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Die bitteren Tränen nach einem Streit mit ihrem Vater sind schuld - Sophie fährt einen teuren Sportwagen an! Aber es kommt noch viel schlimmer: Der Besitzer ist der sexy Millionär Matias Rivero, der sie glatt erpresst. Entweder sie bezahlt den Schaden sofort. Was unmöglich ist, denn sie hat praktisch kein Geld! Oder ihr Cateringservice versorgt die Gäste auf einer exklusiven Party, die der berühmt-berüchtigte Unternehmer bald veranstaltet. Dabei verrät Matias‘ kaltes Lächeln, dass das noch lange nicht alles ist, was er von ihr verlangt …
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Seitenzahl: 189
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2017 by Cathy Williams Originaltitel: „Legacy of His Revenge“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 192018 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Marina Michaelsen
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733710415
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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„Er hat eine Tochter!“
Überrascht blickte Matias Rivero von seinem Schreibtisch auf. Sein Freund Art Delgado hielt ihm zur Bekräftigung ein Foto auf seinem Smartphone entgegen.
Matias und Art waren beide zweiunddreißig Jahre alt. Äußerlich gaben der große, muskulöse und gut aussehende Matias und der kleine, etwas nüchtern wirkende Brillenträger Art ein ziemlich ungleiches Paar ab. Dennoch verband sie schon seit der Schulzeit eine enge Freundschaft miteinander. Mittlerweile hatte Matias ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut, und Art war zu seinem engsten Mitarbeiter geworden.
Matias bedeutete Art, sich zu setzen, und lehnte sich über den Schreibtisch, um ihm das Telefon aus der Hand zu nehmen. Die drei Bilder, die Art aufgenommen hatte, zeigten eine kleine, unscheinbare Frau vor Carneys Villa. Sie stieg in ein Auto, das aussah, als würde es jeden Moment den Geist aufgeben.
Unwillkürlich fragte sich Matias, warum sie keinen Wagen fuhr, der besser zu ihr passte, da doch für ihren Vater das soziale Image seit jeher im Vordergrund stand. Aber noch brennender interessierte ihn eine andere Frage.
„Wie kann es sein, dass ich erst jetzt von dieser Frau erfahre?“, knurrte er, als er Art das Handy zurückgab und sich in den Bürostuhl zurücklehnte. „Und wieso bist du dir überhaupt so sicher, dass sie wirklich seine Tochter ist?“
Um sie herum herrschte Stille. Die anderen Angestellten hatten sich längst von der sommerlichen Hitze in den Feierabend locken lassen. Kein dringendes Tagesgeschäft erforderte jetzt Matias’ Aufmerksamkeit, auch seine letzte Affäre hatte er schon vor einigen Wochen abserviert. So konnte er sich voll und ganz auf diese neueste Entwicklung seiner Rachepläne konzentrieren.
„Sie hat es mir selbst erzählt“, erklärte Art, wobei er besorgt die Nickelbrille zurechtrückte.
Nachdenklich trat Matias an das große Panoramafenster seines Büros und blickte aus schwindelnder Höhe auf die betriebsamen Londoner Straßen hinab.
„Wie meinst du das? Woher kommt plötzlich diese Tochter? Soviel ich weiß, war Carney zwar verheiratet, aber Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen.“
In Wahrheit hatte er sich für James Carneys Privatleben nie interessiert. Es war ihm immer nur darum gegangen, seinen Erzfeind und dessen Unternehmen zu ruinieren. Diese Firma, davon war Matias überzeugt, hätte Carney niemals gehören dürfen, denn ihr Erfolg beruhte auf einer Erfindung, die nicht Carney, sondern Matias’ Vater zuzuschreiben war.
Vergeltung war die treibende Kraft gewesen, die Matias einen Abschluss mit mehrfachen Auszeichnungen hatte machen lassen. Nach zwei Jahren als Investmentbanker hatte er genügend Geld und Kontakte zusammen gehabt, um sich selbstständig zu machen und war mithilfe von Firmenfusionen und der Übernahme maroder Unternehmen immer mächtiger geworden, je reicher seine Geschäfte ihn machten.
Währenddessen hatte Matias geduldig darauf gewartet, dass auch Carneys Unternehmen eines Tages angreifbar wurde. Und so war es schließlich gekommen. Jetzt musste er nur noch entscheiden, auf welche Weise er den Untergang seines Feindes herbeiführen wollte. Würde er Firmenanteile aufkaufen und damit den Markt überfluten, sodass es zu einem vorzeitigen Kurseinbruch käme? Oder sollte er warten, bis das Unternehmen derart marode war, dass er eine feindliche Übernahme einleiten konnte? In der Wahl lag die Qual.
Inzwischen hatte er sich schon so lange mit seiner Rache beschäftigt, dass er damit beinahe keine Eile mehr hatte. Doch vor drei Wochen war etwas passiert, das seinen Hass auf Carney erneut hell auflodern ließ. Seine Mutter war ins Krankenhaus gekommen, und als er ihr eine Tasche mit Wechselwäsche gepackt hatte, waren dabei Briefe aufgetaucht, die seinen Hass wieder angefacht hatten.
„Erzähl schon, Art“, setzte er nach, als er an seinen Schreibtisch zurückkehrte. Plötzlich fühlte er sich rastlos. Nach all den Jahren wollte er die Sache endlich ins Rollen bringen. „Du hast also mit ihr geredet? Wie hast du das angestellt?“
„Reiner Zufall“, gestand sein Freund. „Ich wollte gerade in Carneys Einfahrt einbiegen, als sie herausgeschossen kam. In der Kurve hat sie die Kontrolle über den Wagen verloren und ist mir ins Auto gefahren.“
„Wie? Sie hat mein Auto gerammt? Welches?“
„Den Maserati. Eine hässliche Delle, fürchte ich. Aber reg dich nicht auf: Das lässt sich alles regeln. Ihr eigener Wagen war leider mehr oder weniger ein Totalschaden.“
„Also gut, sie rammt mein Auto …“ Darauf würde er später noch zurückkommen. „Und dann steigt sie einfach aus und erzählt dir, wer sie ist?“
„Du glaubst mir nicht, aber so ähnlich war es tatsächlich. Sie war natürlich durcheinander nach dem Unfall. Ich habe sie gefragt, ob das Carneys Anwesen sei. Und sie antwortete, ja, sie hätte ihren Vater gerade besucht. Und dann meinte sie, dass er schlechte Laune hätte und ich an einem anderen Tag wiederkommen soll.“
Eine Weile schwieg Matias. Schließlich murmelte er: „Er hat also wirklich eine Tochter.“
„Und sie scheint sogar ausgesprochen nett zu sein, Matias.“
„So ein Quatsch! Carney ist ein mieser Dreckskerl. Wie sollte der etwas zeugen, das auch nur annähernd nett wäre?“
Beim Anblick von Arts Gesichtsausdruck wurde Matias jedoch weicher zumute. Sein Freund hatte sich einen Glauben an das Gute im Menschen bewahrt, der ihm selbst vollkommen abging. Sowohl Art als auch Matias stammten aus einfachen Verhältnissen, doch nur Matias hatte hautnah erfahren müssen, wie ein Verbrechen das eigene Leben bestimmen konnte.
Sein Vater, Tomas Rivero, war ein Student mit außergewöhnlichen mathematischen Fähigkeiten gewesen, als er James Carney kennengelernt hatte. Leider hatte er überhaupt keinen Geschäftssinn gehabt. Als er mit vierundzwanzig ein Computerprogramm zur Analyse experimenteller, noch nicht zugelassener Medikamente entwickelt hatte, hatte Carney viel schneller erkannt, welches Potenzial in dem Programm steckte.
Der durchtriebene, aber charismatische Carney hatte sich mit dem arglosen Tomas angefreundet und sich dessen bedingungsloses Vertrauen erschlichen. So war es ihm mit den entsprechenden Verträgen gelungen, dass aller Gewinn aus der Software in Carneys Tasche floss. Tomas selbst war mit einem drittklassigen Job im Management von Carneys Familienunternehmen abgespeist worden.
Matias hatte erst nach und nach von der Geschichte erfahren, doch seine Eltern hatten nie von Rache gesprochen. Tatsächlich lehnte Rose Rivero jeden Gedanken an Vergeltung kategorisch ab. „Geschehen ist geschehen“, pflegte sie dazu zu sagen.
Doch Matias hatte seinen Vater in den stillen Momenten erlebt, in denen die Enttäuschung zum Vorschein gekommen war. In einem schäbigen Hinterzimmer zu hocken, während ein anderer die Lorbeeren für die eigene Erfindung erntete: Matias wusste, dass sein Vater sich von dieser Enttäuschung nie erholt hatte. Er hatte die jämmerliche Stelle bei Carney nur wenige Jahre behalten, bis er zu einer anderen Firma gewechselt war. Zu diesem Zeitpunkt war Tomas’ Gesundheit allerdings bereits ziemlich angeschlagen gewesen. Inzwischen war Matias’ Vater schon über zehn Jahre tot.
Nein, Matias wollte nicht so nachsichtig sein wie seine Mutter. Für ihn war Rache zu einer Mission geworden, und die Briefe, die er gefunden hatte, gaben diesem Bedürfnis zusätzliche Nahrung.
„Sie muss dir ihre Versicherungsdaten gegeben haben“, nahm er das Gespräch wieder auf. „Wie heißt sie?“
„Ich hatte noch keine Gelegenheit, mir die Unterlagen anzuschauen, aber ich habe ein Foto davon gemacht.“ Art seufzte, weil er zweifellos ahnte, welche Richtung Matias’ Gedanken einschlugen.
„Gut, schick es mir“, erwiderte Matias zufrieden. „Und dann brauchst du dich nicht weiter darum zu kümmern. Das übernehme ich.“
„Wieso?“, fragte Art rundheraus. Niemand außer ihm hätte es gewagt, so direkt zu werden.
„Sagen wir, ich möchte sie näher kennenlernen. Wissen ist Macht, Art, und ich bereue jetzt, dass ich mich so wenig mit Carneys Privatleben beschäftigt habe. Aber guck nicht so besorgt! Wenn sie wirklich so nett ist, wie du behauptest, werde ich sie schon nicht fressen.“
„Deiner Mutter würde das ganz und gar nicht gefallen.“
„Meine Mutter ist zu gut für diese Welt.“
Einen Moment lang hatte Matias Rose Riveros Bild vor Augen, die sich gerade in einem der besten Londoner Krankenhäuser von einem Schlaganfall erholte. Im Grunde war auch ihre Krankheit allein Carneys Schuld, denn so wie der Verrat Tomas krank gemacht hatte, konnte Rose den frühen Tod ihres Mannes nicht verwinden.
Wenn Carney wüsste, mit welcher Macht die Rache jetzt auf ihn zukommt …
Als Sophie Watts an dem imposanten gläsernen Wolkenkratzer hinaufsah, sank ihr der Mut. Der Mann, dessen Auto sie versehentlich gerammt hatte, war am Telefon so nett gewesen. Sogar für die Sache mit der Versicherung hatte er Verständnis gezeigt. Sie würde kommen und es persönlich regeln müssen, hatte er gesagt, aber sie würden sicherlich eine Lösung finden. Leider wirkte das Gebäude, vor dem sie jetzt stand, überhaupt nicht so, als arbeiteten hier derart verständnisvolle Menschen.
Sie presste ihre übergroße Tasche an sich. Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre in dem kleinen Haus in East London verschwunden, wo sie in aller Ruhe ihrem bescheidenen Cateringgeschäft nachgehen konnte.
Es war allzu offensichtlich, dass sie hier nicht hingehörte: ein kleines, rundliches Mädchen mit widerspenstigem Haar, einem Blümchenkleid und Sandaletten zwischen all den jungen Frauen, die in stylischen Businessoutfits und auf High Heels zur Arbeit strömten. Allerdings hatte sie überhaupt keine andere Wahl, als sich ihnen anzuschließen und ebenfalls durch die gläsernen Türen zu treten.
Das Foyer bestand aus einer kalten Mischung aus Marmor, Glas und Metall. Hier und da standen Sitzgruppen, die hübsch aussahen, aber erstaunlich ungemütlich wirkten. Offensichtlich wollte das Management niemanden zum Herumlungern anstiften. Ihr gegenüber war eine ganze Reihe Rezeptionisten damit beschäftigt, Auskünfte zu erteilen. Hinter einem Arrangement aus Zwergpalmen öffneten und schlossen sich die glänzenden Aufzugtüren ununterbrochen.
Das alles weckte in Sophie eine fast körperliche Sehnsucht nach ihrer Küche, wo sie und Julie backten, kochten und Pläne schmiedeten für die exklusive Bäckerei, die sie eines Tages eröffnen wollten. Wie schön wäre es, jetzt den Stoff ihrer Schürze zu spüren, den Geruch frisch gebackenen Kuchens einzusaugen und die Menüvorschläge für ihre Cateringaufträge durchzugehen!
Stattdessen geriet sie hier ins Stocken, als sie am Empfang ihren Namen nennen sollte. Vor lauter Nervosität bekam sie nicht mit, was die smart gekleidete junge Frau antwortete. Doch dann blinzelte sie und erkannte, dass es ein Missverständnis gegeben hatte.
„Ich kenne keinen Mr. … River“, erwiderte sie höflich.
„Rivero“, verbesserte die junge Frau mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Ich bin mit Mr. Delgado verabredet.“
„Einen Termin haben Sie allerdings bei Mr. Rivero. Seine Sekretärin erwartet Sie im zehnten Stock.“ Die Rezeptionistin reichte ihr einen Besucherausweis. „Bitte stecken Sie sich diesen Ausweis an und nehmen ihn nicht ab, solange Sie bei uns sind. Andernfalls geleitet unsere Security Sie direkt zum Ausgang.“
Eingeschüchtert tat Sophie, wie ihr gesagt wurde. Ihr Herz klopfte lautstark, als sie den überfüllten Aufzug betrat. Sie hatte sich darauf verlassen, ihre schwierige Lage mit dem sympathischen Mr. Delgado besprechen zu können. Wer war nun dieser Mr. Rivero?
Im zehnten Stockwerk angekommen waren ihre Nerven zum Zerreißen gespannt. Die Sekretärin, die sie zunächst mitleidig betrachtet hatte, brachte sie in ein geräumiges Büro und stellte sie dort ab wie ein unerwünschtes Paket.
Sekundenlang verharrte Sophie direkt an der Tür, die Tasche fest an sich gepresst. Mit großen Augen sah sie sich in dem schier überwältigenden Raum um, bis ihr bewusst wurde, dass jemand hinter dem Schreibtisch saß. Es war, als würden sich ihre Sinne erst nach und nach scharfstellen auf den attraktivsten Mann, den sie je gesehen hatte. Ihre Atmung verlangsamte sich, und obwohl ihr klar war, dass sie ihn anstarrte, konnte sie den Blick nicht abwenden. Sein Haar war tiefschwarz, und seine Augen hatten die Farbe feinster Zartbitterschokolade. Das Gesicht trug derart perfekte Züge, dass es wie gemeißelt wirkte. Insgesamt verströmte dieser Mann einen atemberaubenden Sexappeal, der zweifellos die Blicke aller Frauen auf sich zog.
Die Stille zwischen ihnen wurde länger und länger, und schließlich erkannte sie, dass sie sich gerade vollkommen lächerlich machte.
„Miss Watts“, durchbrach er das Schweigen. „Wollen Sie nicht endlich hineinkommen?“ Er stand weder auf, um ihr die Hand zu reichen, noch lächelte er. Stattdessen nickte er nur in Richtung eines Ledersessels, der vor seinem Schreibtisch stand. „Setzen Sie sich.“
Unsicher trat Sophie näher und überlegte, ob sie ihm die Hand geben sollte. Doch sein Gesichtsausdruck war derart abweisend, dass sie sich dagegen entschied und lieber direkt Platz nahm. Augenblicklich begann sie mit der Erklärung, die sie sich zurechtgelegt hatte.
„Mr. … äh … Rivero. Das mit dem Auto tut mir schrecklich leid! Ich habe Ihren Freund nicht gesehen. Wissen Sie, die Kurve ist furchtbar schlecht einzusehen, vor allem im Sommer. Ich gebe zu, dass ich vielleicht etwas zu schnell gefahren bin, aber – ganz ehrlich – es war überhaupt keine Absicht!“ Sie hätte hinzufügen können, dass ihr Tränen die Sicht genommen hatten, weil das Gespräch mit James Carney so aufwühlend gewesen war. Doch das ließ sie lieber unerwähnt.
Matias betrachtete ihr gerötetes und überraschend hübsches Gesicht. Normalerweise interessierte er sich für große, schlanke Models mit auffällig fotogenen Zügen. Dennoch fühlte er sich zu dieser Frau, die seinem Typ so gar nicht entsprach, auf eigenartige Weise hingezogen. Es schien irgendwie mit der Zartheit ihrer Haut zusammenzuhängen, mit dem Vanilleton des widerspenstigen Haars oder mit den klaren, aquamarinblauen Augen. Oder vielleicht war es auch einfach nur die Verbindung zu Carney, die sie für ihn interessant machte.
Noch kannte er nicht die ganze Wahrheit hinter der Beziehung zu ihrem Vater, aber er würde sie schon herausbekommen. Und dann würde er schauen, was sie noch über ihn wusste. Je mehr er gegen Carney in der Hand hatte, desto besser.
„Mitarbeiter“, verbesserte er, damit sie gar nicht erst auf die Idee kam, seine Freundschaft zu Art auszunutzen.
„Entschuldigung?“
„Art Delgado ist mein Mitarbeiter. Es war mein Maserati, den Sie gerammt haben. Miss Watts, wissen Sie, wie viel so ein Auto kostet?“
„Nein“, erwiderte sie schwach. Er hatte eine seltsame Wirkung auf sie – als würde seine Anwesenheit allen Sauerstoff aufsaugen und ihr den Atem nehmen.
„Dann will ich Sie mal aufklären.“ Die Summe, die er nannte, ließ sie zusätzlich nach Luft schnappen. „Leider wurde mir gesagt, dass Sie nicht versichert sind.“
„In letzter Zeit war alles so hektisch“, flüsterte Sophie. „Ich weiß noch, dass ich meine alte Versicherung gekündigt habe und mir eine günstigere suchen wollte, aber …“
Matias hob die Hand, um sie zu unterbrechen. „Das interessiert mich nicht“, informierte er sie kühl. „Um direkt zur Sache zu kommen: Der Schaden an meinem Auto beläuft sich auf mehrere Tausend Pfund.“
Ungläubig starrte sie ihn an. „Mehrere Tausend?“
„Allerdings. Es wird nicht damit getan sein, die Beule auszubessern. Die ganze linke Seite muss ersetzt werden. Teure Autos erfordern teure Reparaturen.“
„Das … das wusste ich nicht. So viel Geld habe ich nicht. Ich … als ich mit Mr. Delgado telefoniert habe, meinte er, dass wir eine Lösung finden würden …“
„Leider steht es Mr. Delgado nicht zu, ‚eine Lösung zu finden‘.“ An dieser Stelle hätte sein alter Freund sicherlich eine Augenbraue hochgezogen.
„Ich könnte es Ihnen in Raten zurückzahlen“, schlug Sophie hastig vor. „Ich betreibe zusammen mit einer Freundin einen kleinen Catering-Service. Wir haben erst vor anderthalb Jahren eröffnet. Dafür mussten wir uns eine Menge Geld leihen, um meine Küche an die Lebensmittelstandards anzupassen. Und, na ja, im Moment sind wir nicht unbedingt flüssig, würde ich sagen …“
„Mit anderen Worten: Sie sind pleite.“
„Es läuft sehr gut, Mr. Rivero!“ Ihre Wangen glühten. „Und ich bin sicher, Sie und ich können uns auf einen Ratenplan einigen.“
„Ich habe gehört, Sie sind James Carneys Tochter.“
Obwohl er es ganz beiläufig sagte, erstarrte Sophie.
Sprachlos beobachtete sie, wie er seinen Stuhl zurückschob und an das riesige Panoramafenster trat. Seine gelassene, selbstsichere Art sich zu bewegen, das elegante Spiel der Muskeln unter dem teuren Anzug, seine schlanke, große Gestalt und die selbstverständliche Kraft, die er ausströmte – all das nahm sie gefangen. Als er sich zu ihr umwandte, hatte sie Mühe, seinem Blick standzuhalten.
„Nun?“, setzte er nach und fügte erklärend hinzu: „Art war gerade auf dem Weg zu einem Meeting mit Ihrem Vater, als Sie ihm ins Auto gefahren sind. Ich wusste gar nicht, dass Carney noch Familie hat.“ Er musterte sie genau und war nicht wenig erstaunt, dass sie ihn nicht fragte, was zum Henker ihn Carneys Privatleben eigentlich anging.
Was auch immer sie ist, misstrauisch ist sie jedenfalls nicht.
Doch Sophie fehlten schlicht die Worte. Nach dem erschütternden Gespräch mit ihrem Vater und dem anschließenden Unfall war sie völlig durcheinander gewesen, und der sympathische Art Delgado hatte in ihr ein Vertrauen geweckt, wie sie es selten zu jemandem fasste. Er war so ganz und gar anders gewesen als der Mann, der sie jetzt mit kalten Augen anstarrte.
Da sie nichts erwiderte, wurde Matias’ Neugierde noch weiter angestachelt. „Natürlich geht mich Carneys Privatleben im Grunde nichts an. Doch soweit ich weiß, ist er Witwer, und mit seiner Frau hatte er keine Kinder.“
„Das stimmt“, flüsterte Sophie. Wieder einmal schämte sie sich ihrer Abstammung, für die sie nichts konnte, mit der sie aber leider leben musste.
„Und wie kommen Sie dann ins Spiel?“ Er schien einen Moment zu überlegen. „Oder haben Sie meinem Mitarbeiter eine kleine Notlüge erzählt? Vielleicht war Ihnen die Wahrheit zu peinlich …?“
„Wie bitte?“ Jetzt hatte er ihre Aufmerksamkeit.
„Eine junge Frau wie Sie und eine Affäre mit einem alten Mann? Ich könnte mir vorstellen, dass Ihnen jede Ausrede recht gewesen wäre …“
Sophie schnappte nach Luft. „Das ist ja widerlich!“
„Ich zähle nur eins und eins zusammen.“ Matias runzelte die Stirn und neigte seinen Kopf zur Seite. „Wenn Sie aber nicht seine Geliebte sind, dann muss er während seiner Ehe eine Affäre gehabt haben. Sind Sie das Ergebnis einer Liebesbeziehung?“
Sophie unterdrückte ein bitteres Lachen. Von klein auf hatte sie von ihrer Mutter zu hören bekommen, dass das Ganze mit Liebe herzlich wenig zu tun gehabt hatte. Vor ihrem frühen Tod war Angela Watts eine aufstrebende Schauspielerin gewesen, ein Starlet mit dem Sexappeal einer Marilyn Monroe, dem unzählige Männer nachgestellt hatten. Einer von ihnen war James Carney gewesen. Er hatte sie in einem Club kennengelernt und so lange umworben, bis sie dumm genug gewesen war, an eine gemeinsame Zukunft zu glauben. Doch der reiche, arrogante Carney hatte niemals vorgehabt, sich ernsthaft mit ihr einzulassen – selbst dann nicht, als sie versucht hatte, ihn mit einer Schwangerschaft an sich zu binden. Für ihn war sie nur ein billiges Flittchen mit einem hübschen Gesicht gewesen, und er hatte später eine andere, standesgemäßere Frau geheiratet.
„Er ist mit meiner Mutter ausgegangen, bevor er verheiratet war“, gestand Sophie und setzte endlich hinzu: „Nicht dass das irgendetwas zu tun hätte mit … dem allem hier. Mr. Rivero, ich würde mich freuen, wenn wir uns auf eine Ratenzahlung einigen könnten. Setzen Sie einen Vertrag auf, ich unterschreibe ihn auf der Stelle. Sie werden von mir jeden Penny zurückbekommen, darauf haben Sie mein Wort. Mit Zinsen, wenn Sie wollen.“
Darüber musste Matias lachen. „Sehr nett von Ihnen“, erwiderte er gedehnt, „doch ich glaube nicht an das Unmögliche. Keine Ahnung, was Sie der Bank schulden, aber so wie ich die Lage einschätze, kommen Sie vermutlich gerade so über die Runden. Habe ich recht?“
Wieder legte er den Kopf schief, und Sophie betrachtete ihn voller Abscheu. Sicher, er war unglaublich gut aussehend. Trotzdem hatte sie noch nie jemanden getroffen, den sie auf Anhieb so sehr verachtete. Offensichtlich schwamm er doch im Geld, aber er würde nicht mit der Wimper zucken, wenn er ihre kleine Firma ruinierte, um den Schaden an seinem Auto auszugleichen.
„Natürlich könnten wir einen Ratenplan aushandeln“, stimmte er langsam zu. „Aber ich wäre alt und grau, bevor Sie die Rechnung beglichen hätten.“
Dabei dachte er unwillkürlich, dass ihr Gesicht bemerkenswert unschuldig wirkte. Vielleicht war sie ja doch ganz anders als ihr Vater. Schließlich hatte er vermutlich wenig Einfluss auf ihre Erziehung gehabt. Tatsächlich überraschte es Matias, dass sie überhaupt Kontakt zu Carney pflegte, und er fragte sich, ob seine Ehefrau das zu Lebzeiten auch toleriert hatte.
Ungeduldig schüttelte er den Kopf. Er wollte keine Zeit mit müßigen Gedanken verschwenden. Jetzt galt es herauszufinden, wie Sophie ihm nutzen konnte. Wäre es nicht fantastisch, wenn all die gut verborgenen Leichen in Carneys Keller auf einen Schlag ans Tageslicht kämen?
Matias wusste bereits, dass Carneys Firma massive finanzielle Probleme hatte, und er hatte hinter vorgehaltener Hand erfahren, dass offenbar Betrug im Spiel war. Doch Carney war gerissen genug, seine Spuren gründlich zu verwischen.
Was wenn dieses Mädchen ihm Türen öffnete, hinter denen persönlichere Leichen lagen? Diese Art von Rache war eigentlich unter Matias’ Niveau. Andererseits hatte er jene Briefe bei seiner Mutter gefunden, die das Ganze längst zu einer persönlichen Angelegenheit gemacht hatten …
„Sie könnten Ihren Daddy um Geld bitten“, reizte er sie. Ihm war vollkommen klar, wie ihre Antwort lauten musste.
„Nein!“ Sie stand auf. Ihr Mund war nur noch eine schmale Linie. „Ich werde nicht zulassen, dass Sie meinen … Vater hineinziehen. Und wenn ich dabei bankrottgehe.“ Sie zog eine der Visitenkarten aus ihrer Tasche, die Julie und sie mit so viel Zuversicht und Vorfreude hatten drucken lassen. „Hier haben Sie meine Adresse. Kommen Sie vorbei und sehen sich alles an. Im Grunde ist es nur meine Küche, aber die Einrichtung müsste einiges wert sein. Es stehen noch mehrere große Aufträge aus. Wenn Sie wenigstens so lange warten könnten, bis wir die ausgeführt haben, bekommen Sie den ganzen Gewinn. Ansonsten … werde ich eben mein Haus verkaufen müssen.“
Matias musterte sie ungerührt. Offensichtlich hatte sie sich an einer businessmäßigen Frisur versucht, doch inzwischen wirkte ihr Haar zerzaust, und einzelne Strähnen kräuselten sich um die geröteten Wangen.
Allerdings hatten die großen Augen einen ungewöhnlichen Türkiston, und ihre dichten, dunklen Wimpern bildeten einen reizvollen Kontrast mit dem flachsblonden Haar. Und dann erst ihr Körper …
Unruhig verlagerte er sein Gewicht. Seltsam, dass es ihm überhaupt auffiel, doch sie hatte unter ihrem wirklich abscheulichen Blümchenkleid eine perfekte, ungeheuer weibliche Figur mit üppigem Dekolleté.
Offensichtlich hatte sie keinerlei Geschmack, was Kleidung betraf, und kultiviert war sie auch nicht. Warum um alles in der Welt fand er sie derart anziehend?