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Dieser Band enthält folgende Romane: (399) Mark Tate und die Pforten der Hölle (Gerhard Börnsen/ W.A.Hary) Geisterhauch (Alfred Bekker / W.A.Hary) Im Schatten der Erdmagie /Alfred Bekker/W.A.Hary) Die Studenten Ellen Kioto und Peter Carmichael laufen sich auf dem Campus der Oxford Universität über den Weg und verlieben sich auf den ersten Blick ineinander. Wie gebannt erkennen beide, dass sie nicht nur füreinander bestimmt sind, sondern schon frühere Leben gemeinsam verbracht haben. Fortan sind sie ein Paar. Einzig Kara Kioto, Ellens Mutter, verhält sich dem Freund ihrer Tochter gegenüber distanziert, und Ellen verlangt von ihr den Grund dafür zu wissen. Schweren Herzens erzählt Kara ihrer Tochter von der japanischen Mythologie, der Urmutter Gaia und dem Volk aus der Tiefe und dass sie befürchte, dass Ellen das gleiche Schicksal beschieden sei wie allen Frauen ihrer Familie, deren Ehemänner sehr jung starben ...
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Gruselkrimi Dreierband 3308
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Mark Tate und die Pforten der Hölle: Neuer Mark Tate Roman 6
Geisterhauch
Im Schatten der Erdmagie
Dieser Band enthält folgende Romane:
Mark Tate und die Pforten der Hölle (Gerhard Börnsen/ W.A.Hary)
Geisterhauch (Alfred Bekker / W.A.Hary)
Im Schatten der Erdmagie /Alfred Bekker/W.A.Hary)
Die Studenten Ellen Kioto und Peter Carmichael laufen sich auf dem Campus der Oxford Universität über den Weg und verlieben sich auf den ersten Blick ineinander. Wie gebannt erkennen beide, dass sie nicht nur füreinander bestimmt sind, sondern schon frühere Leben gemeinsam verbracht haben. Fortan sind sie ein Paar. Einzig Kara Kioto, Ellens Mutter, verhält sich dem Freund ihrer Tochter gegenüber distanziert, und Ellen verlangt von ihr den Grund dafür zu wissen. Schweren Herzens erzählt Kara ihrer Tochter von der japanischen Mythologie, der Urmutter Gaia und dem Volk aus der Tiefe und dass sie befürchte, dass Ellen das gleiche Schicksal beschieden sei wie allen Frauen ihrer Familie, deren Ehemänner sehr jung starben ...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
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Um den einzigen Menschen, der das apokalyptische Unheil vielleicht doch noch abwenden kann, über die kommenden Ereignisse zu informieren, macht sich der angehende Wächter der Höllentore auf den beschwerlichen Weg zur Erde - auf den Weg zu Mark Tate.
Vorerst nichts von alledem ahnend, wird Mark Tate nach Ägypten gelockt, unter recht fragwürdigen Umständen, um einem Geheimnis auf die Spur zu kommen, dem anscheinend eine Forschergruppe mitten in der Wüste zum Opfer gefallen ist.
Das Ziel heißt Al Kahara, die versunkene und verschollene Stadt.
Nur in dem Bewusstsein, dass dies wahrlich nichts Gutes bedeuten kann…
*
Eine Gruppe von fünf Wissenschaftlern und ihre drei einheimischen Begleitern bewegte sich mühsam durch den mit brachialer Gewalt tobenden Sandsturm inmitten der östlichen Sahara. Er hatte sie im wahrsten Sinne des Wortes auf kaltem Fuß erwischt. Vor Minuten erst. Ohne ihnen Gelegenheit zu lassen, noch rechtzeitig irgendwo Schutz zu finden in dieser schier endlosen Einöde.
Eine Reise in das wahrhaftige Pech sozusagen. Sie hatten vor zwei Tagen schon ihre beiden Fahrzeuge aufgeben müssen. Wohlgemerkt beide gleichzeitig. Irreparabel mit den Möglichkeiten, die sie dabei gehabt hatten. Trotzdem hatten sie die Expedition nicht abbrechen wollen, ja, nicht können, denn sie waren der festen Überzeugung gewesen, dass ihr Ziel bereits in greifbarer Nähe liegen würde.
Greifbare Nähe? Das hatte sich in den letzten beiden Tagen dramatisch relativiert. Immerhin in einer Wüste wie der Sahara.
Der Name stammt ja ursprünglich aus dem Arabischen und heißt dort tatsächlich so viel wie… Wüsten, also Wüste in der Mehrzahl. Und in der Tat, die Sahara hat eine gewaltige Ausdehnung, denn eigentlich handelt es sich dabei eben nicht um eine, sondern um mehrere zusammenhängende Wüsten. Nur etwa zwanzig Prozent der Sahara bestehen dabei tatsächlich aus Sand und Dünen, so wie es auch durch zahlreiche Filme bekannt wurde. Der größere Rest aber sind Gesteins- und Geröllwüsten.
Wenn man dann beispielsweise erzählt, dass sich am Rand der schier endlos erscheinenden Straßen in der marokkanischen Wüste doch tatsächlich Kästen mit Streusand für die kälteren Wintertage befinden, erntet man bei seinen Zuhörern in der Regel ein deutliches Kopfschütteln oder gar anzügliche Bemerkungen. So sehr ist das falsche Bild der reinen Sandwüste Sahara geprägt.
Die Sahara war und ist dabei sogar die größte Trockenwüste überhaupt der ganzen Erde, nicht nur die berühmteste. Zahlreiche Sagen und Legenden ranken sich um dieses unwirtliche Land, dessen neun Millionen Quadratkilometer Fläche jede Menschengruppe für immer verschlucken kann, die den Fehler gemacht hat, sich in diese Gefahr zu begeben.
Eine Erfahrung, die sie auf ziemlich bittere Weise hatten machen müssen, wobei immer noch unklar blieb, wieso beide Fahrzeuge gleichzeitig ausfallen konnten.
Die Frage, ob sie die Fahrzeuge je wieder finden würden, um zumindest ihre wertvolle Ausrüstung von dort zu bergen, stellte sich in ihrer Situation noch lange nicht. Denn hier und jetzt ging es einzig und allein nur um das nackte Überleben.
Doch genauso plötzlich wie er begonnen hatte, legte sich der tödlich gefährliche Sandsturm wieder und gab unvermittelt den Blick auf eine filmreife Traumlandschaft frei. In diesen frühen Morgenstunden, als die Sonne sich am fernen Horizont erst blutrot und dann immer greller werdend erhob, irgendwie unwirklich erscheinend. Immerhin jedoch dermaßen beeindruckend, dass sie darüber beinahe die winzigen Sandkörner vergaßen, die sich nicht nur in jeder Naht ihrer Kleidung, sondern auch in jeglicher Körperöffnung verfangen hatten.
Das Expeditionsteam staunte nur noch. Darüber vergaßen sie beinahe auch noch die Euphorie darüber, überlebt zu haben.
Professor Lehmann sprach aus, was sich jeder bei diesem Anblick dachte:
„Dort sind die Ruinen von Al Kahara! Wir haben es doch tatsächlich geschafft!“
Nein, Professor Lehmann sprach es nicht einfach aus, sondern er rief es laut in seinem berechtigten Anfall von ausufernder Euphorie. Immerhin galt er als ruhiger, besonnener Mann der Wissenschaft, den kaum jemals jemand oder etwas aus der Fassung bringen konnte.
Und diese Euphorie war wahrlich ansteckend: Ein Jubeln ging durch die Reihen der insgesamt acht Expeditionsteilnehmer. Die Strapazen hatten sich bis hierher gelohnt, das gesteckte Ziel war erreicht, allen Gewalten zum Trotz. Und auch allen Unkenrufen zum Trotz, denn niemand hatte dem Professor glauben wollen, dass es das überhaupt gab, was sich hier vor ihren Augen offenbarte. Außer natürlich denen, die ihm bis hierher gefolgt waren, um dabei nicht nur ihre Gesundheit, sondern sogar ihr Leben zu riskieren.
Vor ihnen breitete sich ein großes Areal an zerbrochenen und umgestürzten Säulen aus. Dazu die Ruinen von Tempeln, ehemaligen Wohnstätten und Statuen. Alles in der Farbe des sie umgebenden Sandes gehalten.
Einige wenige verblasste Hieroglyphen und Wandmalereien in rot und blau stachen daher besonders heraus. Dabei blieb die Frage erst einmal noch ungefragt, wie diese Farben überhaupt die raue Umgebung hatten überstehen können im Laufe der Zeit.
„Kein Wunder, dass man die Stadt bisher noch nicht gefunden hat“, meinte jetzt der Professor, sichtlich um Fassung bemüht. „Sie ist hier regelrecht im Sand eingebettet und schaut nur oberflächlich heraus. Dazu ist sie noch auf allen Seiten von Hügeln umgeben.
Auch farblich ist sie von oben praktisch überhaupt nicht vom Wüstensand zu unterscheiden. Eine perfekte Tarnung, wenn man so will. Lasst uns dort auf dem Platz vor dem kleinen Tempel unser Basislager aufschlagen.
Bergmann, Sie versuchen noch einmal über Satellitentelefon Kontakt zu bekommen. Falls es gelingen sollte: Man soll endlich die defekten Geländewagen abholen und unser Institut informieren, dass wir die Stadt gefunden haben.“
Das klang ziemlich optimistisch, denn immerhin waren sie seit zwei Tagen ohne Kontakt. Was ziemlich beunruhigend war, denn eigentlich war Satellitentelefon an jedem Ort der Welt möglich, außer an den Polen. Zwar nicht gerade während eines tosenden Sandsturms, aber vorher hatten sie eigentlich freien Himmel gehabt.
„Mach ich!“, versprach Bergmann dennoch, weil er der Meinung war, man sollte die Hoffnung niemals aufgeben, und war die Tatsache, dass sie trotz alledem ihr Ziel doch noch gefunden hatten, nicht der eindeutige Beweis hierfür?
Er lief zum freien Platz vor der nächsten Tempelruine. Dort fing er an, seine Ausrüstung aufzubauen. Die zahlreichen Versuche, über Satellitentelefon Kontakt zu bekommen, hatten die Batterien des unhandlichen Gerätes total entleert, und er musste jetzt Maßnahmen ergreifen, um das Gerät mit neuer Energie zu speisen.
Die anderen Teilnehmer waren indessen froh, endlich ihr umfangreiches Gepäck von den Schultern nehmen zu können. Sie beeilten sich, die Zelte aufzuschlagen und das Lager zu sichern. Jeder wusste dabei, was zu tun war. Alles verlief wie bereits hundertfach geübt und auch in den letzten beiden Tagen praktiziert. Sie waren ja immer nur während der Abendstunden und Morgenstunden und vor allem nachts weitergezogen, um in der größten Hitze sich zu schützen.
Der spanische Geologe aus dem Team, Dr. Mendez, schlenderte zu den nahe gelegenen Ruinen und nahm schon mal Proben, die er in Plastiktüten steckte, wobei er mit seinem Stift Datum und Fundort auftrug.
Die Sonne hatte inzwischen schon eine solche Kraft entwickelt, dass es schon ziemlich bald wieder Zeit wurde, regelrecht in Deckung zu gehen, bevor die Luft bis zu fünfzig Grad heiß wurde und jeden Atemzug zur Qual machte.
In ihren Fahrzeugen hatten sie Klimaanlagen besessen. Jetzt gab es das nicht. Und um in den Ruinen Schutz zu suchen, mussten sie diese erst einmal genauer untersuchen. Nicht unbedingt in der größten Hitze jedoch, sondern das wollten sie erst gegen Abend in Angriff nehmen.
Das Expeditionsteam sammelte sich noch kurz um ein Lagerfeuer, grillte Würstchen und verteilte zur Feier des Tages sogar Bier. Da sie aus den defekten Geländewagen nicht genug mitgenommen hatten, erhielt jeder nur eine Flasche aus den kargen Vorräten.
Bergmann hatte inzwischen ihre Position laut GPS bestimmt und doch tatsächlich Kontakt bekommen. Es erschien wie ein Wunder. Er wurde an das europäische Institut für Ägyptologie weitergeleitet. Man würde ihnen sofort Rettungskräfte schicken mit Ausrüstung und Nahrungsmitteln. So das Versprechen. Jetzt, wo sie doch tatsächlich die verschollene Stadt Al Kahara gefunden hatten, würden schon bald hier ganz offiziell Ausgrabungsarbeiten beginnen können, und die Welt würde von dieser Entdeckung erfahren.
Ja, soweit jedenfalls das Versprechen, und nichts schien in diesen Minuten, noch bevor sie vor der sengenden Sonne Deckung suchen mussten, dagegen zu sprechen.
Welch ein fataler Trugschluss…
*
Erst nachdem gegen Abend die Haupthitze überwunden war, erkundeten sie die versunkene und bisher verschollene Stadt weiter. Auch bezüglich einer möglichen Unterkunft für den nächsten Tag, wo sie noch besser als in ihren Zelten vor der Sonne geschützt waren. Zahlreiche Fotos wurden gemacht, Zeichnungen angefertigt und erste Messungen angestellt.
Ein pyramidenartiger Tempel von etwa zwanzig Metern Höhe noch über Sandniveau hatte es ihnen besonders angetan. Oder handelte es sich gar nicht um ein Tempel, sondern ganz einfach „nur“ um eine Pyramide aus aufeinander gestürmten Steinen? Einen direkten Zugang konnten sie nämlich nirgendwo entdecken. Er sah tatsächlich eher aus wie eine Mischung zwischen Maya- und Gizehpyramide. Eine ziemlich verwitterte Steintreppe führte bis hinauf auf eine Art Plattform.
Die deutschen Professoren Lehmann und Klein sowie der holländische Ägyptologe Dr. Rischke kletterten die Stufen hinauf und sahen sich um. Mehrere halbwegs verwitterte Säulen mit noch fragmentarisch vorhandenen uralten Schriftzeichen ragten etwa fünf weitere Meter in die Höhe.
„Von hier aus kann man die ganze Stadt überblicken. Es scheint der Mittelpunkt…“
Dr. Rischke hörte mitten im Satz auf zu sprechen, denn unter ihm brach plötzlich der Boden ein, und er stürzte haltlos in die Tiefe.
Seine Kollegen hörten unten zwar einen dumpfen Aufschlag, aber keinen Schrei.
„Schnell, wir brauchen Seile und Lampen. Hol die anderen her“, ordnete Professor Klein an.
Lehmann rannte schon los und kehrte mit einem der einheimischen drei Trägern und Ingenieur Bergmann zurück.
„Die anderen waren nicht zu finden, sie sind irgendwo in der Stadt unterwegs“, entschuldigte sich Professor Lehmann.
Gemeinsam ließen sie ein langes Seil in die Öffnung hinab, bis es irgendwo dort unten aufsetzte. Oben befestigten sie es an einer Säule hinter ihnen. Aber erst nachdem sie geprüft hatten, dass die Säule auch wirklich noch stabil genug dafür war.
Bergmann leuchtete immer noch vergeblich hinunter.
„Ein Ende ist von hier aus leider nicht zu sehen. Keine Ahnung, ob das Seil wirklich bis zum Boden reicht.“
Der Träger meinte mit seinem gebrochenen Englisch:
„Ich versuchen. Sie schauen und warten.“
Sie banden dem Träger mit Namen Hammed ein Seil um die Hüften und ließen ihn dann langsam hinunter. Bergmann konnte nicht mehr leuchten, weil er wie die beiden Professoren beide Hände voll zu tun hatte. Sie hofften, dass immer noch genügend Licht hinunterfiel, damit Hammed genug sehen konnte, sobald er unten ankam.
Und dann erscholl sein Ruf:
„Ich sehen Boden und Doktor, ist nicht mehr weit.“
Professor Lehmann rief beunruhigt zurück:
„Was kannst du sehen? Ist er denn noch am Leben?“
Es dauerte nach seinem Empfinden viel zu lange, bis sie oben hören konnten:
„Tut mir leid, Doktor sein tot. Wohl Genick gebrochen. Hier ist Raum, und Gang führen tiefer in Pyramide.“
Professor Klein war geschockt.
„Wir müssen ihn heraufholen.“ Er hob seine Stimme. „Hörst du, Hammed? Ich werfe dir ein weiteres Seil zu. Binde den Doktor damit fest. Wir ziehen ihn dann rauf.“
Das Seil, an dem Hammed hing, konnten sie jetzt locker lassen. Der stand ja auf festem Boden, wie es schien. Dann zogen sie erst ihren toten Kollegen herauf, bevor sie den einheimischen Träger wieder nach oben beförderten.
Bevor sie weitere Schritte unternehmen wollten, hatte erst einmal alles andere Vorrang. Das hieß: Zunächst trugen sie den Toten zum Lager und wickelten ihn dort in eine Plane ein. Bei den Temperaturen würde die Leiche schnell anfangen zu vermodern.
Bergmann setzte einen entsprechenden Bericht ab. Inzwischen waren auch die anderen Expeditionsteilnehmer von ihrem Ausflug in den Ruinen zurückgekehrt. Geschockt saßen nun alle am Lagerfeuer und berieten, was als nächstes zu tun sei.
Bergmann teilte ihnen überraschend mit, dass die defekten Fahrzeuge bereits von dem dort an Ort und Stelle angelangten Rettungstrupp gefunden waren. Seltsam dabei war nur, dass sie nichts davon hier in den Ruinen mitbekommen hatten. Waren sie in den letzten beiden Tagen denn wirklich so weit zu Fuß gekommen, dass sie jetzt noch nicht einmal die Suchhubschrauber hören konnten, die wohl über den verlassenen Fahrzeugen kreisten?
Lehmann stellte die entscheidende Frage:
„Und wann gedenkt man, hier endlich aufzutauchen?“
Er fragte auch hinsichtlich des Toten, den sie zu beklagen hatten. Ansonsten würden sie es noch weitere Tage aushalten können, ohne zusätzlich versorgt werden zu müssen. Zumindest zur Not jedenfalls.
Bergmann zuckte die Achseln.
„Die suchen uns bereits.“
„Wie bitte?“, regte sich jetzt Professor Klein auf. „Sie haben denen doch die genauen Koordinaten durchgegeben.“
„Ja, habe ich, und ich habe das auch noch einmal genauestens überprüft, aber sie behaupten, dass diese Koordinaten nur übereinstimmend wären mit denen, wo die Lastwagen stehengeblieben sind. Deshalb konnten sie diese ja auch so schnell finden.“
„Aber das ergibt doch gar keinen Sinn!“, mischte sich Lehmann ein.
Alle schüttelten jetzt fassungslos den Kopf, hielten sich jedoch nicht länger mit diesem Thema auf, denn es war inzwischen bereits dunkel. Es war zwar besser, während der Nacht durch die Wüste zu wandern, aber hier und jetzt, die weitere Untersuchung der versunkenen Stadt… Das konnten sie besser auch tagsüber erledigen.
Es wurde der Entschluss gefasst, erst noch bis zum morgigen Tag zu warten. Dann würden sie in aller Frühe weitersehen.
*
Keiner von ihnen kam in dieser Nacht wirklich zur Ruhe. Obwohl alles friedlich erschien. Immer wieder lauschten sie auch in die Nacht hinaus, um vielleicht sich annähernde Hubschrauber rechtzeitig zu hören.
Am Morgen erst nahm Bergmann wieder Verbindung mit den Rettungskräften auf. Es wurde ihm erneut bestätigt, dass weitere Experten unterwegs waren, um bei den bevorstehenden Ausgrabungen und Untersuchungen zu helfen. Es würde allerdings noch eine Weile dauern, bis sie eintrafen.
Und wo blieben die Rettungskräfte? Sie suchten angeblich immer weiträumiger das Gelände ab und hatten das Lager in der verschollenen und versunkenen Stadt immer noch nicht gefunden. Allerdings war man zuversichtlich, dass sie im Laufe des Tages schon mit der zusätzlichen Versorgung rechnen konnten.
Und dann kam auch noch der Hinweis, die beiden Lastwagen, die ja beide gleichzeitig liegengeblieben waren, wären vollkommen intakt. Man hatte keinerlei Probleme damit, und sobald das Lager in der Stadt gefunden sei, würden die beiden Lastwagen hierher gefahren werden.
Bergmann gab alles so weiter, wie er es erfahren hatte, aber keiner von ihnen konnte sich darauf einen Reim machen. Zumal er schwor, schon wieder eine genaue Ortsbestimmung vorgenommen zu haben, die sich in keiner Weise inzwischen geändert hätte, aus welchen Gründen auch immer. Und das, obwohl behauptet wurde, genau dort würden sich die verlassenen Lastwagen befinden.
„Die sind noch zu doof, ihre eigenen Ortungs- und Navigationsgeräte zu verstehen“, schimpfte Ingenieur Bergmann.
„Wir können uns ja inzwischen die Zeit damit vertreiben, indem wir versuchen, in das Innere der Pyramide zu gelangen“, schlug Professor Klein vor, wohl auch um die beginnende und eigentlich völlig fruchtlose Diskussion rechtzeitig abzuwürgen, wieso letztlich die Rettungskräfte einfach nicht die versunkene Stadt und somit ihr Lager fanden.
„Ist das denn nicht zu gefährlich?“, meldete ausgerechnet Lehmann jetzt Bedenken an. „Was, wenn plötzlich wieder irgendetwas einstürzt? Sollen wir nicht lieber erst auf die Verstärkung aus dem Institut warten?“
Über die Diskussionen darüber und die Trauergespräche um den toten Freund wurde die Tatsache, dass sie nach wie vor für die Rettungskräfte unauffindbar blieben, beinahe vergessen.
*
Das unbeabsichtigt entstandene Öffnen der obersten Kammer in der Pyramide und das somit eingedrungene Sonnenlicht setzte eine Reihe von Ereignissen in Gang, die wahrhaft kosmische Auswirkungen hatten, von den Expeditionsteilnehmern aber natürlich nicht bemerkt werden konnten, solange sie nicht wieder hier herauf kamen und tatsächlich, wie von Professor Klein vorgeschlagen, hier einstiegen.
Energie wurde frei. Uralte Mechanismen bewegten sich. Zwei kleinere Kammern, die aus gewiss guten Gründen seit undenklichen Zeiten verschlossen geblieben waren, öffneten sich nun.
Sie hatten etwas Dunkles und Unheimliches vor aller Welt verborgen und neutralisiert. Und dieses… erwachte nun.
Dies wiederum löste eine Art Alarm aus. In einer zugemauerten Kammer unter der Pyramide erwachten zusätzlich uralte Maschinen zum Leben und schickten einen bereits vorformulierten, gerafften und verschlüsselten Bericht an eine Art weit entfernte und sogar nichtirdische Relaisstation.
Dort wurde der Bericht entschlüsselt und weitergeleitet an das eigentliche Ziel.
Anschließend fuhren die Energieerzeuger wieder herunter, und alles erschien wie vorher.
Aber es erschien halt nur so!
*
Die schiere Neugierde gab schließlich den Ausschlag. Das Expeditionsteam wollte gemeinsam die Zeit nutzen, um herauszufinden, wohin der Weg unterhalb der eingebrochenen Plattform führte, den der Träger entdeckt hatte. Dort, im Innern der Pyramide, würde sie die Hitze des Tages nicht mehr erreichen können. Da waren sie sicher. Also wieso jetzt noch zögern?
Mit mehreren gesicherten Seilen ließen sich die Männer von der Plattform aus in den darunter befindlichen Raum ab. Vorher hatten sie natürlich sorgfältig die Stabilität des übrigen Bodens der Pyramidenplattform getestet und für sicher befunden.
Unten angekommen leuchteten sie den Raum aus. Er war bis auf eine zerbrochene Treppe, die wohl früher einmal zur Plattform hinauf geführt hatte, ehe diese schließlich von oben hermetisch verschlossen worden war, leer. Der eingebrochene Teil der Plattform musste tatsächlich der ehemalige Durchgang gewesen sein. Womöglich vor Urzeiten mit einer Art Bodenluke versehen. Die hermetische Verschließung war weit weniger stabil ausgefallen als die übrige Plattform. Daher war sie nach Jahrtausenden durch Verwitterung und letztlich durch das Gewicht von Dr. Rischke eingebrochen.
Der Raum war nicht besonders groß, nur wenige Meter im Quadrat. An einer der glatten Wände gab es einen spitzen Torbogen. Unverschlossen. Dort begann ein Gang, der offensichtlich spiralförmig abwärts führte. Zwei Männer konnten hier bequem nebeneinander gehen.
Taschenlampen und selbstgebastelte Fackeln erleuchteten den Gang. Vorsichtig, jeden einzelnen Schritt bedenkend, gingen die Männer immer tiefer nach unten. Die Luft wurde stickiger und irgendwie auch heißer, obwohl es eigentlich nicht an der Hitze außerhalb der Pyramide liegen konnte, denn wie hätte diese bis in das Innere, durch alle Gesteinsmassen hindurch, gelangen können?
Allmählich ging den Expeditionsteilnehmern die Puste aus.
Ingenieur Bergmann blieb plötzlich stehen und meinte besorgt:
„Verzeihung, aber wie lange sind wir denn schon unterwegs, und immer noch ist kein Ende in Sicht? Hier stimmt doch etwas nicht: Wir müssten eigentlich schon längst unterhalb der Pyramide sein. Zumindest seltsam, dass wir noch auf keine Kammer gestoßen sind.“
Alle waren jetzt stehengeblieben.
„Das finde ich auch“, antwortete ihm Professor Klein nachdenklich.
Aber was sollten sie tun? Wieder zurückkehren?
Bergmann, der ja ihr technischer Experte war, deutete auf die brennenden Fackeln.
„Zumindest ist noch genügend Sauerstoff in der Luft. Was eigentlich auch höchst seltsam ist, wenn man bedenkt, dass der Zugang oben womöglich für Jahrtausende geschlossen gewesen war. Obwohl die Luft das Atmen schwer macht.“
„Ich bin trotzdem dafür, weiterzugehen!“, lautete das Votum von Professor Lehmann.
Das gab schließlich den Ausschlag.
Immer tiefer ging es hinab. Was würden sie am Ende des Ganges finden?
Weit kamen sie allerdings sowieso nicht mehr. Ein unbestimmbares Geräusch ließ sie herumfahren.
Das zitternde Licht ihrer Taschenlampen beleuchtete hinter ihnen zwei mannshohe, schwarze Kreaturen, irgendwie spindeldürr, wie man sie auf manchen Alien-Darstellungen sah, aber mit Krallenhänden bewehrt.
Erst wirkten sie wie lebensechte Statuen, doch die Forscher spürten irgendwie, dass dies etwas Lebendiges war. Allerdings auf höchst unnatürliche Art und Weise lebendig. Etwas immerhin, das hier schon seit Jahrtausenden lauern musste.
Die beiden Kreaturen standen jedenfalls so hinter ihnen im Gang, dass sie ihnen den Rückweg versperrten.
Und bevor sie sich noch fragen konnte, ob vielleicht auch eine gewisse Gefahr von diesen ihnen völlig unbekannt erscheinenden Kreaturen ausgehen konnte, allein schon angesichts der gekrümmten Krallenhände, bemerkten sie, dass die beiden Körper von einer grünlichen, irgendwie leicht dampfenden Aura umgeben zu sein schienen.
Und dann kam Bewegung in sie, noch bevor überhaupt einer der Expeditionsteilnehmer auf die Idee kommen konnte, dass vielleicht Flucht die bessere Option hätte sein können.
Lautlos und geradezu leichtfüßig kamen die beiden Kreaturen heran.
Mit einem lauten Aufschrei stürzte sich der Träger, der das Schlusslicht gebildet hatte, geradezu todesmutig und nur mit einem Messer bewaffnet auf die vorderste der beiden unheimlichen Kreaturen.
Vor allem im Licht der Fackeln sahen sie wahrhaft dämonisch aus.
Das Messer kam nicht rechtzeitig zum Einsatz. Mit einer blitzschnellen und dennoch irgendwie elegant wirkenden Bewegung schlug die Kreatur mit ihrer Krallenhand zu. Die Krallen zerfetzten nicht nur die Kleidung, sondern schlitzten auch den Oberkörper des Angreifers auf.
Röchelnd und Blut spuckend stürzte der Träger zu Boden.
Da war auch schon die zweite Kreatur heran. Gemeinsam bissen sie zu und rissen große Fleischbrocken aus dem Körper des Sterbenden.
Dann begannen sie zu fressen.
Professor Klein hatte inzwischen endlich seine Pistole aus dem Rucksack gezerrt und feuerte mehrere Schüsse auf die scheußlichen Kreaturen ab.
Der zweite Träger floh indessen in die Richtung weiter, in die der Gang noch führte, da ja der Rückweg blockiert war. Alle anderen Expeditionsteilnehmer, außer Professor Klein, folgten dichtauf.
Die grausigen Kreaturen ließen sich indessen von den Kugeln aus seiner Pistole in keiner Weise beeindrucken und fraßen einfach weiter.
Voller Todesangst folgte Professor Klein nun den anderen weiter in den Gang hinein.
Es war jetzt tatsächlich nicht mehr allzu weit: Er endete vor einer größeren leeren Kammer.
Drei der Wände waren mit Bildern verziert, die unter anderem zeigten, wie mehrere Krieger gegen genau solche schwarzen Kreaturen kämpften. Eine Ähnlichkeit mit den gerade begegneten Kreaturen war auf jeden Fall deutlich zu erkennen.
Andere Malereien zeigten Menschen, die Gebäude bauten und unbekannten Wesen in Rüstungen Getreide und Fleisch opferten. Die vierte Wand war glatt, sogar ohne Bemalung, und enthielt auf der rechten Seite nur eine kleine, exakt fünfmal fünf Zentimeter große Vertiefung in Brusthöhe. Eine Art Aussparung, so als gehörte dort etwas hinein.
Professor Klein dachte an die Kreaturen, die inzwischen den Träger wohl komplett auffraßen und danach vielleicht auf die Idee kamen, noch weitere Opfer sich zu suchen, und sah sich im Raum um.
Es gab keine erkennbare Tür, um den Durchgang zum Gang zu schließen. Und ansonsten? Der Boden war bedeckt mit Sand, Staub und kleineren Steinbrocken, die scheinbar schon vor langer Zeit aus der Decke herausgebrochen waren.
Klein untersuchte als einziger die Brocken und wurde doch tatsächlich rasch fündig: Ein kleiner, messingfarbener Würfel von fünf Zentimetern Kantenlänge lag halb im Sand vergraben. Er hob ihn auf und steckte ihn in die Aussparung in der Nische.
Er passte haargenau!
Wie er überhaupt auf diese Idee gekommen war, würde er wohl nie ergründen können, aber die Wirkung blieb nicht aus:
„Professor Klein, hören Sie?“
Bergmann fasste sich demonstrativ ans Ohr. Ein schabendes Geräusch war ertönt und wurde jetzt auch noch lauter.
Dann hörten sie nicht nur, sie sahen auch:
Die Wand bewegte sich nach unten in den Boden! Gleichzeitig spuckte sie den messingfarbenen Würfel regelrecht wieder aus.
Muffige, uralte Luft strömte ihnen entgegen. Hinter der Wand befand sich ein Raum, dessen Größe im Schein der Taschenlampen und Fackeln zunächst kaum geschätzt werden konnte. Eher vage konnte man die Umrisse von dunklen Statuen erkennen, die scheinbar wahllos verteilt darin standen.
Der Boden war hier, zumindest soweit ihr Licht reichte, penibel sauber. Kein Staub, kein Geröll.
Es war wieder Professor Klein, der an das Naheliegende dachte: Er nahm den Würfel wieder auf, der tatsächlich aus Messing zu bestehen schien, und suchte nach einer weiteren passenden Öffnung. Die fand er neben dem Durchgang, der sich aufgetan hatte, auf der Seite, auf der sie sich jetzt befanden.
Kaum hatte er den Würfel hineingesteckt, fuhr die Wand wieder nach oben und schnitt ihnen damit den Rückweg ab. Nun würden die Kreaturen hoffentlich nicht mehr bis zu ihnen gelangen können.
Gemeinsam mit der Gruppe ging Professor Klein jetzt erst vorsichtig weiter.
Ungefähr in der Mitte des Raumes befand sich eine metallene, etwa dreißig Zentimeter hohe und zirka fünf Meter durchmessende Plattform. Davor eine Art Schaltpult mit Bedienelementen und eine Aussparung, die ebenfalls aussah, als gehörte dort ein Würfel hinein.
Nicht nur der Professor war fasziniert. Sie hatten eine wahrhaft unglaubliche Entdeckung gemacht.
Obwohl ihre Entdeckung inzwischen immerhin zwei Menschenleben gekostet hatte:
Eine Art Hochtechnologie im alten Ägypten?
Hatte es sie also doch gegeben, gegen alle bestehenden Lehrmeinungen? Die Welt würde wohl all ihre Geschichtsbücher neu schreiben müssen.
*
Ein Schrei lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich.
Trotz der Vorsichtsmaßnahme von Professor Klein war es den beiden Kreaturen gelungen, zu ihnen zu gelangen. Oder handelte es sich gar um zwei weitere?
Hinter Ihnen waren von ihnen unbemerkt jedenfalls die schwarzen Kreaturen wieder aufgetaucht, durch diese Wand, die wieder nach unten gefahren war, und töteten gerade den zweiten Träger.
„Die Fackeln, versuchen wir es damit“, meinte der Geologe Dr. Mendez, überwand seine Todesangst und bewegte sich auf die Kreaturen zu, dabei seine Fackel wild hin und her schwenkend. So stark, dass man fast befürchten musste, sie würde dadurch erlöschen.
Die Kreaturen ließen prompt von ihrem inzwischen längst toten Opfer ab und schienen tatsächlich Angst vor dem Feuer zu haben.
Doch das Glück blieb Mendez nicht lange treu, denn er stolperte in der Aufregung buchstäblich über seine eigenen Füße, fiel der Länge nach hin und verlor dabei die Fackel.
Die Kreaturen nutzen die Gelegenheit sofort aus.
Auf diese tragische Weise wurde Dr. Mendes das nächste tote Mitglied der Expedition. Nur noch die Professoren Klein und Lehmann, der dritte Träger, nämlich Hammed, und Ingenieur Bergmann waren jetzt noch übrig von der gesamten Expedition.
Und schon wieder war es Professor Klein, der einer inneren Eingebung folgte und hinüber lief zu der Wand, die sich tatsächlich für die Kreaturen wieder geöffnet hatte. Wie hatten die das angestellt? Konnte es denn sein, dass sie intelligent genug waren, um einen Weg dafür zu finden?
Der Würfel steckte noch in der Aussparung. Er wollte ihn herausnehmen, was nicht gelingen wollte, weil der Würfel haargenau passte. Aber als er dagegen drückte, fuhr die Wand wieder hoch. Gleichzeitig jedoch löste sich der Würfel so weit aus der Aussparung, dass man ihn wieder greifen konnte.
Professor Klein schrie dem dritten Träger Hammed zu:
„Die Fackel!“
Dieser begriff schnell. Noch während die Kreaturen damit beschäftigt waren, die sterblichen Überreste von Dr. Mendes zu fressen, eilte der Träger herbei und überreichte Professor Klein seine Fackel.
Doch der Professor hatte es sich inzwischen anders überlegt. Er hielt den Würfel unschlüssig in der Hand.
„Treibe mit deiner Fackel die Kreaturen in den Raum zurück!“, befahl er dem Träger.
Hammed zögerte zunächst. Doch er war nicht dumm. Er wusste, dass sie tatsächlich keine andere Chance mehr hatten. Sie waren alle des Todes, wenn es nicht gelang, die Kreaturen wieder los zu werden.
Also lief er jetzt wieder zurück und ging mit der Fackel in der Hand gegen die beiden Kreaturen vor.
Diese wichen tatsächlich vor ihm zurück, in Richtung des Durchgangs, neben den Professor Klein sich postiert hatte. Er hatte inzwischen den Würfel wieder locker in die Aussparung gesteckt. Wenn er dagegen drückte, was er beim ersten Mal eigentlich unbewusst getan hatte, fuhr die Wand entweder in den Boden zurück oder, wenn sie bereits unten war, fuhr sie wieder hinauf.
Professor Klein ließ sie natürlich unten.
Sobald die Kreaturen diese Stelle passiert hatten, drückte der Professor. Die Wand fuhr hoch, und jetzt hatte der Professor auch gelernt, dass er mit einem kräftigeren Druck den Würfel wieder zurück bekam.
Ging sein verwegener Plan auf?
Sie standen jetzt alle da und warteten mit pochendem Herzen ab. Dabei vermeidend, nach dem zu sehen, was die beiden Kreaturen noch übriggelassen hatten von ihren Opfern.
Auf der anderen Seite der Wand warfen sich die Kreaturen wütend dagegen, doch diesmal gelang es ihnen nicht wieder, den Durchgang zu öffnen.
Professor Klein wog den Würfel wie prüfend in der Hand. Er war wie ein passender Schlüssel. Vielleicht steckte in seinem Innern ja auch noch ein besonderer Mechanismus? Jedenfalls konnte man jetzt von der anderen Seite her die Wand nicht mehr öffnen. Man musste auf dieser Seite lediglich den Würfel wieder aus der Aussparung entfernen.
Also gab es auf der anderen Seite der Wand auch noch einen zweiten Mechanismus, den die Kreaturen benutzt hatten. Deshalb hatten sie den Würfel nicht benötigt. Wenn dieser jedoch auf beiden Seiten fehlte, nutzte dieser zusätzliche Mechanismus offensichtlich nichts mehr.
„Glück gehabt!“, ächzte Professor Klein und kehrte mit dem wackeren Träger Hammed zu Professor Lehmann zurück.
Dieser konnte nicht ganz so euphorisch sein wie Professor Klein:
„Mist dennoch: Jetzt sitzen wir auf jeden Fall hier fest.“
*
Ein Sturm fegte über die weite Eislandschaft. Nebel und Eiskristalle verbargen weitgehend die Sicht. Selbst die Spezialkleidung verhinderte nicht, dass er fror.
Nur mühsam kam er voran. Seine Stiefel versanken bei jedem Schritt im Schnee. Er musste außerdem gegen den Sturm ankämpfen, und es gab hier nirgendwo eine Möglichkeit, Deckung vor den Naturgewalten zu finden.
Zu allem Überfluss und trotz der dafür eigentlich viel zu eisigen Kälte fing es jetzt auch noch an zu schneien.
Seine momentan einzige Orientierungsmöglichkeit durch das Wetter in dieser extremen Landschaft war sein künstlich gezüchteter Kristall, der an einer Messingkette um seinen Hals baumelte. Er war mit einer Resonanzschwingung ausgestattet, die ihn Blau aufleuchten ließ, sobald ein Portal vorhanden war.
Ein solches Portal war ein Durchgang zu einer anderen Welt oder einer anderen Dimension. Die meisten von ihnen waren vor undenklicher Zeit bereits erschaffen worden, die wenigsten waren neueren Ursprungs oder stammten gar aus der Gegenwart, um zu neu erschlossenen Welten und Dimensionen zu führen.
Die Stärke des Leuchtens im Kristall bestimmte Richtung und Entfernung zu einem solchen Durchgang. Es gab aber auch versiegelte Höllenportale, die völlig anders geartet waren als die üblichen und vor allem in Bereiche führten, die von den sogenannten Dunkelmächten beherrscht wurden. Eben in das, was man die wahre Hölle nennen durfte. Versiegelt deshalb, damit diese negativen Mächte nicht in die Lebensräume der Völker eindringen und alles erneut mit Krieg überziehen konnten.
Gari EL, ein gottgleiches Wesen, hatte mit seinen Kriegern den letzten grausamen Krieg mit diesen Siegeln beendet, die bis heute halten sollten. Darüber wachte seitdem zusätzlich ein mächtiger Wächterorden. Und sein Auftrag als angehender Wächter und somit Mitglied dieses Ordens war eigentlich ziemlich einfach:
Überbringe die Botschaft der Wächter an den einzig würdigen irdischen Agenten des Lichtes Mark Tate!
Ja, einfach zwar, aber dennoch tödlich gefährlich, denn die Mächte der Finsternis waren natürlich sehr wachsam und lauerten überall. Obwohl die Versiegelung bisher gehalten hatte, waren auch noch nach dem Krieg einige von ihnen auf dieser Seite geblieben und unerkannt untergetaucht. Um ihr schändliches Werk zu verrichten.
Durch sie nämlich gab es plötzliche Risse im Universum, die zwar nur zeitlich begrenzt offen blieben, aber das hatte in der Vergangenheit immer wieder dafür gesorgt, dass die Finsteren in den Dimensionen des Diesseitigen Verstärkung erhalten konnten. Mit dem Ziel natürlich, eines Tages stark genug zu werden, um die Siegel an den betroffenen Höllentoren zu brechen und damit einem weiteren Eroberungsversuch der Finstersten der Finsteren buchstäblich Tür und Tor zu öffnen.
Natürlich nutzen auch die Wächter solche vorübergehenden Risse, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot, um selber Spione hindurch zu schicken. Es gehörte zu ihren ureigenen Aufgaben, wachsam zu bleiben und jede mögliche Information „von drüben“ über den ewigen Gegner rechtzeitig zu erhalten.
Eine Bewegung links von dem Wächter, zwar kaum wahrnehmbar, aber dank seiner besonderen Sinne nicht unbemerkt geblieben, ließ ihn innehalten und lauschen.
Er wartete.
Plötzlich, ein schabendes Geräusch direkt vor ihm.
Seine Hände ergriffen den Kampfstab, der in einem Lederköcher auf seinem Rücken befestigt war, zog ihn mit einer schnellen Bewegung heraus und hielt ihn in Verteidigungsposition vor seine Brust.
Buchstäblich aus dem Boden schnellte mit hoher Geschwindigkeit ein geradezu gewaltiger Körper und pendelte hin und her:
Ein sogenannter Eiswurm!
Mehrere Meter ragte er vor dem Wächter auf, obwohl das nur ein Teil seines eigentlichen Körpers war. Im Schnee und auch in dem Eis darunter steckte dieser eigentliche Körper.
Eiswürmer waren fast blind und orientierten sich anhand von Bewegungen. Daher verhielt der Wächter erst einmal still an der Stelle.
Und dann musste es sehr schnell gehen:
Er drückte auf einen verborgenen Knopf am Kampfstab und wirbelte ihn gleichzeitig über den Kopf.
Die Energieentladung, die damit entfesselt wurde, verfehlte ihre Wirkung nicht am Eiswurm. Ein grässlicher Schrei, und gelbliches Blut spritzte umher. Der Kopf fiel zu Boden und verstummte gleichzeitig. Der sichtbare Rumpf des Wurms zuckte konvulsivisch, bis auch er schlaff zu Boden fiel.
Der Wächter vergewisserte sich, dass das Tier tatsächlich tot war, und schob dann erst den Kampfstab wieder in seinen Lederköcher zurück. Danach zog er sein Messer vom Gürtel und schnitt mehrere handliche Fleischstücke aus dem toten Tier.
Eiswürmer waren durchaus essbar. Ihr Fleisch schmeckte sehr gut. Dem Wächter jedenfalls.
Er packte gleich so viel Fleisch ein, wie er ohne Probleme tragen konnte, und setzte endlich seinen Weg fort. Das Amulett leuchtete schwach und wies ihm auf diese Weise die Richtung zum nächsten Portal.
Aus Erfahrung wusste er, dass es wohl noch eine Weile dauern konnte, bis er es erreichte. Zumal die Kälte ihm tatsächlich mehr zu schaffen machte als erwartet und ihn zwang, häufiger Pausen einzulegen, bei denen er sich regelrecht einigeln musste, um Wärme zu tanken.
*
Roh schmeckt das Fleisch des Eiswurms zwar nicht ganz so gut wie gebraten, aber es war auf jeden Fall besser, bei jeder Zwangspause genügend davon zu essen. Vor allem konnte er seine mitgebrachten Lebensmittelvorräte dadurch schonen, die lediglich dazu taugten, ihn am Leben zu halten, und nicht etwa, ihm zu schmecken.
Die schier endlos erscheinende Ebene, über die er sich hier kämpfen musste, gehörte einer Welt an, die sich zurzeit im kalten Griff einer Eiszeit befand. Jeweils ausgehend von den Polen war über ein Drittel der Gesamtoberfläche dieses Planeten bereits von Eis und Schnee bedeckt. Temperaturen von bis zu minus sechzig Grad waren dabei keine Seltenheit.
Der Wächter war hierher durch ein Portal gekommen. Er hatte wohl oder übel den Weg zu Fuß zum nächsten Portal zu bewältigen. Und selbst wenn er dieses endlich erreicht hatte, gab es auf einer weiteren Welt auch noch ein Portal zu finden, das dann unmittelbar zur Erde führte.
Seiner Order nach jedenfalls war das so.
Danach erwartete ihn nach dieser gnadenlosen Eiswelt zunächst eine Welt, die das genaue Gegenteil bedeutete: Dampfender Dschungel und unerträglich schwüle Hitze.
Doch soweit war er ja noch lange nicht. Erst einmal musste er hier diese Eishölle überleben.
Hinter sich hörte er plötzlich ein leises, irgendwie meckerndes Heulen.
Schneehyänen!
Ob sie ihn schon entdeckt hatten? Diese Tiere jagten in Rudeln. Seine Chance, gegen sie zu bestehen, war eher gering, also versuchte er lieber die Flucht.
Schneehyänen waren immerhin mindestens menschengroß, und dann handelte es sich erst noch um die kleineren. Ihre im Vergleich zur Körpermasse relativ geringe Körperoberfläche ließ sie leichter die Kälte überleben. Ihr Fell war weiß, mit grauen Streifen durchsetzt. Sie besaßen ganze sechs Beine, mit denen sie schneller laufen konnten als ein irdischer Gepard, also auf jeden Fall wesentlich schneller als jeder Mensch, selbst unter den besten Bedingungen.
Eingedenk dessen erschien es dem Wächter beinahe absurd, überhaupt die Flucht zu versuchen. Obwohl er wusste, dass die Schneehyänen durchaus feige waren und bei einer solch fremdartigen Beute wie einem Menschen eher zum Zögern neigten. Selbst wenn sie ihn längst entdeckt hatten, zögerten sie anscheinend immer noch vor einem Angriff, weil sie außerstande waren, ihre totale Überlegenheit zu erkennen.
Und da tauchten vor ihm im Schneegestöber überraschend Erhebungen auf. Von Schnee und Eis bedeckte Felsen eines Gebirgsausläufers?
Eine Chance. Auf jeden Fall! Wenn er sich dort verstecken konnte, vielleicht eng genug, um von den Hyänen nicht erreicht werden zu können, falls sie nicht zu der kleineren Sorte gehören sollten…
Es war jedenfalls den Versuch wert. Er nahm im wahrsten Sinne des Wortes all seine Kräfte zusammen und rannte um sein Leben. Die eisige Luft stach dabei wie mit tausend Nadeln in seine Lungen, und die Ausrüstung schien mit jedem Schritt immer schwerer zu werden.
Da, gellende Schreie aus den Kehlen mehrerer Hyänen. Sie hatten wohl begriffen, wie überlegen sie ihm waren, und jetzt verständigten sie sich untereinander, um ihre Jagd auf ihn zu koordinieren.
Gerade als der Wächter beinahe die ersten Felsausläufer erreichte. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich ihnen zu stellen. Dazu zog er noch während des Laufens seinen Kampfstab vom Rücken und aktiviere ihn. Dann erst stoppte er, schnellte herum und sicherte seinen Stand.
Die erste Schneehyäne beschleunigte sogar noch ihren Lauf und sprang zur richtigen Zeit ab.
Er machte eine halbkreisförmige Bewegung mit dem Kampfstab in Richtung des heranfliegenden Gegners. Dieser wurde noch in der Luft von der vibrierenden Kraftwelle des Stabes getroffen. Das war, als würde die Schneehyäne gegen eine Wand springen. Schlimmer noch: Diese Wand schien spitz zuzulaufen und den Körper der Hyäne vom Kopf ausgehend in zwei Hälften zu teilen, die an Ort und Stelle zu Boden fielen, wobei sie den Wächter nur verfehlten, weil dieser rechtzeitig außer Reichweite gesprungen war.
Und schon kamen die anderen Tiere des Rudels heran. Sie gehörten allesamt zur größten Art, waren also durchschnittlich beinahe vier Meter lang, mit einer Masse, die deutlich über der von irdischen Bären lag.
Allerdings wurden sie zunächst von dem deutlichen Blutgeruch abgelenkt, der von den beiden Hälften ihres einstigen Artgenossen ausging.
Dem Wächter blieb dennoch nicht viel Zeit. Also rannte er wieder so schnell es der rutschige Untergrund zuließ.
Bei den vorgelagerten Felsen endgültig angelangt, hielt er vergeblich nach einer Deckung Ausschau. Es gab keine, die nicht auch seine Verfolger hätten bewältigen können.
Aber sie waren schlechte Kletterer. Also versuchte er, hier hinauf zu klettern.
Der von Eis und Schnee bedeckte felsige Untergrund war natürlich entsprechend rutschig. Aber der Wächter wäre niemals los geschickt worden, ohne körperliche Eigenschaften, die ihm jedem normalen Menschen haushoch überlegen machten. Nur deshalb, wenngleich ziemlich mühsam, gelang es ihm, mehr und mehr an Höhe zu gewinnen.
Und schon war das Rudel heran, und es gab längst noch nicht auf. Erst sprangen sie nach ihm. Doch er hatte seinen zeitlichen Vorsprung gut genutzt und war bereits außer Reichweite. Zumal der rutschige Boden ihre Sprungreichweite deutlich verkürzte.
Zwei von ihnen versuchten schließlich, hinterher zu klettern, rutschen aber erwartungsgemäß ab. Die anderen gaben endlich auf und widmeten sich wieder den letzten Überresten ihres toten Artgenossen, um ihren mörderischen Hunger wenigstens ein wenig zu stillen.
Der Wächter kletterte so hoch er kam und richtete sich dort oben zu seiner vollen Größe auf. Weiter links war eine größere Felsplattform. Dazwischen ein mehrere Meter weiter Abgrund. Dort lauerten immer noch zwei der Hyänen auf ihre Beute.
Um die Plattform zu erreichen, musste er einen riskanten Sprung wagen. Er nahm dabei so gut es ging Anlauf und schnellte sich am richtigen Punkt ab.
Durch den rutschigen Felsen bedingt wurde jedoch sein Sprung kürzer als berechnet. In voller Länge schlug er knapp unterhalb der Felsplattform gegen den Felsen und konnte den Rand oben gerade noch mit seinen behandschuhten Händen erreichen.
Es handelte sich um keine normalen Handschuhe. Sonst wäre es ihm vielleicht noch nicht einmal gelungen, trotz seiner körperlichen Geschicklichkeit, rechtzeitig von den Hyänen wegzukommen. Die Innenseite verringerte die Gefahr, abzurutschen, immerhin genügend, um sich rasch nach oben ziehen zu können.
Kleinere Steine, Schnee und Staub fielen dabei nach unten. Beinahe wäre er doch noch gerutscht und nach unten gefallen.
Er zog sich weiter und erreichte endlich sein Ziel.
Auch seine Stiefelsohlen waren weitgehend rutschfest, aber eben nicht rutschfest genug, wie es sich seit seiner Ankunft hier auf der Eiswelt erwiesen hatte. Er musste also nach wie vor übervorsichtig bleiben, bei jedem einzelnen Schritt, den er tat.
Vorsichtig spähte er von seiner Position aus hinunter. Die beiden Schneehyänen sprangen schon wieder die Felswand hoch und versuchten damit, zu ihm zu gelangen. Ihre Artgenossen hatten für sie nichts übrig gelassen. Der Hunger trieb sie scheinbar halbwegs in den Wahnsinn, weil sie einfach nicht einsehen wollten, dass sie bei ihren Versuchen scheitern mussten, an den Wächter heranzukommen. Sie rutschten jedenfalls mit den Vorderläufen immer wieder ab.
Irgendwann zwang sie allein schon die Erschöpfung zur Aufgabe. Sie drehten ab und verschwanden. Der Wächter war zumindest vor ihnen in Sicherheit.
Da es allmählich dunkel wurde, musste er sich als nächstes doch noch einen Unterschlupf suchen. Denn wenn er hier oben ungeschützt sich einfach nur auf den Boden legte, konnte ihm das trotz der eigentlich ziemlich optimierten Kleidung den Tod bringen. Nachts wurde es nämlich in dieser Gegend besonders kalt.
Er dachte an sein wirklich umfangreiches und ungemein hartes Überlebenstraining zurück, durch das man ihn für alle Fälle vorbereitet hatte.
„Ja“, murmelte er missmutig, „für alle Fälle. Außer für einen solchen Ernstfall!“
Nun, die Ausbildung, wie er sie auf der Lichtwelt „Sha Lyr“ erhalten hatte, war dennoch ziemlich umfassend. Sie bestand nicht nur aus Sport-, Kampf- und schierem Überlebenstraining in möglichst allen Situationen, sondern unter anderem auch aus Bildung im Bereich der Natur- und Geisteswissenschaften.
Es gab nur einen kleine Haken bei alledem, denn leider war speziell sein Studium noch gar nicht abgeschlossen gewesen. Sein Einsatz hier und jetzt hatte vorgezogen werden müssen. Es war leider unvermeidbar geworden und diente somit gewissermaßen auch der Prüfung seiner bisher erlernten Fähigkeiten.
Immerhin eine Prüfung, die mit dem Tode endete, falls er sie nicht bestand!
Er musste sich zudem eingestehen, dass sein Interesse in erster Linie der Theorie gegolten hatte und erst in zweiter Linie dem schieren Überlebenstraining. Sein Gehirn hatte vor allem alles Wissen über die Geschichte der Völker und der Lebensphilosophie der unterschiedlichsten Rassen und Wesen wie ein trockener Schwamm aufsaugt. Es faszinierte ihn enorm, wie das Leben entstanden war, sich immer noch weiter entwickelte, mit allen Facetten des Wachsens und Verstehens.
Seine grundsätzliche Philosophie dabei:
Ein jedes Lebewesen muss am Ende selbst entscheiden, welchen Weg es geht, was für ihn Bedeutung hat, und nimmt daher seine Umgebung auch ganz individuell wahr. So gibt es eigentlich nicht eine, also nicht DIE objektive Realität, da diese für jeden anderen zwangsläufig anders erscheint. Jedes Lebewesen erschafft sich gewissermaßen seine eigene Realität durch eine andere Wahrnehmung der Ereignisse in seiner Umgebung. Leider völlig unabhängig von der Wirklichkeit. Gegenseitige Toleranz und zumindest der Versuch zu verstehen sind dabei selbstverständlich die höchsten aller Tugenden.
Er hatte es in seinen Wahlspruch verpackt:
„Wer mit allen Lebewesen in Frieden leben möchte, der sollte versuchen, jedes seiner Individualität nach zu verstehen!“
Konnte man aber beispielsweise ein parasitäres Lebewesen, das andere zum Eigennutz versklavte, verstehen? Ja, man konnte seiner Meinung nach, aber nicht ohne dabei sein eigenes Leben und das seiner Art zu schützen und zu verteidigen mit allen gegebenen Mitteln.
Sonst hätte er sich ja einfach nur von den Hyänen auffressen lassen können beispielsweise.
Und in seiner ganz speziellen Situation, gemäß seiner ganz besonderen Mission, ging es noch nicht einmal nur um das eigene Überleben und das der eigenen Rasse, sondern nach Lage der Dinge um das Fortbestehen allen Lebens im bekannten Universum!
Und das bedingte, dass er eben so bald wie möglich einen passenden Unterschlupf für die Nacht fand. Sonst relativierten sich all seine Ansprüche ganz von selbst, wenn er spätestens zum nächsten Morgen hier tot im Schnee lag.
Sein Kampfstab war gewissermaßen ein Universalgerät, wenn man so wollte. So enthielt er sogar eine Projektionsvorrichtung. Damit konnte man Bilder und Filme in Form von Hologrammen erzeugen.
Der Wächter ohne Namen - weil kein Wächter während einer Mission einen Namen haben durfte, denn es galt das magische Prinzip, dass man über den Namen jemanden manipulieren konnte - steckte einen Datenkristall in die dafür vorgesehene Kerbe am Stab und projiziere damit eine detaillierte Karte der Landschaft in den Schnee.
Ein Nanorechner innerhalb des Stabes errechnete seine Position, löste den Scan der näheren und weiteren Umgebung aus und projizierte schließlich sowohl Ausgangspunkt als auch Ziel, plus natürlich die Anzeige des möglichen Weges.
Für einen Unbedarften hätte das wie die Magie eines Zauberers mit seinem Zauberstab gewirkt.
Bevor er los marschierte, ließ er in der Karte auch das Portal anzeigen. Das war inzwischen möglich, weil er dafür nah genug heran gekommen war.
Allerdings bei diesen widrigen Umständen vielleicht noch bis zu einem halben Tagesmarsch entfernt.
Ansonsten funktionierte die Wegbeschreibung immerhin so gut, dass er tatsächlich nicht lange zu suchen brauchte. Bald schon fand er eine dunkle Öffnung im Felsen. Er hätte sie ohne Wegbeschreibung allerdings glatt übersehen in dieser Umgebung, die von der hereinbrechenden Nacht grau in grau gefärbt wurde.
Und tatsächlich: Die Höhle war leer und hatte noch keinen tierischen Bewohner, der ihm diesen Nachtplatz hätte streitig machen können.
Mit dem Stab leuchte er umher. Das tat er nur, wenn es unbedingt nötig wurde. Überhaupt setzte er den Stab niemals unnötig ein. Um Energie zu sparen, die er im Ernstfall viel dringender benötigte.
Im eher spärlichen Licht, das von dem Stab ausging, sah er, dass der Boden weitgehend glatt war und nur vereinzelt mit flachen Kieselsteinen bedeckt. Irgendwie war es im Innern der Höhle ungewöhnlich warm. Jedenfalls war die Temperatur um nur null Grad, was einen erheblichen Unterschied machte. Die Wände waren mithin feucht, und sie bestanden aus eher rauem Felsmaterial.
An einigen Stellen wuchsen sogar Moose und Flechten.
Er türmte am Eingang zu Quadern geschnittene Eisblöcke auf, um nicht im Schlaf von hungrigen Eindringlingen überrascht zu werden. Material dazu gab es draußen ja überreichlich. Dazu musste er nur sein Messer benutzen, ganz so wie es die alten Eskimos auf der Erde getan hatten. So hatte man es ihm im Training beigebracht.
Dadurch wurde es in der Höhle sogar noch ein wenig wärmer, und er konnte teilweise seine Spezialkleidung ausziehen und als Unterlage für ein Lager verwenden.
Bevor er sich jedoch hinlegte, kontrollierte er erst noch seine Ausrüstung und den Proviant. Er legte seine Waffen griffbereit ab und setzte sich im Schneidersitz nieder. Aus dem Proviantsack zog er eine Dose mit einer Art Trockenpflaumen und entnahm einige davon, um sie zu der nächsten Portion erbeutetem Fleisch vom Eiswurm zu essen.
Während er sich danach auf seinem provisorischen Lager niederstreckte, dachte er noch einmal darüber nach, wie dieses Abenteuer für ihn eigentlich begonnen hatte…
*
Schier unzählige Sterne erleuchten jenen Bereich nahe des galaktischen Zentrums unserer sogenannten Milchstraße, auch Galaxis genannt. Allerdings nur von außen, weil kein Licht aus ihrem Innern jemals seinen Weg nach draußen finden würde. Die Dichte dieser Wolke ist immerhin so hoch, dass jedes Raumschiff, das in diesen Bereich einfliegen wollte, regelrecht zerrieben werden würde. Für alles innerhalb ist die umgebende Dunkelwolke somit ein schier unüberwindbarer Schutzwall.