5,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 5,99 €
VERZAUBERT UNTER PALMEN von LINDSAY ARMSTRONG Mit einem Traummann in der Südsee! Der australische Unternehmer Max Goodwin verwöhnt die junge Dolmetscherin Alexandra mit schier unvorstellbarem Luxus. Doch dann lauscht sie eines Abends zufällig einem Gespräch, das nur einen Schluss zulässt: Max ist nicht frei für die Liebe! LIEBESTRAUM IM SÜDSEEPARADIES von ALISON ROBERTS Auf den Fidschi-Inseln will Sarah endlich einmal ausspannen. Als sie ein kleines Mädchen vor dem Ertrinken rettet, trifft sie den faszinierenden Arzt Ben Dawson und beginnt einen stürmischen Flirt. Doch Ben gilt als Playboy. Sucht er etwa nur eine Affäre? HEIRATSANTRAG UNTER PALMEN von KRISTY MCCALLUM Sasha hat die Hälfte eines Hotels auf Mauritius geerbt! Allerdings muss sie verheiratet sein, um das Erbe antreten zu können. Mutig macht sie dem attraktiven Carey Temple einen Antrag. Denn der sexy Hotelier ist der Einzige, mit dem sie sich eine Hochzeit unter Palmen vorstellen kann.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 571
Lindsay Armstrong, Alison Roberts, Kristy McCallum
ROMANA GOLD BAND 55
IMPRESSUM
ROMANA GOLD erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
Neuauflage in der Reihe ROMANA GOLDBand 55 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2008 by Lindsay Armstrong Originaltitel: „The Billionaire Boss’s Innocent Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Maren Hoffmann Deutsche Erstausgabe 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1816
© 2005 by Alison Roberts Originaltitel: „A Mother For His Family“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dr. Brigitte J. Hahn Deutsche Erstausgabe 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1643
© 1994 by Kristy McCallum Originaltitel: „A Taste of Passion“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gudrun Bothe Deutsche Erstausgabe 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA SOMMERLIEBE, Band 16
Abbildungen: Bruskov / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 02/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733749767
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, TIFFANY
Alexandra Hill kam an einem besonders kalten Morgen zu Hause in Brisbane an.
Sie hatte mit einigen Freunden einen Skiurlaub in den Neuseeländischen Alpen verbracht. Eingemummt in warme Skisachen hatte sie das Flugzeug bestiegen, und obwohl es Winter war, hätte sie nicht erwartet, dass sie auch im sonst so milden Brisbane für diese Kleidung dankbar sein würde.
Es war der kälteste Maitag seit Menschengedenken. Alex trug noch immer ihre Skijacke, als sie aus dem Taxi stieg und vor der Tür ihres kleinen Reihenhauses in Spring Hill ihren Chef vorfand, der auf sie wartete.
Simon Wellford, ein rothaariger Mann von untersetzter Statur, war der Gründer der Übersetzungs- und Dolmetscheragentur Wellford Interpreting Services. Er umarmte Alex stürmisch. „Gott sei Dank! Deine Nachbarin war sich nicht sicher, ob du heute zurückkommst oder erst morgen. Ich brauche dich, Alex, ich brauche dich dringend“, sagte er aufgeregt.
Alex, die wusste, dass Simon glücklich verheiratet war, befreite sich aus seiner Umarmung und meinte trocken: „Ich bin noch immer im Urlaub, Simon, also …“
„Ich weiß“, unterbrach er sie, „ich werde es auch wieder gutmachen, ich verspreche es!“
Alex seufzte. Sie arbeitete für Simon als Übersetzerin und Dolmetscherin und wusste, dass er manchmal etwas impulsiv war. „Um was für einen Notfall handelt es sich diesmal?“, fragte sie nach.
„Von einem Notfall kann keine Rede sein, ganz gewiss nicht“, erwiderte er. „Oder würdest du Goodwin Minerals etwa nicht als einen absoluten Volltreffer bezeichnen?“
„Ich kenne Goodwin Minerals nicht, und ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst, Simon!“
Er schnalzte mit der Zunge. „Goodwin Minerals ist ein führendes Unternehmen der Bergbaubranche, ein riesiges Firmenimperium, das dabei ist, nach China zu expandieren. Und hier in Brisbane …“, er gestikulierte mit der Hand, „werden gerade die Verhandlungen mit einem chinesischen Konsortium aufgenommen, aber eine der Chinesisch-Dolmetscherinnen ist erkrankt, und man braucht einen Ersatz. Gewissermaßen sofort“, fügte er hinzu.
Alex stellte ihre Umhängetasche auf ihren Rollkoffer. „Soll ich etwa vor Ort dolmetschen?“, erkundigte sie sich.
Simon zögerte etwas. „Sieh mal, Alex, ich weiß ja, dass du bisher nur am Telefon gedolmetscht und am Schreibtisch übersetzt hast, aber du machst deine Arbeit verdammt gut!“
Alex stemmte die Hände in die Hüften. „Wenn es dabei um Bergbau geht, heißt das dann, es wird Fachwissen erwartet?“
Simon blickte sie nachdenklich an und dachte: Ich wünschte, es wäre so. Dann sagte er: „Nein, sie brauchen dich mehr für das Rahmenprogramm. Ich …“, er stockte, „… musste ihnen zusichern, dass du dich auf dem gesellschaftlichen Parkett souverän bewegst.“
„Also hast du ihnen erzählt, dass ich nicht das Messer ablecke“, bemerkte Alex und musste über seinen betroffenen Gesichtsausdruck lachen.
„Ich erklärte ihnen, dass du aus einer Diplomatenfamilie stammst. Damit schienen sie zufrieden zu sein“, sagte er etwas steif, denn in Wahrheit hegte er gewisse Bedenken in Bezug auf Alex und diesen Job, und die betrafen weder ihre Umgangsformen noch ihr perfektes Chinesisch – sondern die Art, wie sie sich kleidete.
Noch nie hatte er sie in etwas anderem gesehen als in Jeans, aber sie besaß eine Menge langer Schals, die sie sich gerne locker um den Hals drapierte. Mit ihrem Haar kam sie offenbar nur schwer zurecht, und außerdem trug sie eine Brille.
Eine typische graue Maus. Dieses Urteil konnte man niemandem verübeln. Bisher war ihr Kleidungsstil nicht von Bedeutung gewesen, denn wenn sie am Telefon dolmetschte oder Übersetzungen anfertigte, arbeitete sie ja nicht vor Publikum. Außerdem erledigte sie viele Aufträge zu Hause. Doch bei Goodwin Minerals durfte man nur höchste Ansprüche erwarten.
Mit einer energischen Kinnbewegung beendete Simon seinen Gedankengang. Damit konnte er sich auch noch später befassen; nun war es wichtig, den Auftrag zu bekommen, und es blieb ihm nicht mehr viel Zeit.
„Steig in den Wagen, Alex“, wies er sie an. „Wir haben in ungefähr zwanzig Minuten ein Vorstellungsgespräch bei Goodwin.“
Sie starrte ihn an. „Simon … das ist doch wohl nicht dein Ernst! Ich komme gerade aus dem Urlaub zurück. Ich muss erst einmal duschen und mich umziehen. Außerdem bin ich mir gar nicht sicher, ob ich diesen Job überhaupt annehmen möchte.“
„Alex …“, mit schnellen Schritten ging er über den Gehsteig zur Beifahrertür seines Wagens und öffnete sie, „… bitte.“
„Nein, Simon, warte. Willst du mir etwa sagen, du hast mich zu einem Vorstellungsgespräch angemeldet und Goodwin Minerals bereits zugesagt, dass wir diesen Auftrag übernehmen, obwohl du nicht einmal sicher warst, ob ich heute nach Hause komme?“
„Ich weiß, es klingt für dich ein bisschen … na ja …“ Er zuckte mit den Schultern.
„Es klingt haargenau nach dir, Simon Wellford“, entgegnete sie entnervt.
„Bedeutende Männer packen Gelegenheiten eben beim Schopf“, erwiderte er. „Goodwin könnte uns eine Menge Aufträge einbringen, Alex. Das wäre der Durchbruch für Wellford und …“, er machte eine kleine Pause, bevor er weitersprach, „… Rosanna ist schwanger.“
Alex blickte ihren Chef überrascht an. Rosanna war Simons Frau. Es würde das erste Kind der beiden sein. Kein Wunder, dass ihnen die Zukunft der Firma nun besonders am Herzen lag.
„Warum hast du das nicht gleich gesagt?“, fragte sie, doch dann wurde ihr Blick ganz weich, und sie strahlte ihn an. „Simon, das ist ja eine wundervolle Neuigkeit!“
Kaum saß Alex im Wagen, überkamen sie erneut Bedenken im Hinblick auf den Auftrag.
„Wie soll ich denn nur meine Aufmachung erklären?“
Simon sah sie an. „Erzähl ihnen die Wahrheit. Du bist gerade von einem Skiurlaub zurückgekommen. Unsere Ansprechpartnerin heißt übrigens Margaret Winston. Sie ist die Privatsekretärin von Max Goodwin.“
„Max Goodwin?“
„Die treibende Kraft hinter Goodwin Minerals. Sag jetzt nicht, du hast auch von ihm noch nie etwas gehört?“
„Nein, hab ich nicht. Simon …“, Alex hielt sich krampfhaft an der Armlehne fest, während er sich seinen Weg durch den hektischen Stadtverkehr bahnte, „… musst du denn unbedingt so schnell fahren?“
„Ich möchte nicht zu spät kommen. Max Goodwin ist ein sehr einflussreicher Mann, und …“
„Simon!“ Alex schrie auf, doch zu spät. Ein Lieferwagen war plötzlich vor ihnen ausgeschert, und obwohl Simon geistesgegenwärtig eine Vollbremsung hingelegt hatte, prallten sie auf das Heck des Fahrzeugs.
Simon umklammerte mit beiden Händen das Lenkrad und stöhnte resigniert auf, als er die zerbeulte Motorhaube seines Wagens sah. Dann warf er Alex einen Blick zu und fragte: „Alles in Ordnung?“
„Ja, ich fühle mich nur etwas durchgeschüttelt, sonst nichts. Und wie geht es dir?“
„Genauso.“ Er zuckte zusammen, als sich der Fahrer des Lieferwagens, ein zornig dreinblickender, grobschlächtiger Mensch, aus seinem Fahrzeug hievte. „Ich fürchte, das hier macht uns alles kaputt.“
„Wie weit ist es denn noch?“, fragte Alex.
„Nur ein Häuserblock, aber …“
„Soll ich nicht vielleicht alleine hingehen? Es wird eine Weile dauern, bis du hier wegkommst, aber ich kann doch schon los. Wie, sagtest du, hieß die Sekretärin?“
Simon richtete sich auf. „Margaret Winston. Goodwin House ist der nächste Block auf der linken Seite. Die Büros sind im fünfzehnten Stock. Alex, ich werde dir ewig dankbar sein, wenn wir diesen Auftrag bekommen“, erklärte er eindringlich.
„Ich werde mein Bestes geben!“ Sie stieg aus dem Wagen und wollte die Tür schließen, da rief Simon ihr nach: „Wenn alle Stricke reißen, dann überzeuge sie mit deinem Chinesisch!“
Sie lachte und ging davon.
Als Alex bei Goodwin Minerals ankam, wurde sie von der Sekretärin empfangen. Margaret Winston war eine Frau mittleren Alters mit perfekt frisiertem braunem Haar, und bei dem olivgrünen Hosenanzug, den sie trug, handelte es sich zweifellos um eine Maßanfertigung. Margaret geleitete Alex in Max Goodwins imposantes Büro, in dem nicht nur der Firmenchef selbst, sondern auch ein Chinese – Mr. Li, wie sich herausstellen sollte –, auf sie warteten.
Alex hatte den Weg im Laufschritt zurückgelegt und war entsprechend außer Atem. Dass sie sich nun mit gleich drei Personen konfrontiert sah, trug nicht eben zu ihrer Beruhigung bei. Sie hoffte, dass man ihr ihre Nervosität nicht allzu deutlich anmerkte, und blickte sich unauffällig um.
Eine durchgehende Fensterfront eröffnete eine atemberaubende Aussicht auf den Brisbane River, der unterhalb der Story Bridge die bewaldete Landzunge des Kangaroo Point umschlängelte. Der königsblaue Teppich, der den gesamten Boden bedeckte, ließ an eine ruhige Meeresoberfläche denken. An einem Ende des Raums stand ein gigantischer Schreibtisch, und an den Wänden hingen, in Gold gerahmt, erlesene Radierungen mit alten Ansichten von Brisbane. Am anderen Ende des Raums war eine dreiteilige Sitzgruppe aus braunem Leder um einen Couchtisch gruppiert.
Aber auch Max Goodwin selbst war beeindruckend.
In der Vorstellung, die Alex sich aufgrund von Simons kurzer Beschreibung von dem milliardenschweren Bergbaumagnaten gemacht hatte, war der Chef des Imperiums ein älterer, knorriger Mann mit zerfurchten Zügen und ledriger Gesichtshaut gewesen.
Nichts davon traf zu. Alex schätzte Max Goodwin auf Mitte dreißig, und er war der bestaussehende Mann, dem sie seit Jahren begegnet war. In seinem tadellos sitzenden marineblauen Anzug bot er eine äußerst attraktive Erscheinung, und seine Augen waren von einem bemerkenswert intensiven Blau. Er hatte dunkles Haar, ein ebenmäßiges Gesicht, das wie gemeißelt wirkte, und einen schmalen, gut geschnittenen Mund.
Da war absolut nichts Knorriges oder Ledriges an ihm. Aber Alex hatte das sichere Gefühl, dass er knallhart und emotionslos, ja sogar regelrecht gefährlich werden konnte. Ein intensiver Ausdruck von Entschlossenheit lag in seinen dunkelblauen Augen, die ihm die Aura eines Mannes verlieh, der genau wusste, was er wollte, und es auch bekam.
Und als Nächstes schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie ganz bestimmt nicht das darstellte, was er wollte …
Er bestätigte ihren Verdacht umgehend, als er sich nach der kurzen Begrüßung, bei der er sie prüfend von Kopf bis Fuß gemustert hatte, gereizt das Kinn rieb und rief: „Es ist zum Verzweifeln! Margaret …“
„Mr. Goodwin“, unterbrach ihn Margaret Winston bestimmt, „ich konnte niemand anderen bekommen. Bis morgen Nachmittag ist es nicht mehr lange hin, und Mr. Wellford versicherte mir, dass Miss Hill äußerst kompetent ist und über ausgezeichnete Sprachkenntnisse verfügt.“
„Das mag ja sein“, warf Max ein, „aber sie sieht aus, als sei sie gerade mal achtzehn und von der Klosterschule abgehauen.“
Alex räusperte sich. „Ich versichere Ihnen, ich bin zweiundzwanzig, Sir, und, bitte verzeihen Sie die Bemerkung, aber halten Sie es für angebracht, nur nach dem Äußeren zu urteilen?“ Sie machte eine Pause, verbeugte sich, und wiederholte das Gesagte auf Chinesisch.
Nun trat Mr. Li näher und stellte sich als Mitglied des Dolmetscherteams vor. Er verwickelte Alex in ein längeres Gespräch, verbeugte sich dann vor ihr und sagte an Max Goodwin gerichtet: „Sehr fließend, Mr. Goodwin, und äußerst korrekt und in allem respektvoll.“
Es folgte eine gespannte Stille. Max sah Alex fest in die Augen und musterte sie noch einmal ausgiebig von Kopf bis Fuß.
Mag sein, dass sie nicht gerade wie achtzehn aussieht, entschied er. Aber ohne eine Spur von Make-up, mit diesen ungebändigten mausfarbenen Strähnen, die sich an allen Seiten aus dem Knoten lösen, mit der Nickelbrille, dem Trainingsanzug und den Schaffellstiefeln wirkt sie einfach ungepflegt. Ihre dicke Jacke hatte sie beim Eintreten ausgezogen, aber dennoch wirkte ihre Figur ziemlich unförmig. So jemanden konnte er nicht gebrauchen!
Außer …, dachte er und betrachtete Alex abermals eingehend. Na ja, es war vielleicht nicht ganz unmöglich. Sie war ziemlich groß – unzweifelhaft ein Vorteil für jemanden mit einem etwas stämmigen Körperbau. Und sie besaß schöne Hände, schmal und feingliedrig, einen klaren Teint, und ihre Augen …
„Würden Sie bitte kurz Ihre Brille abnehmen?“, forderte er sie auf.
Alex blinzelte und kam seiner Bitte nach. Max nickte zufrieden. Er blickte in außergewöhnlich hübsche haselnussbraune Augen.
„Äh … danke, Margaret“, sagte er, „ich mache den Rest alleine. Ich danke Ihnen, Mr. Li. Bitte setzen Sie sich, Miss Hill.“ Er deutete auf einen der Ledersessel.
Alex nahm Platz. Er setzte sich ihr gegenüber und legte den Arm auf die Rückenlehne der Couch. „Erzählen Sie etwas über Ihren Hintergrund“, fuhr er fort, „und wie kommt es eigentlich, dass Sie Chinesisch sprechen?“
„Mein Vater war Mitglied des Diplomatischen Corps. Als Kind …“, sie lächelte, „bin ich sozusagen um die Welt gebummelt. Sprachen lernen fällt mir nicht schwer. Chinesisch habe ich in Peking aufgeschnappt, wo meine Familie fünf Jahre lang lebte.“
„Eine Diplomatenfamilie“, sagte er nachdenklich. „Betrachten Sie das Dolmetschen als Ihren Beruf?“
„Nicht wirklich, aber auf diese Weise verlerne ich die Sprache nicht“, erwiderte sie und fügte scherzhaft hinzu: „Außerdem ist es eine gute Möglichkeit, sich vor dem Verhungern zu bewahren. Um ehrlich zu sein, ich denke darüber nach, ebenfalls die diplomatische Laufbahn einzuschlagen. Es ist noch nicht lange her, dass ich auf der Universität war und Fremdsprachen studiert habe.“
Max fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Hätten Sie etwas gegen eine modische Rundumerneuerung?“, fragte er unvermittelt.
Alex starrte ihn an, und es trat ein langes Schweigen ein, währenddessen sie albernerweise seine blau gepunktete hellgraue Krawatte zur Kenntnis nahm und die Tatsache, dass er am äußeren Ende seiner linken Augenbraue eine kleine Narbe hatte.
Schließlich räusperte sie sich. „Sie sind offenbar nicht der Meinung, dass ich optisch zu der Aufgabe passe. Ich …“
„Glauben Sie denn, Sie würden sich bei der Aufgabe wohlfühlen?“, unterbrach er sie und zählte eine Reihe von gesellschaftlichen Ereignissen auf, an denen sie teilnehmen würde: Cocktailpartys, Mittagessen, ein Tag auf dem Golfplatz, eine Bootsfahrt, ein Tanzdiner, um nur ein paar Beispiele zu … Alex schwirrte der Kopf.
„Hören Sie“, fiel sie ihm ins Wort, „ich denke, wir verschwenden unsere Zeit, Mr. Goodwin. Ich habe einfach nicht die Garderobe für derlei Anlässe, und ich bringe vermutlich auch nicht – wie sagt man so schön – den Glamour dafür mit. Zuverlässiges Dolmetschen ist eine Sache, dies hier eine ganz andere.“
„Ich würde die Kleider besorgen. Sie könnten sie behalten.“
„Oh nein. Das könnte ich nicht“, entgegnete sie verlegen. „Es ist nett von Ihnen, aber nein danke.“
„Mit Nettigkeit hat das nichts zu tun“, erwiderte er ungeduldig. „Es wären Geschäftsausgaben, die ich von der Steuer absetzen kann. Und es ist auch nicht so, dass ich Sie ‚aushalten‘ und als Gegenleistung um gewisse Gefälligkeiten bitten würde.“
Alex schüttelte den Kopf. „Mein Nein steht fest“, sagte sie spitz.
Plötzlich grinste er, und seine Augen blitzten schelmisch. „Warum denn nicht?“
Alex wand sich in ihrem Sessel, die Hände im Schoß gefaltet. „Ich würde mich … unwohl fühlen. Ich käme mir gekauft vor, wenn auch nicht zu dem angedeuteten Zweck.“
Max blickte zur Decke. „Dann geben Sie mir die Kleider meinetwegen wieder zurück. Ich bin sicher, ich werde jemanden finden, der sie zu schätzen weiß.“
„Das wäre eine Lösung“, antwortete sie nachdenklich, „aber da ist noch etwas anderes. Ich fürchte, es würde mich stören zu wissen, dass Ihnen mein wahres Ich nicht gut genug ist.“
„Darum geht es nicht“, entgegnete er gepresst. „Ich möchte nur nicht, dass Sie sich wie Aschenputtel fühlen. Mein Gott ja …“, er warf die Hände in die Luft, „um die Wahrheit zu sagen, brauche ich nicht nur Ihr Sprachtalent, daher wäre ein etwas mondäneres Auftreten sehr hilfreich.“
Alex nagte an ihrer Unterlippe. Auf der einen Seite hätte sie am liebsten abgelehnt. Max Goodwin hatte vieles an sich, das ihr gegen den Strich ging. Er war die Arroganz in Person. Er hatte ihr quasi ins Gesicht gesagt, dass sie ihn in Verlegenheit bringen würde. Wäre es nicht amüsant, den Spieß umzudrehen und ihm zu beweisen, wie unrecht er hatte?
Bedauernd schaute sie an sich herunter. Es hatte sich keine Gelegenheit geboten, ihre unordentliche Aufmachung zu erklären. Nun verbot es ihr Stolz, sich noch zu einer Begründung herabzulassen.
Andererseits war der Auftrag eine verlockende Herausforderung, und es konnte wirklich interessant werden.
Und außerdem musste sie auch an Simon und die Firma denken, von dem Baby ganz zu schweigen …
„Ich glaube, ich werde es probieren“, sagte sie daher. „Obwohl …“, sie zuckte mit den Schultern, „wenn Sie es genau wissen möchten, es ist noch nicht lange her, dass ich das Kloster verlassen habe, Mr. Goodwin, nur etwa ein Jahr.“
Ein Ausdruck von Erstaunen trat in seine Augen. „Sie waren Nonne?“
„Oh nein. Aber als meine Eltern starben, war ich siebzehn und wohnte als Schülerin in einem Kloster. Da die Oberin eine Cousine meines Vaters und meine einzige lebende Verwandte war, blieb ich dort, selbst als ich später studierte. Die Oberin starb im vergangenen Jahr.“
„Ich … verstehe. Nein, was ich sagen wollte, ist, das erklärt alles, aber was denn eigentlich?“ Ein Lächeln folgte der rhetorischen Frage, die er an sich selbst gerichtet hatte.
„Es erklärt vermutlich, warum ich schlicht gekleidet bin und einen einfachen Lebensstil pflege“, erklärte sie ihm ernst. „Was nicht bedeutet, dass man über mich verfügen kann.“
Er starrte sie an. „Sie befürchten, ich könnte in Versuchung geraten, Sie auszunutzen, Miss Hill?“
„Sexuell? Nein, nicht im Geringsten“, erwiderte sie unbefangen. „Ich glaube, was das betrifft, bin ich nicht Ihr Typ, Mr. Goodwin. Ohnehin könnten Sie verheiratet sein und ein halbes Dutzend Kinder haben.“ Sie hielt inne, denn Max Goodwin war fast unmerklich zusammengezuckt, was sie sich allerdings nicht erklären konnte.
„Ich bin nicht verheiratet“, stellte er richtig und runzelte die Stirn. „Nur der Neugierde halber: Wie stellen Sie sich meinen ‚Typ‘ denn vor?“
„Oh …“, Alex gestikulierte mit der Hand, „schicke, mondäne Frauen von Welt.“
Er verzog das Gesicht, widersprach jedoch nicht, sondern fragte: „Wenn Sie keine Angst davor haben, in dieser Hinsicht ausgenutzt zu werden, was bereitet Ihnen dann Kopfzerbrechen?“
„Ich habe das Gefühl, Sie verstehen es brillant, Ihren Willen durchzusetzen, koste es, was es wolle“, gab Alex unumwunden zu, nahm ihre Brille ab und polierte sie mit ihrem Schal. „Damit könnte ich nicht umgehen“, sagte sie ruhig, aber entschieden und setzte die Brille wieder auf.
Es schien, als wäre Max plötzlich nicht mehr bei der Sache. Und es stimmte tatsächlich, denn ihm war aufgefallen, dass er noch nie zuvor so bemerkenswert schöne Augen gesehen hatte. War es Einbildung – oder konnte er ihnen wirklich nicht widerstehen?
„Haben Sie schon einmal Kontaktlinsen probiert?“, hörte er sich fragen.
Alex blinzelte hinter ihren Brillengläsern, verwundert über den abrupten Themenwechsel, doch nicht nur darüber. Sie hatte den Eindruck, dass Max Goodwin irgendwie vom Geschäftlichen zum Privaten übergegangen war – aber war das nicht lächerlich?
„Ja, ich habe Kontaktlinsen, allerdings fühle ich mich wohler mit meiner Brille“, antwortete sie bedächtig und mit leichtem Stirnrunzeln.
„Sie sollten die Linsen tragen“, legte er ihr nahe und stand auf. „Nun gut, machen wir uns an die Arbeit.“ Er ging zu seinem Schreibtisch und rief Margaret Winston wieder herein.
Margaret sah überhaupt kein Problem darin, das Äußere von Alex Hill zu verändern. Im Gegenteil, sie wirkte erleichtert und ging die Sache ganz pragmatisch an.
Sie nannte ein großes Kaufhaus, das Beratung in Mode- und Kosmetikfragen anbot; auch ein Friseursalon sei vorhanden. Sie würde gleich telefonisch einen Termin vereinbaren.
„Vielen Dank, Margaret, das ist sehr gut. Ach übrigens, bin ich etwa wieder spät dran?“
„Ja, Mr. Goodwin, das sind Sie! Ich wollte gerade Ihren Termin verschieben.“
„Danke. Ich würde Miss Hill liebend gerne instruieren. Wann hätte ich dafür Zeit?“
Margaret dachte einen Moment lang nach. „Es tut mir leid, das müssen Sie nach Feierabend erledigen“, antwortete sie ein wenig ratlos. „Heute um achtzehn Uhr haben Sie etwa eine Stunde zur Verfügung.“
Er drehte sich zu Alex um. „Passt Ihnen das, Miss Hill?“
Sie überlegte kurz. „Wo?“
„Hier. Ich besitze ein Penthouse im obersten Stock. Drücken Sie einfach auf den Klingelknopf, und nennen Sie Ihren Namen. Margaret wird das Personal oben informieren.“ Er reichte Alex die Hand.
Aber sie griff nicht danach, sondern fragte: „Mich instruieren?“
Max ließ seine Hand sinken. „Ja, ich möchte Sie auf die Verhandlungen vorbereiten“, gab er zurück und fügte nachdrücklich hinzu: „Weil Sie nämlich höchstwahrscheinlich nicht nur gesellschaftlichen Small Talk dolmetschen werden. Viele wichtige Gespräche finden außerhalb des Konferenzraumes statt, daher möchte ich, dass Sie bei diesen Unterhaltungen besonders auf die Zwischentöne achten.“ Spöttisch zog er eine Augenbraue hoch. „Alles klar?“
Alex zuckte mit den Schultern. „Ich habe ja nur gefragt.“
„Weil Sie, auch wenn Sie das Gegenteil behauptet haben, immer noch befürchteten, ich verfolge andere Absichten.“
Alex musste unwillkürlich schmunzeln. „Wenn Sie meine Oberin gekannt hätten, wüssten Sie, dass das Penthouse des Arbeitgebers und Treffen nach Feierabend Dinge sind, die anständige Mädchen meiden sollten wie die Pest. Ich schätze, ein solcher Argwohn prägt sich tief ein. Aber nun bin ich wirklich darüber hinweg. Ich werde kommen.“ Sie streckte die Hand aus. Den erstaunten Blick Margaret Winstons bemerkte sie ebenso wenig wie das kleine zustimmende Lächeln, das sich die patente Frau noch erlaubte, bevor sie den Raum verließ.
Als Max Goodwin ihr die Hand gab, stellte Alex fest, dass er etwas eigenartig Fesselndes an sich hatte. Fast wie magnetische Anziehungskraft. Eine überaus sinnliche Ausstrahlung. Denn mochte er auch arrogant und selbstherrlich sein, so war er mit seinen breiten Schultern und den schmalen Hüften, die der Anzug perfekt zur Geltung brachte, doch ein unglaublich gut aussehender und beeindruckender Mann.
Er verfügt über eine atemberaubend gefährliche Anziehungskraft, überlegte sie. Und er strahlt eine Vitalität aus, der man nur schwer widerstehen kann.
Ihr mochten zwar sein Auftreten und sein Verhalten missfallen, dennoch sah sie in ihm einen interessanten und würdigen Gegenspieler.
Sie wurde das unbestimmte Gefühl, das sie zuvor schon verspürt hatte, nicht los: Hatte er nicht eine Grenze überschritten und sich mit ihr auf ein privates Niveau begeben? Lag darin der Grund, warum ihr dieses feierabendliche Treffen im Penthouse etwas zweifelhaft erschienen war?
Und dann gab es da noch etwas, das sie seltsam faszinierte – und sie ein wenig überraschte, als sie ihre Hand zurückzog –, nämlich die Tatsache, dass sie ihm gerade bis zu den Schultern reichte …
Am Abend, um kurz vor sechs Uhr, stürmte Alex mit wehendem Haar, fliegendem Schal und bepackt mit unzähligen Einkaufstüten ins Foyer von Goodwin House.
Völlig außer Atem suchte sie den Klingelknopf für das Penthouse, als der Portier auf sie zutrat und sie ansprach. Alex nannte ihm ihren Namen und sagte ihm, mit wem sie verabredet war, worauf der Mann einen Moment lang skeptisch dreinblickte, sie dann aber zu einem separaten Lift führte. Als ihre Angaben über die Gegensprechanlage bestätigt wurden und die Tür des Fahrstuhls sich öffnete, besaß er immerhin die Freundlichkeit, sie mit einem entschuldigenden Lächeln zu bedenken.
„Sie müssen zum 35. Stock, Ma’am. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend!“
Alex drückte auf den entsprechenden Knopf und machte sich darauf gefasst, dass ihr Magen rebellierte. Fahrstuhlfahrten bekamen ihr nicht, aber diese stellte sich als harmlos heraus. Oben angekommen, öffneten sich die Türen, und sie befand sich direkt in Max Goodwins Penthouse.
Ein etwa vierzigjähriger Mann hieß sie freundlich willkommen. „Miss Hill, nehme ich an? Ich bin Jake Frost, ich kümmere mich um den Haushalt. Leider wird Max sich ein paar Minuten verspäten. Nehmen Sie doch bitte inzwischen im Salon Platz. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Warten Sie, ich nehme Ihnen die Einkaufstüten ab.“
„Vielen Dank, das ist sehr nett von Ihnen.“ Alex legte die Jacke und den Schal ab. „Ein Glas Limonade täte jetzt gut. Shopping kann ganz schön anstrengend sein. Da bekommt man Durst.“
„Es sieht so aus, als hätten Sie eine ganze Menge eingekauft“, bemerkte Jake.
„Das ist nicht für mich“, wehrte Alex ab. „Ich meine, es ist schon für mich, aber ich werde alles wieder zurückgeben. Nicht etwa, dass ich wahnsinnig verschwenderisch wäre, oder dergleichen.“ Plötzlich blinzelte sie hinter ihren Brillengläsern. „Oh mein Gott, spielt es denn wirklich eine Rolle, was die Leute von mir denken?“
Jake besann sich einen Moment. Er betrachtete die neue Dolmetscherin mehr mit dem Blick des Mannes als mit dem des Angestellten und befand, dass sie reizend war, wenn auch ganz anders als die Frauen, die Max Goodwin normalerweise …
Aber was mache ich mir denn da für Gedanken, rief er sich zur Ordnung. Die Verbindung ist doch rein geschäftlicher Natur.
Dennoch war sein Lächeln ehrlich, als er sagte: „Ich denke, es wäre eine Schande, wenn Sie an den Kleidern nicht wenigstens ein bisschen Freude hätten, auch wenn Sie sie alle wieder zurückgeben werden.“
Wenige Minuten später hielt Alex ein großes Glas kühle Limonade in der Hand und genoss die Aussicht, die sich von Max Goodwins Penthouse bot. Man hatte einen herrlichen Blick über den Fluss und die Stadt. In der Abenddämmerung gingen die ersten Lichter an, und sie konnte einige der Wahrzeichen von Brisbane erkennen.
Hinter ihr erstreckte sich ein großzügiger, extravaganter Salon. Der Teppich war von tiefer seegrüner Farbe, auf den mit pfirsichfarbenem Samt bezogenen Sitzmöbeln lagen mohnrote Kissen, und die Beistelltische waren schwarz emailliert.
Eine Seite des Zimmers dominierte ein prunkvoller, mit schwarz-goldenen Lackornamenten verzierter chinesischer Schrank, und eine andere Wand wurde fast vollständig von einem eindrucksvollen abstrakten Gemälde eingenommen, dessen Farbenpracht den Raum belebte.
„Hallo Alex“, vernahm sie auf einmal eine Stimme hinter sich. Sie drehte sich um und sah Max Goodwin den Raum betreten.
Offenbar kam er gerade aus der Dusche, denn er hatte noch feuchtes Haar und trug nun Jeans und einen Pullover. Er ging zur Bar und schenkte sich ein Bier ein.
„Setzen Sie sich doch“, bat er sie.
Gerade als sie Platz nahm, kam Jake herein. „Ich habe angerufen und Bescheid gegeben, dass Sie sich wahrscheinlich etwas verspäten werden, Max. Der Wein befindet sich in der Kühltasche dort“, er deutete auf die Tasche auf der Bar, „und hier sind die Blumen. Ich fahre dann mal, wenn Sie nichts dagegen haben.“
„Gehen Sie nur, Jake. Schönen Feierabend.“ Max setzte sich Alex gegenüber. „Nun, wie ist es heute Nachmittag gelaufen?“
„Gut“, antwortete Alex, „glaube ich zumindest. Aber, hören Sie, Mr. Goodwin, wenn Ihre Zeit nun schon wieder knapp bemessen ist, wäre es dann nicht besser, wir würden uns ein andermal zusammensetzen?“
„Nein, es macht überhaupt nichts, wenn ich mich etwas verspäte. Ich habe keinen anderen Termin frei, und ich will dieses Glas Bier in Ruhe genießen.“
Alex zuckte mit den Schultern. „Ich möchte nur nicht daran schuld sein, wenn Sie zu spät zu Ihrem Rendezvous kommen.“
Er blickte sie amüsiert an. „Das Rendezvous, wie Sie es missbilligend nennen, Miss Hill, habe ich mit meiner Großmutter. Sie liegt zurzeit in einem Pflegeheim, und der Wein und die Blumen sollen sie ein wenig aufmuntern.“
„Oh.“ Alex nahm die Brille ab und polierte sie mit einem Zipfel ihres Schals. War ihr Ton tatsächlich missbilligend gewesen, und wenn ja, weshalb? Hatte sie etwa unbewusst den Eindruck gewonnen, dass Max Goodwin ein Playboy war? Die Blumen und der Wein, sein gutes Aussehen und seine beeindruckende Statur, und natürlich die Tatsache, dass er unverheiratet war, legten eine solche Vermutung zweifellos nahe. Und nicht zuletzt vernahm sie wieder die rätselhafte innere Stimme, die sich heute Vormittag beim Vorstellungsgespräch gemeldet und sie zur Vorsicht ermahnt hatte.
Aber gesetzt den Fall, die warnende Stimme irrte – fällte sie ihr Urteil nicht zu sehr nach dem äußeren Anschein?
„Es tut mir leid, wenn ich missbilligend geklungen habe“, sagte sie und lächelte ihn unvermittelt an. „Ich … nun, ich fürchte, ich halte Sie für einen Playboy, aber ich habe keine konkreten Beweise für diese Annahme, also lege ich sie ad acta.“
Einen Moment lang war er sprachlos.
Alex blickte auf die Uhr. „Wollen wir mit der Einweisung beginnen?“, schlug sie vor. Ihre haselnussbraunen Augen hinter den Brillengläsern blickten ernst, doch um ihre Mundwinkel zuckte es amüsiert.
Max hatte sich wieder gefasst. „Ich danke Ihnen“, erklärte er leicht spöttisch, „dass Sie bereit sind, Ihre Meinung zu ändern. Natürlich betrachte ich mich nicht als Playboy, wenngleich wir beide vermutlich unterschiedliche Definitionen zugrunde legen – aber wir sollten das Thema besser nicht vertiefen. Und offen gestanden …“, er warf ihr einen belustigten Blick zu, „kommt es nicht sehr häufig vor, dass ich auf Missbilligung stoße, daher betrachte ich dies als eine lehrreiche Erfahrung. Nun gut, machen wir uns an die Arbeit.“
Nachdem er seine Ausführungen beendet hatte, war Alex vertraut mit dem Verhandlungsziel und den Geschäftsfeldern, um die es dabei ging. Sie erkannte, dass Goodwin Minerals einen Riesencoup landen würde, sollte es gelingen, auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen.
Max sah auf die Uhr und trank sein Bier aus. „Ich muss los. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.“ Er stand auf, nahm die Kühltasche von der Bar und griff nach dem in Folie verpackten Strauß aus bunten Gerbera, Farnkraut und Margeriten.
Als sie im Foyer standen und Alex ihre Jacke und die Einkaufstüten einsammelte, bemerkte er beiläufig: „Ich hoffe, Sie haben Ihren Wagen nicht allzu weit weg geparkt?“, und begleitete sie in den Lift.
„Ich besitze kein Auto.“
Er runzelte die Stirn.
„Was soll das heißen?“
„Dass ich nicht Auto fahre.“
Einen Moment lang sah er sie an, als käme sie von einem anderen Planeten, und Alex musste sich beherrschen, um nicht laut zu lachen.
„Und wie bewegen Sie sich dann fort?“
„Mit dem Bus“, erklärte sie ernst. „Oder mit dem Fahrrad. Und in seltenen Fällen nehme ich mir ein Taxi.“
„Wo wohnen Sie?“
Sie nannte ihm ihre Adresse.
„Das liegt auf meinem Weg.“ Er drückte auf den Knopf für die Tiefgarage, und die Türen schlossen sich. „Ich nehme Sie mit.“
„Das brauchen Sie wirklich nicht, Mr. Goodwin“, protestierte sie. „Ich bin es gewohnt …“
„Alex …“, unterbrach er sie mit einem eigentümlichen Glitzern in den Augen, „wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, widersprechen Sie mir nicht. Insbesondere dann nicht, wenn ich gut aufgelegt bin, denn das kann sich schnell ändern.“
Der Fahrstuhl hielt an, und die Türen glitten auf.
„Außerdem …“, fügte er hinzu und musterte ihre Plastiktüten, „schleppen Sie, wie man sieht, eine Menge Einkäufe mit sich herum, die Sie mit meinem Geld bezahlt haben. Sie könnten überfallen werden, ausgeraubt, weiß Gott was, und das würde mir gar nicht behagen.“
„Heißt das mit anderen Worten, solange den Einkäufen nichts passiert, ist es Ihnen gleichgültig, was mit mir geschieht?“
„Sie drehen mir die Worte im Mund um“, widersprach er. „Aber genug geplänkelt, lassen Sie uns fahren!“
Max Goodwin steuerte auf einen marineblauen Bentley zu, der glänzte, als sei er funkelnagelneu, und Alex hatte keine andere Wahl, als ihrem Chef zu folgen.
„Alle Achtung!“ Sie blieb stehen und konnte nicht anders, als den Wagen zu bestaunen. „Ich weiß nicht viel über Autos, aber das hier ist etwas Besonderes!“
„Ganz recht, eine Schönheit, nicht wahr? Wenn es ein Mädchen wäre, würde ich es glatt heiraten.“
Alex musste lachen, während er mit der Fernbedienung die Türen entriegelte und sie die Tüten, die Blumen und den Wein im Kofferraum verstauten. Dann stiegen sie ein. Der Innenraum des Bentleys war mit Walnussholz verkleidet, die Sitze und Armlehnen mit cremeweißem Leder bezogen, das einen angenehm herben Geruch verströmte.
„Haben Sie die Entscheidung, nicht Auto zu fahren, ganz bewusst getroffen?“, erkundigte er sich später, als er den Wagen durch die Garagenausfahrt auf die Straße steuerte. „Aus ökologischen Gründen?“
Alex verzog die Lippen. „Ich wünschte, es wäre so, aber es war eine praktische Entscheidung. Ich habe keine Garage und bin es außerdem gewohnt, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.“
„Wie ist Ihre finanzielle Situation?“
„Meine Eltern haben mir Geld hinterlassen“, begann sie zögernd. „Nach …“, sie stockte und schluckte, „nach ihrem tödlichen Unfall setzten die Behörden die Oberin als meinen Vormund ein. Von dem Geld wurden die Schulgebühren bezahlt, die Aufwendungen für mein Studium und all das, und am Ende blieb immerhin noch so viel übrig, dass ich mir ein Reihenhaus kaufen konnte. Ich bin also keine arme Kirchenmaus, auch wenn ich kein Auto besitze!“ Sie drehte ihm den Kopf zu und strahlte ihn an.
Es entging Max nicht, dass ihre Augen hinter der Brille verräterisch glänzten. Tränen, so vermutete er, und er verspürte Mitgefühl mit der jungen Frau, die so früh ihre Eltern verloren hatte.
Trotzdem erwiderte er nur schlicht: „Freut mich für Sie. Ist es das?“ Vor einer Reihenhauszeile im Stadtteil Spring Hill hielt er den Bentley an.
„Ja. Danke fürs Mitnehmen. Ich sehe Sie vermutlich bei …“, Alex sah ihn fragend an, „… nun, bei der Cocktailparty morgen Nachmittag?“
„Ja.“ Er machte eine Pause. „Was haben Sie morgen Vormittag zu tun? Ich überlege gerade, ob Sie nicht vielleicht unseren hochmodernen Konferenzraum in Augenschein nehmen und die anderen Dolmetscher kennenlernen möchten.“
„Normalerweise sehr gern, aber morgen früh stehen schon jede Menge anderer Termine an. Haare, Nägel, kosmetische Behandlung.“ Sie verzog das Gesicht.
Max musterte sie im Licht einer Straßenlaterne. „Sie müssen nicht … Sie müssen es nicht übertreiben“, sagte er, während er seinen Blick über das ungeschminkte Gesicht des Mädchens wandern ließ, das er als Dolmetscherin engagiert hatte. Ein erfrischend natürliches Mädchen, dachte er plötzlich, von seinen eigenen Gedanken überrascht.
Alex unterdrückte ein Schmunzeln. „Mr. Goodwin, da ich aus berufenem Munde erfahren habe, dass ich mir andernfalls wie ein Aschenputtel vorkommen werde, gedenke ich, alles Nötige zu tun, damit ich mich nicht so fühle. Ich werde jedoch ganz gewiss nicht übertreiben. Wenn überhaupt, so habe ich bei den Entscheidungen einen mäßigenden Einfluss ausgeübt.“
Max dämmerte es, dass Alex Hill den Spieß umgedreht hatte und sein Wunsch, sie solle sich einer Veränderung unterziehen, sie nicht im Mindesten verlegen machte, sondern dass sie sich vielmehr darüber amüsierte. „Wie darf ich das verstehen?“, fragte er, wobei ein leiser Verdacht in ihm aufkeimte.
„Ich habe der Stilberaterin und Ihrer Mrs. Winston, die ja wirklich eine ganz liebe Person ist, erklärt, dass ich natürlich nicht wie Aschenputtel aussehen, aber ebenso wenig die Gäste ausstechen sollte. Und ich habe auch deutlich gemacht, dass Sie nur für die Garderobe bezahlen.“
Seine Augen verengten sich. „Das war nicht nötig, Alex.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Für mich schon. In diesem Punkt bin ich sehr empfindlich, und die Frage ist nicht etwa, ob die Sache für Sie kaum der Rede wert ist – hier geht es um meinen Stolz. Also bitte widersprechen Sie mir nicht, Mr. Goodwin.“
Max musste unwillkürlich lachen, als Alex ihr Kinn reckte und ihn hochmütig anblickte. „Sehr wohl, Madam“, gab er zurück. „Jetzt lassen Sie uns Ihre Sachen holen.“
Er stieg aus, nahm die Einkaufstüten aus dem Kofferraum und trug sie den kurzen Fußweg hinauf bis vor ihre Haustür.
„Geben Sie mir Ihren Schlüssel. Ich schließe auf.“
„Er … er liegt wahrscheinlich unter dem Blumenkübel dort“, sagte sie, ohne sich etwas dabei zu denken, und deutete auf einen Topf mit Lavendel.
„Ich fasse es nicht“, entgegnete er, stellte die Tüten auf der Gartenbank ab und hob den Topf an. „Hier würde ein Einbrecher als Erstes nachsehen. Nein“, verkündete er, „heute Abend hätte er kein Glück, der Schlüssel ist nämlich nicht da.“
Er richtete sich auf und nahm die anderen elf Blumentöpfe, die links und rechts der Haustür standen, zuerst kritisch, dann eher amüsiert in Augenschein. „Was ist da drin? Wenn ich mich nicht irre, sind das alles Kräuter.“
„Ja. Ich verwende sie gern beim Kochen.“
„Schön, aber es ist leichtsinnig, den Haustürschlüssel unter Blumentöpfen zu verstecken. Also, wo soll ich als Nächstes nachsehen? Unter dem Basilikum, den erkenne ich noch, und die Minze natürlich, auch die Petersilie …“
„Ich nehme jedes Mal einen anderen Topf“, fiel sie ihm eilig ins Wort, „und ich mache das, weil ich die schreckliche Angewohnheit habe, meine Schlüssel zu verlieren. Warten Sie!“ Sie schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. „Ich war ja verreist, nicht wahr? Also muss der Schlüssel in meiner Handtasche sein. Mal sehen.“
Sie fing an, ihre Handtasche zu durchwühlen und kippte schließlich den Inhalt kurzerhand auf der Gartenbank aus.
„Wie oft am Tag machen Sie das?“, erkundigte er sich.
„Nicht so oft“, erklärte sie. „Außerdem ist alles Ihre Schuld. Ah, da ist er ja.“
Er hob eine Braue. „Meine Schuld? Ich weiß nicht …“
Sie unterbrach ihn und zählte auf, was aufgrund seiner dringenden Anfrage nach einer Chinesisch-Dolmetscherin an diesem Tag alles geschehen war.
„Ist es da ein Wunder, dass ich nicht ganz so perfekt organisiert bin?“, fragte sie am Ende ihrer Aufzählung, stellte dann jedoch fest, dass er sich arg zusammennehmen musste, um nicht in Lachen auszubrechen.
„Das ist überhaupt nicht lustig“, sagte sie, als er die Tür für sie aufschloss.
„Doch, ist es“, widersprach er. „Wo ist der Lichtschalter?“
„Links, aber Sie brauchen nicht …“
„Ich habe nicht die Absicht, einzutreten, Alex“, bemerkte er trocken, „falls Ihre Mutter Oberin gerade allerhand Warnzeichen und Alarmsignale vom Himmel herabschickt … Es tut mir leid“, entschuldigte er sich eilig, als er ihre betroffene Miene bemerkte. „Streichen Sie das. Gut …“, er blickte auf sie hinab, „ich sehe Sie dann morgen Nachmittag. Danke für … all die Mühe, die Sie heute auf sich genommen haben.“
Seine Augen verengten sich, und er sah sie auf eine Weise an, die Alex verwirrte. Schließlich strich er mit dem Finger ganz sanft über ihre Wange und ging.
Alex konnte nicht wissen, dass Max Goodwin sich, als er wegfuhr, bei dem Gedanken ertappte, wie gern er seine neue Dolmetscherin zum Essen eingeladen hätte. Er kannte ein nettes kleines Fischrestaurant und war davon überzeugt, dass es auch ihr gefallen würde. Es war einfach, aber sehr gemütlich, und das Essen wurde von einem Koch zubereitet, der sein Handwerk bestens verstand und den tagesfrischen Fang mit köstlichen Soßen servierte.
Er lenkte den Bentley in einen Kreisverkehr. Wenn er es sich recht überlegte, hatte er schon ziemlich lange keine Frau mehr dorthin eingeladen, obwohl es ihm an weiblichen Bekanntschaften bestimmt nicht mangelte. Nein, sein Terminkalender war in der letzten Zeit voll gewesen mit hochrangigen gesellschaftlichen Ereignissen, und mehrere perfekt gestylte, exklusiv gekleidete und teuer parfümierte Frauen hatten ihn bei diesen Gelegenheiten begleitet, selbstverständlich eine nach der anderen, aber wenn er zurückblickte, hatte er nicht immer eine seltsame … Leere empfunden?
Was die Frage aufwarf, ob die Wirkung, die Alexandra Hill auf ihn ausübte, als ein Hinweis darauf zu werten war, dass er das Leben im großen Stil, insbesondere die „schicken Frauen von Welt“, um bei den Worten von Miss Hill zu bleiben, satthatte?
Er legte die Stirn in Falten, denn diese Überlegungen führten ihn geradewegs zurück zu der einen heiklen Frage, die eine ganz bestimmte schicke Frau von Welt betraf …
Alex war noch immer verwirrt, als sie an diesem verregneten Abend die Haustür hinter Max Goodwin schloss.
Was hatte sie verspürt, als sein Blick so forschend über sie geschweift war? Etwa eine Art Schauer? Hatte er auch ihn erfasst?
Sie legte die Fingerspitzen auf ihre Wange, an die Stelle, an der er sie berührt hatte, und plötzlich bemerkte sie, wie ihr Atem schwer ging, wenn sie sich die hochgewachsene attraktive Gestalt ihres neuen Arbeitgebers in Erinnerung rief. Das tiefe Blau seiner Augen, um die sich Fältchen bildeten, wenn er lachte, seine breiten Schultern, seine Hände …
Sie starrte ins Leere, doch schließlich schüttelte sie den Kopf und ermahnte sich, ihre Fantasie im Zaum zu halten.
Ihr Haus hatte sie Stück um Stück selbst renoviert. Die Wände waren weiß gestrichen, damit die außergewöhnlichen Gegenstände und Bilder, die sie im Laufe ihres Lebens in vielen Ländern gesammelt hatte, zur Geltung kamen.
An einer Wand des Wohnzimmers hing ein bezaubernder Kelim-Teppich, und die Bezüge der Kissen, die auf der rubinroten Couch verstreut lagen, hatte sie aus Songket, einem handgewebtem, mit Gold- und Silberfäden durchzogenen Stoff genäht, den sie auf einem Markt in Malaysia gekauft hatte.
Ihr damaliges Leben war wundervoll gewesen. Nicht nur hatte ihr Vater im diplomatischen Dienst den Status eines Konsuls erlangt, sie selbst war als Heranwachsende genauso wissensdurstig gewesen wie ihre Eltern. Und auch ihr Sprachtalent hatte sie von ihnen geerbt.
Dann war alles zerstört worden.
Ihre Eltern hatten weit weg von zu Hause bei einem Zugunglück den Tod gefunden. Wäre nicht kurz vor der Abreise beschlossen worden, dass Alex die letzten Jahre ihrer Schulzeit in Australien verbringen sollte, hätte sie selbst auch in diesem Zug gesessen. Jene schicksalhafte Entscheidung hatte ihr das Leben gerettet, obwohl es damals nicht leicht für sie gewesen war, damit umzugehen. Aber sie hatte danach einige dauerhafte Freundschaften schließen können, etwas, das ihr während ihrer Kindheit versagt geblieben war.
Auf diese Weise fühlte sie nicht ganz allein, und natürlich hatte es da noch die Tante ihres Vaters, die Oberin ihrer Klosterschule, gegeben.
Dennoch war der Tod der Eltern für ein Einzelkind, dessen Großeltern längst verstorben waren, ein schwerer Schlag. Und obwohl aus der Tragödie letztlich ihre Stärke und Unabhängigkeit erwachsen waren, litt Alex tief im Inneren immer noch darunter. Sie versuchte sich klarzumachen, dass es idiotisch war, keinen Menschen an sich heranzulassen aus Angst, er werde ihr wieder entrissen. Doch die Furcht, dass es wieder passieren könnte, wollte nicht weichen.
Alex wusste, dass sie nur deswegen mit zweiundzwanzig Jahren noch ungebunden war, und fragte sich, ob das für den Rest ihres Lebens so bleiben würde.
Sie hatte jedoch das Glück gehabt, eine beträchtliche Erbschaft zu machen, mit der sie ihr Studium finanzieren, das Haus kaufen und damit den Aufenthalt im Kloster hinter sich lassen konnte. Nicht, dass sie diese Zeit als Belastung empfunden hätte.
Als sie unmittelbar nach dem Schulabschluss an die Universität gegangen war, hatte man sie im Kloster als Aushilfskraft eingestellt und bei der Betreuung der jüngeren Internatsschüler eingesetzt. Sie konnte gut mit Kindern umgehen, insbesondere mit denen, die weit weg von zu Hause und oft traurig waren. Der Grund dafür lag wahrscheinlich darin, dass sie selbst viele Schulwechsel und Ortsveränderungen erlebt hatte.
Es war eine ziemliche Umstellung gewesen, nach dem Klosterleben in ein eigenes Zuhause zu ziehen, zumal sie in einer Gemeinschaft beschäftigt gewesen war, in der es kein Alleinsein und keine Untätigkeit gab. Nach einer kurzen Zeit der Orientierungslosigkeit hatte sie allerdings gelernt, ihr eigenes Reich und ihre Freiheit zu schätzen.
Alex legte ihre Schlüssel auf den Esstisch, stellte ihr Gepäck auf die Couch und ging durch den Raum, um die Lampen einzuschalten.
Das sanfte, warme Licht ließ das Wohnzimmer friedlich und einladend erscheinen, und sie war stolz darauf, dass sie einige Möbelstücke aus zweiter Hand eigenhändig restauriert hatte.
Sie streifte ihre Kleidung ab und ging unter die Dusche. Danach tappte sie in die Küche, dem Raum, der ihr wahrscheinlich am besten gelungen war. Sie bereitete sich Tee und ein Sandwich und trug beides ins Schlafzimmer, wo sie nach ihrem bescheidenen Abendessen die Einkaufstüten auf dem Bett ausleerte.
Als sie den Stapel Kleider betrachtete, befand sie nicht ohne Ironie, dass sie beim Kauf zwar einen mäßigenden Einfluss ausgeübt hatte, die Kleider aber nichtsdestoweniger traumhaft waren. Margaret Winston hatte ihren Einwand, die Gäste nicht ausstechen zu wollen und daher lieber dunklen Farben und einfachen Schnitten den Vorzug zu geben, zwar akzeptiert, allerdings darauf bestanden, nur hervorragende Qualität zu kaufen. Das Resultat waren Modelle aus den erlesensten Stoffe: Leinen, Seide, feine Wolle und Crè de Chine. Drei Paar neue Schuhe und exklusive Unterwäsche lagen auch dabei.
Alex war besorgt gewesen wegen der Preise, doch Margaret hatte ihr versichert, diese Ausgaben seien für Max Goodwin nicht mehr als eine Bagatelle.
Nun überkamen sie plötzlich Zweifel. Die Kleidungsstücke waren ganz anders als ihre normale Garderobe. Ob ich das Gespür dafür beim Tragen bekomme? fragte sie sich verunsichert.
Dann kam ihr ein komischer Gedanke. Wie würde Max Goodwin reagieren, wenn er sie in diesen eleganten Outfits sah?
Zu ihrem Erstaunen stellte sie fest, dass sich ihr Puls beschleunigte, und sie atmete tief durch. Vergiss nicht, dass du im Umgang mit ihm sehr, sehr professionell vorgehen musst, mahnte sie sich.
Der nächste Tag verging für Alex wie im Flug.
Die Cocktailparty in Max Goodwins Penthouse sollte um sechs Uhr abends beginnen, doch Margaret Winston hatte sie gebeten, bereits um fünf Uhr dreißig da zu sein. Bis dahin war noch eine Fülle von Terminen zu erledigen, und zudem hatte Simon eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen und sie gebeten, sie möge noch kurz bei ihm vorbeikommen.
Ihren ersten Vormittagstermin hatte sie beim Friseur. Zwei Stunden später betrachtete Alex sich im Spiegel und traute ihren Augen nicht.
Die Strähnchenfolie war abgenommen, ihr Haar gewaschen, geschnitten und geföhnt worden, und das Ergebnis war unglaublich. Aber damit nicht genug: Auch ihre Augenbrauen waren gezupft, ihre Wimpern getuscht und ihre Nägel manikürt.
Doch am meisten staunte sie über ihre Frisur. Keine Spur mehr von mausgrauer Widerspenstigkeit. Weizenblonde Strähnchen brachten Glanzpunkte ins Haar, das jetzt Volumen, Form und Sprungkraft aufwies, wobei seine Tendenz, sich zu kräuseln, vorteilhaft hatte genutzt werden können.
„Gefällt es Ihnen?“, fragte Mr. Roger, der Friseur.
Alex drehte bewundernd den Kopf hin und her. „Es ist … ich kann es kaum glauben. Aber …“, sie wandte sich ratlos zu ihm um, „selber werde ich es so nicht hinbekommen!“
„Natürlich werden Sie das!“, erwiderte er und sah ein bisschen beleidigt drein. „Das macht der Schnitt, und was ich schneide, das hält, glauben Sie mir. Und Sie können es immer noch zusammenbinden, zum Knoten stecken, ganz wie Sie möchten! Mary …“, rief er der Visagistin zu, „du kannst ihr Gesicht machen. Betone besonders die Augen, sieh sie dir an, sie sind auffallend schön!“ Er drehte sich wieder Alex zu. „Und bitte erzählen Sie mir nicht, Sie wollen diese Brille aufsetzen, Schätzchen, das könnte ich nicht ertragen!“
„Nein, auf keinen Fall“, versprach Alex lachend. „Ich würde es nicht wagen – ich habe meine Kontaktlinsen mitgebracht.“
Er tätschelte ihre Schulter. „Kommen Sie gerne jederzeit vorbei und lassen sich frisieren, wenn die nächste große Party ansteht.“
„Ach du meine Güte!“ Vor Erstaunen ließ Simon Wellford seinen Stift fallen, als Alex sich in einem Sessel vor seinem Schreibtisch niederließ. „Ich meine …“
„Schon gut!“ Alex lächelte ihn nachsichtig an und erklärte ihm, weshalb sie sich einer solchen Verwandlung unterzogen hatte. „Ich war ja selbst ziemlich schockiert von dem Ergebnis. Solange ich denken kann, stand ich mit meinem Haar auf Kriegsfuß, dabei musste es nur richtig geschnitten, gefärbt und frisiert werden. Allerdings hat die Prozedur auch ein Vermögen gekostet“, gestand sie.
„Es ist nicht nur dein Haar.“ Simons Blick blieb auf ihrem sorgfältig geschminkten Gesicht haften. „Es ist das Make-up … und die Brille fehlt. Einfach unglaublich. Obwohl …“, sein Blick wanderte tiefer, „die Kleider sind immer noch die alten.“
„Nur bis heute Abend. Also, warum wolltest du mich sehen?“
Simon griff nach einem Ordner. „Goodwin Minerals hat eine Vertraulichkeitsvereinbarung gefaxt. Ich habe unseren Anwalt einen Blick darauf werfen lassen, und er sagt, es gibt nichts daran auszusetzen. Es bedeutet allerdings, dass alles, was du bei diesen Verhandlungen mitbekommst, absolut diskret behandelt werden muss.“ Er reichte ihr einen Stift.
Schwungvoll unterzeichnete Alex das Dokument. „Natürlich.“
„Sie haben auch ein Programm gefaxt, mit allen Veranstaltungen, an denen du teilnehmen wirst.“ Simon schob ein weiteres Blatt über den Tisch.
„Heute Abend Cocktailparty, morgen Mittagessen auf Sovereign Islands, dann drei Tage Pause bis zum Golftag in Sanctuary Cove, eine Bootsfahrt auf dem Fluss, ein Tag auf der Rennbahn und schließlich ein Tanzdiner – wieder auf Sovereign Islands“, las Alex laut und nickte.
Simon sah sie fragend an.
„Ich kenne das schon – Mrs. Winston ist die Liste mit mir durchgegangen. Ich habe den Anlässen in Gedanken gerade die jeweiligen Outfits zugeordnet“, erklärte sie und fügte hinzu: „Ich glaube, nach dem Mittagessen morgen werde ich die drei Tage Pause richtig genießen. Was hat es eigentlich mit Sovereign Islands auf sich?“, fragte sie.
„Das ist eine Insel an der Goldküste. Er besitzt dort ein Haus – sagen wir eine Villa.“ Simon lächelte schief, öffnete eine Schublade und holte ein goldenes Namensschildchen mit marineblauen Emaillebuchstaben hervor, auf dem das Firmenlogo von Goodwin Minerals kunstvoll eingraviert war. „Was hältst du davon?“, fragte er, als er es ihr übergab. „Ziemlich nobel, was?“
Alex strich mit den Fingern über das Schild. „Ja“, sagte sie und packte es in ihre Tasche.
„Also …“, Simon lehnte sich zurück und sah ihr fest in die Augen, „meinst du, du schaffst es, Alex?“
„Habe ich dich jemals im Stich gelassen, Simon?“
„Nein, aber beim Dolmetschen am Telefon und beim Übersetzen am Schreibtisch bist du nicht dem Druck ausgesetzt, den du hast, wenn du vor Ort dolmetschst.“
„Ich weiß, doch ich habe mich gestern Abend ein paar Stunden lang in eine Chinesisch-DVD vertieft – ich denke, ich bin gut vorbereitet.“
Er sah sie prüfend an. „Nun, ich stelle mir vor, es wird hauptsächlich Small Talk sein, aber dennoch – viel Glück! Dir ist klar, dass uns dein Einsatz eine Menge Folgeaufträge einbringen kann?“
Alex erhob sich. „Simon, das sagst du mir jetzt schon zum x-ten Mal – ja, es ist mir klar. Und wenn du nichts dagegen hast, geh ich jetzt und schnuppere ein wenig Luxus. Also …“
„Wie ist er so? Max Goodwin?“
Alex dachte nach. „Sehr clever, würde ich sagen. Daran gewöhnt, seinen Willen durchzusetzen. Und furchtbar reich.“ Sie wollte zur Tür gehen.
„Daran habe ich nicht gezweifelt“, erwiderte Simon trocken. „Er stammt aus einer Familie, die schon immer sehr wohlhabend war. Seine Großmutter ist die Tochter eines italienischen Grafen, und seine Schwester ist mit einem englischen Baronet verheiratet. Auf jeden Fall geht das Gerücht, dass da ein Sohn aufgetaucht sein soll, von dessen Existenz Goodwin nichts wusste.“
Alex sah ihrem Chef ins Gesicht. Simon Wellfords Schwester Cilla hatte in die High Society eingeheiratet, daher gab er in der Firma öfter Promiklatschgeschichten zum Besten.
„Von dessen Existenz er nichts wusste?“, wiederholte sie. „Wie, um Himmels willen, ist das denn möglich?“
Simon zuckte die Schultern. „Wer weiß? In Max Goodwins Leben hat es einige Frauen gegeben. Jedenfalls wird gemunkelt, er sei, gelinde ausgedrückt, nicht sehr erfreut gewesen.“
Alex setzte sich wieder hin. „Wie kann man nur über sein eigenes Kind ‚nicht sehr erfreut’ sein?“
Simon trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. „Frag mich nicht, Alex. Cilla ist pikiert, weil sie keine weiteren Einzelheiten in Erfahrung bringen konnte.“ Er machte ein Gesicht, als wäre ihm gerade ein Licht aufgegangen. „Und wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich ihm die Frage auch nicht stellen.“
Alex lehnte sich zurück. „Als ob bei mir diese Gefahr bestünde!“, gab sie scharf zurück.
„Na, da bin ich mir nicht so sicher. Ich habe den Eindruck, dass du …“, Simon Wellford zögerte ein wenig, „… so eine Art Gutmensch bist.“
„Keinesfalls. Oder doch, ja“, korrigierte sie sich, „aber ich würde mich nie in etwas einmischen, das mich nichts angeht. Trotzdem kann ich es nicht verstehen.“ Sie runzelte die Stirn.
Simon stand auf und strich sich durchs Haar. „Es tut mir leid, dass ich es dir überhaupt erzählt habe! Lass dich im Umgang mit Goodwin bloß nicht davon beeinflussen, hörst du“, bat er sie inständig.
„Natürlich nicht. Ich werde diese Sache absolut professionell handhaben, Simon“, versicherte sie ihrem Chef.
„Dann ist es gut.“
Um fünf Uhr dreißig, die Abenddämmerung zog langsam auf, kam Alex in Max Goodwins Penthouse an. Beim Anblick dessen, was sie sah, blieb sie abrupt stehen.
Als sie das letzte Mal hier gewesen war, hatten Vorhänge die Glastür zu einer Terrasse mit Swimmingpool verdeckt. Nun waren sie geöffnet, und man sah den Pool, der, von einer Unterwasserbeleuchtung angestrahlt, nur so funkelte. Aber damit nicht genug. Zum Schutz vor der kühlen Nachtluft war die Terrasse mit Wandschirmen geschlossen worden und ähnelte nun täuschend einem Bühnenbild des Musicals South Pacific.
Ein Einbaum schaukelte auf dem Wasser, ein kleiner Sandstrand war aufgeschüttet worden, und überall standen tropische Pflanzen – echte Palmen und Hibiskussträucher. Das Servicepersonal trug Blumenkränze, Sarongs und Baströcke, und im Hintergrund rieselte leise Musik. Die Tische, auf denen die Kanapees und die Getränke standen, waren mit Palmenblättern belegt und mit exotischen Blüten dekoriert.
Alles war so gekonnt hergerichtet, so naturgetreu nachgebildet, dass man sich auf einer Insel im Südpazifik wähnte.
Alex drehte sich um und stieß auf Margaret Winston, die hinter ihr stand. „Das ist einfach großartig!“
Margaret lächelte. „Wir tun unser Bestes. Nun lassen Sie sich einmal in Augenschein nehmen.“
Alex sah an sich herab. Über einem schwarzen Top trug sie eine hauchzarte schwarze Bluse mit hellgrauen Tupfen, dazu einen engen schwarzen Rock, der knapp oberhalb des Knies endete. Seidenstrümpfe und schwarze Pumps ließen ihre Beine lang und elegant erscheinen.
Die Kleidung war dezent und geschmackvoll, wie sie fand, doch obwohl ihre neue Frisur sie selbst in Staunen versetzte, war sie sich der beachtlichen Verwandlung, die sie durchlaufen hatte, nicht im vollen Umfang bewusst.
Noch bevor Margaret einen Kommentar abgeben konnte, kam Max Goodwin auf sie zu.
Er begutachtete Alex flüchtig, aber umfassend, unterdrückte einen Fluch und sagte stattdessen mit offensichtlichem Missfallen an seine Sekretärin gewandt: „Herrgott noch mal, Margaret! Was ist denn das hier?“
Margaret Winston bemerkte, wie Alex erstarrte, einen angstvollen Blick in den Augen, wie ein von Scheinwerfern geblendetes Reh. „Aber Mr. Goodwin, sie sieht doch wundervoll aus!“, protestierte sie.
„Wundervoll?“, knirschte Max. „Sie sieht …“
Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden, denn Alex drehte sich auf dem Absatz um und rannte zum Lift.
Er konnte sie gerade noch abfangen, bevor sie auf den Knopf drückte, und fasste sie am Ellbogen. „Würden Sie mich bitte ausreden lassen, Alex“, forderte er knapp. „Ich wollte sagen, Sie sehen umwerfend schön aus.“
Alex hob den Kopf und sah ihn ungläubig an. „Das meinen Sie doch nicht ehrlich“, unterstellte sie ihm mit heiserer Stimme. „Bitte lassen Sie mich gehen.“
„Nein. Kommen Sie mit.“ Er verstärkte seinen Griff um ihren Ellbogen und führte sie aus dem Foyer in einen Nebenraum, einen kleineren, privaten Salon mit bequemen Polstermöbeln, die in beruhigenden Grüntönen gehalten waren. Er schloss die Tür hinter sich. „Was ich gesagt habe, meine ich ernst.“
„Aber das ergibt keinen Sinn.“ Alex verschlang die Finger ineinander und betete darum, nicht in Tränen auszubrechen. „Wieso, um alles in der Welt, sind Sie dann so verärgert?“
Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Weil das Letzte, das ich im Moment gebrauchen kann, eine Dolmetscherin ist, die den anderen die Schau stiehlt. Außerdem kann ich es nicht zulassen, dass der Eindruck entsteht, Sie und ich stünden uns privat nahe.“
Alex wechselte die Farbe, entgegnete dann aber mit fester Stimme: „Ich glaube nicht, dass das irgendjemandem in den Sinn käme!“
„Meine Liebe …“, Max trat einen Schritt zurück und musterte sie von Kopf bis Fuß, „ich versichere Ihnen, mir käme es in den Sinn. Sie sehen unglaublich elegant aus, und Schwarz steht Ihnen ausgesprochen gut, es lässt Ihren hellen Teint geradezu strahlen. Ihre Augen sind bestechend schön, sie schimmern heute grün, und wieso haben Sie mir nicht gesagt, dass Sie so umwerfend lange Beine haben?“, fügte er hinzu.
„Weil Sie das nichts angeht“, konterte sie. „Ich meine … nun, es sind doch nur Beine, nichts weiter.“
„Ganz und gar nicht“, widersprach er. „Es sind die aufregendsten Beine, die ich seit Jahren gesehen habe. Deshalb frage ich mich, wie Sie es vorgestern Vormittag geschafft haben, so … unvorteilhaft auszusehen.“
Alex flocht ihre Finger ineinander. „Das war die Winterkleidung. Außerdem hatte ich Skiunterwäsche an.“ Sie hielt inne.
„Machen Sie weiter. Das klingt interessant.“
Alex verzog das Gesicht. „Sie haben mich gefragt.“
Einen Moment lang zeigte Max Goodwin überhaupt keine Regung, dann erschien ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. „Sie hatten Glück, dass es hier so kalt war.“
„Ja“, stimmte sie zu und blickte gleich darauf etwas verstört drein. „Ich weiß immer noch nicht, ob ich Ihnen glauben soll.“
„Ich pflege nicht zu lügen.“
„Aber Sie waren es doch, der wollte …“, etwas benommen schüttelte sie den Kopf, „dass ich … mehr aus mir mache. Ehrlich gesagt, hatte ich das Gefühl, Sie befürchteten, ich würde Sie blamieren.“
„Ich gebe zu, das stimmt.“ Er unterdrückte ein Lächeln. „Aber wissen Sie, auch wenn ich tatsächlich eine vernichtende Bemerkung über Ihr Erscheinungsbild hätte machen wollen, so wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass Ihnen das so nahegehen würde.“
Alex blinzelte verwundert.
Er zuckte die Schultern. „Ich war mir sicher, dass es Ihnen völlig gleichgültig ist, was ich von Ihrem Kleidungsstil halte.“
Einen Moment lang dachte sie über das nach, was er gesagt hatte, und ihre Wangen röteten sich erneut. Sie wünschte sich sehnlich, ihm klarmachen zu können, wie unrecht er hatte. Aber natürlich war es dafür zu spät. Sie nagte an ihrer Unterlippe.
„Ich …“, begann sie zaghaft. „Es ist … Sehen Sie …“, sie gestikulierte frustriert, „… das muss wohl so ein Frauending sein. Ich meine, es ist wahrscheinlich der einzige Bereich, in dem ich unsicher bin.“ Sie hielt inne und rang um Fassung. „Ich habe mich gefragt, ob ich am Ende etwa vollkommen unmöglich aussehe“, gestand sie ihm kleinlaut.
„Nein. Im Gegenteil.“
Alex sah ihn lange wortlos an. Sie hatte sich noch nie viele Gedanken über Männermode gemacht und wusste nicht, dass es sich bei seinem anthrazitfarbenen Anzug um eine Maßanfertigung aus einem feinen, weichen Wolle-Kaschmir-Gemisch handelte, doch die perfekte Passform war sofort zu erkennen. Max Goodwin trug dazu ein weißes Hemd mit grauen Streifen, eine passende Krawatte, und an den Ärmeln schimmerten dezent Manschettenknöpfe aus Platin. Und dazu kamen sein dunkles Haar und sein gutes Aussehen …
Es wird wohl eher er sein, der den anderen die Schau stiehlt, dachte sie unvermittelt. Aber weshalb war er dann noch nicht verheiratet? Er war immerhin schon Mitte dreißig. Und warum war er nicht sehr erfreut zu erfahren, dass er einen Sohn hatte?
„Miss Hill?“
Alex fuhr aus ihren Gedanken hoch. „Entschuldigen Sie. Was sagten Sie?“
„Gar nichts. Aber Sie haben mich angesehen, als ob ich … ich weiß nicht recht.“ Seine Augen verengten sich. „Etwas Böses getan hätte? Oder ein außerirdisches Wesen wäre?“
Alex musste kichern. „Das könnte sein. Aber … hören Sie, möchten Sie, dass ich schnell nach Hause fahre und mich umziehe?“
Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort, sah auf seine Uhr und schüttelte den Kopf. „Das würde zu knapp. Es wird so gehen müssen. Ignorieren Sie einfach jedwede übertriebene Schmeichelei und …“
„Ich bin kein dummes, leicht zu beeindruckendes kleines Mädchen, Mr. Godwin!“, fiel Alex ihm ins Wort.
„Nein. Aber Sie sind wahrscheinlich noch nie in der Öffentlichkeit aufgetreten und haben dabei ausgesehen wie jemand, der das Titelblatt einer Modezeitschrift zieren könnte. Außerdem liegt es in der Natur der Menschen, dass sie sich fragen, ob eine so schöne Frau wie Sie tatsächlich nur mit ihrem Chef arbeitet oder ob er auch mit ihr ins Bett geht!“ Wieder wirkte er verärgert.
„Was habe ich gesagt?“, fuhr er nach einem Moment stirnrunzelnd fort. „Ach ja, ignorieren Sie einfach die Schmeicheleien, und bleiben Sie an meiner Seite. Übrigens, was meinten Sie damit, als Sie sagten, Sie hätten einen mäßigenden Einfluss ausgeübt?“
Alex zögerte einen Moment. „Es gab da einen sehr viel kürzeren Rock, der zu diesem Oberteil gepasst hätte“, erklärte sie dann.
„Und Margaret hätte er gefallen?“
Alex witterte aus irgendeinem Grund plötzlich Gefahr. „Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich habe eine Unmenge Kleider anprobiert. Spielt es eine Rolle?“
„Nein“, gab Max grimmig zurück, während ihm gleichzeitig der Gedanke durch den Kopf schoss, dass er der aufgeweckten Miss Hill nicht glaubte. Außerdem, welches Spiel spielte Margaret denn da? Wollte sie ihn etwa mit diesem Mädchen verkuppeln?