Handlexikon Geistige Behinderung -  - E-Book

Handlexikon Geistige Behinderung E-Book

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  • Herausgeber: Kohlhammer
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Work with people who have mental disabilities has been undergoing greater change in recent years than practically any other field in remedial and special needs teaching. As the ability of people with mental disability to learn and develop was recognized, a competence and strengths approach was adopted in the theories and concepts underlying support work for them, and this was supplemented by taking into account the views of those affected and a commitment to strengthen their legal rights. This pocket dictionary provides solid scientific guidance in the face of the rapid developments and upheavals in assistance for the mentally disabled that have taken place in recent years. It includes all of the major key concepts that are important from both the practical and theoretical viewpoints. At the same time, the pocket dictionary tries to indicate the interdisciplinary nature of this specialist field of work by including terms that come not only from the field of remedial and special needs teaching, but also from psychiatry/medicine, psychology, sociology, social policy and social work.

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Seitenzahl: 822

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Wie kaum ein anderer Bereich der Heil- und Sonderpädagogik ist die Arbeit mit geistig behinderten Menschen in den letzten Jahren in Bewegung geraten. Mit der Anerkennung der Lern- und Entwicklungsfähigkeit von Menschen mit geistiger Behinderung haben sich auch die Theorien und Konzepte der Geistigbehindertenhilfe einer Kompetenz- und Stärkenperspektive verschrieben und um die Betroffenensicht und das Engagement zur Stärkung ihrer Rechte in der Gesetzgebung ergänzt. Das Handlexikon liefert angesichts der rasanten Entwicklungen und Umbrüche der Geistigbehindertenhilfe in den letzten Jahren eine solide wissenschaftliche Orientierungshilfe. Dafür wurden alle wesentlichen Schlüsselbegriffe aufgenommen, die sowohl in praktischer als auch theoretischer Hinsicht bedeutsam sind. Dabei will das Handlexikon gleichzeitig den interdisziplinären Charakter dieses Fach- und Arbeitsbereiches zum Ausdruck bringen, indem die aufgenommenen Begriffe nicht nur aus dem Bereich der Heil- und Sonderpädagogik, sondern auch aus Psychiatrie/Medizin, Psychologie, Soziologie, Sozialpolitik und Sozialer Arbeit stammen.

Professor Dr. Georg Theunissen hat den Lehrstuhl für Geistigbehindertenpädagogik und Pädagogik bei Autismus an der Universität Halle-Wittenberg. Dr. Wolfram Kulig ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter. Dipl.-Päd. Kerstin Schirbort ist Pädagogische Leiterin eines Wohnbereichs für Menschen mit Lernschwierigkeiten und komplexer Behinderung.

Georg Theunissen Wolfram Kulig Kerstin Schirbort (Hrsg.)

Handlexikon Geistige Behinderung

Schlüsselbegriffe aus der Heil- und Sonderpädagogik, Sozialen Arbeit, Medizin, Psychologie, Soziologie und Sozialpolitik

2., überarbeitete und erweiterte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2013   Alle Rechte vorbehalten © 2007 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

Print: 978-3-17-022531-2

E-Book-Formate

pdf:

epub:

978-3-17-027620-8

mobi:

978-3-17-027621-5

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

A

Ablösung, Trennung vom Elternhaus

Active Support, aktive Unterstützung

Aggression, aggressives Verhalten

Alphabetisierung, Erwerb schriftsprachlicher Kompetenz, Lesen, Schreiben

Altenarbeit und Altenbildung

Alter und Altern

Anenzephalie

Anstalten

Anthropologie

Anthroposophie

Arbeit

Armut

Assistenz

Ästhetische Erziehung, ästhetische Bildung

Aufmerksamkeit

Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

Aufsichtspflicht und Haftung

Autismus, autistische Störungen, autistische Züge

Autismus-Spektrum

B

Basale Kommunikation

Basale Pädagogik, basale Aktivierung

Basale Stimulation

Bedürfnisse, Bedürfnisorientierung

Begegnung

Begleitung

Behindertenrechtskonvention (BRK)

Benachteiligung

Beratung

Berufliche Bildung

Berufliche Integration, berufliche Rehabilitation

Betreuung

Betreuungsrecht

Bildung

Bildungsfähigkeit

Bindung, Bindungsforschung

Biographiearbeit

Bürgerschaftliches Engagement, Freiwilligenarbeit, Volunteering

Bürgerzentrierung

C

Community Care

Computergestützte Analysesysteme

Consulenten, Konsulenten, Konsulentendienst

Coping, Copingstrategien

Corporate Citizenship, Corporate Social Responsibility

D

Deeskalation

Defektologie

Defizite, Defizitorientierung

Deinstitutionalisierung

Delinquenz, Kriminalität

Demenz

Depression

Developmental Disabilities

Dezentralisierung

Diagnostik

Didaktik, didaktische Modelle

Disability, Behinderung, Disability Studies

Diskriminierung

Dissozialität

Dissoziation, dissoziative Störungen

Doppeldiagnose, dual diagnosis

Down-Syndrom, Trisomie 21

E

Eingliederungshilfe

Eltern- und Familienarbeit

Elterninitiativen

Elternschaft von Menschen mit geistiger Behinderung

Emanzipation

Emotionen, emotionale Entwicklung

Empowerment, Selbstermächtigung, Selbstbefähigung

Enthospitalisierung

Entwicklung

Entwicklungstests, Entwicklungsgitter, Entwicklungsskalen

Epidemiologie

Epilepsie, epileptisches Anfallsleiden

Ergotherapie

Erlebnispädagogik

Erwachsenenbildung

Erwachsenwerden

Erziehung

Ethik, Menschenwürde

Euthanasie

F

Familie

Familienentlastender/familienunterstützender Dienst

Förderdiagnostik

Förderplanung

Förderung

Förderzentrum

Forschungsmethoden

Freizeit, Freizeitgestaltung

Freizeitassistenz

Fremdbestimmung

Frühbehandlung, Kindförderung, Kooperation mit Eltern

Frühdiagnostik

Früherkennung

Functional Skills

G

Gebärden

Gedächtnis, Gedächtnisprozesse

Geist, geistig, mental

Geistigbehindertenpädagogik

Geistige Behinderung

Geistige Entwicklung

Gemeinsame Erziehung

Gemeinsamer Unterricht

Gender, Geschlecht, Genderforschung

Generalisierung, Transfer

Gerontologie

Geschichte der Betreuung von Menschen mit geistiger Behinderung

Gestützte Kommunikation, Facilitated Communication

Gesundheit

Gesundheitserziehung

Gewalt

H

Handlungsbezogenes Lernen

Hauswirtschaft, Privathaushalt

Heilpädagogik

Heilpädagogische Rhythmik

Hilfebedarf

I

ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit)

Identität, Selbstbild, Selbstkonzept

Individuelle Hilfeplanung

Inklusion, Inclusion

Inklusive Pädagogik, inclusive education

Integration

Integrationsfachdienste

Integrative Körpertherapie, Gestalttherapie

Intellectual Disabilities, intellektuelle Behinderung

Intelligenz

Intelligenztests

Interdisziplinäre Frühförderung

Interdisziplinarität

Intervention

Isolation, Vereinsamung

K

Kinder- und Jugendmedizin

Kinder- und Jugendpsychiatrie

Kinder- und Jugendwohnen

Klinische Bilder

Kompensation

Kompetenz, Kompetenzorientierung

Komplexe Behinderung / komplexe Behinderung

Kooperation

Kooperationsklassen, kooperativer Unterricht

Kreativität

Kretinismus

Krisen

Krisenintervention

Kunst

Kunsttherapie

L

Lebenspraktische Bildung

Lebensqualität

Lebensstilplanung

Lebensweltorientierung, Kontextorientierung

Leibpädagogik

Leichte Sprache (aus der Sicht von People First)

Lernbehinderung

Lernen, Lernfähigkeit, Lerntheorien

Lernschwierigkeiten, Menschen mit Lernschwierigkeiten

M

Massage

Mathematik, Rechnen

Mediation

Mehrfache Behinderung

Menschenbilder

Menschenrechte

Mental Retardation, Mental Handicap

Mitbestimmung, Mitwirkung

Mobilitätsförderung, Verkehrserziehung

Montessori-Pädagogik

Motivation

Motorik, motorische Beeinträchtigungen

Musik

Musikerziehung

Musiktherapie

N

Nationalsozialismus

Netzwerkarbeit

Neue Medien, Computer(programme)

Neuronale Plastizität

Neuropädiatrie

Neurowissenschaften

Normalisierung, Normalisierungsprinzip

O

Offene Hilfen

Öffentlichkeitsarbeit

Ökonomisierung

Oligophrenie

P

Partizipation

Partnerschaft

Paternalismus

Peer Counseling

People First Deutschland

Persönliche Assistenz

Persönliches Budget

Persönliche Zukunftsplanung

Persönlichkeitsstörungen, Psychopathie

Person

Person-centered Planning; Personzentrierte Planung

Pflege, Pflegebedürftigkeit

Pflegekonzepte

Physiotherapie

Positive Verhaltensunterstützung, Positive Behavioral Support

Prävention

Praxisberatung

Problemlösetraining, problem solving

Problemverhalten

Profession, Professionalisierung

Projektorientierter Unterricht

Psychiatrie, psychiatrische Versorgung

Psychiatrisches Modell, medizinisches Modell

Psychische Störungen, psychische Krankheit

Psychomotorik

Psychopharmaka

Psychotherapie

Pubertät

Q

Qualität, Qualitätsentwicklung

Qualitätssicherung, Evaluation, Nutzerkontrolle

R

Regionalisierung

Rehabilitation

Rehistorisierung

Religionsunterricht, evangelisch/katholisch

Resilienz

Ressource, Ressourcenaktivierung

S

Sachkunde, Sachunterricht

Savants, Inselbegabung

Schizophrenie, wahnhafte/psychotische Störungen

Schmerzen

Schule für Geistigbehinderte, Schule für praktisch Bildbare, Schule für individuelle Lebensbewältigung, Förderschule, Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung

Selbstbestimmung, Autonomie

Selbstverletzendes Verhalten, Autoaggression

Selbstvertretung, Self-Advocacy, Selbstvertretungsgruppen, People First

Selbstwahrnehmung

Sensomotorische Lebensweisen

Sexualassistenz, Sexualbegleitung

Sexualität

Sexualpädagogik

SIVUS-Methode

Snoezelen

Sozial adaptives Verhalten

Soziale Arbeit, social work, Sozialarbeit, Sozialpädagogik

Soziale Konflikte

Soziale Netzwerke

Soziale Probleme

Soziales Lernen, Soziales Kompetenztraining

Sozialpädiatrie

Sozialpädiatrische Zentren

Sozialraum, Sozialraumorientierung

Special Olympics

Spiel, Spielförderung

Sport, sportliche Aktivität

Sprache

Sprachtherapie, Logopädie

Stärken, Stärken-Perspektive

Sterbebegleitung

Stereotypien

Stigma, Stigmatisierung

Subjektzentrierung

Sucht, Abhängigkeitssyndrom

Supported Living, unterstütztes Wohnen

T

Tagesstätten, Tagesförderstätten, day centers

TEACCH, Treatment and Education of Autistic and Related Communication Handicapped Children

Teilhabe

Teilhabeplanung, Örtliche Teilhabeplanung

Therapie

Tics

Transdisziplinarität

Trauer, Trauerarbeit

Trauma, posttraumatische Belastungsstörung

U

Unterrichtsmethoden

Unterstützerkreis, Circle of Supports, Circle of Friends

(siehe auch Persönliche Zukunftsplanung)

Unterstützte Beschäftigung, Supported Employment

Unterstützte Kommunikation

Unterstützter Ruhestand

Unterstützung

Unterstützungsmanagement, Case Management

Ursachen geistiger Behinderung (medizinische Aspekte)

Ursachen geistiger Behinderung (soziale Aspekte)

V

Validation

Verbände, Organisationen

Verfahren zur Erfassung psychischer Störungen

Verfahren zur Erfassung sozial adaptiver Verhaltensweisen

Verhaltensauffälligkeiten, Verhaltensstörungen

Verhaltensphänotypen, behavioral phenotypes

Vulnerabilität

W

Wahrnehmung

Wahrnehmungsförderung

Werkstatt für behinderte Menschen

Wohlbefinden

Wohnen, Wohnformen

Z

Zwang, Zwangsstörungen

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Stichwortverweise

Vorwort

In keinem anderen Bereich der Heil- oder Sonderpädagogik ist in den letzten Jahren so viel Neues entstanden und in Bewegung geraten wie in der Arbeit mit geistig behinderten Menschen.

Menschen mit geistiger Behinderung wurden Jahrzehnte lang als versorgungs-, behandlungs- und belieferungsbedürftige Defizitwesen betrachtet und mit ihren Bedürfnissen und Wünschen nicht ernst genommen. Erst seit kurzem hat sich diese Situation deutlich verändert. Moderne Theorien und Ansätze gehen von einer prinzipiellen Lern- und Entwicklungsfähigkeit geistig behinderter Menschen aus und haben sich einer Kompetenz- oder Stärken-Perspektive verschrieben. Sie zeichnen ein Bild von Menschen mit geistiger Behinderung, das der traditionellen defizitorientierten Sicht kontrapunktisch gegenübersteht und nachhaltig in Richtung auf Wertschätzung und Selbstbestimmung hinausläuft. Hierzu haben Menschen mit geistiger Behinderung in den letzten Jahren selbst einen wichtigen Beitrag geleistet, indem sie Selbstbewusstsein präsentieren und Selbstbestimmung fordern.

Mit dieser weltweiten Entwicklung, die vor allem den ethischen Bereich betrifft, also auf veränderte Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderung zielt, gehen weitreichende Änderungen in Sozialpolitik, praktischer Arbeit, aber auch in der empirischen Forschung und theoretischen Reflexion einher.

So sehen sich nicht nur professionell Tätige in der Praxis und Angehörige wie vor allem Eltern geistig behinderter Kinder, sondern ebenso nichtbehinderte Mitbürger vor zahlreiche neue Herausforderungen gestellt.

Hierzu müssen Einstellungen zu Menschen mit geistiger Behinderung überdacht und Beziehungen neu bestimmt werden. Menschen mit geistiger Behinderung müssen als Bürger mit Rechten und Wünschen respektiert und als Experten angenommen werden. Notwendige Veränderungen in allen Bereichen der Praxis und des gesellschaftlichen Lebens sind die Folge.

Auch die Behindertenpolitik reagiert, indem sie zum Beispiel diesem gewandelten Selbstverständnis durch die Stärkung der Rolle Betroffener in der Gesetzgebung (Persönliches Budget) Rechnung zu tragen versucht. Doch nicht nur neue Gesetze für die Hilfe für behinderte Menschen sind als sozialpolitische Folge dieses veränderten Verständnisses aufzufassen; hinzu kommen Gruppen von behinderten Menschen, die selbst Politik machen und ihre Belange aktiv vertreten. Unter selbstorganisierten Zusammenschlüssen, Selbstvertretungsgruppen und insbesondere unter dem Namen »People First« nehmen Menschen mit geistiger Behinderung zunehmend am politischen Geschehen teil.

Die Theoriebildung macht deutlich, dass bisher anerkannte Grundpositionen aus der Heil- oder Sonderpädagogik um die Betroffenen-Sicht und Rechte-Perspektive erweitert werden müssen und auch methodische und methodologische Fragen immer neu zu stellen sind.

Eine solche Situation, die sich durch rasante Entwicklungen, ständige Veränderungen, Neuerungen oder Umbrüche auszeichnet, ist durch eine Vielzahl von neuen Terminologien oder Bedeutungsverschiebungen bestehender Begriffe gekennzeichnet. Hier ist ein Nachschlagewerk hilfreich, das durch eine Bündelung und Reduktion auf das Wesentliche eine Orientierungshilfe verspricht, ohne dabei spezifische Differenzierungen oder unterschiedliche Positionen zu sehr einzuebnen oder Bewährtes auszublenden.

Genau an dieser Stelle hat das vorliegende Handlexikon seinen Platz, der zwischen einem lexikalischen Wörterbuch und einem umfassenderen Lehr- oder Handbuch anzusiedeln ist.

Es soll vor allem ein Nachschlagewerk für praktisch Tätige, Lehrende und Studierende in allen Bereichen der Geistigbehindertenarbeit sein.

Im Unterschied zu bereits vorhandenen Wörterbüchern der Heil- oder Sonderpädagogik sowie zum Handlexikon der Behindertenpädagogik soll ein stringenter, interdisziplinärer Bezug zum Personenkreis der Geistigbehinderten vorgenommen werden. Es geht um Schlüsselbegriffe, die in der Geistigbehindertenarbeit aus heil- oder sonderpädagogischer, medizinisch-psychiatrischer, psychologischer, therapeutischer, soziologischer, sozialpädagogischer und sozialpolitischer Sicht eine prominente Rolle spielen. Viele der ausgewählten Begriffe waren oder sind prägend für die Entwicklungsgeschichte des Arbeitsfeldes und stammen nicht nur aus der Heil- oder Sonderpädagogik, sondern ebenso aus der Psychiatrie/Medizin, Psychologie, Soziologie, Sozialpolitik und Sozialen Arbeit mit geistig behinderten Menschen. Die Begriffe sollen in ihrer Gesamtheit einen fachwissenschaftlichen und fachlichen Überblick sowie bedeutsame Zusammenhänge vermitteln, ohne dabei aktuelle Themen, Fragen, Probleme und Herausforderungen zu vernachlässigen.

Im Unterschied zu den Herausgebern des Wörterbuchs der Heilpädagogik halten wir es für wichtig, auch moderne Begriffe aus der Fachdiskussion zu berücksichtigen (z. B. Empowerment, Inklusion, Community Care), weil nicht wenige dieser »Modewörter« inzwischen zu Kursgewinnern auf dem Ideenmarkt Sozialer Arbeit zählen und zu Konzepten avanciert sind, die traditionelle heilpädagogische Modelle abgelöst haben und auf dem besten Wege sind, sich als Paradigmen zeitgemäßer Geistigbehindertenarbeit zu etablieren.

Manche Schlüsselbegriffe lassen sich wie lexikalische Stichwörter abhandeln, manche benötigen dagegen mehr Raum und eine Aufbereitung als Fachartikel.

Durch eine große Anzahl an Verweisen bei den einzelnen Stichwörtern sollen enge Bezüge aufgezeigt, Vernetzungen und Beziehungen hergestellt werden.

Zur zweiten, erweiterten Auflage haben 86 Autorinnen und Autoren 280 Stichwörter beigesteuert. Es handelt sich dabei um ausgewiesene Expertinnen und Experten, die zu den jeweils ausgewählten und zugeordneten Begriffen gearbeitet haben bzw. mit bestimmten Begriffen aufgrund ihrer Forschungen und Publikationen unmittelbar in Verbindung gebracht werden.

Neben diesen etablierten Fachleuten (wie z. B. langjährigen Lehrstuhlinhabern) werden gleichfalls Beiträge von renommierten Nachwuchswissenschaftler/innen berücksichtigt.

Die Herausgeber hoffen mit dieser Kombination von verschiedenen Autorinnen und Autoren der Meinungsvielfalt innerhalb des Arbeitsfeldes und dem breiten Spektrum von fachwissenschaftlichen und fachlichen Positionen Rechnung zu tragen.

Der Einfachheit halber und aus Platzgründen wurde zumeist die männliche Schreibweise benutzt, Personen weiblichen Geschlechts sind jedoch stets mitgedacht.

Bedanken möchten wir uns bei allen Autorinnen und Autoren für die bereitwillige Unterstützung durch exzellente Beiträge. Ebenso gilt unser Dank Herrn Dr. Burkarth vom Kohlhammer-Verlag für die gute Zusammenarbeit.

Wolfram Kulig, Kerstin Schirbort und Georg Theunissen

A

Ablösung, Trennung vom Elternhaus

Ablösung beschreibt einen biografischen Prozess, eine Entwicklungsaufgabe mit wesentlicher Bedeutung für die Ausbildung der → Identität. Bereits die Geburt und danach das Abstillen, Laufen lernen, die Entwicklung eines eigenen Willens (Trotzalter) etc. stellen Schritte in die zunehmende Unabhängigkeit von den Eltern dar. Alle Entwicklungen im Eltern-Kind-Verhältnis zu mehr Unabhängigkeit und Eigenständigkeit (Klauß 1997, 39) tragen zur Ausbildung eines Konzeptes vom eigenen Leben und der eigenen Person bei. Bei der schrittweise und über einen längeren Zeitraum erfolgenden Ablösung greifen äußere und innere Prozesse ineinander: Während das Kind sich äußerlich von den Eltern entfernt, alleine spielt, mit Freunden weggeht, eigene Interessen verfolgt und schließlich auszieht, löst es sich auch aus einer zu Beginn des Lebens symbiotischen Beziehung und entwickelt eigene Vorstellungen, Orientierungen, Bewertungsmuster und Handlungsweisen. Dies geht häufig und vor allem in der → Pubertät mit Auseinandersetzungen zwischen den Generationen einher.

Viele gesellschaftliche Institutionen unterstützen diese Ablösungsprozesse, sodass Eigenständigkeit und Unabhängigkeit stetig zunehmen. Für Menschen mit geistiger Behinderung stellt die Ablösung eine besondere Herausforderung dar, sie können vor allem dann, wenn sie Sonderinstitutionen außerhalb ihres Wohnumfelds besuchen, die Ablösung nicht in vergleichbarer Form einüben und damit schrittweise bewältigen:

Bereits im Kindergarten lernen Kinder üblicherweise, Wege alleine zu gehen, erste Freunde zu finden und mit ihnen etwas zu unternehmen. Kinder mit geistiger Behinderung werden meist gebracht und abgeholt, ihr Zuwachs an Eigenständigkeit ist hierbei geringer.

Zur Schule gehen Kinder ohne Behinderungen in der Regel ohne Elternbegleitung, sie weiten ihren Freundeskreis sehr aus und haben erstes (Taschen-)Geld. Behinderte Kinder werden meist weiterhin transportiert, und auch die Freizeitkontakte sind stärker organisiert.

Im Jugendalter sind

Peergroups

wichtig. Kontakte ohne Elternkontrolle helfen bei der Ausbildung eigener Sichtweisen. Jugendliche mit geistiger Behinderung brauchen hierfür Unterstützung und sind deshalb auch hier stärker fremdbestimmt. Ähnliches gilt für Urlaub und Freizeit; auch dort können sie nur begrenzt Unabhängigkeit und eigene Interessen erproben.

Die freie Wahl eines Arbeitsplatzes ermöglicht im Idealfall ein selbstbestimmtes Leben, eine eigene Wohnung und das Eingehen einer → Partnerschaft. Menschen mit geistiger Behinderung finden Arbeitsmöglichkeiten vor allem in Werkstätten, und ihr Einkommen ermöglicht kein wirklich eigenständiges Leben. Der Auszug aus der Herkunftsfamilie erfolgt oft fremdbestimmt (durch Eltern, Fachleute, unter Behördenmitwirkung) und häufig sehr spät (Klauß 1995, 448).

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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