Hallo Ruhestand! - Peter Collier - E-Book

Hallo Ruhestand! E-Book

Peter Collier

4,0

Beschreibung

Der Eintritt in den Ruhestand ist zugleich der Start in eine neue Freiheit. Das ist die Philosophie von Peter Collier, Luitgard und Berthold Jany. Das Buch verbindet eine Erzählung mit fachlichen Beiträgen voller Lebenserfahrung. Ein fröhliches Buch, aber kein Witzbuch. Ein lebensbejahender Aufruf an alle, die es betrifft, ihre ganz persönliche "Ich-AG" zu gründen und damit einen faszinierenden Lebensabschnitt zu gestalten. Mit Cartoons von Haralds Klavinius

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Peter Collier / Luitgard Jany / Berthold Jany

Hallo Ruhestand!

Start in eine neue Freiheit

Impressum

Titel der Originalausgabe: Hallo Ruhestand!

© weConsult-Verlag Peter Collier, Rimpar-Maidbronn 2010

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2017

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Illustrationen im Innenteil: Haralds Klavinius, Würzburg

Gestaltung: Anita Schreiner, Würzburg

Umschlaggestaltung: Agentur IDee

Umschlagmotiv: © Prokhorovich / Shutterstock

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (E-Book): 978-3-451-81106-7

ISBN (Buch): 978-3-451-06970-3

Inhalt

Bevor es richtig los geht – ein paar Vorbemerkungen

Leben Sie!

Der Übergang kommt nicht plötzlich

Ihr Börsenwert im Unternehmen sinkt

Der Augenblick des Abschieds

Wer bin ich jetzt?

Mensch sein – ein Amt für Ehre, nicht für Geld

Kenntnisse aus dem Beruf weitergeben

Endlich Zeit für Hobbys

Fit wie ein alter Turnschuh

Die Kreativität wiederfinden

Auch das noch: Jetzt muß ich mich selbst organisieren!

Freunde, das Leben ist lebenswert!

Das alte Leben auf neue Art fortsetzen?

Das Leben ändert sich oft für zwei Menschen

Glückwunsch: Angekommen im neuen Gleichgewicht!

Nachwort

Anmerkungen

BEVOR ES RICHTIG LOS GEHT – EIN PAAR VORBEMERKUNGEN

Was dieses Buch möchte und was es nicht möchte • Vor Ihnen liegt ein faszinierender Lebensabschnitt • Was Ruhestand mit Pubertät zu tun hat • Jeder muß seinen eigenen Weg finden

Lieber Leser,

dies ist kein Buch über das Älterwerden! Davon gibt es inzwischen eine ganze Menge auf dem Markt. Hier werden Sie auch keinen Tip bekommen, wie Sie Ihre Rente beantragen und welche Pillen Sie bei irgendwelchen Altersgebrechen nehmen sollen. Dies ist aber auch kein Ratgeber, der Ihnen mit erhobenem Zeigefinger vorschreibt, wie Sie sich in dieser oder jener Lebenslage am besten zu verhalten haben, damit Sie es ja richtig machen.

Wir haben uns auf einen ganz kleinen Abschnitt unseres Lebens konzentriert, auf den Übergang von dem, was man so gemeinhin als Berufsleben bezeichnet, in die neue Freiheit des dritten Lebensabschnitts. Dieser Übergang ist eine faszinierende Phase. Und je mehr wir uns mit dem Thema beschäftigt haben, umso mehr wurde uns bewußt, daß es gut ist, sich schon sehr früh auf diesen Abschnitt einzustellen. Deshalb hoffen wir, daß auch der eine oder andere, der noch mitten im Berufsleben steckt, dieses Buch liest. Auch hier gilt: Es ist nie zu früh und selten zu spät!

So möchte dieses Buch Ihnen ein Begleiter sein, im Übergang zu einem ganz neuen Lebensabschnitt nach der Zeit des Erwerbslebens die neuen Chancen zu ergreifen. Ein Übergang ist ja immer eine Zeit der Krise und der Ungewißheit.

Sie werden sehen: Die Zahl der Chancen in Ihrem neuen Lebensabschnitt ist sehr groß – sicherlich viel größer, als Sie selbst es sich vorstellen und vielleicht größer, als Sie sie je zuvor hatten.

Deshalb lag es nahe, über dieses Thema ein fröhliches Buch zu schreiben. Ein Buch, das einerseits eine Geschichte von einem ist, der auszog, den Ruhestand zu lernen. Und auf der anderen Seite wollen wir mit Mythen, die sich rund um das Thema Ruhestand gebildet haben, gründlich aufräumen. Also gewissermaßen auch ein Entrümpelungsbuch! Entrümpelungsaktionen führen im allgemeinen dazu, daß hinterher der Blick freier und klarer wird. Wir hoffen, daß uns dies gelungen ist. Sie können die 191 Seiten in einem Rutsch lesen – sie können sich aber auch die einzelnen Kapitel häppchenweise zu Gemüte führen. Wir haben uns vorgenommen, daß es auch Spaß machen sollte, dieses Buch zu lesen. Da kann es uns natürlich passieren, daß strenge Wissenschaftler zuweilen die deutsche Ernsthaftigkeit der Wissenschaft in unserer Erzählung vermissen....

Aber wie sagte es doch Curt Goetz, in seinem herrlichen Theaterstück „Dr. med. Hiob Prätorius“ so schön:

Gelehrt sind wir genug.

Was uns fehlt, ist Freude,

was wir brauchen, ist Hoffnung,

was uns nottut,ist Zuversicht,

wonach wir verschmachten,

ist Frohsinn!

Schließlich lassen sich auch Lebensaufgaben am besten lösen, wenn sie nicht allzu ernst und bissig angegangen werden.

Dies ist auch kein Ratgeber von jemandem, der weiß, wie es geht. Die Welt ist voll mit solchen Leuten! Wenn Sie jetzt vielleicht 60 oder 65 sind, haben Sie im Laufe Ihres Lebens gelernt, ganz vorsichtig zu sein, wenn einer kommt, der behauptet, es ganz genau zu wissen, wie es geht.

Dieses Buch ist zum einen ein Erfahrungsbericht. In diesen Bericht sind ebenso eigene wie auch Erfahrungen anderer eingearbeitet. In zahlreichen Gesprächen haben wir viele Anregungen bekommen. Luitgard und Berthold Jany, sie Diplom-Psychologin, er Professor und Chefarzt für Innere Medizin am Klinikum Würzburg-Mitte, haben sich aus ihrer fachlichen Warte kritisch mit zahlreichen fragwürdigen Mythen und anderen Thesen um das Thema Ruhestand auseinandergesetzt.

Wenn drei Autoren an einem Buch schreiben, dann kann es auch immer wieder einmal unterschiedliche Perspektiven geben. Wir haben uns nicht bemüht, diese zu verstecken. Denn es gibt, wie so oft im Leben, auch hier nicht nur eine Wahrheit.

Dank sei gesagt den Graphik-Designern Anita Schreiner und Haralds Klavinius, die das Buch mit viel Freude und Liebe zum Detail gestaltet haben.

Zur besseren Lesbarkeit haben wir uns dafür entschieden, auf geschlechtsspezifische Sprachformen zu verzichten. Unsere – hoffentlich zahlreichen – Leserinnen mögen sich also z.B. durch die neutrale Form „Leser“ genauso angesprochen fühlen! Ebenso haben wir im wesentlichen die herkömmliche Rechtschreibung verwendet. Sie dürfte Ihnen, lieber Leser, auch vertrauter sein und ist oftmals einfach leichter lesbar.

So wünschen wir Ihnen viel Freude am Lesen!

Man soll das Feuer

in seiner Seele

nie ausgehen lassen,

sondern es schüren.

Vincent van Gogh

LEBEN SIE!

Gestern unterhielt ich mich mit einem Freund über seinen bevorstehenden Ruhestand. Nach einigem Zögern beichtete er mir, daß er mit einiger Sorge daran denke. Vor allem mache er sich Gedanken über das Einkommen, das dann geringer sei als heute. Ein anderer Bekannter hatte mir vor längerer Zeit einmal gestanden: „Vor diesem Tag habe ich einen furchtbaren Horror!“ Er war das, was man so landläufig als ein ausgesprochenes Arbeitstier bezeichnet, ein Mensch, der ausschließlich in seiner und für seine Arbeit lebt. Und nun sollte sie bald zu Ende gehen, und er fühlte sich schon in ein tiefes Loch fallen.

Schockieren kann ja schon allein der Begriff: „Ruhestand“! Man muß es sich wohl auf der Zunge zergehen lassen:

Ruhestand

Das klingt so wie ruhiggestellt, stehen bleiben, bar jeder Vitalität – tot, Hände in den Schoß legen, vor dem Austragshäuserl in der warmen Herbstsonne sitzen und warten, bis irgendwo irgendetwas passiert – nur nicht bei einem selbst! Im Duden der Synonyme wird es als „Lebensabend“ beschrieben; der Begriff findet sich zwischen „Ruhesessel“ und „Ruhestätte “. Außenstehende scheinen manchmal die beiden Begriffe zu verwechseln. Deshalb tröstete der frühere Bundespräsident Roman Herzog die bei seiner Verabschiedung emotional vom Leder ziehenden Vorredner mit dem Hinweis: „Ich scheide doch nur aus dem Amt, nicht aus dem Leben!“

Meistens nennt man hierzulande den Ruhestand „wohlverdient“. Das klingt dann so wie ein bißchen „selbst schuld!“ Seit der grandiosen Rechtschreibreform schreibt man das: „wohl verdient“ – ein eigenartiger Zungenschlag, der die Frage aufkommen läßt, ob man den Ruhestand nun verdient hat oder vielleicht doch nicht?

Zur Trauer oder Schwermut ist in diesem Alter jedenfalls kein Grund. Dabei muß man sich ja nur die Statistik ansehen: Ein Mann lebt in Deutschland heute 77 Jahre, eine Frau wird im Durchschnitt 83 Jahre alt. Der frischgebackene Ruheständler kann im Durchschnitt noch auf 17 Jahre hoffen – erfüllte Jahre oder solche im Wartestand. In der griechisch-römischen Antike lag dagegen die mittlere Lebenserwartung bei 20 Jahren, in der Zeit Goethes bei 35 Jahren und noch Anfang des 20 Jahrhunderts bei gerade einmal 45 Jahren! Allein seit 1945 ist in Deutschland die Lebenserwartung um mehr als zehn Jahre gestiegen – und sie steigt immer noch.

Aber die Tatsache bleibt, daß der Eintritt in den Ruhestand für die Menschen einen Bruch in der Lebensgeschichte darstellt. Beispiele für Menschen, die damit Schwierigkeiten haben, gibt es zuhauf. Gestern erzählte mir eine Bekannte von einem Onkel, der nun – nach Erreichen der Grenze – in der berühmten Familien-GmbH (Geh mal • Mach mal • Bring mal • Hol mal!) seine Beschäftigung findet. Damit der Tag ausgefüllt ist, geht er erst zum Bäcker, kommt heim, dann zum Metzger, kommt wieder heim, dann zum Lebensmittelladen ... usw.

Freunde berichteten mir von dem pensionierten Schulleiter, der täglich in seiner alten Schule aufkreuzt und fragt, ob nicht eine Vertretung zu machen sei.

Wer einen sehr kontinuierlichen Lebenslauf hatte – bei mir war es so – der tut sich schwerer mit diesem ersten großen Bruch als jemand, der in der Zeit seines Berufslebens mehrfach die Arbeitsstelle wechseln mußte oder auch umgezogen ist. Und auch Frauen gelten hier wohl als flexibler. Während wir Männer voll in unserem Beruf aufgehen (oder auch untergehen!), da sehen Frauen dann doch wohl öfter, daß das Leben mehr ist als nur der Beruf.

Das Projekt, ein Buch mit meinen eigenen Erfahrungen zu schreiben, startete, nachdem ich mich entschlossen hatte, jetzt nicht mehr vor diesem näherrückenden Ereignis die Augen zu verschließen sondern es aktiv anzugehen!

Bis dahin ging es mir so wie vielen anderen: Auf Hinweise meiner Frau auf dieses, das Alter andeutende Ereignis, reagierte ich unwirsch, und wenn mich jemand fragte, wann ich wohl in den „wohlverdienten Ruhestand“ gehen würde, antwortete ich, teils ärgerlich, teils schnippisch, „in 27 Jahren“, woraufhin die meist wohlwollenden Frager mit einem verzeihenden Lächeln das Thema beendeten. Noch bei meinem 60. Geburtstag hatte ich – ein wenig großspurig – meiner Umwelt erklärt, daß ich nicht daran denke, aus meinem Beruf auszuscheiden. Vielleicht war's auch damals wie das Pfeifen des ängstlichen Kindes im dunklen Wald.

In den USA war es mir das erste Mal auf einer Reise passiert, daß mich freundliche Menschen fragten „Are you retired?“ („Sind Sie schon im Ruhestand?“). Innerlich war ich geradezu empört, wie man mich so etwas fragen könne, mich, der ich mit meinen 51 Jahren so fest im Beruf stand, daß an ein Aufhören auch nicht im entferntesten zu denken war!

Vor zwei Jahren – ich war gerade 64 geworden – dämmerte es mir so ganz allmählich: Jetzt mußt Du Dich wohl doch damit befassen, wie Du nach dem Ruhestand Dein Leben gestalten willst! Womit der geneigte Leser spürt, daß sich ihm hier kein vorbildlicher Ruhestandsplaner präsentiert!

So, und jetzt habe ich selbst diesen Sprung ins neue Leben unternommen und habe ihn wohl auch ganz gut überstanden. Wenn Sie das Buch als Noch-nicht-Betroffener in Händen halten, wird es Ihnen vielleicht helfen, Ihre Eltern, Verwandten oder Freunde besser zu verstehen, die jetzt die „Grenze“ überschritten haben.

Die erste Erkenntnis für den, der sich mit dieser Grenze befaßt, lautet:

Das Leben,

Ihr Leben geht weiter.

Noch nie war Ihr eigener Freiraum so groß wie jetzt: Sie möchten in der nächsten Woche einen kleinen Urlaub machen? Bitte sehr! Sie wollen heute ins Museum gehen zu einer schönen Ausstellung oder ins Schwimmbad? Nichts hindert Sie daran – außer vielleicht Ihrer eigenen Trägheit. Zum ersten Mal in Ihrem Leben können Sie ein Leben führen, das nicht mehr fremdbestimmt ist. Sie können jetzt über Ihre Zeit verfügen, Sie können selbst die Prioritäten in Ihrem Leben setzen. Vorher gab es Chefs, die ihre eigenen Vorstellungen hatten, auch Kunden oder die verschiedenen Geschäftspartner. Wie oft war es mir in meiner Vergangenheit passiert, daß meine Frau mir mit einer Theaterkarte winkte – ich gehe gern ins Theater – und ich mußte dann sagen: Heute geht es nicht, heute habe ich die oder jene berufliche Verpflichtung.

Mit den Verpflichtungen dieser Art ist es nun vorbei. Und alles, was ich mir an neuen Pflichten freiwillig auflade, kann ich wieder abwerfen, wenn mir die Last zu groß werden sollte. Wer das im Beruf versucht, wird schnell eines Besseren belehrt werden. Auch der Selbständige, den man manchmal wegen seiner eigenen Freiheit beneidet, muß sich ja nach allem Möglichen richten: Den Kunden, den Banken, den Behörden, den Lieferanten, den Mitarbeitern ....und, und, und!

Ruhestand ist auch kein Leben im Wartestand. Die Großmutter einer Freundin hatte sich noch mit 60 Jahren schwarze Kleider angezogen und verabschiedete sich damit aus der aktiven Gesellschaft. Fortan war sie die nächsten 30 Jahre im wesentlichen daheim und begann im Warten auf ihr eigenes Ende nichts Neues mehr. Das war in jener Zeit gar nicht so ungewöhnlich. Einen Ausbruchsversuch aus diesem Schemadenken schilderte Bert Brecht in seiner Novelle: „Die unwürdige Greisin“. Eine 70-Jährige, die ihre Umwelt in ihrem kleinen Dorf damit schockt, daß sie beginnt, einmal in der Woche in das Kino der nahegelegenen Kleinstadt zu fahren. Der Titel allein sagt, wie ihre Nachbarn und Verwandten darüber dachten.

Schauen Sie heute eine 70- oder auch 80-jährige Frau an: Viele von Ihnen spazieren selbstverständlich modisch chic gekleidet durch unsere Fußgängerzonen, bevor sie dann zum Tennis oder Golf fahren. Neulich erzählte mir ein Chirurg von einem 78-jährigen Patienten, der wegen einer Schulterverletzung bei ihm war. Der Patient klagte, daß er mit dieser Verletzung beim Tennis keinen ordentlichen Aufschlag mehr ausführen könne. Natürlich wurde er operiert und spielt jetzt wieder ohne Behinderung. Vor 20 Jahren hätte man vielleicht noch gesagt: „... na, in Ihrem Alter?“

In Ehen haben sich nicht selten inzwischen die Partner neu zueinander hin orientiert. Kinder sind ja nicht nur etwas Wunderschönes – oh ja, das sind sie auch! Aber zuweilen bietet der Alltag der Erziehung auch immer wieder Anlässe zu Familiengewittern („Warum muß ich mir immer den Mund fusselig reden – Du könntest Dich auch mal um die Erziehung der Kinder kümmern ...!“) Solche Anlässe gibt es jetzt nicht mehr! Die Kinder sind versorgt und gehen ihren eigenen Weg. Und wer dennoch ein Hotel Mama für die lieben inzwischen gar nicht mehr so Kleinen betreibt, für den wird es höchste Zeit, diese jetzt mit Nachdruck auf die eigenen Füße zu setzen.

Sie sind mit 60 oder auch mit 65 Jahren in einem Alter, in dem die meisten Menschen noch sehr leistungsfähig sind. Nicht jeder ist ein Supersportler (auch die gibt es!), aber zumeist funktionieren Körper und Hirn ja noch ganz gut. Bereits vor 10 Jahren haben Berliner Forscher herausgefunden, daß

rund 80% aller 65-Jährigen in ihren Alltagsaktivitäten kaum eingeschränkt

sind. Gewiß gibt es hier Unterschiede, der Schreibtischtäter war anders belastet als der Maurer. Aber auch da muß der Verschleiß nicht endgültig sein: „Viele erholen sich vom Streß, dann geht’s wieder“ erzählte mir Oswald Schafbauer. Oswald war nach 48 Jahren harter körperlicher Arbeit als Maurer in den Ruhestand gegangen. Damals führten gesundheitliche Gründe zum vorzeitigen Abschied; jetzt geht es ihm wieder deutlich besser, er betreibt Sport und ist auch sonst mit seinen 70 Jahren aktiv.

Die Mortalitätsquote der Männer hatte ihren Höhepunkt zwischen dem Alter von 55 bis 65 Jahren: Dahinter steckt auch die besondere Belastung im Beruf, die oft das notwendige Gleichgewicht zwischen Anspannung und Ausgleich verhindert.

Materiell sind die meisten ordentlich – und verläßlich! – abgesichert. Die Altersarmut bleibt eine Ausnahme, so erläutert es der Sozialexperte und Generalsekretär der Caritas, Georg Cremer, in seinem Buch „Armut in Deutschland“ 2016.

Lassen Sie sich nichts von einem angeblich bevorstehenden Kollaps der gesetzlichen Rentenversicherung erzählen: Für die nächsten 10 bis 20 Jahre ist das System inzwischen stabil eingerichtet, und die demographischen Veränderungen vollziehen sich immer in kleinen Schritten, vorausgesetzt, die Politik macht nicht allzu viel Unsinn.

Daß mittelfristig dieses System dazu führen muß, daß die Beiträge steigen werden und andererseits die Renten eher stagnieren oder auch geringfügig zurückgehen könnten, auch darauf kann und muß man sich einstellen. Aber es ist ja auch ganz schön, wenn man sein Einkommen als relativ stabil und unabhängig von den Ausschlägen der Wirtschaft sehen kann. Und die heutigen Erben (jedes Jahr werden bei uns in Deutschland über 200 Milliarden Euro vererbt!) sind mittlerweile 61 Jahre alt. Übrigens: 200 Milliarden, das ist fast die Hälfte des jährlichen deutschen Einzelhandelsumsatzes.

Jedenfalls ist diese Generation, die jetzt in den Ruhestand tritt, ganz schön optimistisch. So optimistisch, daß mehr als die Hälfte von ihnen gern 85 Jahre oder älter werden möchte. Angela und Karlheinz Steinmüller schreiben in ihrem Buch „Visionen 1900-2000-2010“ über die Generation 50+, zuweilen auch „Goldies“ oder – wegen ihrer Haarfarbe – auch „Generation Silber“ genannt: „Sie wollen von ihrem Geld noch etwas haben und investieren deshalb kräftig in ihren Körper, stürzen sich bisweilen in die aberwitzigsten Abenteuer und überqueren auf den Spuren tibetischer Mönche Himalaya und Transhimalaya.“ Die Engländer nennen diese Altersgruppe Woopies (well-off older people).

Also: keine schlechten Aussichten! Ja, und das Ganze läßt sich dann durch die Erkenntnis abrunden, daß die Jahre begrenzt sind, die uns die Fülle des Lebens genießen lassen, Zu wissen, daß diese Lebensphase nicht unendlich lange dauert, das steigert noch den Wert dieser Jahre. Diese Erkenntnis legt uns nahe, ja keinen Tag nutzlos zu verschenken, jedenfalls nicht in Trübsal. Nehmen wir uns lieber ein Beispiel an dem Vogel auf dem Leim, den Wilhelm Busch angesichts eines auf dem Baum immer näher kommenden Katers sagen läßt:

Drum will ich keine Zeit verlieren,

will noch ein wenig quinquilieren

und lustig pfeifen wie zuvor!

Der Vogel – scheint mir – hat Humor!

sagt Wilhelm Busch. Er hat recht!

Der Mythos, mit zunehmendem Alter beginne die Passivität spiegelt markant negative gesellschaftliche Erwartungshaltungen wieder. Leider werden in unserer Gesellschaft Alter und Ruhestand bislang häufig, fast automatisch, nahezu kollektiv unbewußt mit Passivität verknüpft. Zum einen liegt das sicherlich an den negativen Aspekten, die generell mit Alter assoziiert werden. Gesundheitsprobleme, Verlusterlebnisse, Schwäche, Einschränkung der Mobilität und anderes mehr. Alter gilt als negative Abweichung von der Jugend. Das Neue, Besondere, Bereichernde des Älterwerdens wird nicht gesehen.