Hedda Gabler - Henrik Ibsen - E-Book

Hedda Gabler E-Book

Henrik Ibsen

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Beschreibung

Das Stück erzählt die Geschichte der Generalstochter Hedda Gabler, die das Leben an der Seite ihres Ehegatten langweilig und unerträglich findet und ihrem verflossenen Liebhaber nachtrauert. Aus Machtlust beginnt sie Intrigen zu spinnen und in unguter Weise Einfluss auf das Schicksal ihr nahestehender Personen zu nehmen. Sie treibt einen ehemaligen Verehrer in den Selbstmord und tötet sich am Ende selbst. Eins der bekanntesten Stücke Henrik Ibsens.

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LUNATA

Hedda Gabler

Schauspiel in vier Akten

Henrik Ibsen

Hedda Gabler

Schauspiel in vier Akten

© 1890 Henrik Ibsen

Originaltitel Hedda Gabler

Aus dem Norwegischen von Karl Strecker

Umschlagbild William Adolphe Bouguereau

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Personen

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

Personen

Jörgen Tesman, Staatsstipendiat der Kulturgeschichte

Hedda geb. Gabler, seine Frau

Fräulein Juliane Tesman, seine Tante

Frau Elvsted geb. Rysing

Assessor Brack

Ejlert Lövborg

Berte, Dienstmädchen bei Tesman

Das Stück spielt in Tesmans Villa; westliche Stadtgegend.

Erster Akt

Ein geräumiges, fein und geschmackvoll eingerichtetes Gesellschaftszimmer, dekoriert in dunkeln Farben. An der Rückwand eine breite Türöffnung mit zurückgeschlagenen Portièren. Durch diese Öffnung gelangt man in ein kleineres Zimmer, das in demselben Stil gehalten ist wie das Gesellschaftszimmer. An der rechten Wand des Gesellschaftszimmers ist eine Flügeltür, durch die man ins Vorzimmer kommt. Gegenüber, zur Linken, eine Glastür, gleichfalls mit zurückgeschlagenem Vorhang. Durch die Scheiben erblickt man einen Teil der draußen liegenden, gedeckten Veranda und herbstlich gefärbte Laubbäume. Im Vordergrund steht ein ovaler Tisch mit Decke, der von Stühlen umgeben ist. Vor der rechten Wand ein breiter, dunkler Kachelofen, ein Lehnstuhl mit hohem Rücken, ein Fußschemel mit Kissen und zwei Taburetts. Hinten im Winkel rechts ein Ecksofa und ein kleiner runder Tisch. Vorn links, etwas von der Wand entfernt, ein Sofa. An der Glastür ein Pianoforte. Zu beiden Seiten der Türöffnung im Hintergrund stehen Etagèren mit Terrakotta- und Majolika-Gegenständen. – An der Rückwand des inneren Zimmers sieht man ein Sofa, einen Tisch und ein paar Stühle. Über diesem Sofa hängt das Porträt eines schönen älteren Mannes in Generalsuniform. Über dem Tisch eine Hängelampe mit Glocke von mattem Milchglas. – Ringsum im Gesellschaftszimmer eine Menge Blumensträuße in Vasen und Gläsern; andere liegen auf dem Tische. Beide Zimmer sind mit dicken Fußteppichen belegt. –

Morgenbeleuchtung. Die Sonne scheint durch die Glastür.

Juliane Tesman, mit Hut und Sonnenschirm, kommt durch das Vorzimmer; Berte, die ein mit Papier umwickeltes Bukett trägt, folgt ihr. Fräulein Tesman ist eine Dame von angenehmem und gutmütigem Aussehen; sie ist ungefähr 65 Jahre. Einfach, doch sorgfältig gekleidet; graues Straßenkostüm. Berte ist ein älteres Dienstmädchen von schlichtem, etwas ländlichem Äußern.

Fräulein Tesmanbleibt innerhalb der Tür stehen, horcht und sagt mit gedämpfter Stimme: Aber nein –! Ich glaube wirklich, sie sind noch nicht auf den Beinen!

Bertegleichfalls mit gedämpfter Stimme. Das habe ich doch gesagt, Fräulein. Denken Sie doch bloß, wie spät in der Nacht das Dampfschiff angekommen ist! Und dann nachher! Herrjeh, – was die junge Frau nicht alles noch auszupacken hatte, bis sie zu Bett kam!

Fräulein Tesman. Ja, ja – mögen sie sich nur recht ausschlafen! Aber frische Morgenluft, die sollen sie im Zimmer haben, wenn sie kommen. Sie geht zur Glastür und macht sie weit auf.

Berteam Tisch, ratlos, mit dem Bukett in der Hand. Wahrhaftigen Gott ja, – ob hier wohl noch ein anständiger Platz ist! – Ich meine, ich setz' es dahin, Fräulein! Stellt das Bukett aufs Piano.

Fräulein Tesman. Na, jetzt hast Du also eine neue Herrschaft, meine liebe Berte. Der Himmel weiß, wie furchtbar schwer es mir geworden ist, mich von Dir zu trennen.

Berteweinerlich. Und mir erst, Fräulein! Was soll ich erst sagen? Ich habe doch nun schon so manches liebe Jahr in der Fräuleins Lohn und Brot gestanden.

Fräulein Tesman. Wir müssen uns drein schicken, Berte. Es bleibt uns weiß Gott nichts anderes übrig. Sieh mal, Jörgen muß Dich in der Wirtschaft haben. Er muß. Von Kindesbeinen an war er ja doch gewöhnt, daß Du für ihn sorgst.

Berte. Ja Fräulein, aber die kommt mir doch gar nicht aus dem Sinn, die zu Hause liegt. Die Arme, die so ganz hilflos ist! Und nun gar das neue Mädchen! In ihrem ganzen Leben lernt die nicht, es der Kranken recht zu machen.

Fräulein Tesman. Ach, ich werde sie schon noch dazu anlernen. Und die Hauptsache nehme ich selbst auf mich, verstehst Du. Wegen meiner armen Schwester, da brauchst Du Dir keine Sorge zu machen, meine liebe Berte.

Berte. Ja, aber es ist auch noch etwas andres, Fräulein. Ich bin nämlich ordentlich bange, ich mache es der jungen Frau nicht recht.

Fräulein Tesman. Na, lieber Gott, – im Anfang kann vielleicht wohl dies oder das –

Berte. Ach, die ist gewiß sehr heiklich.

Fräulein Tesman. Das kannst Du Dir doch denken. Die Tochter des Generals Gabler. Freilich, wie die es gewohnt war, solange der General noch lebte! Weißt Du noch, wenn sie mit ihrem Vater ausgeritten ist? In dem langen schwarzen Tuchrock? Und mit Federn auf dem Hut?

Berte. I ja – das sollt' ich meinen! – Nein, wahrhaftigen Gott, wer hätte damals gedacht, daß aus ihr und dem Herrn Kandidaten ein Paar werden sollte!

Fräulein Tesman. Ich hätte es auch nicht gedacht. Aber ist ja wahr, – Du, Berte, ehe ich es vergesse: Du darfst Jörgen nicht mehr Kandidat nennen. Du mußt sagen: Herr Doktor.

Berte. Ja, das hat die junge Frau auch gesagt – die Nacht, – gleich, wie sie zur Tür hereingekommen sind. Ist denn das richtig, Fräulein?

Fräulein Tesman. Freilich ist das richtig. Denk nur, – sie haben ihn zum Doktor gemacht, im Ausland. Jetzt, auf der Reise, verstehst Du. Ich wußte kein Sterbenswörtchen davon – bis er mir es unten auf der Dampfschiffsbrücke erzählte.

Berte. I ja, aus dem kann noch alles Mögliche werden. So flink, wie der ist. Aber das hätte ich doch nun und nimmer gedacht, daß er sich auch damit abgeben würde, die Leute zu kurieren.

Fräulein Tesman. Nein, solch ein Doktor ist er nicht geworden. – Nickt bedeutungsvoll. Übrigens ist es vielleicht bald so weit, daß Du ihn noch stattlicher titulieren kannst.

Berte. Was Sie sagen! Und wie denn, Fräulein?

Fräulein Tesmanlächelt. Hm, – ja, das möchtest Du wohl wissen! Bewegt. Ach, lieber Gott ja, – wenn Jochum selig aus seinem Grabe aufstehen und schauen könnte, was aus seinem kleinen Jungen geworden ist! Sieht sich um. Aber hör' mal, Berte, – warum hast Du das getan und die Überzüge von allen Möbeln weggenommen.

Berte. Die gnädige Frau sagte, ich sollt' es tun. Sie kann keine Überzüge an den Stühlen leiden, sagte sie.

Fräulein Tesman. Also wollen sie sich hier drin aufhalten – so für alle Tage?

Berte. Ja, es scheint so. Wenigstens die junge Frau. Denn er – der Herr Doktor, – der hat nichts gesagt.

Tesman kommt trällernd von der rechten Seite des Hinterzimmers, einen offenen leeren Handkoffer tragend. Er ist ein mittelgroßer Mann von jugendlichem Aussehen, 33 Jahre alt, etwas korpulent, mit einem offenen, runden, vergnügten Gesicht, blondem Haar und Bart. Er trägt eine Brille und hat einen bequemen, etwas nachlässigen Hausanzug an.

Fräulein Tesman. Guten Morgen, guten Morgen, Jörgen!

Tesmanin der Türöffnung. Tante Julle! Liebe Tante Julle! Geht auf sie zu und schüttelt ihr die Hand. Den weiten Weg hier heraus – und so früh am Tage! Was?

Fräulein Tesman. Du kannst Dir doch denken, ich mußte auf ein Weilchen bei Euch vorsprechen.

Tesman. Und dabei hast Du noch nicht einmal Deine ordentliche Nachtruhe gehabt!

Fräulein Tesman. Ach, das macht mir gar nichts!

Tesman. Na, Du bist doch gut nach Haus gekommen von der Landungsbrücke? Was?

Fräulein Tesman. Ja natürlich – Gott sei Dank! Der Herr Assessor war so freundlich, mich bis an die Haustür zu begleiten.

Tesman. Es hat uns leid getan, daß wir Dich nicht im Wagen mitnehmen konnten. Aber, Du hast ja selbst gesehen –. Hedda hatte so viele Schachteln, die mitmußten.

Fräulein Tesman. Ja, sie hatte wirklich die schwere Menge Schachteln mit.

Bertezu Tesman. Soll ich vielleicht hineingehen und die gnädige Frau fragen, ob ich ihr mit was helfen kann?

Tesman. Nein, – danke, Berte, – laß das lieber sein. Sie sagte, sie wird schon klingeln, wenn sie etwas von Dir will.

Bertegeht nach rechts. So so, ja.

Tesman. Da sieh mal, Du, – nimm den Koffer da mit!

Bertenimmt ihn. Den bring' ich auf den Boden rauf. Sie geht durch die Vorzimmertür hinaus.

Tesman. Du, Tante, denke Dir, – den ganzen Koffer hatte ich gestopft voll nur mit Abschriften. Du, es ist geradezu unglaublich, was ich da alles in den Archiven herum gesammelt habe. Alte, merkwürdige Sachen, mit denen kein Mensch etwas anzufangen wußte –

Fräulein Tesman. Ja, ja, – Du hast Deine Zeit auf der Hochzeitsreise nicht verschwendet, Jörgen.

Tesman. Ja, das darf ich wohl sagen. Aber so nimm doch Deinen Hut ab, Tante! So! Komm, ich will Dir die Schleife aufbinden. Was?

Fräulein Tesman, während er es tut. Ach, lieber Gott, – das ist ja gerade so, als ob Du noch bei uns zu Hause wärst.

Tesmandreht und wendet den Hut in der Hand. Aber, was Du Dir für einen schönen eleganten Hut zugelegt hast!

Fräulein Tesman. Den habe ich mir wegen Hedda angeschafft.

Tesman. Wegen Hedda? Was?

Fräulein Tesman. Ja, damit Hedda sich meiner nicht zu schämen braucht, wenn wir einmal zusammen auf der Straße gehen.

Tesmanklopft sie auf die Backe. Du denkst aber auch an alles, Du gute Tante Julle! Legt den Hut auf einen Stuhl beim Tische. Und nun, – siehst Du, – nun lassen wir uns auf dem Sofa hier häuslich nieder – und schwätzen ein bißchen, bis Hedda kommt.

Sie setzen sich, Fräulein Tesman stellt ihren Sonnenschirm in die Sofaecke.

Fräulein Tesmanergreift Tesmans beide Hände und sieht ihn an. Ach, wie wunderbar wohl das tut, Dich wieder vor Augen zu haben, wie Du leibst und lebst, Jörgen! O, Du, – Du lieber Junge unseres seligen Jochum!

Tesman. Und mir erst! Dich wiederzusehen, Tante Julle! Du, die Vater- und Mutterstelle an mir vertreten hat.

Fräulein Tesman. Ja, ich weiß wohl, Du wirst Deine alten Tanten immer lieb haben.

Tesman. Und mit Tante Rina geht es also noch gar nicht besser? Was?

Fräulein Tesman. Ach nein, Du, – für die Ärmste ist keine Besserung zu erwarten. Die liegt noch immer da, wie sie in den ganzen Jahren dagelegen hat. Aber der Himmel gebe, daß ich sie noch eine Zeit behalte! Denn sonst weiß ich wirklich nicht, was ich mit dem Leben anfangen soll. Besonders jetzt, sieh mal, wo ich nicht mehr für Dich zu sorgen habe.

Tesmanklopft sie auf den Rücken. Na, na, na –!

Fräulein Tesmanfällt unversehens in einen anderen Ton. Nein, wenn man bedenkt, daß Du jetzt ein Ehemann bist, Jörgen! Und daß von allen Du Hedda Gabler heimgeführt hast. Denk einer an! Die reizende Hedda Gabler, – die so viele Kurmacher um sich hatte!

Tesmanträllert leicht und lächelt zufrieden. Ja, ich glaube schon, hier in der Stadt laufen nicht wenige gute Freunde von mir herum und beneiden mich. Was?

Fräulein Tesman. Und daß Du eine so lange Hochzeitsreise machen konntest! Über fünf – fast sechs Monate –

Tesman. Na, – für mich ist es ja doch auch eine Art Studienreise gewesen. Wie viele Archive mußte ich nicht durchforschen –! Und Du, – die Masse Bücher, die ich zu lesen hatte!

Fräulein Tesman. I freilich, ja. Vertraulicher und mit etwas gedämpfter Stimme. Aber hör' mal, Jörgen – hast Du mir nicht was – was Extraes zu erzählen?

Tesman. Von der Reise?

Fräulein Tesman. Ja.

Tesman. Nein, mehr, als was ich in meinen Briefen geschrieben habe, weiß ich nicht. Daß ich den Doktor gemacht habe da unten, – das habe ich Dir doch gestern erzählt.

Fräulein Tesman. Ja, das schon. Aber ich meine, – ob Du nicht – nicht – Aussichten hast –?

Tesman. Aussichten?

Fräulein Tesman. Mein Gott, Jörgen, – ich bin doch Deine alte Tante!

Tesman. Freilich habe ich Aussichten, jawohl.

Fräulein Tesman. Na also!

Tesman. Ich habe sogar die allerbesten Aussichten, in nächster Zeit Professor zu werden.

Fräulein Tesman. Ja, Professor, ja –

Tesman. Oder, – ich darf schon sagen, ich habe die Gewißheit, daß ich es werde. Aber, beste Tante Julle, das weißt Du doch selbst recht gut.

Fräulein Tesmanschmunzelnd. Ja, allerdings. Da hast Du recht. Wechselt den Ton. Aber wir wollten ja von der Reise reden. – Sie hat Dich wohl eine schwere Menge Geld gekostet, Jörgen?

Tesman. Na, lieber Gott, – das große Stipendium hat ja ein schönes Stück vorwärts geholfen.

Fräulein Tesman. Ich verstehe nur nicht, wie Du es angefangen hast, daß es für zwei langte.

Tesman. Ja, ja, das ist auch nicht so ohne weiteres zu verstehen. Was?

Fräulein Tesman. Und noch dazu, wenn man mit einer Dame reist. Denn das soll schrecklich viel teurer kommen, habe ich mir sagen lassen.

Tesman. Versteht sich – ja, ein bißchen teurer kommt es freilich. Aber Hedda mußte die Reise haben, Tante! Sie mußte es wirklich. Anders hätte es sich nicht gepaßt.

Fräulein Tesman. Nein, nein, allerdings wohl nicht. Denn eine Hochzeitsreise gehört ja heutzutage mit dazu. – Doch, sag' mal: hast Du Dich hier bei Dir zu Haus auch schon ordentlich umgesehen?

Tesman. Das sollte ich meinen! Ich bin schon vom frühen Morgen an auf den Beinen.

Fräulein Tesman. Und wie findest Du alles?

Tesman. Ausgezeichnet! Ganz ausgezeichnet! Nur das ist mir unklar, was wir mit den zwei leeren Zimmern tun sollen, die zwischen der Hinterstube und Heddas Schlafzimmer liegen.

Fräulein Tesmanschmunzelt. Ach, mein lieber Jörgen, dafür wird sich schon Verwendung finden – so mit der Zeit.

Tesman. Da hast Du wirklich recht, Tante! Jawohl! Für den Fall, daß ich allmählich meine Bibliothek vermehre –. Was?

Fräulein Tesman. Ja eben, mein lieber Junge! An die Bibliothek, an die habe ich gedacht.

Tesman. Am meisten freue ich mich aber für Hedda. Ehe wir uns verlobten, sagte sie doch so oft: sie möchte nirgends anders wohnen als in der Villa der Staatsrätin Falk.

Fräulein Tesman. Ja, nicht wahr, – und da mußte es sich so treffen, daß die Villa zu verkaufen war. Als Ihr eben abgereist wart.

Tesman. Ja, Tante Julle, wir hatten wirklich Glück. Was?

Fräulein Tesman. Aber teuer, mein lieber Jörgen, teuer wird es Dich kommen, – die ganze Geschichte.

Tesmansieht sie ein wenig verzagt an. Ja, das wird es am Ende wohl, Tante?

Fräulein Tesman. Ja, du großer Gott!

Tesman. Wie viel, glaubst Du? So ungefähr? Was?

Fräulein Tesman. Das kann ich unmöglich wissen, bis alle Rechnungen da sind.

Tesman. Na, glücklicherweise hat Assessor Brack so erträgliche Bedingungen für mich ausgemacht. Das hat er selbst an Hedda geschrieben.

Fräulein Tesman. Ja, hab' deswegen nur gar keine Angst, mein Junge! – Für die Möbel und Teppiche habe ich überdies Sicherheit gegeben.

Tesman. Sicherheit? Du? Liebe Tante Julle, – was für eine Sicherheit konntest Du denn geben?

Fräulein Tesman. Ich habe die Renten verpfändet.

Tesman. Was? Deine – und Tante Rinas Renten?

Fräulein Tesman. Ja, sieh mal, ich wußte doch keinen andern Ausweg.

Tesmanstellt sich vor sie hin. Aber, Tante, bist Du denn ganz von Sinnen! Die Renten, – das ist ja doch das einzige, wovon Ihr lebt.

Fräulein Tesman. Na, na, – reg' Dich nur deswegen nicht so auf! Das Ganze ist doch eine bloße Formsache, verstehst Du. Das hat Assessor Brack auch gesagt. Denn er war so liebenswürdig, die ganze Sache für mich zu ordnen. Eine bloße Formsache, hat er gesagt.

Tesman. Ja, mag schon sein. Trotzdem aber –

Fräulein Tesman. Und jetzt bekommst Du ja Dein eigenes Gehalt, womit Du abbezahlen kannst. Herrgott, und wenn wir wirklich ein bißchen was herausrücken müssen –? Nur so ein ganz kleines Bißchen im Anfang –? Das würde ja für uns nur ein Glück sein, sozusagen.

Tesman. Ach, Tante, – Du wirst doch nie müde, Dich für mich aufzuopfern!

Fräulein Tesmansteht auf und legt die Hände auf seine Schultern. Habe ich denn sonst eine Freude auf dieser Welt, als Dir den Weg zu ebnen, mein lieber Junge? Du hast doch weder Vater noch Mutter gehabt, an die Du Dich hättest halten können. Und jetzt stehen wir am Ziel, Du! Manches Mal freilich sah es etwas düster aus. Aber, Gottlob, jetzt bist Du schön heraus, Jörgen!

Tesman. Ja, es ist im Grunde merkwürdig, wie alles sich gefügt hat.

Fräulein Tesman. Ja, – und alle, die sich Dir entgegengestellt haben und Dir die Bahn versperren wollten, – siehst Du, die sind nun unterlegen. Die sind gestürzt, Jörgen. Der Dir am gefährlichsten war, – der tat den tiefsten Sturz. Jetzt liegt er, wie er sich selbst gebettet hat, – der arme verwahrloste Mensch.

Tesman. Hast Du etwas von Ejlert gehört? Seit meiner Abreise, meine ich.

Fräulein Tesman. Nur, daß er ein neues Buch herausgegeben haben soll.

Tesman. Was sagst Du! Ejlert Lövborg? Erst kürzlich? Was?

Fräulein Tesman. Ja, so heißt es. Ach Gott, da kann doch nicht viel dran sein, Du! Aber wenn Dein neues Buch erst erscheint, – das wird eine andere Sache sein, Jörgen! Wovon wird es denn handeln?

Tesman. Es soll handeln von der Brabanter Hausindustrie im Mittelalter.

Fräulein Tesman. Nein, aber – daß Du auch über so etwas schreiben kannst!

Tesman. Übrigens kann es noch eine Weile mit dem Buch dauern. Ich habe ja doch zuerst einmal diese weitschichtigen Sammlungen zu ordnen, weißt Du.

Fräulein Tesman. Jawohl, ordnen und sammeln, – das verstehst Du. Du bist nicht umsonst der Sohn von Jochum selig.

Tesman. Ich freue mich auch redlich darauf, ans Werk zu gehen. Besonders jetzt, da ich meine eigne, gemütliche Häuslichkeit habe, wo ich arbeiten kann.

Fräulein Tesman. Und vor allen Dingen, – da Du sie hast, die Dein Herz begehrte, lieber Jörgen.

Tesmanumarmt sie. Ach ja, ja, Tante Julle! Hedda – ist doch das Allerschönste! Nach der Türöffnung sehend. Ich glaube, da kommt sie. Was?

Hedda kommt von der linken Seite durch das Hinterzimmer. Sie ist eine Dame von 29 Jahren. Gesicht und Gestalt von edler, vornehmer Bildung. Die Hautfarbe ist von einer matten Blässe. Die Augen sind stahlgrau und haben den Ausdruck einer kalten, klaren Ruhe. Das Haar hat eine schöne mittelbraune Farbe, ist aber nicht sonderlich stark. Sie trägt ein geschmackvolles, etwas lose sitzendes Morgenkostüm.

Fräulein Tesmangeht Hedda entgegen. Guten Morgen, liebe Hedda! Einen herzlichen guten Morgen!