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Dr. Karl Semper, geboren am 6. Juli 1832 in Altona, bereiste ab 1859 zu zoologischen und ethnologischen Forschungen zunächst die Philippinen und 1863-64 die Palau-Inseln im Stillen Ozean. Dort begegnete er Anfang November 1863 dem 1835 in Wilster geborenem Kapitän Alfred Tetens – damals noch Steuermann im Dienste des Schotten Anrew Cheyne – der später im Auftrage des Hamburger Reeders Godeffroy auf dessen Bark "VESTA" nach Palau und Yap zurückkehrte. Dr. Semper habilitierte nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1866 in der Universität Würzburg in Zoologie und wurde dort 1868 Professor für Zoologie und vergleichende Anatomie. In diesem zweiten Teil geht es um die weiteren ethnologischen Forschungen des Dr. Semper auf den Palau-Inseln und die Rückkehr über Manila nach Deutschland. Aus Rezensionen: Ich bin immer wieder begeistert von der maritimen gelben Buchreihe. Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. Oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!
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Seitenzahl: 221
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Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche. Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.
Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leserreaktionen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere Bände.
Zufällig kamen mir die Texte über Alfred Tetens auf einem Flohmarkt in die Hände, welche die große Zeit der Handelsschifffahrt unter Segeln des 19. Jahrhunderts sehr plastisch beschreiben.
Der 1835 im damals noch dänischen Wilster geborene Alfred Tetens reiste im Auftrage des in Blankenese wohnenden Hamburger Reeders Joh. Ces. Godeffroy & Sohn erstmals 1865 mit der Brig „VESTA“ in die Südsee, um dort mit den Bewohnern der Palau-Inseln Handel zu treiben. Er belieferte Godefroy auftragsgemäß auch mit diversen Exponaten für dessen naturkundliches Museum.
Alfred Tetens begegnete auf den Palau-Inseln auch Dr. Karl Semper. Diesem deutschen Naturforscher und seiner unvergesslichen Leistung sei dieser Band 105e in zwei Teilen gewidmet.
Der vom Herausgeber vor Jahren neu geschaffene Beitrag bei Wikipedia ist inzwischen zu einer umfangreichen wissenschaftlichen Würdigung angewachsen:
Hamburg, 2019 Jürgen Ruszkowski
Ruhestands-Arbeitsplatz
Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers
Dr. Karl Gottfried Semper
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Semper
geboren am 6. Juli 1832 in Altona
verstorben am 29. Mai 1893 in Würzburg
Semper war Naturforscher, Zoologe, Ethnologe und Forschungsreisender.
Er studierte an der Technischen Hochschule in Hannover, wo er 1852 Mitglied des Corps Visurgia wurde. Als Ethnograph bereiste er 1859 bis 1864 die Philippinen und die Palauinseln und kehrte im November 1865 über Hongkong, Saigon und Ceylon nach Europa zurück.
In Manila hatte er die aus Hamburg stammende Anna Hermann (* 28. Oktober 1826) kennen gelernt. Sie wird in den nachfolgenden Texten von ihm zunächst als Verlobte, später als Ehefrau mehrfach erwähnt.
1866 habilitierte Semper an der Universität Würzburg in Zoologie und wurde dort 1868 Professor für Zoologie und vergleichende Anatomie.
So sieht der Originaltext in Dr. Sempers bei Brockhaus erschienenem Buch aus dem Jahre 1873 aus.
Der erste Teil dieses Bandes 105e endet mit dem Kapitel IX.
Reise nach Coröre
Am nächsten Tage überlegte ich zunächst mit meinem Bruder, was zu tun sei. Meligeok mit der alten, in seiner Nähe liegenden Stadt - die ich doch trotz Arakalulk's Behauptungen nicht ins Reich der Fabeln versetzen mochte - reizte mich mächtig; und ebenso sehr zog mich nach Coröre, was mir ein Bewohner von dort über die nächstliegenden Inseln, den sogenannten „Kokeal“ erzählt hatte. Mit diesem Namen bezeichnet man eine Gruppe kleiner, dicht bei Coröre liegender Inseln, die für sich auch wieder ihre besondere Benennung tragen und nach der Beschreibung gehobene Atolle (Atolle sind ringförmige Korallenriffe, welche einen See mit oder ohne darin liegende Insel umsäumen) zu sein scheinen. Sie steigen steil aus dem Meere zu ziemlicher Höhe an, ganz aus schroffen Kalkklippen bestehend und auf dem Gipfel einer jeden soll sich ein Loch befinden, das tief hinunter geht bis zu gleichem Niveau mit dem Meere. Im Grunde breitet sich immer ein Salzwassersee aus, in dem Seetiere aller Art leben; derselbe steht mit jenem durch untermeerische Spalten und Tore in Verbindung, durch welche die Ebbe und Flut eindringt. Dort meinte ich, müsse man durch genaue Untersuchung solcher gehobener Korallenriffe zu einer Entscheidung über die allgemeine Gültigkeit der Darwinschen Hebungs- und Senkungstheorie kommen.- Ich war der Ansicht, wir könnten über Meligeok nach Coröre reisen und doch noch rechtzeitig zur Abfahrt der „LADY LEIGH“ - wie hüpfte mir das Herz, wenn ich daran dachte - wieder hier in Aibukit eintreffen. Aber Arakalulk kannte sein Land und seine Leute doch noch besser als ich; er rechnete mir vor, dass wir mit dem Trauerklökadauel um Kokerangl wenigstens acht Tage verlieren würden, und so entschloss ich mich, da jetzt mit einem Male wieder mein wissenschaftliches Interesse erwacht war, nur nach Coröre zu gehen, Mad aber und Krei allein um den verstorbenen Freund trauern zu lassen.
Nun ging es an die Vorbereitungen zur Reise. Arakalulk versprach mir, ein Amlai zu liefern und für Mannschaft wie Lebensmittel und Wasser zu sorgen; ich selbst suchte mir Kisten und Tonnen, um alle meine Schätze die in Tabatteldil zerstreut herumlagen, verpacken zu können. Das war eine zeitraubende Arbeit. Es vergingen die Tage im Fluge, meine Hände waren fortwährend beschäftigt, und meine Gedanken flogen hinüber nach Manila. Endlich war alles am 29. Oktober bereit, meine Kisten und Instrumente, auch die beiden schönen Flinten an Bord der „LADY LEIGH“ gebracht; Gonzalez und Alejandro erhielten Erlaubnis, sich im Dorfe herumzutreiben nach Herzenslust; wer von den übrigen Hausgenossen nicht mit nach Coröre ging, wurde meines Dienstes entlassen. Wie gern gab ich diesen die letzten Messer und Stückchen Zeug, die ich noch mein eigen nannte, als Lohn für ihre treuen Dienste.
Am 30. Oktober mittags segelten wir ab. An Bord der „LADY LEIGH“ winkte uns der Kapitän ein Lebewohl zu, als wir rasch an ihm vorüber fuhren, das Segel geschwellt vom günstigen Nordostwinde. Gleich danach waren wir im Tiefwasserkanal, in welchem einige Amlais nach verschiedenen Richtungen hin segelten. Die Landspitze Arzmau trat weit ins Meer herein nach Westen zu; wir sahen deutlich die Palmenwaldungen, unter denen einst ein blühendes Dorf versteckt lag. Jetzt stiegen keine Rauchwolken zwischen ihnen auf, und gastliche Unterkunft fände niemand dort mehr, der dem großen, gerade auf die Spitze Arzmau zutretenden Kanal gefolgt wäre. Rasch waren wir daran vorbei gesegelt. Weit im Süden trat eine zweite Landspitze noch mehr hervor; von den Bergen um Tabatteldil hatte ich auch diese schon früher bemerkt. Bei ihr begann der Staat Aituros; vor uns im Osten zeigte mir Arakalulk den Einschnitt im Lande, der nach Armlimui führte. Hier überraschte uns heftiger Südostwind mit Regen; und da es bereits zu dämmern begann, so beschlossen wir, dort zu übernachten. Einige Fischerboote spielten auf dem Kanale herum; plötzlich wurden wir angerufen. „Hackewe“ (Hackewe, eine Interjektion, etwa wiederzugeben durch „heda“), Freunde, wo wollt ihr hin? Kommt doch näher! Olokoi, Doktor, bist du es; und auch du, Arakalulk?“ Es war ein Bewohner von Coröre, der mich einige male in Tabatteldil besucht hatte; ohne viel Umstände zu machen, stieg er gleich in unser Amlai. „Wo wollt ihr hin?“ lautete die Frage. - „Nach Armlimui.“ Da will ich euch geleiten; ich bin dort wohlbekannt und kenne auch den Weg gut. Aber ihr findet Aituro nicht zu Hause; wenn du den sprechen willst, Doktor, so musst du schon nach Coröre gehen.“ - „Das ist auch meine Absicht, zu tun; ich wollte auch Ebadul besuchen. Was gibt's für Neuigkeiten?“ (Die stehende Frage bei Einleitung einer Unterhaltung; diak-a-keiss? (nicht eine Neuigkeit?) oder auch me keissem (gib deine Neuigkeit) - „O nichts Besonderes“, hieß es zögernd - der Mann schien etwas auf dem Herzen zu haben, er sah mich so eigentümlich lauernd an - „nichts Wichtiges, Doktor; du wirst es wohl auch schon wissen.“ - „Nun, was denn?“ drängte ich ihn. - „Cabel Schils ist wiedergekommen und mit ihm auch ein weißer Rupack von Manila. Sie haben viele schöne Sachen mitgebracht, viel mehr als dein Cabel Mul.“ - „Da werdet ihr Leute von Coröre recht froh sein. Gewiss hat er viele Flinten und Pulver mitgebracht, nicht wahr?“ - „He Freund, gib Acht“, rief hier Aratalulk dem Steuermann zu, „du sagtest du kenntest den Weg, und doch rennst du mein Amlai gleich gegen diese Klippe hier an!“
Nun waren wir am Eingange des, wie immer, künstlich in das Mangrovendickicht eingeschnittenen, gerade nach Osten streichenden Kanals; aber nur von geringer Ausdehnung ist hier der dem Meer entsteigende Wald. Bald verschwinden an der südlichen Seite die Mangroven; es erhebt sich eine völlig senkrechte, wohl über 100 Fuß hohe kahle Wand von porphyrartig aussehendem Gestein. Gleich darauf sind wir am Landungsplatz; unter dem Schuppen war noch Platz für unser Amlai, und als es glücklich untergebracht war, machten wir uns auf den Weg. Der Freund aus Coröre hatte einen Boten vorausgeschickt, uns in dem Hause Aituro's anzumelden; er selbst blieb immer an meiner Seite und knüpfte bald die vorhin abgebrochene Unterhaltung wieder an.
„Hier, Doktor, geht der Weg über diesen roten Hügel. Wie schade, dass Aituro nicht da ist, er würde dir viel mehr erzählen können als ich. Aber du wirst ja bald alles in Coröre hören, Doktor.! - „Nun, ich dächte, Freund, du hättest es mir schon gesagt, dass Cabel Schils da ist. Gibt es denn sonst noch Neuigkeiten?“ - „Ich weiß nicht, Doktor, ob es wahr ist; man lügt so viel in Palau. Da kam heute Morgen die Nachricht - ich bin schon seit zwei Tagen hier -, dass ein neuer man-of-war kommt; Cabel Schils hat es gesagt.“ - „Nun, wenn der es gesagt, dann wird es wohl wahr sein; er hat ja auch den man-of- war gerufen, der Aibukit besiegt hat.“ - „O nein, Doktor, er hat gesagt ein anderer habe ihn gerufen. Weißt du wirklich nichts davon?“ - „Nun verstand ich die lauernden Blicke des Burschen. „Wie sollte ich etwas davon wissen, Freund, erwiderte ich. - „Nun, ich meinte nur so, Doktor. Ihr Männer von Angabard seid so klug. Dann hast du wohl auch nichts davon gehört, dass jemand einen Brief an den großen Rupack von Manila geschrieben hat; darin hat er um einen man-of-war gebeten. Von dem Briefe weißt du also auch nichts?“ - „Nein, aber es reizt mich davon zu hören. Erzähle mir doch mehr; du hast gewiss Cabel Schils noch allerlei gesagt.“ - „Nein, Doktor, mehr weiß ich auch nicht wie du. Nun sind wir auch im Dorfe. Siehst du, wie hübsch das hier ist?“
Meinen erstaunten Blicken bot sich in der Tat ein anziehendes Bild. Einer Wendung des ziemlich scharf ansteigenden Feldwegs folgend, bogen wir plötzlich ein in die gepflasterte Hauptstraße des Orts. Dieselbe war breiter, als sie im Norden zu sein pflegen, und ganz rein von Unkraut gehalten; zu beiden Seiten niedrige, in Reihen angepflanzte Sträucher, die sich an das Untergehölz anlehnen, das unter den Palmen und den Brotfruchtbäumen mit ihren großen ausgezackten Blättern üppig wuchert. Ehe die Straße den Gipfel erreicht, auf dem das Dach eines mächtigen buntbemalten Bais sich malerisch schön gegen den blauen Himmel und den grünen Hintergrund der Bäume abhebt, weitet sie sich nach rechts hin aus zu einem mäßig großen freien Platz. Halb von Bäumen beschattet, noch durch den letzten Strahl der scheidenden Sonne erwärmt, liegen da unter mächtigen Steinen die Vorfahren Aituro's, wenige Schritte nur vom Hause seiner Familie entfernt. Kein Gras oder Unkraut wuchert hier; Baumwollstauden mit ihren bunten trichterförmigen Blüten und andere Zierpflanzen stehen fast geschmackvoll geordnet um das Grab seiner Ahnen herum. Dort seitwärts, unter einer Gruppe hoch aufgeschossener Melonenbäume, deren goldgelbe Früchte gerade einige Buben mit langen Stecken herunterschlagen, steht das rot bemalte Haus ihres Familiengottes, und das Wohnhaus selbst scheint eben erst gebaut zu sein, so rein gehalten und sorgfältig sieht alles aus. Nur auf des Daches höchstem First wachsen einige Grasbüschel und einige Farrnkräuter; die Mühe war wohl gar zu groß, dies Unkraut dort oben zu entfernen. Einige Taubenpaare sitzen schnäbelnd auf dem Dach, andere picken im Verein mit Enten und Gänsen das Futter auf, das ihnen eben ein junges Mädchen hingeworfen hat; für jene Maiskörner, diesen die Blätter vom Kukau und anderen saftigen Pflanzen. Ein paar große Truthähne begrüßen mich kollernd und offenbar sehr erstaunt über den unerwarteten Besuch; sie scheinen sich zu wundern, dass ein anderer als Aituro selbst sich zu so später Stunde ihrer Behausung naht. Würdevoll und freundlich aber begrüßt mich des Rupacks Frau; und gern sprach ich den Speisen zu, die sie ihren Mädchen in reinlichen Schüsseln mir vorzusetzen befahl. Größerer Reichtum und Behäbigkeit, als ich bisher in Palau kennen gelernt hatte, blickte aus allem, was ich sah; unverkennbar war der Einfluss, den der regere Verkehr mit den handeltreibenden Männern von Angabard auf das Wohlleben der Bewohner gewonnen hatte.
Früh am Morgen des 1. November brachen wir auf bei Windstille. Die hohe Flut gestattete uns, dicht am Ufer entlang ganz über das innere Riff zu fahren. Bald kamen wir am Eingang einer tiefen Bucht vorbei, die sich weit hinein in das Land ziehen soll; halb versperrt ist er durch eine Reihe kleiner bewaldeter Inseln, die gewiss früher miteinander zusammenhingen und namentlich gegen die Seeseite einen überaus schroffen Absturz zeigen. Dann tritt das Land wieder nach Osten zurück - hier liegen an der Küste von Babelthaub die Staaten Eirei und Eimeliß - und vor uns erheben sich nun die schroffen Zacken der an ihren Abhängen ganz kahlen Felsen des sogenannten Kokeal. Ein günstiger Wind, der sich erhebt, treibt unser Amlai rasch vorwärts, der südlichsten unter jenen Inseln zu, die sich durch ihre sanft geschwungene Oberfläche und den Wechsel zwischen Wiesen, Palmenhainen und Laubwäldern auf den ersten Blick von den grauen starren Kalkklippen unterscheiden. „Das ist Coröre, Doktor; dahinter liegt Malakka. die Insel des Cabel Schils.“
Die Sonne stand über unserm Scheitel, als wir in den Hafen von Coröre einfuhren. Das Meer schien fast ganz verödet zu sein, nirgends sahen wir Fischer in ihren Fahrzeugen. Aber gerade, als wir in den Kanal, der zum Hafen führt, einlenken wollten, begegneten uns zwei große Amlais. Ich kannte die Leute darin nicht; sie sahen mich befremdet und vornehm an. Das ist Ebadul, Doktor, raunte mir Arakalulk zu, „und Aituro, sie wollen gewiss nach Malakka, Du musst sie ansprechen, das ist so Sitte.“ Wir waren schon etwas vorbeigefahren; ich gab Befehl zur Umkehr. „Good morning, Ebadul“, rief ich diesem zu, „ich komme, dir deinen Besuch wiederzugeben; wann treffe ich dich in deinem Bai?“ - „Fahre nur in den Hafen, Doktor. Arakalulk - nicht wahr, du bist es doch? wird dir schon den Weg nach Aidil (Aidil heißt das Wohnhaus des Ebadul) zeigen. Mein Weib weiß schon, dass du kommst, und du wirst viele Menschen bei ihr finden. Wir wollen nach Malakka, aber zum Abend sind wir wieder zurück.“
Nun fuhren wir ein in den Hafen, der von einem großen, sich weit ins Meer hinausziehenden steinernen Wall ganz gegen die Wogen gesichert war. Am Landungsplatz stand neben den Häusern zum Aufbewahren der Amlais ein schönes, gut gehaltenes Bai, aus dem einige schlaftrunkene Männer und Mädchen herauslugten, die durch den ungewohnten Lärm aus ihrer Mittagsruhe aufgescheucht worden waren. „Hackeve, Freund“, rief mein Bruder einem derselben zu, „hier ist Doktor gekommen, um Ebadul zu besuchen; zeige ihm den Weg nach Aidil hinauf, während ich das Amlai in das Haus bringe. Wir wollen hier einige Tage bleiben.“ - „Wirklich? Nun dann komme, Doktor.“ - „Und wo treffe ich dich wieder, Arakalulk?“ - „Ich habe meinen Freund hier, bei dem ich bleiben werde; ich komme aber zu, dir ehe es Abend wird. Good bye.“ - „Good bye.“
Wir waren bald in Aidil, dem Hause des Ebadul. Der Weg dahin führte in einigen Windungen steil den Berg hinan; er war vortrefflich gehalten. Überall sah man die Spuren des ausgedehnten Handels von Coröre. Wo ich einen Blick in die am Wege stehenden Häuser tat, bemerkte ich eine Menge Kisten und große Kochschüsseln, allerlei europäische Gerätschaften, Messer und Gabeln in Massen und selbst Teller aus Porzellan. Zahlreiche Truthühner und Gänse liefen hier wie in Armlimui, im Dorfe herum. - Aidil selbst lag auf der Höhe, wie immer mit einem ziemlich großen Platz davor, der zum größten Teil durch die Gräber ihrer Vorfahren eingenommen war. Gegenüber dem Hause stand ein bedecktes langes Gerüst; seitwärts davon eine Hütte, die offenbar nur provisorisch hier aufgeschlagen war. Eine Anzahl Menschen saßen darin, und auch im Hause Ebadul's fand ich eine große Gesellschaft um die Frau des Königs versammelt. In ihrer nächsten Nähe die Weiber und Kinder; am entgegengesetzten Ende mehrere Männer, die offenbar gleich mir zu Besuch gekommen waren.
„Ich bin hierher gekommen“, begann ich, „um Ebadul zu besuchen und Coröre zu sehen; das ist ein so berühmter Ort, den musste ich doch kennen lernen, ehe ich wieder nach Angabard zurückkehre.“ - „Nun, da kommst du gerade zur rechten Zeit, Doktor“, erwiderte die Frau Ebadul's, „Aituro ist jetzt hier, um für seine kranke Frau ein Opfer zu bringen dem großen Kalid von hier. Da seitwärts in dem kleinen Hause, da wohnen die Gäste; und hier gerade vor uns wird übermorgen ein großer, ganz neuer Tanz aufgeführt. Ihr da, ihr Mädchen, bringt Doktor doch zu trinken, und er wird auch Hunger haben. Du musst hier im Hause bleiben“, fuhr die Frau gutmütig fort, „ich habe dich viel zu fragen, und du kannst hier besser schlafen als im Bai. Da in der Ecke magst du dein kleines Haus aufschlagen, in das du immer des Nachts hineinkriechst.“ - „Schon gut, Frau Ebadul's, ich werde hier bleiben. Dein Mann kommt wohl erst spät nach Hause? Da es noch hell ist, will ich jetzt einen Gang durchs Dorf machen. Da kommt gerade Arakalulk, mich abzuholen.“
Es war ein herrlicher Abend. Auf den breiten Wegen und freien Plätzen lagen schon die tiefen langen Schatten der einbrechenden Dämmerung, und die letzten Strahlen der scheidenden Sonne vergoldeten die Gipfel der Bananen- und Brotbäume, der Palmen und Papayas, die in üppigem Wachstum malerisch geordnet die Häuser umgaben. Überall heiteres Spiel der Kinder auf Straße und Plätzen; watschelnde Gänse und kollernde Truthähne, Hühner und Enten drängten sich in Scharen friedlich zwischen den Menschen herum. Auf der Anhöhe, halb in Bäumen versteckt, stand ein schönes Bai; in seinen Fenstern saßen zahlreiche Armungul, unter denen einzelne mich schon in Aibukit und Kreiangel gesehen haben wollten. Dann umgab dichtes Gebüsch die Straße, die immer höher anstieg; auf einer großen Wiese grasten Hunderte von Kühen und Stieren, und zwischen den Wald hindurch fiel mein Blick auf die spiegelnde Fläche des nahen Meeres. Ich wollte über die starke Umzäunung wegsteigen, da ich so lange kein Rindvieh in der Nähe gesehen hatte und dies gewiss die Abkömmlinge jener Tiere waren, welche die Ostindische Compagnie vor nun reichlich siebzig Jahren an Ebadul von Coröre schenkte. Aber der Freund meines Bruders warnte mich. „Die Tiere sind sehr böse; niemand von uns darf auf die Wiese. Wenn Cabel Schils Ochsen haben will, so müssen wir sie schießen. Früher liefen sie frei im Dorfe herum; aber da sie bald wild wurden, einige Leute verwundeten und unsere Gärten zerstörten, so haben wir sie hier auf die Wiese getrieben und den Zaun gemacht, dass sie nicht mehr heraus können. Es wäre besser gewesen, wenn Cabel Wils uns die Tiere nicht gebracht hätte; sie nützen uns doch nichts. Aber Ebadul will sie nicht alle töten; er sagt, das sei ein Andenken an den ersten Rupack von Angabard, der den Knochenorden bekommen hätte.“ - Die Sonne war längst in ihr Haus eingekehrt, und die Dämmerung wich rasch der einbrechenden Nacht. Hier und da begegneten uns schon Männer mit angezündeten Fackeln, mit deren grellem Lichte der blaue Schein des vollen Mondes merkwürdig im Dunkel der Nacht kontrastierte. Als ich in Aidil wieder ankam, fand ich Ebadul schon nicht mehr vor; er war nur kurze Zeit in seinem Hause gewesen und hatte sich bald nach eingenommener Mahlzeit mit Aituro in sein Bai begeben.
Früh am nächsten Tage ließ ich mich durch Arakalulk in das Bai der Rupacks führen, um hier Ebadul meinen Besuch abzustatten. Der gutmütig aussehende, wohlbeleibte und etwas ältliche Fürst saß bereits emsig bei seiner Arbeit. „Good morning, Ebadul, sagte ich, nachdem ich der Sitte gemäß schweigend ins Bai gestiegen war und mich ihm gegenüber nieder gehockt hatte, „schon so früh so fleißig?“ „Ja Doktor, das ist mein Gebrauch so, ich bin sehr geschickt im Drillen der Taue, und ich als König muss meinen Leuten ein Beispiel geben. Bringst du Neuigkeiten?“ - „Nein, Ebadul, ich komme, hier Neues zu hören und zu sehen; was sollte sich auch in Aibukit Wichtiges ereignen? Wir wollen bald abreisen nach Manila; und ich wollte Palau nicht verlassen, ohne dein Land gesehen zu haben.“ - „Mein Land? das hast du auch in Ngirrarth (Mit diesem Namen bezeichneten die Bewohner von Coröre den Staat Aibulit mit seinen Vasallenstaaten; das Wort „Aibukit“ hörten sie im Gespräch ebenso ungern wie einige andere (auka rack), für welche im Süden andere Bezeichnungen im Gebrauch sind) gesehen, ich bin König von ganz Palau.“ - „Nun ja, ich meinte auch nur diese Insel hier und ganz besonders den Kokeal. Einer von deinem Volk hat mir viel davon erzählt, und nun bin ich neugierig geworden, die Inseln des Kokeal selbst zu sehen.“ - „Das kannst du tun, Doktor, ein Amlai wirst du schon finden, und weit ist es nicht von hier. Doch nun komm mit nach Aidil, heute kannst du doch nicht mehr fort - siehst du die Wolken dort? Es wird bald regnen - und in meinem Hause will ich dir etwas Schönes zeigen, das book von Cabel Wils.“
Es war hohe Zeit, dass wir gingen. Die Kronen der Palmen rauschten schon mächtig im anziehenden Sturmwinde, und zwischen den düsteren Wolken blickten nur kleine Fetzen des blauen Himmels durch. Bald fielen auch große Tropfen schwer auf die Blätter der Bäume. Über die Straßen eilten Kinder und Weiber, um in ihre Wohnungen zu kommen, und als wir durch die niedrigen Türen von Aidil eintraten, hatte der Sturm seine volle Gewalt entfesselt. Dem furchtbaren, von der Windsbraut gepeitschten Guss folgte bald ein stetiger, kräftiger Regen und hielt, mir sehr zur Freude, die Gäste aus dem sonst immer vollen Hause meines königlichen Wirtes fern.
Ebadul gab bald seiner Frau den Befehl, das Buch aus der Kiste zu holen. „Siehst du, Doktor, das ist das book, das uns Cabel Wils schickte, als Libu dort in Angabard gestorben war. Das zeige ich nur guten Freunden und großen Rupacks; es ist ein kostbares Gut, und wir halten es höher, als die steinernen Beile und Meißel, mit denen unsere Eltern ihre Häuser zimmerten und die Amlais aushöhlten. Solche Beile haben sie auch in Ngirrarth, aber das book ist nur hier. Da, Doktor, nimm es um drin zu lesen, wenn du Lust hast; ich muss jetzt fort, und nachher kannst du mir erzählen, was alles darin steht.“
Mit eigentümlicher Empfindung nahm ich das mir wohlbekannte Buch in die Hand, das nun schon mehr als siebzig Jahre hier bewahrt worden war. Wie oft wol mochte jener Ebadul, der Wilson seinen Sohn mitgab, damit er im fremden Lande etwas lernen solle, das Bildnis seines toten Sohnes betrachtet haben! Wie manche Träne hatte unbemerkt in stillen Augenblicken wohl die Mutter über ihren verlorenen Liebling vergossen! Zwar dem Volke zeigen durften sie ihren Schmerz nicht; galt es doch von jeher in Palau für eine Eigenschaft vor allem der Fürsten, weder Schmerz noch Zorn, weder Überraschung noch Ärger erkennen zu lassen oder ihm andern als würdigen Ausdruck zu geben. Wohl empfinden auch diese „wilden Kopfjäger“ - die wir so gern mit christlicher Nächstenliebe („Gnade vor eurer Liebe“ - Gesammelte Novellen in Versen von Paul Heyse (Urica, S. 146)) an unsere Kriegführung gewöhnen möchten - Regungen des Mitleids und der Teilnahme für andere; auch ihnen klopft ein Herz in der Brust, und der tiefsten, leidenschaftlichsten Erregung und Hingabe sind auch sie so gut fähig wie höher begabte und weiter fortgeschrittene Völker. Aber in die gewissenhafteste Erfüllung der alten Gebräuche setzen sie alle ihren höchsten Stolz; darum drängen sie ihre Gefühle gewaltsam zurück, denn es ist „schlechte Sitte“, der inneren Erregung auch leidenschaftliche Worte zu leihen. Als Ebadul, der Vater jenes Libu, von dem Tode seines Sohnes hörte, sagte er, nur mühsam seine Fassung sich erhaltend: „Es ist gut, es ist gut.“
Man sah dem Buche die rührende Pietät an, mit welcher dieses Völkchen an allem hängt, was seine Väter betrifft; kein Blatt war zerrissen oder beschmutzt, der Einband so sauber, als hätte er die ganze Zeit her in dem Schranke eines Bibliothekars gestanden, der seine Bibliothek als ein kostbares, durch keine Hand eines Lesers zu entweihendes Heiligtum betrachtet, Die Bilder zeigte mir Ebadul's Frau, sie erklärte mir alle mit innigstem Behagen; wie gönnte ich der guten Frau die kleine Freude. Dann ließ sie mich weiter blättern; ich vertiefte mich in die reizende Erzählung vom Ende des jungen Prinzen. Geliebt von allen, die ihn kannten, starb er im fremden Lande mit stoischer Ruhe; und seinem Andenken widmete die mächtige Ostindische Compagnie ein eigenes Monument auf dem Kirchhofe zu Rotherhithe. Fast gedankenlos las ich die auch im Buche mitgeteilte Inschrift: „To the Memory of Prince Lee Boo, a native of the Pelew, or Palos islands; and son to Abba Thule, Rupack or King of the Islands Coroora“ - halt, was ist das, habe ich recht gelesen? Rupack oder King der Insel Coröre (Coroora)? So bezeugen also die Engländer selbst, dass Ebadul nicht König von ganz Palau ist - jetzt aber tut er doch immer, als ob er solcher sei? Nachdenkend, wie wohl dieser Widerspruch zu lösen wäre, blättere ich weiter; da auf einmal fällt zwischen den letzten Blättern ein Manuskript heraus. Was mag das sein? Beim Himmel, das ist interessant! „Eine Konstitution von Palau“ und hier daneben „Ein Handelstraktat zwischen Ebadul, König der Palau-Inseln, dem Fürsten von Coröre und Andrew Cheyne!“
Wie freute ich mich nun des Regens, der mir Zeit gab, eine Kopie dieser interessanten Dokumente zu nehmen. Es waren nur Kopien; die Originale waren angeblich, wie ich später erfuhr, im englischen Konsulat in Manila deponiert. Hier mögen beide für Verständnis und Beurteilung der dortigen Verhältnisse so wichtigen Dokumente ihren Platz finden unter Beibehaltung der englischen falschen Schreibweise der einheimischen Namen.
Hier einige Auszüge aus dem umfangreichen englischen Text des Abkommens, dass der schottische Kapitän Andrew Ceynemit dem König Abba Thule von Corror beschlossen hatte:
1.
A Treaty of Commerce between Abba Thule King of the Pelew Islands and the Nobles of Corror on the part and Andrew Cheyne, owner and commander of the British Barge „BLACK RIVER PACKET“ and proprietor of the Island of Malaccan, Pelew Islands, on the other part.
Article 1. King Abba Thule and the undersigned Nobles of Corror hereby grant the said Andrew Cheyne, his heir, successors and assings the sole and exclusive right and privilege of purchasing all the biche de mer, tortoise shell and aoll other exporting, or that may be raised from the soil hereafter, such as coffee, sugar etc. for five hundred moons, reckoning from the date of this Treaty. At the expiration of this time this Treaty may by renewed or the trade declared open, as may be most advantageous to the Corror Government. ...
Art. 18. We Abba Thule King of the Pelew Islands and the undersigned Nobles of Corror, hereby declare that we have not received any goods, money or article whatever from the said A. Cheyne, or from any other person, as an equivalent for granting or to induce us to grant him these concessions, but that it is entirely our own free act and deed, done in the belief that by having a fair and regular system of trade established, it will confer a lasting benefit on ourselves and promote the ultimate peace and welfare of all classes of our subjects. ...
Regulations