anleitungen richtig befolgt werden.
Im Verfolge dieses Übens kommt man zu einer Verstärkung der Denkkraft, von der man vorher keine Ahnung hatte. Man fühlt die waltende Denkkraft in sich wie einen neuen Inhalt des Menschenwesens. Und zugleich mit diesem Inhalt seines eigenen Menschenwesens offenbart sich ein Weltinhalt, den man vorher vielleicht geahnt, aber nicht durch Erfahrung gekannt hat. Sieht man einmal in Augenblicken der Selbstbeobachtung auf das gewöhnliche Denken hin, so findet man die Gedanken schattenhaft, blas gegenüber den Eindrücken, die die Sinne geben.
Was man jetzt in der verstärkten Denkkraft wahrnimmt, ist durchaus nicht blas und schattenhaft; es ist vollinhaltlich, konkret-bildhaft; es ist von einer viel intensiveren Wirklichkeit als der Inhalt der Sinneseindrücke. Es geht dem Menschen eine neue Welt auf, indem er auf die angegebene Art die Kraft seiner Wahrnehmungsfähigkeit erweitert hat.
Indem der Mensch in dieser Welt wahrnehmen lernt, wie er früher nur innerhalb der sinnlichen Welt wahrnehmen konnte, wird ihm klar, dass alle Naturgesetze, die er vorher gekannt hatte, nur in der physischen Welt gelten; und dass das Wesen der Welt, die er jetzt betreten hat, darin besteht, dass ihre Gesetze andere, ja die entgegengesetzten gegenüber denen der physischen Welt sind. In dieser Welt gilt nicht das Gesetz der Anziehungskraft der Erde, sondern im Gegenteil, es tritt eine Kraft auf, die nicht von dem Mittelpunkt der Erde nach auswärts wirkt, sondern umgekehrt so, dass ihre Richtung von dem Umkreis des Weltalls her nach dem Mittelpunkt der Erde geht. Und entsprechend ist es mit den andern Kräften der physischen Welt.
In der Anthroposophie wird die durch Übung erlangte Fähigkeit des Menschen, diese Welt zu schauen, die imaginative Erkenntnis-Kraft genannt. Imaginativ nicht aus dem Grunde, weil man es mit »Einbildungen« zu tun habe, sondern weil der Inhalt des Bewusstseins nicht mit Gedankenschatten, sondern mit Bildern erfüllt ist. Und wie man sich durch die Sinneswahrnehmung im unmittelbaren Erleben in einer Wirklichkeit fühlt, so auch in der Seelentätigkeit des imaginativen Erkennens. Die Welt, auf die sich diese Erkenntnis bezieht, wird von der Anthroposophie die ätherische Welt genannt. Es handelt sich dabei nicht um den hypothetischen Äther der gegenwärtigen Physik, sondern um ein wirklich geistig Geschautes. Der Name wird im Einklang mit älteren instinktiven Ahnungen dieser Welt gegeben. Diese haben gegenüber dem, was gegenwärtig klar erkannt werden kann, keinen Erkenntniswert mehr; aber will man etwas bezeichnen, so braucht man Namen.
Innerhalb dieser Ätherwelt ist eine neben der physischen Leiblichkeit des Menschen bestehende ätherische Leiblichkeit wahrnehmbar.
Diese ätherische Leiblichkeit ist etwas, das sich ihrem Wesen nach auch in der Pflanzenwelt findet. Die Pflanzen haben ihren Ätherleib. Die physischen Gesetze gelten tatsächlich nur für die Welt des leblosen Mineralischen.
Die Pflanzenwelt ist auf der Erde dadurch möglich, dass es Substanzen im Irdischen gibt, die nicht innerhalb der physischen Gesetze beschlossen bleiben, sondern die alle physische Gesetzmäßigkeit ablegen und eine solche annehmen können, die dieser entgegengesetzt ist. Die physischen Gesetze wirken wie ausströmend von der Erde die ätherischen wirken wie von allen Seiten des Weltumfanges auf die Erde zuströmend Man begreift das Werden der Pflanzenwelt nur, wenn man in ihr das Zusammenwirken des Irdisch Physischen und des Kosmisch Ätherischen sieht. Und so ist es mit Bezug auf den Ätherleib des Menschen. Durch ihn geschieht im Menschen etwas, das nicht in der Fortsetzung des gesetzmäßigen Wirkens der Kräfte des physischen Leibes liegt, sondern das zur Grundlage hat, dass die physischen Stoffe, indem sie in das einströmen, sich zuerst ihrer physischen Kräfte entledigen.
Diese im Ätherleibe wirksamen Kräfte betätigten sich im Beginne des menschlichen Erdenlebens - am deutlichsten während der Embryonalzeit - als Gestaltungs- und Wachstumskräfte. Im Verlaufe des Erdenlebens emanzipiert sich ein Teil dieser Kräfte von der Betätigung in Gestaltung und Wachstum und wird Denkkräfte, eben jene Kräfte, die für das gewöhnliche Bewusstsein die schattenhafte Gedankenwelt hervorbringen.
Es ist von der allergrößten Bedeutung zu wissen, dass die gewöhnlichen Denkkräfte des Menschen die verfeinerten Gestaltungs- und Wachstumskräfte sind. Im Gestalten und Wachsen des menschlichen Organismus offenbart sich ein Geistiges. Denn dieses Geistige erscheint dann im Lebensverlaufe als die geistige Denkkraft.
Und diese Denkkraft ist nur ein Teil der im Ätherischen wehenden menschlichen Gestaltungs- und Wachstumskraft. Der andere Teil bleibt seiner im menschlichen Lebensbeginn innegehabten Aufgabe getreu. Nur weil der Mensch, wenn seine Gestaltung und sein Wachstum vorgerückt, das ist, bis zu einem gewissen Grade abgeschlossen sind, sich noch weiter entwickelt, kann das Ätherisch-Geistige, das im Organismus webt und lebt, im weiteren Leben als Denkkraft auftreten.
So offenbart sich der imaginativen geistigen Anschauung die bildsame (plastische) Kraft als ein Ätherisch-Geistiges von der einen Seite, das von der andern Seite als der Seelen-Inhalt des Denkens auftritt. Verfolgt man nun das Substanzielle der Erdenstoffe in die Ätherbildung hinein, so muss man sagen: diese Stoffe nehmen überall da, wo sie in diese Bildung eintreten, ein Wesen an, durch das sie sich der physischen Natur entfremden. In dieser Entfremdung treten sie in eine Welt ein, in der ihnen das Geistige entgegenkommt und sie in sein eigenes Wesen verwandelt.
So aufsteigen zu der ätherisch-lebendigen Wesenheit des Menschen, wie es hier geschildert wird, ist etwas wesentlich anderes als das unwissenschaftliche Behaupten einer »Lebenskraft«, das noch bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts üblich war, um die lebendigen Körper zu erklären. Hier handelt es sich um das wirkliche Anschauen - um das geistige Wahrnehmen - eines Wesenhaften, das im Menschen wie in allem Lebendigen ebenso vorhanden ist wie der physische Leib. Und um dieses Anschauen zu bewirken, wird nicht etwa in unbestimmter Art mit dem gewöhnlichen Denken weitergedacht; es wird auch nicht durch die Einbildungskraft eine andere Welt ersonnen; es wird vielmehr das menschliche Erkennen in ganz exakter Art erweitert, und diese Erweiterung ergibt auch die Erfahrung über eine erweiterte Welt.
Die Übungen, die ein höheres Wahrnehmen herbeiführen, können fortgesetzt werden. Man kann, wie man eine erhöhte Kraft anwendet, sich auf Gedanken, die man in den Mittelpunkt des Bewusstseins gerückt hat, zu konzentrieren, auch darauf wieder eine solch erhöhte Kraft anwenden, die erlangten Imaginationen (Bilder einer geistig-ätherischen Wirklichkeit) zu unterdrücken. Dann erlangt man den Zustand des völlig leeren Bewusstseins. Man ist bloß wach, ohne dass zunächst das Wachsein einen Inhalt hat. (Das Genauere findet man in den oben erwähnten Büchern.) Aber dieses Wachsein ohne Inhalt bleibt nicht. Das von allen physisch- und auch ätherisch-bildhaften Eindrücken leer gewordene Bewusstsein erfüllt sich mit einem Inhalt, der ihm aus einer realen geistigen Welt zuströmt, wie den physischen Sinnen die Eindrücke aus der physischen Welt zuströmen.
Man hat durch die imaginative Erkenntnis ein zweites Glied der menschlichen Wesenheit kennengelernt; man lernt durch die Erfüllung des leeren Bewusstseins mit geistigem Inhalt ein drittes Glied kennen. Die Anthroposophie nennt das Erkennen, das auf diese Art zustande kommt, dasjenige durch Inspiration. (Man soll sich durch diese Ausdrücke nicht beirren lassen; sie sind einer primitiven Zeiten angehörigen instinktiven Art, in geistige Welten zu sehen, entnommen; aber, was hier mit ihnen gemeint ist, wird ja exakt gesagt.) Und die Welt, in die man durch die Inspiration Eintritt gewinnt, bezeichnet sie als die astralische Welt. - Spricht man, wie hier auseinandergesetzt, von »ätherischer Welt«, so meint man die Wirkungen, die vom Weltumfang nach der Erde zu wirken. Spricht man aber von »astralischer Welt«, so geht man in Gemäßheit dessen, was das inspirierte Bewusstsein beobachtet, von den Wirkungen aus dem Weltumfang zu bestimmten Geist-Wesenheiten über die in diesen Wirkungen sich offenbaren, wie in den von der Erde ausgehenden Kräften sich die Erdenstoffe offenbaren. Man spricht von aus den Weltenfernen wirkenden konkreten Geist-Wesenheiten, wie man beim sinnlichen Anblick des nächtlichen Himmels von Sternen und Sternbildern spricht. Daher der Ausdruck »astralische Welt«. In dieser astralischen Welt trägt der Mensch das dritte Glied seiner Wesenheit: seinen astralischen Leib.
Auch in diesen astralischen Leib muss die Erdenstofflichkeit einströmen. Sie entfremdet sich damit weiter ihrer physischen Wesenheit.
Wie der Mensch seinen ätherischen Leib mit der Pflanzenwelt, so hat er seinen astralischen Leib mit der Tierwelt gemeinsam.
Die den Menschen über die Tierwelt hinaushebende, eigentlich menschliche Wesenheit wird durch eine noch höhere Erkenntnisart als die Inspiration erkannt. Die Anthroposophie spricht da von Intuition. In der Inspiration offenbart sich eine Welt geistiger Wesenheiten; in der Intuition wird das Verhältnis des erkennenden Menschen zu dieser Welt ein näheres. Man bringt das zum Vollbewusstsein in sich, was rein geistig ist, wovon man im bewussten Erleben unmittelbar erfährt, dass es mit dem Erleben durch die Körperlichkeit nichts zu tun hat. Dadurch versetzt man sich in ein Leben, das ein solches als Menschengeist unter anderen geistigen Wesenheiten ist. In der Inspiration offenbaren sich die geistigen Wesenheiten der Welt; durch die Intuition lebt man mit diesen Wesenheiten.
Man gelangt dadurch zur Anerkennung des vierten Gliedes der menschlichen Wesenheit, zum eigentlichen »Ich«. Wieder wird man gewahr, wie die Erdenstofflichkeit indem sie sich dem Weben und Wesen des »Ich« einfügt, sich noch weiter ihrem physischen Wesen entfremdet. Die Wesenheit, welche diese Stofflichkeit als »Ich-Organisation« annimmt, ist zunächst die Form des Erdenstoffes, in der sich dieser am meisten seiner irdisch-physischen Art entfremdet.
Was man in dieser Art als »astralischen Leib« und »Ich« kennen lernt, ist nicht in gleicher Art an den physischen Leib in der Menschenorganisation gebunden wie der ätherische Leib. Inspiration und Intuition zeigen, wie im Schlafe sich »astralischer Leib« und »Ich« vom physischen und ätherischen Leib trennen, und wie nur im Wachzustand ein völliges Durchdringen der vier Glieder der Menschennatur zur menschlichen Einheitswesenheit vorhanden ist. Im Schlafe sind in der physischen und ätherischen Welt der physische und ätherische Menschenleib verblieben. Sie sind da aber nicht in der Lage, in der physischer und ätherischer Leib eines Pflanzenwesens sind. Sie tragen in sich die Nachwirkungen der astralischen und der Ich-Wesenheit. Und in dem Augenblicke, in dem sie diese Nachwirkungen nicht mehr in sich tragen würden, muss Erwachen eintreten. Ein menschlicher physischer Leib darf niemals bloßen physischen, ein menschlicher Ätherleib niemals bloßen ätherischen Wirkungen unterliegen. Sie würden dadurch zerfallen.
Nun zeigen aber Inspiration und Intuition noch etwas anderes. Die physische Stofflichkeit erfährt eine Weiterbildung ihres Wesens, indem sie zum Weben und Leben im Ätherischen übergeht. Und L e b e n hängt davon ab, dass der organische Körper dem Wesen des Irdischen entrissen und vom außerirdischen Weltall herein aufgebaut wird. Allein diese nicht aber zum Bewusstsein und nicht zum Selbstbewusstsein.
Es muss sich der Astralleib seine Organisation innerhalb der physischen und der ätherischen aufbauen; es muss ein Gleiches das Ich in Bezug auf die Ich-Organisation tun. Aber in diesem Aufbau ergibt sich keine bewusste Entfaltung des Seelenlebens. Es muss, damit ein solches zustande kommt, dem Aufbau ein Abbau gegenüberstehen. Der astralische Leib baut sich seine Organe auf; er baut sie wieder ab indem er die Gefühlstätigkeit im Bewusstsein der Seele entfalten lässt; das Ich baut sich seine »Ich-Organisation« auf; es baut sie wieder ab, indem die Willenstätigkeit im Selbstbewusstsein wirksam wird.
Der Geist entfaltet sich innerhalb der Menschenwesenheit nicht auf der Grundlage aufbauender Stofftätigkeit, sondern auf derjenigen abbauender. Wo im Menschen Geist wirken soll, da muss der Stoff sich von seiner Tätigkeit zurückziehen.
Schon die Entstehung des Denkens innerhalb des ätherischen Leibes beruht nicht auf einer Fortsetzung des ätherischen Wesens, sondern auf einem Abbau desselben. Das bewusste Denken geschieht nicht in Vorgängen des Gestaltens und Wachstums, sondern in solchen der Entgestaltung und des Welkens, Absterbens, die fortdauernd dem ätherischen Geschehen eingegliedert sind.
In dem bewussten Denken lösen sich aus der leiblichen Gestaltung die Gedanken heraus und werden als seelische Gestaltungen menschliche Erlebnisse.
Sieht man nun auf der Grundlage einer solchen Menschenerkenntnis auf das Menschenwesen hin, so wird man gewahr, wie man sowohl den Gesamtmenschen wie auch ein einzelnes Organ nur durchschauen kann, wenn man weiß, wie in ihm der physische, der ätherische, der astralische Leib und das Ich wirken. Es gibt Organe, in denen vornehmlich das Ich tätig ist; es gibt solche, in denen das Ich nur wenig wirkt, dagegen die physische Organisation überwiegt.