Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Neuauflage des deutschsprachigen Standardwerks zur Online-Kommunikation zeigt Herausforderungen, Konzepte und Instrumente aus Sicht des Kommunikationsmanagement auf. Namhafte Autoren aus Wissenschaft und Praxis geben in 30 Beiträgen einen systematischen Überblick zu Strukturen, Prozessen, Tools und Best Practices. Der Wandel einzelner Handlungsfelder wie Medienarbeit, interne Kommunikation und Public Affairs wird ebenso thematisiert wie die Besonderheiten von Online-Monitoring, Kampagnenführung im Netz, Personalisierung oder Storytelling. Für die Neuauflage sind Beiträge zu Mobile Media, Facebook-Kommunikation, Employer Branding und Personalkommunikation sowie Evaluation und Erfolgskennzahlen hinzugekommen; zudem wurden alle Texte aktualisiert und erweitert. Die Beiträge zeigen, dass es nicht ausreicht, digitale Kommunikation als neuen Baustein in herkömmliche Strategien einzubauen. Stattdessen ist ein grundlegendes Umdenken notwendig. Das Zeitalter der Massenmedien geht zu Ende. Wer für professionelle Kommunikation verantwortlich ist, muss den Wandel verstehen, soziale und technologische Rahmenbedingungen adaptieren sowie neue Strategien entwickeln. Jenseits schnelllebiger Moden geht es vor allem darum, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen und die Stärken beziehungsweise Schwächen verschiedener Ansätze zu verstehen. Dies leistet das wissenschaftlich fundierte und zugleich praxisnahe "Handbuch Online-PR" mit zahlreichen Fallbeispielen.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 816
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Ansgar Zerfaß ist Professor für Strategische Kommunikation an der Universität Leipzig sowie Professor in Communication and Leadership an der BI Norwegian Business School Oslo. Er forscht seit den 1990er-Jahren zur Online-PR. Für den erfolgreichen Aufbau von Internet-Portalen wurde er mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Deutschen Multimedia Award.
Thomas Pleil ist Professor für Public Relations an der Hochschule Darmstadt und dort Direktor des Instituts für Kommunikation und Medien sowie Leiter des Studiengangs Onlinekommunikation (B. Sc.), den er aufgebaut hat. Er verfügt über langjährige PR-Berufserfahrung, betreibt seit 2004 eigene Plattformen im Social Web und begleitet namhafte Organisationen bei ihren Online-Strategien.
Einleitung
(Ansgar Zerfaß, Thomas Pleil)
I Grundlagen und strategische Herausforderungen
Kommunikation in der digitalen Welt
(Thomas Pleil)
Strategische Kommunikation in Internet und Social Web
(Ansgar Zerfaß, Thomas Pleil)
II Strukturen und Basisprozesse
Online-Monitoring: Ziele und Methoden
(Thomas Pleil, Pia Sue Helferich)
Social Media Governance
(Stephan Fink, Ansgar Zerfaß, Anne Linke)
Auffindbarkeit im Web
(Heinz Wittenbrink)
Content-Strategie
(Brigitte Alice Radl, Heinz Wittenbrink)
Evaluation und Erfolgskennzahlen für die Kommunikation in Internet und Social Media
(Patrick Weber, Wolfgang Schweiger)
III Stakeholder-Kommunikation in Internet und Social Web
Medienarbeit in der Online-Unternehmenskommunikation
(Marcel Bernet, Guido Keel)
Investor Relations: Online-Kommunikation mit Analysten und Anlegern
(Ansgar Zerfaß, Kristin Köhler)
Kundenkommunikation: Markenbildung und Beziehungsmanagement im Web
(Jörg Hoepfner)
Public Relations: Online-Kommunikation und Reputationsmanagement im gesellschaftlichen Umfeld
(Arne Westermann, Michaela Schmid)
Digital Public Affairs: Interessenvermittlung im politischen Raum über das Social Web
(Caja Thimm, Jessica Einspänner-Pflock)
Interne Kommunikation: Digitale Strategien für Mitarbeiter und Führungskräfte
(Sabine Einwiller, Christine Korn)
IV Instrumente und Plattformen
Websites als Basis der Unternehmenskommunikation im Internet
(Mark-Steffen Buchele, Saim Alkan)
Microblogging am Beispiel von
(Stephan Fink)
Web-Videos in der internen und externen Unternehmenskommunikation
(Nikolai A. Behr)
Wikis in Wissensmanagement und Unternehmenskommunikation
(Thomas Pleil, Daniel Rehn)
Online-Communities im Kommunikationsmanagement
(Thomas Pleil, Matthias Bastian)
als Instrument der Unternehmenskommunikation
(Madlen Mammen)
Online-Pressebereich und Social Media Newsroom: Konzeption und Praxis
(Dominik Ruisinger)
Social Intranets
(Thomas Mickeleit, Daniel Pankatz)
Mobile Media in der Unternehmenskommunikation
(Katarina Stanoevska-Slabeva)
V Spezifische Konzepte und Herausforderungen
Online-Kampagnen
(Diana Ingenhoff, Britta Meys)
CSR- und Nachhaltigkeitskommunikation im Internet
(Anne Linke)
Employer Branding und Personalkommunikation im Web
(Wolfgang Jäger)
Krisenkommunikation unter den Bedingungen von Internet und Social Web
(Claudia Becker)
Personalisierung und Storytelling in der Online-Kommunikation
(Stefan Wehmeier, Peter Winkler)
Dialogkommunikation und Partizipation: Wandel einer kommunikativen Praxis
(Dietrich Boelter, Hans Hütt)
Autoren
Index
Das Internet und speziell Social Media sind heute ein integraler Bestandteil strategischer Kommunikation in Unternehmen, Nonprofit-Organisationen und öffentlichen Institutionen. Dabei ist der anfängliche Hype inzwischen einer nüchternen Betrachtung der Chancen und Grenzen gewichen. Beim Erscheinen der ersten Auflage dieses Handbuchs stand der Umgang mit der digitalen Evolution und dem Social Web auf der Liste der größten Herausforderungen für Kommunikationsmanager in Europa noch an erster Stelle. Das Thema steht in der gleichen jährlichen Befragung, dem European Communication Monitor, weiterhin weit oben. Doch noch wichtiger erscheint den meisten Befragten inzwischen die zielgerichtete Verknüpfung von Kommunikations- und Organisationszielen. Deshalb versteht sich die vorliegende Publikation nicht als Protagonist visionärer Möglichkeiten, sondern als wissenschaftlich fundierter Überblick zu Grundlagen, Konzepten und wertschöpfenden Einsatzmöglichkeiten der Online-Kommunikation.
In der digitalen Welt ist es bislang sorgfältig auf Distanz gehaltenen Stakeholdern möglich, nahe an Unternehmen und andere Organisationen heranzurücken. Mit eigenen Publikationsmöglichkeiten, die von der einfachen Bewertung bis zum ausführlichen Beitrag oder Video auf eigenen Weblogs, in Verbrauchercommunities oder Plattformen wie WIKIPEDIA und YOUTUBE reichen, können sie auch Erwartungen formulieren und beispielsweise nachvollziehbare Argumente statt platter Werbeversprechen einfordern.
Umgekehrt bieten sich auch für Organisationen vielfältige Möglichkeiten, von sich aus direkte Beziehungen zu Stakeholdern zu pflegen. Ohne zwischengeschaltete journalistische Gatekeeper sollte die Kommunikation viel effizienter und dialogorientierter aussehen – könnte man meinen. Doch diese oft formulierten Hoffnungen erfüllen sich in vielen Fällen nicht. Neue Technologien sind kein Garant dafür, dass Kommunikationsbeziehungen konstruktiv gestaltet werden. Und eine nochmals andere Frage ist, ob beziehungsweise in welchen Situationen Organisationen und Publika darauf überhaupt Wert legen und gegenseitig darauf eingestellt sind.
Denn Jahrzehnte lang haben sich Unternehmen und andere Akteure an den Spielregeln der traditionellen Mediengesellschaft orientiert und einen großen Teil ihrer Bemühungen auf die Massenmedien und journalistische Vermittlungsinstanzen ausgerichtet. Unternehmens- und Organisationskommunikation oder auch Public Relations (PR) wurden deshalb oft mit der Presse- und Medienarbeit gleichgesetzt. Das reicht in der zugleich fragmentierten und vielfach integrierten Netzwerkgesellschaft nicht mehr aus. Gefragt sind Konzepte, die die weiterhin bedeutsame Rolle der Massenmedien für die öffentlichen Meinungsbildung berücksichtigen und zugleich die Dynamik dezentraler Öffentlichkeiten sowie institutioneller und interpersonaler Kommunikationsprozesse aufgreifen. Diese Notwendigkeit ergibt sich schon aus dem Wandel der Mediennutzung: Die Auflagen der Tageszeitungen gehen teilweise dramatisch zurück; junge Erwachsene und damit wichtige Arbeitnehmer, Konsumenten und Bürger sind mit ihnen kaum mehr erreichbar. Selbst die Zeit, die Fernsehen und Radio gewidmet wird, geht bei vielen zurück - zugunsten von Internet und Social Media.
Kommunikationsverantwortliche in Unternehmen und Agenturen stehen ebenso wie Wissenschaftler und Studierende vor der Herausforderung, diese dynamische Entwicklung zu verstehen, die Online-Kommunikation in bewährte Vorgehensweisen zu integrieren und sich die notwendigen Kompetenzen anzueignen. Dies ist besonders schwierig, weil für die Kommunikation und Vernetzung im Internet eine Vielzahl an Diensten und Plattformen bereit steht. Täglich kommen neue hinzu, manche Angebote verschwinden nach einer Weile wieder, andere werden populär und gleichsam zur Infrastruktur der weltweiten Kommunikationskultur. Oft genug wird von Protagonisten, Fachmedien und Dienstleistern proklamiert, ein bestimmter Dienst müsse im Rahmen der Organisationskommunikation selbstverständlich berücksichtigt werden. Und so werden Kommunikationsmanager von der Geschäftsleitung angehalten, schnell ein eigenes FACEBOOK-Profil einzurichten oder Dozenten motiviert, sich in den Konzeptionstrainings für angehende PR-Fachleute statt mit klassischen Medienkampagnen lieber mit viralen YOUTUBE-Aktionen zu befassen.
Doch für die Kommunikation in Internet und Social Web gilt, was für erfolgreiche Kommunikation schon immer entscheidend ist: Erst kommt die Strategie, in der die eigene Situation analysiert und Ziele und Wertschöpfungsbeiträge formuliert werden müssen. In der Online-PR ist die Klärung der eigenen Möglichkeiten – im Hinblick auf die Organisationskultur ebenso wie auf die Ressourcen – von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus ist im Einzelnen zu klären, wie die Stakeholder der eigenen Organisation das Internet nutzen und unter welchen Bedingungen sie überhaupt mit Unternehmen oder Organisationen online in Kontakt kommen möchten – dies wird im Allgemeinen weder ein einheitliches Bild ergeben noch mit globalen Nutzungszahlen übereinstimmen. Die Frage nach konkreten Anwendungen rückt damit zunächst in den Hintergrund. Wichtiger ist es, die Strukturen der strategischen Kommunikation in Internet und Social Web zu erfassen. Hierbei soll das vorliegende Handbuch eine Hilfestellung geben.
Das Handbuch Online-PR vermittelt Entscheidern in Kommunikationsabteilungen und Agenturen, Studierenden sowie interessierten Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft einen Überblick zur Online-Kommunikation aus Sicht des Kommunikationsmanagements. Hierzu gilt es vor allem, die sozialen Interaktionen im Internet und den digitalen Kulturraum zu verstehen und neue Optionen vor dem Hintergrund von Theorie und Praxis der strategischen Kommunikation zu reflektieren. Darauf hin erst sind die Möglichkeiten einzelner Plattformen und Anwendungen aus Sicht des Kommunikationsmanagements zu betrachten. Auch in der zweiten Auflage, die aufgrund der großen Resonanz bereits nach drei Jahren erscheint, sollen auf wissenschaftlicher Grundlage Brücken in die Praxis der Online-PR gebaut werden. Die dynamische Entwicklung des Themas hat dazu geführt, dass neue Beiträge aufgenommen wurden – z. B. zu Content-Strategien, Mobile Media, Social Intranets, Evaluation und Erfolgskennzahlen der Online-Kommunikation sowie Employer Branding im Web. Alle bewährten Texte wurden aktualisiert und auf einige Aspekte, die heute weniger relevant sind, wurde verzichtet. Wir haben Autorinnen und Autoren um ihre Mitwirkung gebeten, die in der Forschung ausgewiesen sind oder als Berufspraktiker in einem engen Dialog mit der Wissenschaft stehen. Gleichzeitig sind die Beiträge in den einzelnen Kapiteln vergleichbar aufgebaut, so dass systematische Vergleiche und ein schnelles Erfassen der wesentlichen Inhalte möglich sind. Als deutschsprachiges Standardwerk zum Thema diskutiert das Handbuch Online-PR Strukturen und Prozesse, zeigt Fallbeispiele und bietet über die Literaturangaben und Verweise auf Internet-Quellen zahlreiche Ansatzpunkte zur intensiveren Beschäftigung mit Aspekten, die für die Leserin oder den Leser von besonderem Interesse sind.
Das Handbuch gliedert sich in fünf Kapitel mit insgesamt 28 Beiträgen. Im ersten Teil geht es um Grundlagen und strategische Herausforderungen der Organisationskommunikation in Internet und Social Web. Das betrifft zunächst die Beschäftigung mit den Dimensionen der digitalen Welt, mit der Integration der Internet-Nutzung in den Alltag vieler Menschen und den Wechselwirkungen der Techniknutzung mit Werten, sozialen Interaktionen und schließlich einer veränderten öffentlichen Sphäre. Im nächsten Schritt wird geklärt, was dies für das Management der strategischen Kommunikation bedeutet – wie Online-Kommunikation von Organisationen systematisch geplant, betrieben und auf ihren Erfolg hin überprüft werden kann. Die beiden umfangreichen Beiträge in diesem Kapitel vermitteln die zentralen Konzepte und Begrifflichkeiten; sie umreißen den Stand der Diskussion zur Online-PR unter Bezugnahme auf die kommunikationswissenschaftliche Forschung und den Erfahrungsschatz der Unternehmenskommunikation.
Das zweite Kapitel stellt die Strukturen und Basisprozesse für die Online-Kommunikation vor. Am Anfang steht dabei aus Sicht des Kommunikationsmanagements das organisationale Zuhören im Sinne eines systematischen Online-Monitorings. Denn unabhängig davon, ob und welche aktiven Kommunikationsmaßnahmen im Internet umgesetzt werden, ist ein Mindestmaß an Monitoring zum Reputationsschutz, gegebenenfalls aber auch zur Verbesserung eigener Prozesse und Leistungen, die Grundlage jeder Online-Kommunikation. Diese aktive Kommunikation findet im Internet zwangläufig nicht nur durch Kommunikationsabteilungen und Agenturen statt. Vielmehr ist jeder Mitarbeiter, der Social Networks oder andere Dienste nutzt, ein Kommunikator, dem klar sein muss, in welchem Rahmen sich seine Kommunikation in Bezug auf den Arbeitgeber bewegen sollte. Die Klärung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, abteilungsübergreifende Koordinationsstrukturen und Kompetenzvermittlung sind daher unabdingbare Voraussetzungen für eine systematische Verankerung der Online-Kommunikation in organisationalen Kontexten. Diese Aspekte werden unter dem Stichwort Social Media Governance diskutiert. Geeignete Ordnungsrahmen und Guidelines motivieren Mitarbeiter im besten Fall, zum Botschafter ihrer Organisationen zu werden. Klar ist: Einmal im Internet Publiziertes bleibt dort unter Umständen auch langfristig auffindbar. Dabei spielen Suchmaschinen als digitale Gatekeeper im Internet eine zentrale Rolle. Sie sind Anlaufstation für Fragen aller Art und typischer Startpunkt für Recherchen von Journalisten, potenziellen Kunden oder Mitarbeitern, für Investoren wie auch für Anwohner oder andere Stakeholder. Mit den eigenen Themen und Angeboten gefunden zu werden, ist deshalb oberstes Ziel der externen Online-Kommunikation – die Auffindbarkeit im Web ist für jede Kampagne und Maßnahme bedeutsam und Wissen um notwendige technische und organisatorische Vorkehrungen unverzichtbar. Die Fragmentierung der Meinungsbildung macht es zugleich erforderlich, eigene Inhalte zielgerichtet aufzubereiten und so über verschiedene Plattformen auszuspielen, dass eine höchstmögliche Aufmerksamkeit in den jeweils relevanten Öffentlichkeiten erzielt wird. Dabei spielen Content-Strategien eine wesentliche Rolle, die – richtig verstanden – weit mehr sind als die inzwischen in der Werbewirtschaft propagierte Vermarktung positiv gefärbter Inhalte an Massenmedien. Wer solche Strategien definiert und umsetzt, benötigt auch spezifisches Wissen um die Evaluation und Erfolgskennzahlen für die Online-Kommunikation.
Der dritte Teil des Handbuchs richtet den Blick auf die Stakeholder-Kommunikation in Internet und Social Web. Die einzelnen Beiträge zeigen, wie die Beziehungen und die Kommunikationsprozesse mit den wichtigsten Bezugsgruppen von Organisationen in der digitalen Welt neu strukturiert werden. Ausgehend von den Besonderheiten der einzelnen Handlungsfelder der Organisationskommunikation werden Online-Strategien und Maßnahmen im Überblick vorgestellt sowie empirische Erkenntnisse diskutiert. Fallbeispiele verdeutlichen, welche Instrumente und Plattformen im Hinblick auf die Beziehungsmuster und Kommunikationskulturen in den jeweiligen Sphären zur Anwendung kommen können. Das betrifft zunächst die Medienarbeit als Teil der Online-PR. Die Interaktion von Organisationen mit Journalisten und Massenmedien als zentralen Akteuren im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung erhält durch Newsrooms als Bestandteil der Corporate Website und durch verschiedene Social-Media-Anwendungen eine neue Qualität. Während die entsprechenden Routinen stark von den Bedürfnissen und Interessen der beteiligten Akteure abhängen, unterliegen die Investor Relations im Internet in weiten Teilen strikten rechtlichen Vorgaben. Die Kommunikation mit Analysten und Anlegern kann daher keineswegs immer so schnell und dialogisch geführt werden, wie es manche Protagonisten der Online-Kommunikation in Unkenntnis der ökonomischen und juristischen Rahmenbedingungen empfehlen. Der entsprechende Beitrag zeigt auf, welche Möglichkeiten sich dennoch bieten und wie sie bislang in der Praxis genutzt werden. Markenbildung und Beziehungsmanagement zu Konsumenten stehen im Mittelpunkt der Kundenkommunikation im Web. Dieser Bereich der Unternehmens- und Organisationskommunikation hat sich durch die Verbreitung des Social Web sicherlich am schnellsten gewandelt. Die aktive Kommunikation potenzieller und aktueller Kunden bietet Chancen zur Einbindung und für Innovationen, kann aber auch Ausgangspunkt für schnell wachsende Kritik und eine Erosion starker Markenbotschaften sein. Erfolgreiche Kampagnen müssen die Einflussfaktoren berücksichtigen und darauf aufbauend integrierte Strategien entwickeln. Public Relations und Reputationsmanagement im Web beziehen sich im Kontext der integrierten Organisationskommunikation primär auf das gesellschaftspolitische Umfeld und die Sicherstellung der »license to operate«. Hier geht es beispielsweise um den Dialog mit (kritischen) Stakeholdergruppen und die Mitwirkung an gesellschaftspolitischen Debatten um Technologien, Leitbilder und Werte, die die Handlungsspielräume von Organisationen maßgeblich beeinflussen können und zunehmend online stattfinden beziehungsweise initiiert werden. Naturgemäß gibt es hierbei zahlreiche Schnittmengen und daher auch operative Überschneidungen zur Interessenvermittlung im politischen Raum. Digital Public Affairs richten sich an Akteure des politischen Systems, die die Online-Meinungsbildung beobachten und selbst – wie Beispiele von Politikern zeigen – mit den neuen Strukturen mehr oder minder erfolgreich umgehen. Unter gänzlich anderen Rahmenbedingungen operiert die Interne Kommunikation. Digitale Strategien für die Interaktion mit Mitarbeitern und Führungskräften zielen auf Information, Beziehungsgestaltung, Identität und Motivation ab. Hierbei bieten Internet und Social Media vielfältige Möglichkeiten, die allerdings mit Blick auf die jeweilige Organisationskultur sowie technische und rechtliche Rahmenbedingungen (u. a. Verfügbarkeit von Online-Arbeitsplätzen, Zustimmungspflicht des Betriebsrats) zu beurteilen sind.
Im vierten Kapitel werden die zentralen Instrumente und Plattformen der Online-Kommunikation behandelt. Die Beiträge stellen die jeweiligen Grundlagen und Besonderheiten des Kommunikationsprozesses vor, diskutieren die plattformspezifische Aufbereitung von Inhalten, Darstellungsformen, Kosten, Ansatzpunkte der Erfolgsmessung und exemplarische Praxisbeispiele. Gleichzeitig finden sich Verweise auf vertiefende Praxisliteratur, die es ermöglicht, die jeweiligen Tools und ihre Nutzung im Kommunikationsmanagement im Detail kennenzulernen. Als Basis und Anker der Kommunikation im Internet dienen im Allgemeinen Websites, die im Internet, Extranet oder Intranet zur Verfügung gestellt werden. Zentrale Herausforderungen sind hierbei die nutzerorientierte Konzeption und das Content-Management einschließlich der internetgerechten Aufbereitung von Inhalten. Andere Vorteile bietet die Echtzeit-Kommunikation mit Kurzmeldungen beim Microblogging, beispielsweise mit dem bekannten Online-Dienst TWITTER. Aufgrund der kurzen Meldungen ist eine Integration mit anderen Plattformen wie Websites, Weblogs oder Podcasts hier fast unabdingbar. Für komplexere Inhalte eignen sich Webvideos, die unter anderem zur internen Informations- und Wissensvermittlung, Schulung, bei der Personalgewinnung und als Mittel der Business-to-Business-Kommunikation eingesetzt werden. Die Unterstützung von Arbeitsabläufen und das Wissensmanagement sind Stärken von Wikis, die über die internen Prozesse einer Organisation hinaus auch in den Kommunikationsbeziehungen mit verschiedensten externen Stakeholdern eine große Rolle spielen können – die Online-Enzyklopädie WIKIPEDIA ist hierfür nur ein Beispiel. Das am meisten genutzte Instrument der Kommunikation im Social Web sind Online-Communities. Die Diskussion und Beziehungspflege in Foren sowie Social Networks wie XING, LINKED-IN oder FACEBOOK stellt dauerhafte Kommunikationsbeziehungen und neue, fragmentierte Öffentlichkeiten her. Gleichzeitig haben sich hier spezifische Kulturen der Kommunikation herausgebildet, die vom Kommunikationsmanagement zu berücksichtigen sind, wenn man sich in solchen sozialen Netzwerken beteiligen will. Einen näheren Blick verdient in diesem Zusammenhang Facebook als Instrument der Unternehmenskommunikation, da sich hieran exemplarisch die Notwendigkeit einer Adaption an plattformspezifische Darstellungsformen zeigen lässt. Ein weiteres Instrument des Kommunikationsmanagements im Web sind Online-Pressebereiche und Social Media Newsrooms. Im Unterschied zu den bereits genannten Plattformen sind sie nicht breit anwendbar, sondern für die Kommunikation mit einer einzigen Stakeholder-Gruppe, den Journalisten und vergleichbaren Gatekeepern, konzipiert. Dementsprechend gibt es hier konkrete Routinen und Gestaltungshinweise, die in dem Beitrag zum Thema beleuchtet werden. In ähnlicher Weise richten sich Social Intranets gezielt an Mitarbeiter und Führungskräfte. Auch hier sind die Instrumente in engem Zusammenhang mit einem bestimmten Teilbereich der Organisations- beziehungsweise Unternehmenskommunikation zu sehen. Mobile Media wie insbesondere Apps für Smartphones und Tablets sowie mobile Websites betreffen dagegen alle Handlungsfelder der Kommunikation. Die stetig intensivere Nutzung des mobilen Internets durch Stakeholder und klare Anforderungen von Suchmaschinen an die mobile Nutzbarkeit von Websites zwingt Organisationen längst dazu, dies im Rahmen ihrer Online-Strategie zu berücksichtigen.
Der fünfte Teil des Handbuchs stellt Konzepte für spezifische Kommunikationssituationen vor, die in der Online-Kommunikation von Bedeutung sind. Dies betrifft zunächst Online-Kampagnenim Sinne dramaturgisch angelegter, thematisch und zeitlich fokussierter Bündelungen verschiedener Instrumente und Verfahren der Kommunikation. Sie werden sowohl von Organisationen als auch von Stakeholdern eingesetzt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, Themen zu positionieren und Dialoge anzustoßen. Große Bedeutung in der Praxis haben vor allem Fragestellungen der CSR-Kommunikation (Corporate Social Responsibility) sowie von Employer Branding und Personalkommunikation in der Online-Kommunikation. Authentische, schnelle und dialogische Ansätze spielen bei der Kommunikation über Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung ebenso wie bei der Profilierung gegenüber potenziellen Arbeitnehmern eine große Rolle; deshalb bietet die digitale Welt hier neue Möglichkeiten. Ein weiteres Querschnittsthema ist die Krisenkommunikation in der digitalen Welt. Die Dynamik der Meinungsbildung im Internet verstärkt die Anforderungen an das Monitoring, die schnelle und konsistente Reaktion und die Dialogführung in krisenhaften Situationen. Das betrifft sämtliche Stakeholder und Plattformen der Kommunikation. Narrative Inszenierungsstrategien, die das Kommunikationsmanagement im Internet und Social Web besonders ausgeprägt einsetzen, sind Personalisierung und Storytelling. Hierbei sollen Glaubwürdigkeit und Authentizitätszuschreibungen an Personen, beispielsweise an die Autoren von Weblogs oder TWITTER-Kanälen, auf die dahinter stehenden Organisationen übertragen werden. Der Beitrag zu diesem Thema zeigt, dass zunehmend partizipative Zugänge zu solchen Inszenierungen entwickelt werden. Abschließend werden Dialogkommunikation und Partizipation als vermeintlich immanente Charakteristika von Interaktionen in Internet und Social Web diskutiert. Der Rückblick auf die Anfänge der dialogorientierten Kommunikation und die Ausweitung der Dialogzonen in der Gesellschaft, der keineswegs mit der Verbreitung technologischer Möglichkeiten verwechselt werden darf, schlägt eine Brücke zur Diskussion um die soziologischen und kulturellen Rahmenbedingungen der Online-Kommunikation von Organisationen im ersten Beitrag dieses Handbuchs. Strategische Kommunikation, das wird einmal mehr deutlich, muss die Kontexte gesellschaftlicher Beziehungen und Koordinationsformen und die Institutionalisierung der Kommunikation in Organisationen ebenso berücksichtigen wie die nur vordergründig unbeschränkten Möglichkeiten in Internet und Social Web.
Eine umfassende Publikation zu einem viel diskutierten, aber insgesamt noch wenig erforschten und vor allem sehr dynamischen Themenkreis wie der Online-PR und Organisationskommunikation im Web stellt alle Beteiligten vor besondere Herausforderungen. Umso mehr freut es uns, dass die zweite Auflage dieses Handbuchs einen Beitrag zum Diskurs in Praxis und Forschung leisten kann. Unser Dank gilt allen Autorinnen und Autoren, die sich auf das Wagnis eingelassen haben und mit ihren Beiträgen einige Pflöcke in das kaum vermessene Gelände geschlagen haben. Bei der zweiten Auflage hat Sophia-Charlotte Volk wertvolle Unterstützung geleistet; das gleiche gilt für Pia Hannappel bei der Erstauflage. Unserem Lektor Rüdiger Steiner gilt ein besonderer Dank für die Geduld und die professionelle Betreuung seitens des Verlags. Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir, dass die Lektüre den Blick für die Potenziale und Grenzen der Online-Kommunikation schärft und zugleich dazu motiviert, sich im eigenen Umfeld mit dem ständigen Wandel der professionellen Kommunikation von Organisationen auseinanderzusetzen.
Das Internet bietet seinen Nutzern zahllose Optionen: Meinungsbildung, Transaktionen, Unterhaltung, Arbeits- und Wissensorganisation sind nur einzelne Beispiele. Für Unternehmen, die das Internet im Rahmen des Kommunikationsmanagements einsetzen, sind die Nutzungsgewohnheiten ihrer Stakeholder, deren Erwartungen an die Kommunikation sowie ein Verständnis der eigenen Möglichkeiten, die sich im Zusammenhang mit wichtigen Anwendungen und Inhaltestrategien ergeben, eine wichtige Voraussetzung für die Kommunikationsplanung. Dieser Beitrag zeigt die Rolle des Internets im Alltag, den mit seiner Nutzung verbundenen Wandel der öffentlichen Kommunikation und die sozialen Wechselwirkungen.
Digitale Medien gehören längst zum gesellschaftlichen Alltag. Zwar ist der in den 1980er-und 1990er-Jahren so intensiv diskutierte Begriff der »Informationsgesellschaft« weitestgehend in den Archiven verschwunden, doch einiges, was sich zunächst nur als Prognose am Horizont abzeichnete, ist durch die rasante Verbreitung des World Wide Web (WWW) und der Mobilkommunikation längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Mit Staunen verfolgten die Mitglieder einer 1995 vom Bundestag eingesetzten Enquetekommission, wie bis zum Abschluss ihrer Beratungen im Jahr 1998 die ersten drei Millionen Haushalte online gingen. Die Autoren sahen »unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf fast alle Lebensbereiche: auf Beruf und Freizeit, auf Lernen und Unterhaltung. Die mittelbare Folge ist die dramatische Beschleunigung der Globalisierung, die zu vielfältigen wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Herausforderungen führt (Deutscher Bundestag 1998: 111). Viele der schon damals diskutierten Veränderungen sind heute zum Allgemeingut geworden. Der Soziologe Manuel Castells vergleicht die Bedeutung des Internets für die heutige Gesellschaft mit der Rolle der Elektrizität für die Industrialisierung (Castells 2002: 1).
Das große Veränderungspotenzial des Internets dürfte in dessen vielfältigen Möglichkeiten liegen. Diese sogenannte Multioptionalität zeigt sich unter anderem darin, dass es auf der einen Seite »Möglichkeiten älterer technischer Einzelmedien der Massen-, Gruppen- und Individualkommunikation (wie Fernsehen, Hörfunk, Zeitschrift, Telefon et cetera) vereint« (Neuberger/Pleil 2006). Auf der anderen Seite bietet das Internet exklusive Möglichkeiten wie Interaktivität, Vernetzung, Globalität, Multimedialität (Vesper 1998: 20 ff.). Erst in letzter Zeit deutlicher ins Bewusstsein gekommen sind die Dauerhaftigkeit der im Internet einmal veröffentlichten Informationen, aber auch seine Möglichkeiten zu Dialog und Vernetzung. Diese verändern beispielsweise die politische Willensbildung, das Verhältnis zwischen Organisationen und ihren Bezugsgruppen wie auch soziale Gruppen und deren Interaktion selbst. Hinzu kommen Potenziale, die im Vergleich zu anderen Medien schneller, einfacher und besser realisierbar sind (Vielfalt, Virtualität, Zeitstruktur) (ebd.). Westermann nennt als medienspezifische Optionen des Internets: Interaktivität und Dialog, Netzstruktur und Hypermedialität, Globalität und Zeitunabhängigkeit sowie Multimedialität (Westermann 2004: 153 ff.).
Für den Einzelnen wie für Organisationen bietet damit das Internet letztlich eine bisher nicht gekannte Fülle von Informations-, Unterhaltungs-, Kommunikations- sowie Transaktionsmöglichkeiten. Auf allen Ebenen können hierbei Einzelne wie Organisationen sowohl als Anbieter wie als Nutzer auftreten. Aus Sicht des Kommunikationsmanagements sind dies Möglichkeiten der Informationsbeschaffung (Monitoring, Wettbewerberanalysen) und der Erfolgskontrolle sowie Push- (E-Mail, Newsletter, Foren, Newsgroups et cetera.) und Pull-Elemente (zum Beispiel Corporate Websites) (ebd.). Das Social Web ergänzt diese Liste um zahlreiche Angebote. Mit »Ephemeral Media« sind zudem neue Anwendungen entstanden, die – zumindest vordergründig – Informationen nur kurzzeitig anzeigen, also nicht speichern und damit nicht durchsuchbar sind. Im Ergebnis ist das Internet für einen immer größer werdenden Teil der Bevölkerung zum Begleiter in den unterschiedlichsten Lebenssituationen geworden und bietet neue Möglichkeiten der Partizipation, Interaktion und Meinungsbildung (Pleil/Zerfaß 2014). Damit hat es sich zu einem Katalysator für den Wandel gesellschaftlicher Kommunikation entwickelt. Haben bisher die klassischen Massenmedien Zeitung, Radio und Fernsehen Öffentlichkeit hergestellt und damit einen entscheidenden Beitrag zur Bildung öffentlicher Meinung geleistet, so steht diese massenmediale Öffentlichkeit heute in einer engen Wechselwirkung mit persönlichen und Gruppenöffentlichkeiten – und damit letztlich neuen Mechanismen der Meinungsbildung.
Aus Sicht des Kommunikationsmanagements sind Fragen der Meinungsbildung und die Rolle der öffentlichen Kommunikation in diesem Zusammenhang von einer zentralen Bedeutung. In der Entstehungszeit professionellen Kommunikationsmanagements und damit während des Aufbaus von Kommunikationsabteilungen in Unternehmen und Institutionen sahen sich die Kommunikationsfachleute vor allem mit der Kommunikationskultur der Informationsverbreitung konfrontiert. Zwei Meilensteine der öffentlichen Kommunikation waren bis dahin schon erreicht gewesen: die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Gutenberg und später dann die gleichzeitige massenhafte Verbreitung von Informationen durch die elektronischen Medien Radio und Fernsehen, das schnell zum Leitmedium wurde. Wissen breitete sich rasant aus, soziale und politische Umbrüche standen auch in Wechselwirkung mit den Medien. Die Medien hatten durch ihre Auswahlprozesse für die Thematisierung und anschließend für die massenhafte Verbreitung von Informationen gesorgt.
Die massenmedial entstandene Öffentlichkeit war in demokratischen Gesellschaften zur entscheidenden Arena geworden, in der Reputation entsteht oder zerstört wird (Pleil 2010a: 175). Zwar nutzten die Menschen die Medieninhalte, bildeten sich mit ihrer Hilfe ihre Meinung, erwarben Wissen und wurden vielleicht auch politisch aktiv – allein der Rückkanal war äußerst schwach ausgeprägt. Mediennutzung war sowohl in der Gutenberg- wie in der McLuhan-Galaxis (McLuhan 1995) weitgehend mit Medienkonsum gleichzusetzen. Besonders in der vom Fernsehen dominierten McLuhan-Galaxis spielen Journalisten in ihrer Rolle als Gatekeeper eine zentrale Rolle. Da sie jedoch nicht beliebig über die öffentlich diskutierten Themen entscheiden, sondern auf das Themenangebot Bezug nehmen müssen und hierzu die ihnen eigenen professionellen Regeln wie Nachrichtenwerte anlegen, fanden politische wie wirtschaftliche Akteure schnell Wege, in Wechselwirkung mit diesem System zu treten: Die Pressearbeit war geboren. Bis heute gilt sie als eine der dominierenden Aufgaben im Alltagsgeschäft des Kommunikationsmanagements.
Aus den verschiedensten Gründen relativiert sich derzeit die Dominanz der »klassischen« Massenmedien. Auflagen gehen zurück, und vor allem bei jüngeren Bevölkerungsgruppen ist auch ein geringeres Interesse an Radio und Fernsehen festzustellen. Durch das Internet und nochmals besonders durch das Social Web hat sich gezeigt, dass die öffentliche Kommunikation sich abermals gewandelt, sogar eine neue Entwicklungsstufe erreicht hat. Der technologische Wandel ist dabei wiederum in einem engen Zusammenhang mit ökonomischen, politischen und sozialen Einflussfaktoren zu sehen (Zerfaß/Boelter 2005: 82); Stichworte sind beispielsweise Globalisierung, offene Innovationsprozesse, individuelle Freiheit und Selbstverwirklichung (ebd.). Dabei, so argumentiert Castells (2002), bildet das Internet die technische Grundlage einer neuen Organisationsform im Informationszeitalter: dem Netzwerk.
Nach seinem Verständnis spielen Netzwerke in allen Bereichen der Gesellschaft eine zunehmend zentrale Rolle, in der Wirtschaft ebenso wie in der Politik. Der Grund: Netzwerke sind flexibel und anpassungsfähig und können äußerst leistungsfähig sein. Dies zeigt sich beispielsweise beim sogenannten Crowd Sourcing, wenn also eine Aufgabe von einem spontan entstehenden Netzwerk gelöst wird. Beste Beispiele hierfür sind die WIKIPEDIA oder die Wikis, mit denen Anfang 2011 plagiatsverdächtige Dissertationen einiger Politiker analysiert wurden. Allerdings erfordern Netzwerke einen hohen Koordinierungsaufwand, der umso größer wird, je weniger ein konkretes Ziel vorhanden ist. Die bis dato dominierenden zentralisierten Hierarchien sind zumindest hier im Vorteil.
Mit dem Internet entsteht dafür erstmals die Möglichkeit einer Many-to-many-Kommunikation, die neben der Informationsverbreitung, also der klassischen Massenkommunikation existiert. Der von McLuhan erträumte Rückkanal ist – zumindest im Grundsatz – verwirklicht. Mediennutzer sind nicht mehr zwangsläufig nur Konsumenten, sondern haben die Möglichkeit, selbst zu Produzenten zu werden (ProdUser oder Prosumenten). Gleichzeitig entstehen Querverbindungen zwischen Informationen und Nutzern: Die Vernetzung ist das Leitmotiv der Internet-Kommunikation auf technischer, hypertextueller und interaktional-sozialer Ebene (Bucher et al. 2008).
Im Gegensatz zu früheren Zeiten existieren zur Verbreitung und Speicherung von Informationen kaum noch Engpässe. Sehr euphorisch wurden diese grundsätzlichen Möglichkeiten zeitweise diskutiert, eine Demokratisierung der öffentlichen Meinungsbildung in Aussicht gestellt (Zerfaß/Boelter 2005: 83). Ein nüchterner Blick auf die Realitäten des Internets der ersten Jahre ließ daran große Zweifel aufkommen, stattdessen machte der Begriff der digitalen Kluft als Problem der Informationsgesellschaft die Runde.
Mit der Entstehung des Web 2.0, heute vorwiegend unter dem Begriff Social Web diskutiert, wurde die Perspektive der Beteiligung vieler an der öffentlichen Sphäre erneuert. Tatsächlich sind zahlreiche neue Publikationsformate, neue Wege der Diskussion und Vernetzung entstanden. Neben die klassische Medienöffentlichkeit sind netzwerkartige Mikroöffentlichkeiten getreten, die in Minutenschnelle entstehen können und auch wieder verschwinden. In der GOOGLE-Welt (ebd.) bestehen Massenkommunikation, Mikroöffentlichkeiten und persönliche Kommunikation nebeneinander, nur einen Klick voneinander entfernt. Aktive Internet-Nutzer und Suchmaschinen sind als Gatekeeper an die Seite der Journalisten getreten. Für das Kommunikationsmanagement bedeutet dies, sich auf diese neuen Gatekeeper einzustellen, was nicht nur die Kommunikation mit neuen Akteuren und technisches Verständnis bedeutet, sondern in noch viel stärkerem Maße als bisher die Entwicklung eigener Formate und Inhalte.
Betrachtet man die Öffentlichkeit als Gesamtheit der öffentlichen Kommunikation in dieser GOOGLE-Welt, so tritt neben die klassische Medienöffentlichkeit der sogenannte vormediale Raum (Pleil 2015). Dieser ist als Gesamtheit der sogenannten neuen Öffentlichkeiten zu verstehen. Klassischerweise werden in der Kommunikationswissenschaft drei Ebenen der Öffentlichkeit unterschieden (Donges/Imhoff 2001, Theis-Berglmair 2007):
Auf der Ebene der einfachen Interaktionssysteme findet interpersonale, meist spontane Kommunikation statt. Hier sind keine Rollen wie Publikum, Vermittler oder Kommunikator festgelegt, sondern diese wechseln dynamisch. Beispiele sind Gespräche in der Familie, am Arbeitsplatz oder auf dem Marktplatz. Donges und Imhoff (ebd.: 106) sehen hier »fließende Übergänge zwischen privater Kommunikation […] und öffentlicher Kommunikation«.
Die zweite Ebene wird als Versammlungs- oder Themenöffentlichkeit bezeichnet und ist durch räumlich und thematisch konzentrierte Interaktion – beispielsweise auf Demonstrationen oder Versammlungen – gekennzeichnet. Die unterschiedlichen Rollen der Teilnehmer sind klarer festgelegt beziehungsweise wechseln seltener; meist spielt die Ein-Wege-Kommunikation im Vergleich zum Dialog eine größere Rolle.
Im Rahmen der Medienöffentlichkeit schließlich stellen Spezialisten wie Journalisten oder PR-Fachleute Themen nach professionellen Regeln zur Verfügung. Leistungs- und Publikumsrollen sind klar ausdifferenziert; die Ein-Wege-Kommunikation – also die Informationsdistribution – dominiert nun klar. Im Gegensatz zu den anderen Ebenen der Öffentlichkeit wird hier von einem dauerhaft vorhandenen Publikum gesprochen, da die medial vermittelten Informationen potenziell jedes Mitglied der Gesellschaft erreichen können.
Durch die Verbreitung des Internets und besonders die aktive Nutzung des Social Web lassen sich diese drei Ebenen nun immer weniger trennscharf unterscheiden. Grundsätzlich kann Online-Kommunikation Öffentlichkeit auf allen der genannten Ebenen herstellen (Pleil 2010b: 239). Im Gegensatz zum klassischen Öffentlichkeitsverständnis bestehen jedoch nicht zwangsläufig auf der Ebene der einfachen Interaktionssysteme die besten Partizipationsmöglichkeiten, sondern diese können nun auch in Medienöffentlichkeiten bereitgestellt werden, beispielsweise durch Kommentar- oder eigene Publikationsmöglichkeiten, die Medienmarken auch ihren Nutzern bieten können. Als »Sphäre der ungehinderten gesellschaftlichen Kommunikation« (Theis-Berglmair 2007: 123) löst das Internet die drei klassischen Ebenen der Öffentlichkeit weitgehend auf.
Eine neue Öffentlichkeit entsteht etwa durch das Veröffentlichen eines Weblogs, von Audiodateien wie in Podcasts, von Fotos, Videos, Präsentationen oder anderen Materialien. Inhaltlich mag es sich dabei um einen Erfahrungsbericht mit einem Produkt oder einer Dienstleistung drehen, um ein politisches Statement oder einen Link zu einem Video. Entscheidend ist, dass im vormedialen Raum Öffentlichkeit ohne Beteiligung von Journalisten als klassischen Gatekeepern hergestellt wird – wenngleich journalistische Produkte Gegenstand oder Auslöser der Kommunikation sein können. In diesem vormedialen Raum kann also Anschlusskommunikation zur Medienöffentlichkeit ebenso stattfinden wie eine eigenständige Thematisierung. Öffentlichkeit entsteht im vormedialen Raum nicht ad hoc, sondern besteht aus sozialen Beziehungen. Diese manifestieren sich beispielsweise durch die Vernetzung in Freundeslisten oder -kreisen. Allerdings befinden sie sich in einem ständigen Fluss und weisen – je größer sie sind – umso mehr Überschneidungswahrscheinlichkeiten auf. Gerade solche Überschneidungen können wiederum eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Themen spielen.
Der Soziologe Jan Schmidt spricht in diesem Zusammenhang jedoch grundsätzlich von persönlichen Öffentlichkeiten. Hiermit ist gemeint, dass die Themen der Kommunikation in diesen Öffentlichkeiten vorwiegend von persönlicher Relevanz sind (Schmidt 2008: 32). Abgesehen von wenigen focal points im vormedialen Raum liegen die meisten dieser persönlichen Öffentlichkeiten im sogenannten Long Tail. Die Inhalte erreichen also nur eine verhältnismäßig kleine Öffentlichkeit. Dafür können die Themen im Long Tail unter Umständen auch hoch spezialisiert und fachlich extrem anspruchsvoll sein – genauso aber auch auf der Befindlichkeitsebene verbleiben. Konsequenz daraus ist jedoch, dass Öffentlichkeit »nicht mehr per se mit gesellschaftlicher Relevanz gleichzusetzen ist« (ebd.), sondern sie vor allem interessierten Personen zugänglich ist.
Denn zumindest im Grundsatz hat jeder Internet-Nutzer die Möglichkeit, aktiv an diesem vormedialen Raum teilzuhaben und Öffentlichkeit herzustellen. Im einfachsten Fall genügt hierzu ein Klick auf den »Like«- beziehungsweise den »Plus«-Button bei FACEBOOK oder GOOGLE+. Denn hierdurch wird eine Information für das jeweilige soziale Netz eines Nutzers zugänglich.
Grundsätzlich ist die Öffentlichkeit des vormedialen Raumes skalierbar. Bei den zuerst entstandenen Weblogs und Podcasts waren die Anbieter meist sehr aufgeschlossen: Die Inhalte wurden so veröffentlicht, dass sie von Suchmaschinen indiziert werden und damit potenziell von jedem Internet-Nutzer gefunden werden können. Mit der Zeit entstanden Dienste, die alternativ eine Gruppenöffentlichkeit zuließen: Zu den ersten wichtigen Diensten dieser Art gehört die Foto-Community FLICKR, die es zum Beispiel erlaubt, Bilder nur ausgewählten Nutzern zugänglich zu machen. Auf diesem Prinzip des Zulassens im eigenen sozialen Netz basiert die Kommunikation in den kurz darauf entstandenen Social Networks wie FACEBOOK. Dabei findet die Kommunikation zu einem Thema üblicherweise nicht an einem Publikationsort, sondern verteilt statt. So kann ein Blogbeitrag eine Diskussion direkt auf derselben Seite nach sich ziehen, aber auch in FACEBOOK oder TWITTER. Entsprechende Buttons unter dem Beitrag sorgen dabei meist für die Übernahme des Themas in die jeweilige Plattform, wo sich wiederum eigene Diskussionen entwickeln können. Durch solche Vernetzungen zwischen den Öffentlichkeiten im vormedialen Raum können sich Themen unter Umständen rasend schnell verbreiten, gleichzeitig erschwert dies gegebenenfalls eine stringente Kommunikation.
Die Kommunikation in diesen volatilen Kommunikationsnetzen wird häufig als Narrowcasting bezeichnet, womit individualisierte Kommunikationsmenüs und -strukturen bezeichnet werden. Besteht beim Broadcasting ein nur schwer greifbares Massenpublikum, so kennzeichnet das Narrowcasting verhältnismäßig kleine Kommunikationsnetze aus üblicherweise identifizierbaren und damit auch dialogisch ansprechbaren Individuen (Pleil 2010a: 177).
Gleichzeitig nimmt mit der Zahl der Öffentlichkeiten die Unübersichtlichkeit zu. Neue Mechanismen der Orientierung treten neben die journalistische Orientierung. Hierbei kann es sich um maschinell unterstützte Orientierung handeln – etwa durch automatisierte News-Systeme oder Suchmaschinen – oder um die Orientierung durch andere Internet-Nutzer, die Aufmerksamkeit zu lenken vermögen, beispielsweise indem sie aus ihrer Sicht bemerkenswerte Fundstücke weiterempfehlen. Zerfaß und Boelter (2005) sprechen in diesem Zusammenhang von neuen Meinungsmachern. Allerdings unterscheidet sich ihre Tätigkeit in zwei wesentlichen Punkten vom Journalismus: Neue Meinungsmacher fühlen sich nicht unbedingt journalistischen Regeln verpflichtet, und sie stellen nicht unbedingt eine Kontinuität der Berichterstattung sicher. Für private wie für professionelle Internetnutzer ergeben sich immer neue Anforderungen an ihre Medienkompetenz, da die beschriebenen neuen Mechanismen und die zur Verfügung stehenden Instrumente laufenden Veränderungen unterliegen.
Always on: Im Hochgeschwindigkeitsnetz
Als das Internet seinen Siegeszug begann, kam seine Nutzung jener eines kostbaren Gutes gleich. Obwohl die Verbindungen aus heutiger Sicht unvorstellbar langsam waren, konnte es richtig teuer werden, online zu gehen. Deshalb war es zunächst üblich, sich nur kurz einzuwählen, etwa um Mails abzurufen oder eine gut vorbereitete Recherche durchzuführen. Längst gehört dieses Verhalten der Vergangenheit an: Die Internet-Nutzung ist deutlich günstiger geworden und Flatrates erlauben, ständig online zu sein. Dies erst macht eine selbstverständliche Integration des Internets und seiner Anwendungen in den Alltag möglich.
Einher geht die Verbreitung der Flatrates mit einem enormen Gewinn an Übertragungsgeschwindigkeit: So sind Breitbandanschlüsse für die große Mehrheit der Internet-Nutzer selbstverständlich, zunehmend kann die hohe Übertragungsgeschwindigkeit auch mit mobilen Endgeräten genutzt werden. Ein weiterer Faktor für die Nutzung vor allem multimedialer Angebote ist neben den Kosten und Übertragungsraten die Ausstattung mit Hardware. Damit ist es nun den meisten Nutzern des Internets auch tatsächlich möglich, auf dessen vielfältige Angebote zurückzugreifen und die Funktionen der Kommunikation, der Information und der Unterhaltung zu nutzen.
Eng verbunden ist mit diesen Veränderungen ein Nutzungswandel: Schnelle und ohne Mehrkosten verfügbare Internet-Verbindungen sind unter anderem Voraussetzung für den Erfolg von Videoplattformen, Downloads (zum Beispiel Musik oder Podcasts) beziehungsweise Streaming-Diensten, Internet-Radios und IP-Fernsehangeboten. Mit der Verbreitung von Breitbandanschlüssen nahm gleichzeitig die Nutzung von Chat-Diensten, Auktionen und Online-Shopping zu (Gscheidle/Fisch 2007: 572 f.). Allerdings ist klar, dass die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur laufend zunehmen muss: Schnelle Internet-Verbindungen werden als »Nabelschnur der gesellschaftlichen Teilhabe« und als Grundlage eines wichtigen Teils des wirtschaftlichen Wachstums gesehen (Holznagel/Picot 2010).
Damit verändert sich einerseits die Verfügbarkeit der Nutzer: Wer »always on« ist, kann auch rasch erreicht werden, etwa via Chat, Social Network oder Internet-Telefonie. Umgekehrt wird insbesondere das Internet ereignis- und anlassbezogen genutzt (Köcher 2007). Das bedeutet, dass im Internet häufig und spontan nach Informationen gesucht wird. Dies geht einher mit einer zunehmenden Ungeduld bei der Nutzung von Informationsquellen, gerade auch in Bezug auf Antwortzeiten, etwa auf eine Anfrage per Mail (ebd.). Sowohl für die Gestaltung von Websites und die Auffindbarkeit von Informationen darin als auch auf das Kommunikationsverhalten haben solche Erwartungen deutlichen Einfluss.
Konkret zeigt sich der technologisch ermöglichte Nutzungswandel neben dem Siegeszug der Suchmaschinen an der schnell gestiegenen Verbreitung – und Nutzung – von Videos im Netz. Hatte 2005 nur jeder vierte Onliner zumindest gelegentlich auf sie zugegriffen, so tun dies mittlerweile drei von vier Onlinern. Für die 14- bis 19-Jährigen ist der Abruf von Videos sogar weitestgehend selbstverständlich (van Eimeren/Frees 2014: 387). Neben Bandbreite und Flatrates sind vor allem die innerhalb kürzester Zeit rasant gewachsenen Videoportale wie YOUTUBE Haupttreiber dieser Entwicklung. Anders ausgedrückt: Wer Videos im Netz anschaut, nutzt typischerweise auch ein Videoportal. (Zeitversetzte) Fernsehsendungen sind die zweitwichtigste Nutzungsmöglichkeit von Bewegtbildern im Internet, gefolgt von Live-Fernsehen und Video-Podcasts.
Im Vergleich zur Videonutzung stagniert Audio im Internet seit mehreren Jahren: Etwa jeder zweite Onliner nutzt zumindest gelegentlich Internet-Radio oder lädt Musik aus dem Internet – wobei sich hier natürlich große Altersunterschiede zeigen (ebd.).
Devices: Überall erreichbar, Daten immer verfügbar
Jahrelang hatte die Wirtschaft den Siegeszug des mobilen Web vorausgesagt – doch zunächst sah es so aus, als ob sich die Kunden hierfür nicht wirklich interessierten. Dies hat sich längst geändert: Vor allem der Erfolg des iPhone von Apple und weiterer Smartphones in dessen Windschatten hat im Verein mit Internet-Flatrates die mobile Nutzung des Internets deutlich vorangebracht.
Im Gegensatz zu Netbooks oder Notebooks ermöglichen Smartphones – ähnlich wie auch Tablet-Computer – einen qualitativ anderen Zugang zum Internet: Steht bei den größeren Rechnern der Browser als Fenster ins Web im Mittelpunkt, so bieten die kleineren mobilen Geräte vor allem voneinander abgegrenzte Angebote, die sich durch die sogenannten Apps manifestieren. Diese Applikationen erlauben eine sehr bequeme Nutzung unterschiedlichster Angebote. Hierzu zählen Informationsangebote wie Spiele oder Service- oder Produktiv-Apps. Technisch überbrücken Apps vor allem die Nachteile weniger leistungsfähiger mobiler Browser und langsamerer Datenverbindungen in den Mobilfunknetzen. Bemerkenswert ist nebenbei: Während Dialog als wichtiger Trend im Internet diskutiert wurde, entstanden zeitgleich mobile Apps, die oft nur eine Ein-Wege-Kommunikation anbieten. Dies zeigt sich bei Apps journalistischer Angebote, aber auch bei vielen Corporate-Publishing-Produkten, die per App schick auf den Tablet-Computer kommen sollen.
Ein anderer Nachteil ist, dass Apps die Nutzer fordern. Denn sie müssen nicht nur entdeckt, sondern dann erst einmal installiert und anschließend auf dem Smartphone auch regelmäßig verwendet werden. Die Installation von 50 oder 80 Apps ist nicht selten, regelmäßig genutzt werden jedoch meist weniger als zehn. Im Wettbewerb der zahllosen Apps dürften sich vor allem solche durchsetzen, die ein ohnehin bindungsstarkes Online-Angebot auf das mobile Endgerät bringen und hier besonderen Komfort bieten.
Unabhängig davon, ob Apps entwickelt werden sollen, um Kommunikationsziele zu unterstützen oder ob es sich um andere Apps handelt, haben Anbieter mindestens zwei weitere Probleme: Zum einen müssen sie für unterschiedliche Plattformen angepasst werden, zum anderen sind die Anbieter von den Betreibern der sogenannten App Stores abhängig. Dies bezieht sich nicht nur auf Distributionsbedingungen, sondern auch auf Inhalte. Da die Betreiber von App Stores Kundendaten nicht an Anbieter von Apps weitergeben möchten, eignen sich diese nur begrenzt zum Aufbau von Beziehungen mit Stakeholdern. Mit Blick auf diese Nachteile ist davon auszugehen, dass Apps nur vorübergehende Phänomene sind. Der offene Web-Standard HTML5 löst zumindest viele der skizzierten ökonomischen Probleme (Schmidt 2010) und könnte damit die kleine App-Idylle in nächster Zeit überflüssig machen. In welchem Zeitrahmen dies passieren könnte, ist derzeit allerdings schwer vorherzusagen. Aktuell gibt es vor allem Bestrebungen, die Kommunikation zwischen bisher überwiegend isolierten Apps zu verbessern.
Aus Nutzersicht erscheint besonders wichtig, dass Devices wie Smartphones und Tablets die Menschen noch enger mit dem Internet verbinden. Die Schwelle, das Netz vielleicht nur für ein paar Minuten zu nutzen, ist damit besonders niedrig oder sogar aufgehoben. Dies kann aus Unternehmenssicht wiederum den Effekt der 24/7-Kommunikation verstärken, beispielsweise wenn Themen mit Krisenpotenzial diskutiert werden. Auch die parallele Nutzung von Medien – allen voran Fernsehen und Internet – ist zunehmend verbreitet. Dies zeigt sich auch darin, dass Fernsehsendungen teilweise sehr umfangreich live bei TWITTER oder FACEBOOK diskutiert werden. Immer wieder sind Kommunikationsabteilungen hierdurch auch am Wochenende oder in der Nacht gefordert.
Eine andere wichtige technische Entwicklung ist das sogenannte Cloud Computing. Hiermit sind Dienste gemeint, die das Speichern von Dateien statt auf der lokalen Festplatte nur auf einem Server erlauben, der über das Internet erreichbar ist. Damit lassen sich viele Aktivitäten der Computernutzung vom einzelnen Endgerät lösen – eine Tabelle zum Beispiel steht auf dem Smartphone genauso zur Verfügung wie am Desktop-Computer. Die Nutzung von Software mithilfe von Cloud-Angeboten geht noch weiter. Hier stehen die unterschiedlichsten Programme zur Verfügung. Hierdurch müssen gegebenenfalls die entsprechenden Programme nicht lokal installiert werden, sie stehen wie auch die Daten auf allen internetfähigen Endgeräten zur Verfügung. Häufig – wie etwa bei GOOGLE DOCS – ist sogar die kollaborative Bearbeitung von Dokumenten möglich, wobei oft wiederum die Einbindung in andere Social-Software-Angebote vorgesehen ist. Ein mit GOOGLE DOCS erstelltes Formular oder ein Kalender kann bequem in ein Blog integriert werden. Andere Dienste synchronisieren die lokal gespeicherten Dateien mit einem meist angemieteten Online-Speicher, der Cloud. Auf diese Weise erschließen sich unter einzelnen Nutzern, aber auch zwischen Organisationen neue Möglichkeiten der Kollaboration. Eine kleine Besonderheit mancher Dienste: Sie erlauben, Dateien oder gemeinsam erstellte Dokumente einfach zu veröffentlichen.
In den Anfangsjahren des World Wide Web wurde dieses meist ähnlich genutzt wie die bisher bekannten Massenmedien: passiv. Die Nutzer blieben de facto Rezipienten, die zunächst vor allem die vielfältigen Wege durch das Netz – und die damit verbundene Möglichkeit, sich eine eigene Orientierung zu verschaffen – zu genießen schienen. Obwohl eigentlich das Internet von Anfang an als vernetzendes Medium konzipiert worden war, das jedem Nutzer die Möglichkeit gab, zum Sender zu werden (Schmidt 2008). Doch technische Hürden erschwerten es, eigene Inhalte im Internet zu produzieren – abgesehen von der Frage nach der Motivation, solches zu tun. So war das Internet zunächst in weiten Teilen ein neuer Kanal zur Verbreitung von Informationen, der jederzeit zugänglich war. Zwar wurde von Anfang an an bestimmten Stellen im Netz auch intensiv diskutiert, aber dies kam nicht so selbstverständlich wie heute zum Vorschein und auch die Vernetzung mit anderen Angeboten des Internets fehlte.
Seit etwa 2004 genießen jedoch neue Online-Anwendungen und -Techniken viel öffentliche Aufmerksamkeit. Zunächst wurden diese vor allem unter dem Schlagwort »Web 2.0« diskutiert – ein Begriff, der zunehmend vom Begriff des sozialen Netzes abgelöst worden ist. Hierzu gehören Techniken, die den automatischen Bezug von Informationen erleichtern (also Newsfeeds) genauso wie Systeme, die individuelles oder kollaboratives Publizieren im Netz mit geringen technischen und finanziellen Hürden möglich machen. Hierunter fallen Weblogs, Audio- und Video-Podcasts, Wikis, aber auch einfache Systeme zur Bewertung oder zur Strukturierung von Informationen. Ein dritter wichtiger Bereich neuer Anwendungen ist jener, der vorwiegend eine Vernetzung von Personen zum Ziel hat, die sogenannten Social Networks.
Die Fülle neuer Anwendungen ist kaum noch überschaubar, und täglich kommen weitere hinzu. Letztere sind inhaltlich nicht immer neu, sondern oft auch Me-too-Angebote. Doch entscheidend ist nicht die Kenntnis von möglichst vielen einzelnen Angeboten, sondern das Verständnis von neuen Möglichkeiten der Online-Kommunikation. Hierbei handelt es sich nicht nur um als neu wahrgenommene Funktionen. Besonders bedeutsam ist, dass die heutigen Internet-Angebote in enger Wechselwirkung mit sozialen Veränderungen und vor allem mit den bereits diskutierten Veränderungen des öffentlichen Raumes stehen.
Vor der Strukturierung der gegenwärtigen Veränderungen des Internets ist eine kurze Auseinandersetzung mit dem Begriff Web 2.0 sinnvoll. Dieser wurde vom US-amerikanischen Verleger Tim O’Reilly 2004 erstmals für eine Konferenz verwendet und drückt Veränderungen in mehreren Bereichen aus: in Geschäftsmodellen ebenso wie in Softwareentwicklungen sowie der Nutzung des Internets insgesamt (Schmidt 2008: 19). Allerdings zeigt Schmidt an einigen Beispielen auf, dass mit dem Web 2.0 nicht eine völlig neue Phase des Internets angebrochen ist, sondern dass zahlreiche aktuelle Lösungen bereits vor langer Zeit konzeptionell entwickelt worden waren. Insofern versteht Schmidt den Terminus Web 2.0 als akzeptablen »Sammelbegriff für verschiedene Anwendungen«. Einen Bruch mit früheren Phasen des Internets kann er jedoch nicht erkennen. Wie Schmidt verwenden einige Forscher alternativ den Begriff »Social Web«, der nicht allein als Sammelbegriff für bestimmte Anwendungen fungiert, sondern »den grundlegenden sozialen Charakter« (ebd.: 22) dieses Teils des Internets betont. Anwendungen innerhalb des Social Web werden meist als Social Media beziehungsweise Social Software bezeichnet. Der Wandel in der Art der Internet-Nutzung und des sozialen Miteinanders sowie die Bildung von Öffentlichkeit wird in den folgenden Kapiteln ausführlich diskutiert.
Solche Veränderungen sind jedoch nicht nur qualitativ zu betrachten, sondern es stellt sich die Frage, ob die mit dem Social Web zusammenhängenden Entwicklungen im Internet-Alltag eher Randerscheinungen sind oder bei einer Mehrheit der Nutzer angekommen sind. Kurzum: Ist die Nutzung des Social Web beziehungsweise einiger seiner Nutzungsoptionen bei den jüngeren Nutzern weiter verbreitet? Untersucht man zunächst die Nutzung einzelner Anwendungen quer durch alle Altersgruppen, so zeigt sich laut ARD/ZDF-Onlinestudie, dass innerhalb des Social Web die WIKIPEDIA, Videoportale und Netzwerkplattformen im Mittelpunkt der Nutzung stehen (van Eimeren/Frees 2014).
Deutliche Generationsunterschiede sind bei der Nutzung fast aller Social-Media-Angebote festzustellen. Zu den aktivsten Nutzern zählen durchweg die jüngeren zwischen 14 und 29 Jahren. Gerade bei FACEBOOK zeigt sich, dass das noch bestehende Wachstum hauptsächlich durch ältere Nutzer getragen wird, während jüngere Nutzer oftmals weitergezogen sind und andere Dienste wie INSTAGRAM, SNAPCHAT oder MESSENGER besonders intensiv nutzen.
Dieses Wachstum gilt jedoch nicht für alle Bereiche des Social Web. Seit Längerem zeichnet sich ab, dass bestimmte Dienste nur von einer relativ kleinen, dafür umso aktiveren Gruppe genutzt werden (ebd.). Hieraus wurde lange Zeit gemutmaßt, dass die aktive Teilhabe am Social Web nur von einer recht kleinen Nutzergruppe verfolgt werde. Bei näherer Betrachtung der Aktivitäten innerhalb von Social Networks relativiert sich dies jedoch. Im Durchschnitt erstellt oder teilt ein FACEBOOK-Nutzer 90 Inhalte im Monat und ist mit etwa → Seiten, Gruppen oder Veranstaltungen verbunden (Facebookbiz 2011). Gleichzeitig hat FACEBOOK mittlerweile eine der größten Fotosammlungen im Netz. Seit Ende 2014 versucht das Netzwerk, das Bereitstellen und Konsumieren von Videos zu forcieren. Offensichtlich senkt die Teilöffentlichkeit des Social Network die Hemmschwelle, selbst Inhalte zu generieren. Seit 2015 versucht das Social Network zudem, mithilfe von Kooperationen journalistische Inhalte systematisch zu integrieren.
Aus Sicht des Kommunikationsmanagements ist von besonderer Bedeutung, dass das Social Web mit seinen Nutzungsoptionen den Rahmen für neue Wege zur Bildung von Öffentlichkeit, der Vernetzung und der Kollaboration bietet. Damit kann es als Katalysator für einen grundlegenden Wandel betrachtet werden. Diese Entwicklungen lassen sich anhand der Nutzungsoptionen eher handlungsorientiert und auf einer zweiten Ebene anhand ihrer sozialen Funktionen unterscheiden.
Auf der Nutzungsebene lassen sich für das Social Web folgende Optionen erkennen (Pleil 2007):
Publizieren (Authoring):
Social Software ermöglicht das einfache Editieren und Publizieren im Internet. Dies ist praktisch ohne finanzielles Kapital möglich – ein Weblog zum Beispiel ist mit wenigen Mausklicks angelegt und kann kostenfrei betrieben werden. Durch einfache Content Management Systeme erfordert das Veröffentlichen im Netz kaum mehr Kenntnisse als der Umgang mit einer üblichen Textverarbeitung, so dass neben den wirtschaftlichen Schwellen auch die technischen Barrieren des Publizierens deutlich gesenkt sind.
Teilen (Sharing):
Im Social Web können Informationen wie Links auf Artikel oder Videos, aber auch persönliche Wertungen anderen Nutzern auf einfache Weise zur Verfügung gestellt werden. Diese Mechanismen sind in Social Networks wie
besonders verbreitet, sind aber auch in anderen Angeboten wie Bookmark-Diensten integriert. Oft lässt sich festlegen, in welchem Rahmen solches Teilen erfolgen soll – etwa öffentlich, gruppenintern oder nur privat.
Zusammenarbeiten (Collaboration):
Social-Software-Formate bieten neue Wege der Zusammenarbeit sowohl in definierten Arbeitsgruppen wie auch gegebenenfalls in sich zufällig bildenden Verbünden. Prominenteste Anwendungsbeispiele hierfür sind Wikis.
Vernetzen (Networking):
Das Social Web unterstützt die Vernetzung von Individuen und Organisationen. Auf der Ebene der Individuen kann es sich dabei um digitale Identitäten handeln. Andererseits wird auch die Pflege von Netzwerken aus der Offline-Welt unterstützt. Hierzu dienen eigene Plattformen (zum Beispiel
MYSPACE
,
,
STUDIVZ
), aber auch technische Mechanismen, beispielsweise solche, die zwischen Weblogs eine automatische Vernetzung herstellen (Trackbacks et cetera).
Bewerten und Filtern (Scoring and Filtering):
In vielen Zusammenhängen erlaubt Social Software neue Bewertungs- und Filterprozesse durch ihre Nutzer. Diese stellen eine Alternative zu rein maschinellen Filterungen wie etwa durch Suchmaschinen dar. Manuelle Mechanismen der Verschlagwortung (Tagging) und Bewertungssysteme für Informationen (zum Beispiel nach dem Muster von
digg.com
) ergänzen sich dabei gegenseitig. Damit können bestimmte Anwendungen des Social Web eine zu Suchmaschinen alternative, auf menschliche Wertung basierende Orientierungsfunktion erfüllen.
Die einzelnen Formate/Anwendungen der Social Software erfüllen mindestens eine dieser Funktionen. In der Praxis ist häufig eine Kombination zu beobachten: So erlauben Weblogs zum Beispiel das Publizieren ebenso wie das Vernetzen und das Teilen von Informationen. Vernetzende Plattformen wie FACEBOOK oder YOUTUBE kombinieren nahezu alle der erwähnten Aspekte.
Eine etwas andere, mehr auf soziale Funktionen abhebende Differenzierung schlägt Jan Schmidt vor. Er definiert Social Software anhand von drei Funktionen: Identitätsmanagement, Beziehungsmanagement und Wissensmanagement (Schmidt 2008: 24). Im Einzelnen gilt hierbei:
Informationsmanagement
meint die Möglichkeit, innerhalb hypertextueller und sozialer Netze Informationen zu finden, zu rezipieren und zu verwalten.
Identitätsmanagement
meint die Möglichkeit des (selektiven) Präsentierens von Aspekten der eigenen Person (eigene Interessen, Expertise, Meinungen, Kontakte et cetera).
Beziehungsmanagement
meint die Möglichkeit, soziale Beziehungen mithilfe von Social Software einzugehen, zu pflegen, auszubauen sowie für Dritte sichtbar werden zu lassen.
Ähnlich wie auch bei oben genannter Funktionsbeschreibung trifft bei einzelnen Anwendungen der Social Software nicht jede soziale Funktion gleichermaßen zu. Charakteristisch ist allerdings, dass durch die Nutzung von Social Software ein Bogen vom Individuum zum Sozialen beziehungsweise zur Gemeinschaft geschlagen wird (Pleil 2007). Ein Beispiel: Wer Fundstellen im Netz mithilfe von Social-Bookmarking-Diensten verschlagwortet und archiviert, tut dies zunächst aus Eigeninteresse. Oft sind jedoch diese Internetarchive öffentlich zugänglich und können deshalb für beliebig viele andere Nutzer des Internets ebenfalls hilfreich sein. Auffindbar werden die Inhalte solcher Archive dabei weniger durch klassische Suchmaschinen, sondern durch Verschlagwortung (Tagging), Bewertungen durch andere Nutzer oder durch Aggregationsdienste. Damit bedeutet das Social Web nicht nur eine Flut neuer Inhalte. Vielmehr ist es ein kommunikatives Perpetuum mobile rund um die Inhalte, die seine Nutzer einbringen und die dann von anderen wieder aufgegriffen, verändert und weitergetragen werden können. Eine besondere Rolle spielen dabei natürlich auch Medieninhalte, die unverändert weitergereicht, angereichert oder verkürzt und anderen zur Verfügung gestellt werden. Da dieser Bereich des Internets sehr stark auf Inhalten und Verlinkungen aufbaut, ist als Nebeneffekt auch zu beobachten, dass gut vernetzte Social-Media-Projekte (zum Beispiel Blogs) in Suchmaschinen verhältnismäßig hoch bewertet im Ranking stehen. Das bedeutet auch, dass ein Thema, das in einem stark verlinkten Blog diskutiert wird, über eine Suchanfrage bei einer Suchmaschine in der Regel sehr gut auffindbar ist. Damit wird deutlich, dass die im Social Web geführten Kommunikationen für den Einzelnen zwar flüchtig erscheinen mögen, jedoch durch die dauerhafte Speicherung auch dauerhafte Struktur geschaffen wird.
Auf ökonomischer Ebene ist zu sehen, dass das Social Web seine Nutzer häufig in Produktions- beziehungsweise Leistungsprozesse integriert (Hass et al. 2010: 3). Dies wird nicht nur bei Wikis wie der WIKIPEDIA deutlich, sondern auch Bewertungsplattformen sowie Unternehmens-Websites bauen auf diese Integration. Kommunikativ wird dieses Prinzip beispielsweise in Kampagnen genutzt.
Eine der wichtigsten Fragen mit Blick auf eine zunehmend vernetzte Gesellschaft ist jene nach dem Wandel sozialer Beziehungen durch das Internet und andere technische Netze. Zugleich sind aus Sicht des Kommunikationsmanagements Entwicklungen zu diskutieren, die neue Anforderungen an die Online-Kommunikation von Unternehmen und Organisationen stellen. In diesem Zusammenhang sollen ausgewählte Aspekte, die für diese Fragestellungen besonders bedeutsam erscheinen, skizziert werden. Hierzu gehören neben den Wechselwirkungen zwischen Internet und sozialen Beziehungen vor allem Faktoren für erfolgreiche Online-Kommunikation, zu denen insbesondere Aufmerksamkeit, Vertrauen, Transparenz, Glaubwürdigkeit und Authentizität gerechnet werden. Hieraus resultierend kann digitale Reputation entstehen – Reputation, die beispielsweise von Bezugsgruppen von Unternehmen nicht automatisch von der Realität in die Online-Welt übertragen wird, sondern im Internet gezielt erarbeitet werden muss.
Soziale Beziehungen: Vernetzte Individualisten und kulturelle Erwartungen
Kulturpessimisten haben lange die Diskussion beherrscht: Im Mittelpunkt ihrer Befürchtungen stand die Gefahr der Vereinsamung intensiver Computer- beziehungsweise Internet-Nutzer. Doch ein Verlust sozialer Kontakte bei intensiven Internet-Nutzern konnte bisher nicht nachgewiesen werden (Köcher 2007) – im Gegenteil: Schon vor einigen Jahren hat eine Studie des Pew Internet & American Life Projects gezeigt, dass intensive Nutzer des Internets einen größeren Bekanntenkreis haben als Gelegenheitsnutzer oder Offliner (Boase 2006: 9). Bemerkenswert dabei ist, dass sich die Zahl der engen Kontakte, also zur Familie oder zu guten Freunden, in diesen Gruppen kaum unterscheidet. Das bedeutet, dass das Internet den Aufbau und die Pflege disperser sozialer Netzwerke unterstützt. Damit sind Netzwerke gemeint, die nicht wie bisher vorwiegend im Wohn- und Arbeitsumfeld entstehen, sondern sich hiervon loslösen; die Autoren der Studie sprechen in diesem Zusammenhang von einem Trend hin zu einem vernetzten Individualismus (ebd.: II). Der später eingesetzte Siegeszug von Social Networks und die Art ihrer Nutzung können als Bestätigung dieser Position gesehen werden. Das Internet führt also nicht wie von vielen befürchtet automatisch zu sozialer Isolierung, sondern bietet im Gegenteil die Chance zum Aufbau erweiterter sozialer Netze, die im Bedarfsfall aktiviert werden können: »People use their social networks to seek information and advice« (ebd.: 26). Die Orientierung spielt also aus Sicht der Internet-Nutzer eine große Rolle – die Frage ist im Einzelfall, ob diese durch eine Medienmarke, das eigene soziale Netz, eine Institution oder ein Unternehmen glaubwürdig und niederschwellig sein kann.
Oft gibt das zum Teil virtuelle soziale Netz Hilfestellung bei Kaufentscheidungen oder unterstützt mit anderen nützlichen Informationen. Wichtig hierbei ist, dass den Mitgliedern des eigenen sozialen Netzes vergleichsweise hohes Vertrauen entgegengebracht wird (Edelman 2011). Zwar sind die virtuellen sozialen Beziehungen lockerer als reale, dafür aber erlaubt das Internet den Aufbau und die Pflege eines wesentlich größeren Beziehungsnetzwerkes, als dies bisher möglich war. Social Networks wie XING, FACEBOOK oder LINKED-IN unterstützen die Entwicklung und Pflege solcher sozialer Netze. In ihnen werden die vom einzelnen Mitglied zugänglich gemachten Beziehungen und damit persönliche soziale Netze, für die anderen Nutzer sichtbar dokumentiert. Diese Sichtbarkeit ist im Sinne eines Empfehlungsmarketings für Sozialkontakte zu verstehen. Der Bekannte meines Bekannten erhält gegenüber einem gänzlich Fremden einen Vertrauensbonus. Auf diese Weise sollen aktive Vernetzungsstrategien (Kontaktaufnahme, Austausch) der Mitglieder solcher Plattformen gefördert werden (Berge/Buesching 2008: 29). Gleichzeitig dienen Quantifizierungen (Zahl der Freunde, der Beiträge, positiver Bewertungen et cetera) dem Bedürfnis des Einzelnen nach Selbstwert (Sassenberg 2008: 66) und zeigt anderen gleichzeitig den Status eines Mitglieds innerhalb einer Gemeinschaft.
Häufig wird für Personen innerhalb dieser Netzwerke der Begriff der »Peers«, also der Gleichgesinnten, die Orientierung geben, verwendet. Für den Einzelnen sehen Soziologen solche Netzwerke als Bestandteil des Sozialkapitals (Wellman/Frank 2001). Je größer die Zahl der Verbindungen eines Netzwerkmitglieds ist, desto mehr Einfluss – und gegebenenfalls Nützlichkeit – wird ihm unterstellt. Dies kann beispielsweise auf die Meinungsbildung, vor allem aber auf die Fähigkeit, Themen zu setzen, aber auch allgemeiner auf eine mögliche Unterstützung oder ein Engagement für ein Thema oder ein Gruppenmitglied bezogen werden. Insofern ist davon auszugehen, dass sich Informationen innerhalb eines sozialen Netzes besonders rasch verbreiten, wenn sie über wichtige Knoten – also zentrale Netzwerkmitglieder – laufen.
Nutzen dabei Mitglieder eines solchen Netzes Weblogs, Social Networks, TWITTER, YOUTUBE oder andere Anwendungen zur Publikation und Verbreitung von Themen, wird ein Grund deutlich, weshalb sich im Internet Themenkarrieren rasant entwickeln können. Erst langsam beginnt das Kommunikationsmanagement, sich auf diese neue Art der Multiplikatoren einzustellen und soziale Netzwerke und deren Bedeutung zu erkennen. Dies gilt auch für neue, kombinierte Mediennutzungsformen, wie sie durch den sogenannten Second Screen zu beobachten sind: Dabei werden aus reinen Fernsehkonsumenten aktive Mediennutzer, die Onlinekanäle wie Apps, Twitter oder Facebook nutzen, um über Fernsehinhalte – vom Werbespot über Dokumentationen bis zu Unterhaltungssendungen – zu kommunizieren. Immerhin ein Drittel der Onlinenutzer nutzt zumindest gelegentlich diese Möglichkeiten (Busemann/Tippelt 2014: 412). Eng verbunden mit den wachsenden sozialen Netzen intensiver Internet-Nutzer ist auch eine veränderte Erwartung an Kommunikation: Diese ist zunehmend geprägt von Ungeduld (Köcher 2008), die sich sowohl auf die Auffindbarkeit von Informationen wie auf die tolerierten Reaktionszeiten zum Beispiel auf Mailanfragen beziehen lässt.
Hier kommt die sogenannte Netzkultur ins Spiel. Castells (2002: 36) betont den engen Zusammenhang zwischen dem technischen System Internet und der Kultur der diese Infrastruktur Schaffenden. Seine These: Die Internet-Kultur ist mit der Kultur der Väter des Netzes gleichzusetzen. Ihre Werte und Überzeugungen haben demnach nicht nur die technische Ausgestaltung des Internets beeinflusst, sondern auch die darin gültigen sozialen Verhaltensmuster. Im Ergebnis sieht der Soziologe vier Ebenen der Internet-Kultur: eine technisch-leistungsorientierte, die Hackerkultur, eine kommunitaristische Kultur und schließlich eine unternehmerische Kultur. Allen gemeinsam sei, dass sie deutlich eine freiheitliche Ideologie unterstützen beziehungsweise einfordern. Entscheidend dabei ist, dass diese vier Ebenen nicht voneinander losgelöst existieren, sondern sich gegenseitig auf einer Werteebene beeinflussen.
Gerade die hohe Bedeutung freiheitlicher Werte zeigt sich in vielen Diskussionen rund um das Internet. Bis heute ist es im Vergleich zu den Massenmedien vermutlich weit weniger reguliert. Vorschläge oder Verhaltensweisen, die als Einschränkung der Freiheit wahrgenommen werden, lösen meist in kürzester Zeit heftige Reaktionen im Netz aus. Dies gilt auch für die Beziehung von Unternehmen und ihren Stakeholdern. Ein Beispiel: Juristisches Vorgehen gegen einen Beitrag in einem Weblog oder einer Bewertungsplattform kann im Zweifelsfall als Angriff auf die Meinungsfreiheit interpretiert werden und im Verbund mit Solidarisierungseffekten für größeren Aufruhr im Netz sorgen.
Doch auch andere Aspekte dieser Netzkultur lassen sich beobachten, so zum Beispiel der Hang zum Informellen und die Ablehnung zu starker Hierarchien – Aspekte, die sich etwa am Kommunikationsstil innerhalb des Netzes deutlich ablesen lassen (Schindler/Liller 2011: 13). Die Erwartungen an den Kommunikationsstil im Internet beziehen sich auf der einen Seite auf die Tonalität: Komplizierte Bürokratensprache fällt dabei sicher klar durch, auch eine allzu formelle Präsentation von Personen.
Gleichzeitig spielen – überwiegend subjektiv wahrgenommene – Faktoren wie Vertrauen, Authentizität und Dialog im Erwartungsset vieler Online-Nutzer eine besondere Rolle. Dies kommt nicht von ungefähr: Bereits in der Diskussion um Öffentlichkeit steht der Begriff des Vertrauens weit oben. Entsprechend sind der Erwerb und die Sicherung von Vertrauen wichtige Ziele des Kommunikationsmanagements. Bentele und Seidenglanz sehen vier Typen des Vertrauens: jenes zwischen Personen, öffentliches Vertrauen, institutionelles Vertrauen und Vertrauen in Systeme (Bentele/Seidenglanz 2008: 56), wozu auch das Vertrauen in das Internet gehört. In der Online-Kommunikation ist Vertrauen so bedeutsam, weil hier die unterschiedlichen Typen gleichermaßen relevant sind.
Dabei wird üblicherweise Vertrauen als eine Möglichkeit gesehen, Unsicherheit zu kompensieren, wobei Vertrauen auf Erfahrungen basiert, die in die Zukunft projiziert werden. Damit wird deutlich, dass Vertrauen erst langsam aufgebaut werden kann. Dies kann durch die Offenlegung von Zusammenhängen und die Herstellung von Transparenz geschehen. Auch die Qualität und Zugänglichkeit von Informationen spielt beim Aufbau von Vertrauen eine wichtige Rolle, ebenso die Vermittlung von Kompetenz und Glaubwürdigkeit – kurz: Die Reputation einer Person, einer Organisation oder eines Systems ist Grundlage für das entgegengebrachte Vertrauen. Ökonomisch betrachtet erleichtert Vertrauen Transaktionen und Geschäftsbeziehungen (Hoffmann/von Kaenel 2010).
In der Online-Kommunikation stand lange das Vertrauen in Web-Präsenzen im Mittelpunkt. Ziel war also, Systemvertrauen herzustellen (Bekmeier-Feuerhahn/Eichenlaub 2009: 297). Dabei berücksichtigen Nutzer Faktoren wie Bekanntheit und Sympathie einer Marke beziehungsweise eines Betreibers, aber auch Inhalte einer Website, Design, Kommunikationsstil und Rückkoppelungsmöglichkeiten. Mit dem Social Web hat dann interpersonelles Vertrauen, also Vertrauen in Einzelpersonen (ebd.) in der Diskussion an Bedeutung gewonnen, da hier einzelne Akteure, wie Mitarbeiter eines Unternehmens, stärker in Erscheinung treten. Interpersonales Vertrauen entsteht aber umso schwerer, je stärker eine Person als durch Rollen und Regeln festgelegt wahrgenommen wird (ebd.: 299). Anders ausgedrückt: Je freier und individueller eine Person im Internet auftreten kann, desto leichter gewinnt sie Vertrauen. Vertrauensfördernd ist außerdem, wenn bei der anderen Person Ähnlichkeiten entdeckt werden, sei es durch Kommunikationsstil, Interessen oder Gruppenzugehörigkeiten. Insofern erscheint es sinnvoll, wenn Kommunikatoren mit nachvollziehbaren Interessen und einer Biografie in Erscheinung treten. Ob eine Person allerdings wirklich Vertrauen gewinnt, liegt auch an der »individuellen Vertrauensbereitschaft« (ebd.: 309) des anderen.
Besonders wichtig für den Aufbau von Vertrauen in der Online-Welt sind darüber hinaus Empfehlungen. Hierbei kann es sich um persönliche Empfehlungen von Experten und Kunden oder aus dem eigenen sozialen Netz handeln oder um institutionelle Empfehlungen, wie sie durch Siegel (zum Beispiel Trusted Shops) oder Tests ausgesprochen werden (Hoffmann/von Kaenel 2010).
Der im Zusammenhang mit Online-Kommunikation ebenfalls oft verwendete Transparenzbegriff verdeutlicht klar die oft hohen Ansprüche an die Kommunikation durch Internet-Nutzer. Dabei ist Transparenz eine wichtige Voraussetzung für den Aufbau von Vertrauen und durchaus vielschichtig zu verstehen. Unternehmen müssen sich bewusst sein, dass Online-Kommunikation per se Transparenz schafft – ob sie es wollen oder nicht. Schon länger ist davon die Rede, dass unternehmerisches Tun zunehmend im Glashaus stattfindet (Klenk 2009) – auch beeinflusst durch Globalisierung, weltweite Reporting-Initiativen, Wettbewerbsdruck und Forderungen nach unternehmerischer Verantwortung. Unternehmen und ihr Handeln stehen also unter Dauerbeobachtung, und das Internet hilft seinen Nutzern, an Informationen zu kommen, sie zu veröffentlichen und sich gegebenenfalls zu organisieren. Beispielhaft zu nennen sind Preisvergleichs- und Bewertungsplattformen, aber auch Ad-hoc-Initiativen, die sich mit unternehmerischem Handeln wie der Einkaufspolitik beschäftigen. Zum anderen ist jedoch zu betonen, dass sich das Kommunikationsmanagement in Bezug auf Transparenz in einem strategischen Spannungsfeld bewegt, denn was auf der einen Seite gefordert wird, kann aus Unternehmenssicht durchaus auch riskant sein. Hiermit sind nicht nur Informationen gemeint, deren Veröffentlichung Schaden stiften kann, sondern auch eine umso größere Abhängigkeit vom öffentlichen Urteil, je transparenter sich ein Unternehmen darstellt (Duhé 2007: 58).
Bezogen auf Online-Kommunikation spielt kommunikative Transparenz eine besondere Rolle. Burkart (2004) spricht von einem Leitwert der Web-Kommunikation. Gerade der zunehmende Druck, sofort zu kommunizieren, erhöht automatisch die Transparenz und verringert die Steuerungsmöglichkeiten von Unternehmen (ebd.: 63). Ein anderer Aspekt der Transparenz in der Online-Kommunikation ist die Absenderklarheit: Stellt ein Unternehmen eine Website zu einem bestimmten Fachthema ins Netz, so ist es aus strategischen wie ethischen Gründen verpflichtet, nicht nur klein im Impressum auf sich zu verweisen, sondern den Nutzern zum Beispiel auch durch die Gestaltung der Website auf Anhieb die Verbindung zum eigenen Haus anzuzeigen. Zur kommunikativen Transparenz gehört auch, dass Mitarbeiter eines Unternehmens als solche klar erkennbar in Diskussionen oder Onlineprofilen auftreten, sobald sie dies in offizieller Funktion tun. Ein Kommunikationsmanager, der in einem Blog anonym ein Produkt seines Unternehmens diskutiert, verhält sich inakzeptabel und riskiert für sein Unternehmen einen Reputationsverlust, denn die Wahrscheinlichkeit, dass er ertappt wird, ist im Internet sehr groß.