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Sie soll den Haushalt des vermögenden Unternehmers Lee Richardson managen und eine Party auf seinem Luxusanwesen in Australien organisieren: Rhianna ist begeistert von ihrem neuen Job und hingerissen von ihrem sexy Boss, in dessen Nähe sie ein lustvolles Prickeln verspürt. Mit jedem Tag fühlt sie sich stärker von ihm angezogen. Und als er sie nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht bittet, seine Frau zu werden, schwebt sie im siebten Himmel. Doch schon bald droht Lees Familiengeheimnis sich wie ein dunkler Schatten über ihr junges Glück zu legen …
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Seitenzahl: 202
Lindsay Armstrong
Heiß wie die Sonne Australiens
IMPRESSUM
JULIA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
Redaktion und Verlag:Brieffach 8500, 20350 HamburgTelefon: 040/347-25852Fax: 040/347-25991Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christel Borges, Bettina SchultGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 HamburgTelefon 040/347-27013© 2007 by Lindsay ArmstrongPublished by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1830 (19/1) - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, HamburgÜbersetzung: Helga Meckes-Sayeban
Fotos: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format im 04/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion:GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86349-288-5
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
PROLOG
Eines Tages teilte Rhianna Fairfax sich mit einem umwerfenden Mann ein Taxi. Zu dieser Zeit war sie gerade einundzwanzig Jahre alt.
Es geschah während eines für Sydney so typischen Unwetters. Und jene Fahrt sollte Rhianna nie mehr vergessen …
Mitten in der Stadt hatten die beiden sich im strömenden Regen auf einem Gehweg gegenübergestanden. Der Mann hielt einen Schirm in der Hand, während sie in einen dünnen hellgelben Plastikregenmantel gehüllt war. Eigentlich war der Fremde zuerst da gewesen. Als das Taxi, das er herbeigewinkt hatte, aber am Bordstein hielt, kam Rhianna fast gleichzeitig angerannt. Kurz entschlossen wischte sie sich die Tropfen aus dem Gesicht und fragte den Mann über das Tosen des Regens hinweg, ob sie es sich teilen könnten. Eindrucksvoll schilderte sie ihm, wie sie andernfalls fortgeschwemmt werden würde, und erklärte ihm, dass sie es sehr eilig hatte und spät dran war. Und es gelang ihr tatsächlich, ihn zu überzeugen. Der Unbekannte war einverstanden und klappte seinen Schirm zusammen, damit sie einsteigen konnten. Nass, wie sie waren, kletterten sie auf die Rückbank – missmutig beäugt vom Taxifahrer, der Angst um seine Sitze hatte.
„Puh!“ Rhianna schob die Regenhaube zurück, sodass ihre dunkelblaue Baskenmütze zum Vorschein kam, unter der sie ihr langes Haar verborgen hatte. Für gewöhnlich trug sie die Mütze nicht so tief ins Gesicht gezogen, doch ihr war kalt, und außerdem hatte sie nur so die Kapuze ihres Regenmantels überziehen können. „Was für ein Tag!“
Prüfend musterte ihr Begleiter sie. „Sie sind für das Wetter wenigstens richtig angezogen.“
Rhianna zupfte sich die Mütze zurecht und verzog verlegen das Gesicht. „Im Moment liegt mir nur daran, warm und trocken zu bleiben. Also? Wohin fahren Sie?“
Er sagte es ihr. Nachdem sie sich mit dem Fahrer besprochen hatten, entschieden sie, dass der Fremde als Erster abgesetzt werden sollte.
Rhianna lehnte sich zurück, während die Scheibenwischer auf Hochtouren arbeiteten. Das Taxi fädelte sich in den Verkehr auf der regennassen grauen Straße ein. Zum ersten Mal sah Rhianna sich ihren Begleiter genauer an.
Augenblicklich erwachte ihr Interesse. Er war groß und dunkelhaarig und sah unverschämt gut aus. Das dichte dunkle Haar, die tiefblauen Augen und das markante Gesicht – er hatte etwas Raubtierhaftes an sich. Unter dem Jackett des elegant geschnittenen anthrazitfarbenen Anzugs, der völlig durchnässt war, zeichneten sich seine breiten Schultern ab.
Auf Anfang dreißig schätzte sie ihn. Beinahe wirkte er etwas arrogant – ein Mann, der offenbar im Geschäftsleben Macht ausübte. Gleichzeitig sah er so aus, als wäre er auch in anderen Dingen teuflisch gut …
Unwillkürlich dachte Rhianna darüber nach, welche Dinge das sein mochten, und ein Schauer überlief sie. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass der Fremde sie ebenfalls anblickte. „Verzeihung.“ Sie lächelte entschuldigend. „Aber Sie dürften es gewohnt sein, angesehen zu werden.“
Er lächelte leicht. „Das Gleiche könnte ich zu Ihnen sagen – obwohl man im Moment nicht viel von Ihnen sieht.“ Er ließ den Blick über ihren bauschigen Regenmantel schweifen, der ihr im Sitzen fast bis zu den Füßen reichte.
Rhianna hätte selbst nicht sagen können, warum sie so einen Drang verspürte, mit einem völlig Fremden zu plaudern.
Aber das mochte daran liegen, dass ihr Leben vor einer halben Stunde eine unerwartete positive Wendung genommen hatte. „Sicher sind Sie bei den Damen sehr gefragt?“
Ihr Begleiter lehnte sich zurück. Verstohlen betrachtete Rhianna ihn und schluckte. „Das kann ich im Moment wirklich nicht behaupten. Ich habe den Damen abgeschworen … möglicherweise für sehr lange Zeit.“
„Tatsächlich? Schade!“ Versonnen sah Rhianna ihn an. „Ist das Ihr Ernst?“
Der Unbekannte presste kurz die Lippen zusammen, dann zuckte er die Schultern und antwortete mit einer Gegenfrage: „Und wie steht’s mit Ihnen?“
„Ich?“ Unbehaglich senkte sie den Blick und strich sich den gelben Regenmantel glatt. „Ich habe von den Männern für den Rest meines Lebens genug.“
Er musterte sie. „Wieso das?“
„Das wird Sie kaum interessieren.“ Sie wollte sich nicht aus der Reserve locken lassen. „Worüber sprachen wir vorher?“
Nun blickte er in ihre leuchtenden braunen Augen. „Ich wollte Ihr Kompliment nett erwidern.“
„Tja, ich glaube kaum, dass ich – was Schönheit betrifft – auf einer Punkteskala von eins bis zehn unbedingt mit der Höchstzahl abschneiden würde“, erwiderte Rhianna. „Aber ich habe auch meine Vorzüge. Meine Figur ist zum Beispiel nicht übel. Und unter dem Ding hier“, sie deutete auf ihre Mütze, „bin ich naturblond, falls Sie auf so etwas stehen. Aber auf eines bin ich wirklich stolz – auch wenn es unmoralisch ist: meine Beine.“
Der Fremde zog die Augenbrauen hoch. „Wieso unmoralisch?“
„Beine sind nur Äußerlichkeiten. Was zählt, sind die inneren Werte.“
„Lassen Sie mich raten“, sagte er schmunzelnd. „Hat man Ihnen das in der Klosterschule beigebracht?“
Rhianna lachte auf. „In meinem letzten Jahr auf der Klosterschule war Mutter Oberin davon überzeugt, meine Beine würden mich direkt an den Abgrund bringen – und noch einen Schritt weiter. Auf der nächsten Schule herrschte dann eine komplett andere Meinung. Dort glaubte man, dass meine Beine mein Kapital wären.“
„Der nächsten Schule?“
„Ich bin auf ziemlich viele Schulen gegangen“, entgegnete sie schnell.
„Wenn Sie mir Ihre Beine zeigen würden, könnte ich diese Meinungsverschiedenheit beenden.“ Der Fremde machte eine ernste Miene, doch seine tiefblauen Augen funkelten vergnügt. „Dann könnte ich Ihnen sagen, ob es unmoralisch ist, stolz auf sie zu sein, oder nicht.“
„Also, ich finde, wir sollten den Fahrer nicht länger in Verlegenheit bringen“, wehrte Rhianna ab.
Inzwischen hatten sie die Innenstadt verlassen und fuhren eine noble Allee in Woollahra entlang, die vollkommen überflutet war. Der Fremde hatte diese Adresse als Ziel angegeben.
Dass der Taxifahrer nicht auf Rhiannas Bemerkung reagierte, lag daran, dass er in diesem Moment durch eine tiefe Wasserlache fuhr. Und obwohl er sich konzentrierte und das Steuer fest umklammert hielt, kam er auf der überschwemmten Fahrbahn ins Schlingern.
Dann ging alles ganz schnell.
Plötzlich verlor der Fahrer die Kontrolle über den Wagen. Das Taxi geriet auf den Gehweg, knallte gegen einen Baum und prallte daran ab. Mit einem Krachen durchbrach der Wagen einen Zaun und kam schließlich beängstigend nah an einer Felskante zum Stehen. Eines der Vorderräder hing in der Luft – und unterhalb des Taxis klaffte ein gähnender Abgrund …
In den nächsten Minuten herrschte das totale Chaos. Rhianna und der Fremde waren unverletzt, doch der Taxifahrer hatte bei dem Aufprall das Bewusstsein verloren. Wie lange der Wagen so nah am Abgrund noch im Gleichgewicht bleiben würde, wusste niemand. Sicher war, dass sie das Fahrzeug so schnell wie möglich verlassen mussten.
Vorsichtig kletterten Rhianna und ihr Begleiter aus dem Taxi in den Regen hinaus. Per Handy forderten sie Hilfe an und versuchten dann gemeinsam, den Fahrer aus dem Auto zu ziehen.
Es war alles andere als leicht. Durch den Aufprall hatte die Fahrertür sich verzogen. Und wenn Rhiannas Begleiter nicht so kräftig gewesen wäre und so schnell und einfallsreich reagiert hätte, wäre das Taxi ganz sicher mitsamt dem Fahrer den Felshang hinuntergestürzt.
Rhianna und der Fremde betteten den bewusstlosen Mann im Gras auf eine wasserdichte Plane, die sie im Kofferraum gefunden hatten. Atemlos schlüpfte Rhianna aus ihrem Regenmantel und deckte den Fahrer damit zu.
Inzwischen waren sie bis auf die Haut durchnässt, völlig verschmutzt und zerkratzt.
Unversehens rollte das Taxi den Felshang hinunter und grub sich mit der Kühlerhaube in die Rasenfläche, die sich am Fuße des Abhangs erstreckte.
„Gott sei Dank, dass wir ihn rausholen konnten!“, stieß Rhianna geschockt hervor. Sie starrte auf das zerstörte Taxi. Dann sah sie den Fremden an. „Ist bei Ihnen alles in Ordnung?“ Ihr Blick fiel auf seine blutende Hand. „Sie haben sich verletzt. Und Ihr Jackett dürfte nicht mehr zu retten sein.“
„Mir geht es gut.“
In dem Moment ertönte Sirenengeheul, und die beiden drehten sich um. Ein Polizeiauto und ein Krankenwagen kamen die Straße entlang.
Wenig später konnte der Notarzt sie beruhigen: Der Taxifahrer war nicht ernstlich verletzt.
Die Polizisten baten Rhianna und den Fremden, ihnen den Unfallhergang zu schildern.
Die Beamtin, mit der Rhianna sprechen sollte, bot ihr an, das Protokoll im trockenen und warmen Polizeiwagen aufzunehmen. Dankbar nahm Rhianna den Vorschlag an.
Nachdem kurz darauf endlich alle Formalitäten erledigt waren, warf Rhianna einen Blick auf die Uhr. Erschrocken stellte sie fest, wie spät sie dran war. Sie erklärte der Beamtin ihre Situation und bat sie, ihr ein anderes Taxi zu rufen.
Und wenige Augenblicke später kam ein Wagen – ein Wunder an einem Tag wie diesem. Möglicherweise hatte die Tatsache, dass die Polizei es bestellt hatte, die Angelegenheit beschleunigt.
Rhianna stieg aus dem Polizeiauto. Der Fremde, dessen Aussage der zweite Beamte aufgenommen hatte, wandte sich ihr zu.
„Möchten Sie mitfahren?“, fragte sie. „Leider bin ich inzwischen sehr spät dran …“ Sie zögerte und sah ihn unsicher an.
„Nein, danke. Ich bin fast am Ziel und laufe den Rest.“
„Dann lassen Sie mich meinen Anteil an unserer Fahrt bezahlen. Ich weiß nicht, wie viel es ist …“ Sie öffnete ihr Portemonnaie.
Doch der Mann legte seine unverletzte Hand auf ihre. „Das geht auf mich. Keine Widerrede.“
Rhianna betrachtete seine schlanken, kraftvollen Finger und erschauerte unwillkürlich.
„Und was Ihre Beine betrifft, haben Sie recht“, fuhr er fort und ließ den Blick von ihrem kurzen engen Rock bis zu den Füßen schweifen. „Sie sind sensationell.“
„Das habe ich nicht gesagt“, widersprach sie verlegen.
„Nein, das haben Sie nicht. Sie haben mich nur darauf aufmerksam gemacht.“ Er zuckte die Schultern und lächelte auf eine Art, die sie völlig durcheinanderbrachte. „Und das war gut.“
Rhianna schoss das Blut in die Wangen. „Dann … leben Sie wohl“, brachte sie stockend hervor. „Ich muss los.“ Dennoch blieb sie stehen.
Abwartend blickte er sie an, bevor sie sich endlich losriss und in das zweite Taxi stieg.
Als Rhianna zu Hause ankam, eilte sie sofort zu ihrem Vater. Er saß noch immer da, wo sie ihn vor Stunden zurückgelassen hatte, und sah friedlich fern.
Erleichtert atmete sie auf, küsste ihn auf die Stirn und verschwand, um zu duschen und sich umzuziehen.
Beim Anblick ihres Spiegelbilds schloss sie entsetzt die Augen. Sie trug die verflixte Mütze immer noch bis über die Ohren gezogen und hätte sich fast selbst nicht erkannt. Weniger schmeichelhaft hätte sie sich kaum aufmachen können!
Ärgerlich riss Rhianna sich die Mütze vom Kopf. Seidiges blondes Haar umrahmte ihr Gesicht.
Rhianna seufzte. Ein Jammer, dass sie ihrem Traummann ausgerechnet in diesem Aufzug begegnen musste!
Die Ironie des Schicksals wurde ihr bewusst. Wenn jemand Grund hatte, den Männern abzuschwören, dann sie.
Was also war gerade in diesem Taxi mit ihr geschehen?
1. KAPITEL
Vier Jahre später erwischte sich eine reifere und klügere Rhianna dabei, wie sie am Flughafen mit großen Augen einen Mann anblickte …
Ihr Abflug hatte Verspätung, und sie langweilte sich und war ungeduldig.
Der Fremde war ein unerhört gut aussehender Vertreter des starken Geschlechts – groß und dunkelhaarig, markante Züge …
Rhianna musterte ihn genauer. Er war breitschultrig, hatte schmale Hüften, trug Jeans und ein weißes Hemd unter einer exquisiten Lederjacke.
Und plötzlich war Rhianna sich sicher.
Er war der Mann, mit dem sie sich vor vier Jahren ein Taxi geteilt hatte!
Eine elegante, schlanke große Frau, die ebenso auffiel wie er, war bei ihm. Offenbar gab er ihr gerade einige Anweisungen, die sie mit einem seltsam unterwürfig wirkenden Nicken entgegennahm.
Er hatte seine Erklärungen beendet und drehte sich um, sodass Rhianna ihn besser sehen konnte. Unvermittelt lächelte er der Frau zu. Wie verzaubert stand sie vor ihm und erwiderte sein Lächeln leicht verlegen, ehe sie schließlich davonging.
Falls Rhianna noch irgendwelche Zweifel gehabt hatte – das Lächeln des Mannes räumte sie aus.
Der Fremde hob den Kopf und ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Sein Lächeln war wieder erloschen.
Ihr stockte der Atem. Wie gut sie sich an diese tiefblauen Augen, diesen leicht distanzierten Ausdruck erinnerte! Doch heute bemerkte sie noch etwas anderes: Dieser Mann wirkte wie jemand, der sich nahm, was er wollte – ohne sich über die Konsequenzen den Kopf zu zerbrechen …
Ein Lächeln huschte über Rhiannas Gesicht, als sie an die aufregende Fahrt im Taxi zurückdenken musste.
Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass der Fremde sie ansah. Unbewegt erwiderte sie seinen Blick, das Lächeln umspielte noch immer ihre Mundwinkel.
Seelenruhig betrachtete er ihr kinnlanges blondes Haar, ihre schlanke Gestalt in dem strengen grauen Hosenanzug und der schwarzen Bluse. Er musterte sie so eingehend, fast intim, dass ihr eine Gänsehaut den Rücken hinabrieselte.
Dann blickte er ihr in die Augen, zuckte kurz die Schultern und wandte sich ab.
Rhianna spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.
Offensichtlich hatte er sie nicht wiedererkannt. Aber ohne die schreckliche Mütze war das wahrscheinlich kein Wunder!
Wirkte sie etwa wie eine junge Frau, die hemmungslos mit fremden Männern flirtete? Rhianna biss sich auf die Unterlippe. Mit diesem Mann hatte sie sich damals im Taxi jedenfalls ziemlich gewagt unterhalten …
Noch während sie grübelte, wurde ihr Flug aufgerufen. Sie ging an Bord der Economyclass, während der Unbekannte in der Businessclass verschwand.
Rhianna versuchte, sich mit der Überlegung zu trösten, dass er sicher irgendwelche Macken hatte. Vielleicht war er eitel, was sie bei einem Mann nicht ausstehen konnte. Doch es half nichts. Sie musste sich eingestehen, dass die Begegnung sie durcheinandergebracht hatte …
Als die Maschine schließlich an der Gold Coast landete, war Rhiannas seelisches Gleichgewicht weitgehend wiederhergestellt.
Während der letzten halben Flugstunde hatte sie sich bemüht, ihre Gedanken auf ihre neue Stellung zu fokussieren.
Einfach ausgedrückt, war sie eine Haushälterin. Genauer gesagt, war sie jedoch eine Art Managerin, die über vertraglich festgelegte Zeiten die Haushalte von Reichen, gelegentlich auch Berühmten, neu strukturierte und durchorganisierte. Ab und an wurde sie engagiert, um das Haus für ein anspruchsvolles Fest vorzubereiten.
Ihre Pläne und Träume hatten anders ausgesehen.
Als Kind hatte sie alle Vorzüge des Reichtums genossen. Ihre Eltern waren berühmt gewesen. Doch von einem auf den anderen Tag war für sie eine Welt zusammengebrochen. Ihre Mutter war gestorben, das Unternehmen bankrottgegangen, und Rhianna hatte sich ihren Lebensunterhalt irgendwie selbst verdienen müssen.
In der Situation war sie auf die Idee gekommen, ihre Erziehung in dem teuren Internat, wo sie den letzten gesellschaftlichen Schliff erhalten hatte, nutzbringend anzuwenden.
So war sie jetzt, mit fünfundzwanzig, eine „Einfrauagentur“ und darauf spezialisiert, anderen Menschen die Geheimnisse stilvoller Haushaltsführung und anspruchsvoller Kochkunst zu vermitteln. Ihr kam dabei zugute, dass sie leidenschaftlich gern kochte.
Selten übernahm sie Aufträge, die länger als vier Wochen dauerten. Auch diesmal war sie nur für einen Monat gebucht, und die Bezahlung war ausgezeichnet. Sie hatte gelernt, sich nicht unter Wert zu verkaufen.
Außerdem war dieser Auftrag besonders interessant. Southall, der Familiensitz der Richardsons, war ein weitläufiges Anwesen an der malerischen Gold Coast. Darüber hinaus besaß die Familie riesige Weideländereien in Queensland sowie Viehranches in West- und Nordaustralien.
Die Richardsons waren eine alteingesessene Familie und schwerreich. Und während sie ihr Imperium durch den Kauf immer neuer Ländereien stetig vergrößerten, hatten sie Southall zum Familienhauptsitz erkoren. Das Anwesen lag zwar inmitten der Ländereien, doch trotzdem günstig in der Nähe der Küste.
Das alles war noch zu Lebzeiten von Ross und Margaret Richardson geschehen.
Vor fünf Jahren war Margaret gestorben. Ross hatte ziemlich schnell wieder geheiratet – eine junge Frau, die seine Tochter hätte sein können. Die Klatschspalten waren voll von Berichten darüber gewesen. Nach der Hochzeit war Ross mit seiner zweiten Frau Andrea Comero, einem Model, nach Südfrankreich gezogen und hatte Southall seinem unverheirateten älteren Sohn Lee übergeben. Vor einem Jahr war auch Ross verstorben.
Bei seiner zweiten Heirat waren Ross’ Söhne ledig gewesen. Inzwischen war jedoch Matthew, der jüngere der beiden, mit dem schönen Fernsehstarlet Mary Wiseman vor den Traualtar getreten. Nachdem das Paar eine sechsmonatige Hochzeitsreise um die Welt gemacht hatte, war er mit seiner jungen Frau auf Southall eingezogen.
Auch das wusste Rhianna aus der Yellow Press. Doch während Matt Richardsons Hochzeit in den Medien für viel Wirbel gesorgt hatte und Andrea Comero ein bekanntes Gesicht war, wusste Rhianna über den älteren Sohn Lee überhaupt nichts.
Lees persönlicher Assistent hatte Rhiannas Dienste angefordert. Sehr diplomatisch hatte er ihr zu verstehen gegeben, dass Mary Richardson mit Anfang zwanzig keine Erfahrung habe, wie ein großer Haushalt zu führen sei. Dennoch war sie gewillt, Southalls legendären Ruf für exklusive Küche und Gastlichkeit wieder aufleben zu lassen, den das Haus zu Lebzeiten Margaret Richardsons genossen hatte.
Welche Rolle Lee Richardson dabei spielte, wusste Rhianna nicht. Aber das ging sie auch nichts an.
Für sie war dieser Auftrag vor allem eines: ein unverhoffter Glücksfall.
Nachdem Rhianna ihr Gepäck geholt hatte, ging sie wie vereinbart zum Informationsschalter.
Gerade wollte sie dort einer Angestellten ihren Namen nennen, als eine tiefe männliche Stimme sich bei einer anderen Dame an der Auskunft erkundigte, ob eine Rhianna Fairfax sich gemeldet habe.
Verblüfft wandte Rhianna sich dem Sprecher zu. Und sie brauchte einen Moment, um sich zu fangen. Neben ihr stand der Fremde aus dem Taxi, der Mann, dem sie vor dem Abflug in der Flughafenhalle zugelächelt hatte!
Ihre rasche Bewegung machte ihn auf sie aufmerksam, und er drehte sich zu ihr um. Ihre Blicke begegneten sich.
„Schau mal einer an“, sagte er bedächtig. „Wenn das nicht die Lady ist, die in Sydney versucht hat, mit mir anzubändeln. Aber ‚Lady‘ dürfte vielleicht nicht ganz zutreffend sein.“ Er musterte sie von Kopf bis Fuß.
Einen Moment lang war Rhianna sprachlos, dann erwiderte sie eisig: „Ich habe keineswegs versucht, mit Ihnen anzubändeln.“ Empört funkelte sie ihn an. „So etwas würde mir nicht einmal im Traum einfallen.“
„Na, dann habe ich mich wohl geirrt, Ma’am.“ Der Fremde hob die Augenbrauen.
„Und übrigens“, fuhr sie mühsam beherrscht fort, „ich bin Rhianna Fairfax.“
Der Mann kniff seine unerhört blauen Augen zusammen. „Also das dürfte wirklich interessant werden, Miss Fairfax.“
„Im Gegenteil …“
Sanft unterbrach er sie. „Zufällig bin ich nämlich Lee Richardson, Ihr …“, er machte eine kleine bedeutungsschwere Pause, „… Auftraggeber.“
„Oh.“ Mehr brachte Rhianna nicht hervor.
„Hm.“ Er lächelte amüsiert. „Das Leben ist voller Zufälle, und Sie …“
„Sprechen Sie nicht weiter“, fiel sie ihm ins Wort. „Es sei denn, Sie möchten, dass ich postwendend nach Sydney zurückfliege.“
„Das können Sie leider nicht, Ma’am“, mischte eine der Damen an der Auskunft sich ein. Die beiden Angestellten hatten dem Wortwechsel gebannt gelauscht. Sie räusperte sich. „Die letzte Maschine ging vor einer halben Stunde.“
„Dann werde ich im Hotel übernachten.“
„Nein, das können Sie nicht“, erklärte Lee Richardson, „weil …“
„Würden Sie beide bitte aufhören, mir zu sagen, was ich nicht tun kann?“ Aufgebracht blickte Rhianna zwischen ihm und der Angestellten hin und her.
„Ich wollte Ihnen eigentlich nur sagen, dass Sie mit mir nach Southall fahren werden“, erklärte Lee. „Als der Flug Verspätung hatte und man auf der Ranch erfuhr, dass wir beide mit derselben Maschine fliegen, hat man mich gebeten, Sie mitzunehmen.“
„Und was hat das mit alldem hier zu tun?“, fragte Rhianna irritiert.
„Nichts. Aber wir brauchen Sie wirklich dringend, Miss Fairfax. Meine Schwägerin gibt übermorgen Abend eine Party, die sich sonst zu einer Katastrophe entwickeln könnte.“
Befremdet sah Rhianna ihn an. „Wieso das?“
„Sie hat dem Partyservice den falschen Tag angegeben, und für den tatsächlichen Termin, also Sonntag, ist die Firma bereits ausgebucht. Wie sich dann herausstellte, sieht es bei den anderen gehobenen Partydiensten an der Küste ähnlich aus. Aber natürlich wäre es verständlich, wenn Sie sich so kurzfristig außerstande sehen würden, für dreißig Gäste ein Büfett mit einer entsprechenden Getränkeauswahl auszurichten.“ Mit undurchdringlicher Miene sah er sie an.
„Solange die Geschäfte offen sind, sodass ich überall einkaufen kann, schaffe ich das im Schlaf“, versicherte Rhianna ihm.
Erneut musterte Lee sie von Kopf bis Fuß. Sie war mittelgroß, etwa eins fünfundsechzig, und hatte eine tolle Figur. Sie trug ihr glattes blondes Haar kinnlang und seitlich gescheitelt, sodass es ihr auf einer Seite etwas länger ins Gesicht fiel. Ihre Augen waren von einem ungewöhnlichen Braun und wurden von langen dunklen Wimpern gerahmt. Für ihre makellose Haut brauchte sie kein Make-up. Der korallrote Lippenstift ließ ihren vollen Mund geheimnisvoll schimmern …
Täuschte er sich, oder war er ihr schon irgendwo begegnet? Etwas in ihrer Stimme und die leuchtenden braunen Augen kamen ihm bekannt vor. Aber er konnte sie nicht einordnen.
Jedenfalls war diese Rhianna Fairfax ganz anders, als er sich eine Haushälterin vorgestellt hatte. Möglicherweise war sie interessanter, als der erste Eindruck verriet. Und wie sie ihn in der Abflughalle angelächelt hatte – als würde er sie als Mann interessieren …
Um sie herauszufordern, erwiderte er trocken: „Warten wir’s ab.“
„Ich werde es Ihnen beweisen, Mr. Richardson“, entgegnete Rhianna, und mit ihren hellbraunen Augen funkelte sie ihn entschlossen an.
Lee unterdrückte ein Lächeln.
„Aber glauben Sie nicht, dass Sie mich eingewickelt oder umgestimmt hätten“, warnte sie ihn.
Belustigt zog er eine Augenbraue hoch. „Nein?“
„Nein. Ihre Schwägerin tut mir leid, also helfe ich ihr aus der Patsche. Am nächsten Tag steht es mir frei, meine Sachen zu packen und zu gehen.“
„Jawohl!“, sagte Lee. „Verstehen Sie das bitte nicht falsch, Miss Fairfax. Ich will damit nur andeuten, dass ich möglicherweise meine Meinung revidieren muss. Vielleicht sind Sie genau das, was wir auf Southall brauchen. Gehen wir.“
Während der Fahrt die Küste hinauf ins Hinterland saß Rhianna schweigend neben Lee Richardson im Wagen.
Nachdem der Mann ihre Fähigkeiten offen angezweifelt hatte, war sie drauf und dran gewesen, den Auftrag einfach abzulehnen. Warum hatte sie es bloß nicht getan? Sie wusste die Antwort: Sie brauchte das Geld – gerade jetzt …
Es war dunkel, und Rhianna konnte die Landschaft nicht erkennen. Doch die Straße, die sie entlangfuhren, wand sich offensichtlich eine recht steile Anhöhe hinauf.
Rhianna seufzte lautlos. In der engen Fahrerkabine empfand sie Lees Nähe als noch beunruhigender.
Aus dem Augenwinkel betrachtete sie seine starken Hände, mit denen er das Lenkrad umfasste. Wie müsste es sein, von diesen Händen berührt zu werden? Wie fühlte es sich an, sie auf ihrer nackten Haut zu spüren? Markante Züge hatte er, breite Schultern, und wie er beim Fahren schaltete, ließ vermuten, dass er auch im Bett genau wusste, was er wollte …
Bei der Vorstellung überlief es Rhianna heiß und kalt, und sie schloss die Augen.
Glücklicherweise bogen sie kurz darauf von der Hauptstraße ab. Sie fuhren einige von Bäumen gesäumte Seitenwege entlang, bis sie zu einem eindrucksvollen schmiedeeisernen Doppeltor in einer hohen Steinmauer kamen.
Lee betätigte einen Knopf im Wagen, und die Flügel des Tores glitten geräuschlos auseinander.
„Wir sind da, Miss Fairfax“, sagte er, während sie in eine Garage für vier Wagen einfuhren. „Sie sind so still.“ Er öffnete die Fahrertür, und die Beleuchtung schaltete sich ein.
„Ehrlich gesagt, frage ich mich, auf was ich mich hier eingelassen habe“, gestand Rhianna.
Er lächelte leicht. „Ihr Beruf – Haushalte vor dem Chaos zu retten – dürfte häufig mit Überraschungen verbunden sein.“
Rhianna blickte ihm in die Augen. „Das schon. Aber der Eindruck“, sie wählte ihre Worte mit Bedacht, „den ich bisher von Ihnen gewonnen habe, ist … nicht der beste, Mr. Richardson.“
„Hören Sie, Miss Fairfax, Sie haben mich auf ziemlich eindeutige Weise angelächelt“, entgegnete er. „Und der Eindruck, den Sie von mir gewonnen haben, beruht auf meiner Reaktion auf Ihre Blicke.“
„Na gut. Ich habe Sie angelächelt. Aber es war nicht so, wie Sie denken. Das habe ich nur getan, weil wir uns schon einmal begegnet sind.“